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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
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Dieses seltsame Schreiben veranlaßte mich
nach dem Uberbringer mich umzusehen/ aber er
war unvermerckt verschwunden/ welches mir so
viel mehr Nachdencken machte. Servilia und
Didons Augen aber hatten mir bereit einen gar
zu guten Vorschmack von Didons Zuneigung
gegeben/ also/ daß ich mir gar geschwinde eine
vortheilhaftige Auslegung von der Fürstin Di-
do Liebe machte. Unterdessen gelüstete mich
diese Schrifft wohl zehnmal zu lesen/ iedes Wort
liebkosete mir in Gedancken/ und redete mir
gleichsam ein/ daß es eine unverantwortliche
Unhöfligkeit wäre/ einer so annehmlichen Liebes-
Erklärung keine geneigte Erwiederung abzustat-
ten. Jch brachte den Tag in verwirrter Ein-
samkeit/ die Nacht in Unruh zu. Auf den fol-
genden begegnete mir Dido/ als sie mit Livien in
den allen Göttern zu Ehren gebauten Tempel
fuhr/ da sie mir denn noch einmal so schön/ und
vielmal so liebreitzend/ als andere mal fürkam/
also daß ich durch einen geheimen Trieb mich genö-
thigt befand ihr dahin zu folgen. Sie kniete für
dem Bilde der himmlischen Venus/ und ließ selbter
etliche weisse Tauben aufopfern. Meine An-
wesenheit aber stahl der Göttin von Didons
Augen mehr annehmliche Blicke ab/ als sie der-
selben oder andere Andacht ihrem Bilde lieferte.
Als Livia auch für dem Altare des guten Glückes
aufstand/ und der Dido ein Zeichen gab ihr zu
folgen/ sagte diese im vorbeygehen lächelnde zu
mir: Sie hätte der Liebe die weisse Taube/ wel-
che auf der schwartzen Andromeda Haupte ge-
sessen/ geopfert/ daß sie mein Hertze von dem
Hasse der Schwärtze abwendig machen möchte.
Diese Worte begleitete sie mit einer so durch-
dringenden Anmuth/ daß sich meine Seele
gleichsam durch eine Zauberey gantz und gar
verändert befand. Des Nachts stellten mir
die Träume/ des Tages mein Verlangen un-
aufhörlich das Bild der Dido/ als einen Anbe-
tens-würdigen Abgott für. Hatte ich sie einen
Tag nicht gesehen/ dorffte ich mich folgende
Nacht keines Schlafes getrösten; hatte sie mich
[Spaltenumbruch] aber ihres Anblicks gewürdigt/ so wuste ich meine
Freude nicht zu begreiffen. Derogestalt ward
mein Leben eine beständige Unruh. Mit einem
Worte: Jch war verliebet/ und mir lag ein
schwerer Stein auf dem Hertzen/ welchen ich
durch eine der Fürstin Dido auf des Mecenas
Vorwerge geschehende Bekäntnüß abzuweltzen
vermeynte. Aber der nichts minder brennen-
den Dido mir statt der Antwort auf meine
Stimme gegebener Kuß verwirrete mir vol-
lends alle Vernunft/ daß ich noch nicht weiß/
was ich damals für Abschied von ihr genommen
habe. Meine und ihre Flamme ward in bey-
den Hertzen immer grösser/ also/ daß wir sie für
dem nichts minder angesteckten Lucius zu ver-
bergen alle möglichste Sorgfalt/ und dardurch
unser Vergnügung ein grosses abbrechen mu-
sten/ wo anders die Heimligkeit nicht minder eine
Verzuckerung/ als ein Zunder der Liebe ist.

Alleine/ ist es wohl möglich die Liebe zu verste-
cken/ da das gemeine Feuer durch die festesten
Steinklüffte mit ausgespienem Schwefel und
Hartzt; ja durch die unergründlichen Meere
herfür bricht/ und seine Fluthen siedend macht?
