Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] zur schwartzen Farbe trug; sondern das Römische
Volck spaltete sich ihnen zu Liebe gleichsam in 2. 3.
widrige Farbenbuhler/ also/ daß in denen Schau-
Plätzen mehrmals/ insonderheit wenn Cajus
und Lucius den Spielen beywohnten/ sich hier-
über Zwist ereignete/ und ein Theil dieser/ das
ander Theil der andern Farbe so wohl mit ihren
Kleidern als Ruhmsprüchen beypflichtete. Die-
semnach der Käyser selbst dieser weit aussehenden
Uneinigkeit zu begegnen kein klüger Mittel wu-
ste/ als andere Farben ans Bret/ und in Ansehn
zu bringen/ und dardurch dem Pöfel entweder
seine Eitelkeit zu zeigen/ und zu bestillen/ oder
doch die mehrere Verwirrungen/ wie die schwer-
menden Bienen durch den Rauch zu beruhigen.
Er stellte diesemnach Livien an/ daß sie einen
solchen Tantz hielt/ in welchem sie die Farben als
Schäferinnen aber mit eitel Sclavinnen auf-
führte/ darunter sie selbst als eine Blumen-Göt-
tin der grünen den Siegs-Krantz aufsetzte. Zu-
letzt aber folgte ein Tantz von zwölff grün-ge-
kleideten Närrinnen/ dardurch sie die Erweh-
lung einer gewissen Farbe gleichsam als eine
Thorheit durchzoh; diß aber darmit vorsichtig
verblümet ward/ daß zwar die grüne Farbe mit
allen andern eine Verwandnüß habe/ und also
hochschätzbar/ ja gleichsam der fruchtbaren Na-
tur allgemeine Leib-Farbe sey/ aber doch von der
Gewohnheit zum Aufzuge der Narren gebrau-
chet werde. Servilia hielt auf des Käysers
Befehl einen Tantz/ darinnen vier und zwantzig
Zwerge so viel Farben in Gestalt der Gestirne
aufführeten/ und nach dem Stande der zwölff
himmlischen Zeichen künstliche Stellungen mach-
ten. Sie krönete selbst in Gestalt der Juno die
blaue Himmel-Farbe mit einem Hyacinthen-
Krantze. Zuletzt aber erschienen so viel Todten-
Gerippe/ welche anfangs die Eitelkeit der ängst-
lichen Steröligkeit durch seltsame Geberden ab-
bildeten/ hernach aber/ welches die zum Tode und
Trauren geschicktesie Farbe wäre/ sich miteinan-
der zanckten/ endlich die blaue Farbe darzu erweh-
[Spaltenumbruch] leten/ als welche ohn diß bey den meisten Morgen-
Ländern die Kleidung der Leidtragenden wäre.
Livia/ des Drusus Tochter/ folgte mit einem
Tantze/ darinnen sieben Laster sieben Farben
fürstellten. Die Heucheley war weiß/ die Grau-
samkeit roth/ die Hoffart grün/ der Neid blau/ der
Haß schwartz/ die Ehrsucht braun/ die Eifersucht
gelbe geputzt/ und diese ward von dreyen Unhol-
din zur Königin erwehlet/ und ihr Haupt mit
gelben Blumen geschmückt. Endlich beschloß
Lollia mit einem von zwölff Holdinnen und so
viel Liebes-Göttern gehegtem Tantze/ darinnen
sie nicht so wohl als eine angeberdete als wesent-
liche Venus/ die rothe Liebes- und Herrschaffts-
Farbe mit einem Rosen-Krantz beschenckte/ wel-
chen aber der Neid/ der Haß/ die Eifersucht/ die
Unfruchtbarkeit/ als die Tod-Feinde dieser süssen
Regung ihr abrissen/ und ihr einen Dornen-
Krantz aufsetzten.

Bey diesen öftern Versammlungen ließ
Dido gegen mir allezeit meiner Einbildung
nach etwas blicken/ welches mich einiger ge-
gen mich tragenden Gewogenheit zu versi-
chern schien/ und mir Terentiens Räthsel ausleg-
te. Jch aber/ der ich einige Empfindligkeit der
Liebe noch nie gefühlet hatte/ mich auch nicht des
Lucius Eifersucht zu erregen sehr behutsam an-
stellen muste/ begegnete ihr mit einer ziemlich
kaltsinnigen Höfligkeit. Den Morgen nach
dem letzten Tantze brachte mir ein unbekandter
Knabe auf dem Reit-Platze einen Püschel weis-
ser Blumen/ daraus ich nach derselben genauer
Beschauung folgende Zeilen laß:

Weil der weisse Flavius nichts minder ein
Hertze/ als ein Vaterland voller Schnee hat;
bin ich genau zu glauben veranlaßt worden/ daß
alles weisse nicht nur unempfindlich/ sondern
auch ohne Seele sey. Nach dem mir aber diese
Blumen den letzten Jrrthum benommen/ habe
ich mich verbunden geachtet ihn durch dieser Leb-
haftigkeit zu erinnern [d]aß nicht alles/ was weiß
ist/ Schnee seyn musse.

Dieses

Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] zur ſchwartzen Farbe trug; ſondern das Roͤmiſche
Volck ſpaltete ſich ihnẽ zu Liebe gleichſam in 2. 3.
widrige Farbenbuhler/ alſo/ daß in denen Schau-
Plaͤtzen mehrmals/ inſonderheit wenn Cajus
und Lucius den Spielen beywohnten/ ſich hier-
uͤber Zwiſt ereignete/ und ein Theil dieſer/ das
ander Theil der andern Farbe ſo wohl mit ihren
Kleidern als Ruhmſpruͤchen beypflichtete. Die-
ſemnach der Kaͤyſer ſelbſt dieſer weit ausſehenden
Uneinigkeit zu begegnen kein kluͤger Mittel wu-
ſte/ als andere Farben ans Bret/ und in Anſehn
zu bringen/ und dardurch dem Poͤfel entweder
ſeine Eitelkeit zu zeigen/ und zu beſtillen/ oder
doch die mehrere Verwirrungen/ wie die ſchwer-
menden Bienen durch den Rauch zu beruhigen.
Er ſtellte dieſemnach Livien an/ daß ſie einen
ſolchen Tantz hielt/ in welchem ſie die Farben als
Schaͤferinnen aber mit eitel Sclavinnen auf-
fuͤhrte/ darunter ſie ſelbſt als eine Blumen-Goͤt-
tin der gruͤnen den Siegs-Krantz aufſetzte. Zu-
letzt aber folgte ein Tantz von zwoͤlff gruͤn-ge-
kleideten Naͤrrinnen/ dardurch ſie die Erweh-
lung einer gewiſſen Farbe gleichſam als eine
Thorheit durchzoh; diß aber darmit vorſichtig
verbluͤmet ward/ daß zwar die gruͤne Farbe mit
allen andern eine Verwandnuͤß habe/ und alſo
hochſchaͤtzbar/ ja gleichſam der fruchtbaren Na-
tur allgemeine Leib-Farbe ſey/ aber doch von der
Gewohnheit zum Aufzuge der Narren gebrau-
chet werde. Servilia hielt auf des Kaͤyſers
Befehl einen Tantz/ darinnen vier und zwantzig
Zwerge ſo viel Farben in Geſtalt der Geſtirne
auffuͤhreten/ und nach dem Stande der zwoͤlff
him̃liſchen Zeichen kuͤnſtliche Stellungen mach-
ten. Sie kroͤnete ſelbſt in Geſtalt der Juno die
blaue Himmel-Farbe mit einem Hyacinthen-
Krantze. Zuletzt aber erſchienen ſo viel Todten-
Gerippe/ welche anfangs die Eitelkeit der aͤngſt-
lichen Steroͤligkeit durch ſeltſame Geberden ab-
bildeten/ hernach aber/ welches die zum Tode und
Trauren geſchickteſie Farbe waͤre/ ſich miteinan-
der zancktẽ/ endlich die blaue Farbe darzu erweh-
[Spaltenumbruch] leten/ als welche ohn diß bey den meiſten Morgẽ-
Laͤndern die Kleidung der Leidtragenden waͤre.
Livia/ des Druſus Tochter/ folgte mit einem
Tantze/ darinnen ſieben Laſter ſieben Farben
fuͤrſtellten. Die Heucheley war weiß/ die Grau-
ſamkeit roth/ die Hoffart gruͤn/ der Neid blau/ der
Haß ſchwartz/ die Ehrſucht braun/ die Eiferſucht
gelbe geputzt/ und dieſe ward von dreyen Unhol-
din zur Koͤnigin erwehlet/ und ihr Haupt mit
gelben Blumen geſchmuͤckt. Endlich beſchloß
Lollia mit einem von zwoͤlff Holdinnen und ſo
viel Liebes-Goͤttern gehegtem Tantze/ darinnen
ſie nicht ſo wohl als eine angeberdete als weſent-
liche Venus/ die rothe Liebes- und Herrſchaffts-
Farbe mit einem Roſen-Krantz beſchenckte/ wel-
chen aber der Neid/ der Haß/ die Eiferſucht/ die
Unfruchtbarkeit/ als die Tod-Feinde dieſer ſuͤſſen
Regung ihr abriſſen/ und ihr einen Dornen-
Krantz aufſetzten.