Lucius/ welcher sich umb der Dido Liebe so gar
durch verzweifelte Mittel bewarb/ kriegte von
einer Zauberin die Nachricht/ daß einer/ welcher
seiner Buhlschafft am unähnlichsten wäre/ sei-
nem Absehn allein im Wege stünde. Der oh-
ne diß gegen mich argwöhnische Lucius machte
ihm hieraus alsofort einen unzweifelten
Schluß/ daß ich und Dido einander liebeten.
Dieser Verdacht machte ihn zum genauesten
Aufmercker unser Geberdungen/ und hiermit
auch zum Ausspürer unser Hertzen. Weil nun
die Heftigkeit meines Gemüthes keine mittel-
mässige Entschlüssungen vertrug/ setzte er ihm
für/ mir das Licht des Lebens auszuleschen/ und
ihm den Schatten/ welcher seiner Vergnügung
am Lichte stünde/ aus dem Wege zu räumen.
Weil er aber wohl wuste/ daß der Käyser mir ge-
neigt war/ wolte er vor bey der Dido das äuserste
versuchen. Diesemnach setzte er als ein Eifer-

sichtiger
Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch]

Dieſes ſeltſame Schreiben veranlaßte mich
nach dem Uberbringer mich umzuſehen/ aber er
war unvermerckt verſchwunden/ welches mir ſo
viel mehr Nachdencken machte. Servilia und
Didons Augen aber hatten mir bereit einen gar
zu guten Vorſchmack von Didons Zuneigung
gegeben/ alſo/ daß ich mir gar geſchwinde eine
vortheilhaftige Auslegung von der Fuͤrſtin Di-
do Liebe machte. Unterdeſſen geluͤſtete mich
dieſe Schrifft wohl zehnmal zu leſen/ iedes Wort
liebkoſete mir in Gedancken/ und redete mir
gleichſam ein/ daß es eine unverantwortliche
Unhoͤfligkeit waͤre/ einer ſo annehmlichen Liebes-
Erklaͤrung keine geneigte Erwiederũg abzuſtat-
ten. Jch brachte den Tag in verwirrter Ein-
ſamkeit/ die Nacht in Unruh zu. Auf den fol-
genden begegnete mir Dido/ als ſie mit Livien in
den allen Goͤttern zu Ehren gebauten Tempel
fuhr/ da ſie mir denn noch einmal ſo ſchoͤn/ und
vielmal ſo liebreitzend/ als andere mal fuͤrkam/
alſo daß ich durch einẽ geheimẽ Trieb mich genoͤ-
thigt befand ihr dahin zu folgen. Sie kniete fuͤr
dem Bilde der him̃liſchen Venus/ und ließ ſelbter
etliche weiſſe Tauben aufopfern. Meine An-
weſenheit aber ſtahl der Goͤttin von Didons
Augen mehr annehmliche Blicke ab/ als ſie der-
ſelben oder andere Andacht ihrem Bilde lieferte.
Als Livia auch fuͤr dem Altare des guten Gluͤckes
aufſtand/ und der Dido ein Zeichen gab ihr zu
folgen/ ſagte dieſe im vorbeygehen laͤchelnde zu
mir: Sie haͤtte der Liebe die weiſſe Taube/ wel-
che auf der ſchwartzen Andromeda Haupte ge-
ſeſſen/ geopfert/ daß ſie mein Hertze von dem
Haſſe der Schwaͤrtze abwendig machen moͤchte.