Bey dieſen oͤftern Verſam̃lungen ließ
Dido gegen mir allezeit meiner Einbildung
nach etwas blickẽ/ welches mich einiger ge-
gen mich tragenden Gewogenheit zu verſi-
chern ſchien/ und mir Terentiens Raͤthſel ausleg-
te. Jch aber/ der ich einige Empfindligkeit der
Liebe noch nie gefuͤhlet hatte/ mich auch nicht des
Lucius Eiferſucht zu erregen ſehr behutſam an-
ſtellen muſte/ begegnete ihr mit einer ziemlich
kaltſinnigen Hoͤfligkeit. Den Morgen nach
dem letzten Tantze brachte mir ein unbekandter
Knabe auf dem Reit-Platze einen Puͤſchel weiſ-
ſer Blumen/ daraus ich nach derſelben genauer
Beſchauung folgende Zeilen laß:

Weil der weiſſe Flavius nichts minder ein
Hertze/ als ein Vaterland voller Schnee hat;
bin ich genau zu glauben veranlaßt worden/ daß
alles weiſſe nicht nur unempfindlich/ ſondern
auch ohne Seele ſey. Nach dem mir aber dieſe
Blumen den letzten Jrrthum benommen/ habe
ich mich verbunden geachtet ihn durch dieſer Leb-
haftigkeit zu erinnern [d]aß nicht alles/ was weiß
iſt/ Schnee ſeyn muſſe.