Dieſe Worte begleitete ſie mit einer ſo durch-
dringenden Anmuth/ daß ſich meine Seele
gleichſam durch eine Zauberey gantz und gar
veraͤndert befand. Des Nachts ſtellten mir
die Traͤume/ des Tages mein Verlangen un-
aufhoͤrlich das Bild der Dido/ als einen Anbe-
tens-wuͤrdigen Abgott fuͤr. Hatte ich ſie einen
Tag nicht geſehen/ dorffte ich mich folgende
Nacht keines Schlafes getroͤſten; hatte ſie mich
[Spaltenumbruch] aber ihres Anblicks gewuͤrdigt/ ſo wuſte ich meine
Freude nicht zu begreiffen. Derogeſtalt ward
mein Leben eine beſtaͤndige Unruh. Mit einem
Worte: Jch war verliebet/ und mir lag ein
ſchwerer Stein auf dem Hertzen/ welchen ich
durch eine der Fuͤrſtin Dido auf des Mecenas
Vorwerge geſchehende Bekaͤntnuͤß abzuweltzen
vermeynte. Aber der nichts minder brennen-
den Dido mir ſtatt der Antwort auf meine
Stimme gegebener Kuß verwirrete mir vol-
lends alle Vernunft/ daß ich noch nicht weiß/
was ich damals fuͤr Abſchied von ihr genommen
habe. Meine und ihre Flamme ward in bey-
den Hertzen immer groͤſſer/ alſo/ daß wir ſie fuͤr
dem nichts minder angeſteckten Lucius zu ver-
bergen alle moͤglichſte Sorgfalt/ und dardurch
unſer Vergnuͤgung ein groſſes abbrechen mu-
ſten/ wo anders die Heimligkeit nicht minder eine
Verzuckerung/ als ein Zunder der Liebe iſt.

Alleine/ iſt es wohl moͤglich die Liebe zu verſte-
cken/ da das gemeine Feuer durch die feſteſten
Steinkluͤffte mit ausgeſpienem Schwefel und
Hartzt; ja durch die unergruͤndlichen Meere
herfuͤr bricht/ und ſeine Fluthen ſiedend macht?
Lucius/ welcher ſich umb der Dido Liebe ſo gar
durch verzweifelte Mittel bewarb/ kriegte von
einer Zauberin die Nachricht/ daß einer/ welcher
ſeiner Buhlſchafft am unaͤhnlichſten waͤre/ ſei-
nem Abſehn allein im Wege ſtuͤnde. Der oh-
ne diß gegen mich argwoͤhniſche Lucius machte
ihm hieraus alſofort einen unzweifelten
Schluß/ daß ich und Dido einander liebeten.
Dieſer Verdacht machte ihn zum genaueſten
Aufmercker unſer Geberdungen/ und hiermit
auch zum Ausſpuͤrer unſer Hertzen. Weil nun
die Heftigkeit meines Gemuͤthes keine mittel-
maͤſſige Entſchluͤſſungen vertrug/ ſetzte er ihm
fuͤr/ mir das Licht des Lebens auszuleſchen/ und
ihm den Schatten/ welcher ſeiner Vergnuͤgung
am Lichte ſtuͤnde/ aus dem Wege zu raͤumen.
Weil er aber wohl wuſte/ daß der Kaͤyſer mir ge-
neigt war/ wolte er vor bey der Dido das aͤuſerſte
verſuchen. Dieſemnach ſetzte er als ein Eifer-

ſichtiger
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[471/0525] Arminius und Thußnelda. Dieſes ſeltſame Schreiben veranlaßte mich nach dem Uberbringer mich umzuſehen/ aber er war unvermerckt verſchwunden/ welches mir ſo viel mehr Nachdencken machte. Servilia und Didons Augen aber hatten mir bereit einen gar zu guten Vorſchmack von Didons Zuneigung gegeben/ alſo/ daß ich mir gar geſchwinde eine vortheilhaftige Auslegung von der Fuͤrſtin Di- do Liebe machte. Unterdeſſen geluͤſtete mich dieſe Schrifft wohl zehnmal zu leſen/ iedes Wort liebkoſete mir in Gedancken/ und redete mir gleichſam ein/ daß es eine unverantwortliche Unhoͤfligkeit waͤre/ einer ſo annehmlichen Liebes- Erklaͤrung keine geneigte Erwiederũg abzuſtat- ten. Jch brachte den Tag in verwirrter Ein- ſamkeit/ die Nacht in Unruh zu. Auf den fol- genden begegnete mir Dido/ als ſie mit Livien in den allen Goͤttern zu Ehren gebauten Tempel fuhr/ da ſie mir denn noch einmal ſo ſchoͤn/ und vielmal ſo liebreitzend/ als andere mal fuͤrkam/ alſo daß ich durch einẽ geheimẽ Trieb mich genoͤ- thigt befand ihr dahin zu folgen. Sie kniete fuͤr dem Bilde der him̃liſchen Venus/ und ließ ſelbter etliche weiſſe Tauben aufopfern. Meine An- weſenheit aber ſtahl der Goͤttin von Didons Augen mehr annehmliche Blicke ab/ als ſie der- ſelben oder andere Andacht ihrem Bilde lieferte. Als Livia auch fuͤr dem Altare des guten Gluͤckes aufſtand/ und der Dido ein Zeichen gab ihr zu folgen/ ſagte dieſe im vorbeygehen laͤchelnde zu mir: Sie haͤtte der Liebe die weiſſe Taube/ wel- che auf der ſchwartzen Andromeda Haupte ge- ſeſſen/ geopfert/ daß ſie mein Hertze von dem Haſſe der Schwaͤrtze abwendig machen moͤchte. Dieſe Worte begleitete ſie mit einer ſo durch- dringenden Anmuth/ daß ſich meine Seele gleichſam durch eine Zauberey gantz und gar veraͤndert befand. Des Nachts ſtellten mir die Traͤume/ des Tages mein Verlangen un- aufhoͤrlich das Bild der Dido/ als einen Anbe- tens-wuͤrdigen Abgott fuͤr. Hatte ich ſie einen Tag nicht geſehen/ dorffte ich mich folgende Nacht keines Schlafes getroͤſten; hatte ſie mich aber ihres Anblicks gewuͤrdigt/ ſo wuſte ich meine Freude nicht zu begreiffen. Derogeſtalt ward mein Leben eine beſtaͤndige Unruh. Mit einem Worte: Jch war verliebet/ und mir lag ein ſchwerer Stein auf dem Hertzen/ welchen ich durch eine der Fuͤrſtin Dido auf des Mecenas Vorwerge geſchehende Bekaͤntnuͤß abzuweltzen vermeynte. Aber der nichts minder brennen- den Dido mir ſtatt der Antwort auf meine Stimme gegebener Kuß verwirrete mir vol- lends alle Vernunft/ daß ich noch nicht weiß/ was ich damals fuͤr Abſchied von ihr genommen habe. Meine und ihre Flamme ward in bey- den Hertzen immer groͤſſer/ alſo/ daß wir ſie fuͤr dem nichts minder angeſteckten Lucius zu ver- bergen alle moͤglichſte Sorgfalt/ und dardurch unſer Vergnuͤgung ein groſſes abbrechen mu- ſten/ wo anders die Heimligkeit nicht minder eine Verzuckerung/ als ein Zunder der Liebe iſt. Alleine/ iſt es wohl moͤglich die Liebe zu verſte- cken/ da das gemeine Feuer durch die feſteſten Steinkluͤffte mit ausgeſpienem Schwefel und Hartzt; ja durch die unergruͤndlichen Meere herfuͤr bricht/ und ſeine Fluthen ſiedend macht? Lucius/ welcher ſich umb der Dido Liebe ſo gar durch verzweifelte Mittel bewarb/ kriegte von einer Zauberin die Nachricht/ daß einer/ welcher ſeiner Buhlſchafft am unaͤhnlichſten waͤre/ ſei- nem Abſehn allein im Wege ſtuͤnde. Der oh- ne diß gegen mich argwoͤhniſche Lucius machte ihm hieraus alſofort einen unzweifelten Schluß/ daß ich und Dido einander liebeten. Dieſer Verdacht machte ihn zum genaueſten Aufmercker unſer Geberdungen/ und hiermit auch zum Ausſpuͤrer unſer Hertzen. Weil nun die Heftigkeit meines Gemuͤthes keine mittel- maͤſſige Entſchluͤſſungen vertrug/ ſetzte er ihm fuͤr/ mir das Licht des Lebens auszuleſchen/ und ihm den Schatten/ welcher ſeiner Vergnuͤgung am Lichte ſtuͤnde/ aus dem Wege zu raͤumen. Weil er aber wohl wuſte/ daß der Kaͤyſer mir ge- neigt war/ wolte er vor bey der Dido das aͤuſerſte verſuchen. Dieſemnach ſetzte er als ein Eifer- ſichtiger

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 471. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/525>, abgerufen am 22.11.2024.