Dieſes
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0524" n="470"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vierdtes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
zur &#x017F;chwartzen Farbe trug; &#x017F;ondern das Ro&#x0364;mi&#x017F;che<lb/>
Volck &#x017F;paltete &#x017F;ich ihne&#x0303; zu Liebe gleich&#x017F;am in 2. 3.<lb/>
widrige Farbenbuhler/ al&#x017F;o/ daß in denen Schau-<lb/>
Pla&#x0364;tzen mehrmals/ in&#x017F;onderheit wenn Cajus<lb/>
und Lucius den Spielen beywohnten/ &#x017F;ich hier-<lb/>
u&#x0364;ber Zwi&#x017F;t ereignete/ und ein Theil die&#x017F;er/ das<lb/>
ander Theil der andern Farbe &#x017F;o wohl mit ihren<lb/>
Kleidern als Ruhm&#x017F;pru&#x0364;chen beypflichtete. Die-<lb/>
&#x017F;emnach der Ka&#x0364;y&#x017F;er &#x017F;elb&#x017F;t die&#x017F;er weit aus&#x017F;ehenden<lb/>
Uneinigkeit zu begegnen kein klu&#x0364;ger Mittel wu-<lb/>
&#x017F;te/ als andere Farben ans Bret/ und in An&#x017F;ehn<lb/>
zu bringen/ und dardurch dem Po&#x0364;fel entweder<lb/>
&#x017F;eine Eitelkeit zu zeigen/ und zu be&#x017F;tillen/ oder<lb/>
doch die mehrere Verwirrungen/ wie die &#x017F;chwer-<lb/>
menden Bienen durch den Rauch zu beruhigen.<lb/>
Er &#x017F;tellte die&#x017F;emnach Livien an/ daß &#x017F;ie einen<lb/>
&#x017F;olchen Tantz hielt/ in welchem &#x017F;ie die Farben als<lb/>
Scha&#x0364;ferinnen aber mit eitel Sclavinnen auf-<lb/>
fu&#x0364;hrte/ darunter &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t als eine Blumen-Go&#x0364;t-<lb/>
tin der gru&#x0364;nen den Siegs-Krantz auf&#x017F;etzte. Zu-<lb/>
letzt aber folgte ein Tantz von zwo&#x0364;lff gru&#x0364;n-ge-<lb/>
kleideten Na&#x0364;rrinnen/ dardurch &#x017F;ie die Erweh-<lb/>
lung einer gewi&#x017F;&#x017F;en Farbe gleich&#x017F;am als eine<lb/>
Thorheit durchzoh; diß aber darmit vor&#x017F;ichtig<lb/>
verblu&#x0364;met ward/ daß zwar die gru&#x0364;ne Farbe mit<lb/>
allen andern eine Verwandnu&#x0364;ß habe/ und al&#x017F;o<lb/>
hoch&#x017F;cha&#x0364;tzbar/ ja gleich&#x017F;am der fruchtbaren Na-<lb/>
tur allgemeine Leib-Farbe &#x017F;ey/ aber doch von der<lb/>
Gewohnheit zum Aufzuge der Narren gebrau-<lb/>
chet werde. Servilia hielt auf des Ka&#x0364;y&#x017F;ers<lb/>
Befehl einen Tantz/ darinnen vier und zwantzig<lb/>
Zwerge &#x017F;o viel Farben in Ge&#x017F;talt der Ge&#x017F;tirne<lb/>
auffu&#x0364;hreten/ und nach dem Stande der zwo&#x0364;lff<lb/>
him&#x0303;li&#x017F;chen Zeichen ku&#x0364;n&#x017F;tliche Stellungen mach-<lb/>
ten. Sie kro&#x0364;nete &#x017F;elb&#x017F;t in Ge&#x017F;talt der Juno die<lb/>
blaue Himmel-Farbe mit einem Hyacinthen-<lb/>
Krantze. Zuletzt aber er&#x017F;chienen &#x017F;o viel Todten-<lb/>
Gerippe/ welche anfangs die Eitelkeit der a&#x0364;ng&#x017F;t-<lb/>
lichen Stero&#x0364;ligkeit durch &#x017F;elt&#x017F;ame Geberden ab-<lb/>
bildeten/ hernach aber/ welches die zum Tode und<lb/>
Trauren ge&#x017F;chickte&#x017F;ie Farbe wa&#x0364;re/ &#x017F;ich miteinan-<lb/>
der zanckte&#x0303;/ endlich die blaue Farbe darzu erweh-<lb/><cb/>
leten/ als welche ohn diß bey den mei&#x017F;ten Morge&#x0303;-<lb/>
La&#x0364;ndern die Kleidung der Leidtragenden wa&#x0364;re.<lb/>
Livia/ des Dru&#x017F;us Tochter/ folgte mit einem<lb/>
Tantze/ darinnen &#x017F;ieben La&#x017F;ter &#x017F;ieben Farben<lb/>
fu&#x0364;r&#x017F;tellten. Die Heucheley war weiß/ die Grau-<lb/>
&#x017F;amkeit roth/ die Hoffart gru&#x0364;n/ der Neid blau/ der<lb/>
Haß &#x017F;chwartz/ die Ehr&#x017F;ucht braun/ die Eifer&#x017F;ucht<lb/>
gelbe geputzt/ und die&#x017F;e ward von dreyen Unhol-<lb/>
din zur Ko&#x0364;nigin erwehlet/ und ihr Haupt mit<lb/>
gelben Blumen ge&#x017F;chmu&#x0364;ckt. Endlich be&#x017F;chloß<lb/>
Lollia mit einem von zwo&#x0364;lff Holdinnen und &#x017F;o<lb/>
viel Liebes-Go&#x0364;ttern gehegtem Tantze/ darinnen<lb/>
&#x017F;ie nicht &#x017F;o wohl als eine angeberdete als we&#x017F;ent-<lb/>
liche Venus/ die rothe Liebes- und Herr&#x017F;chaffts-<lb/>
Farbe mit einem Ro&#x017F;en-Krantz be&#x017F;chenckte/ wel-<lb/>
chen aber der Neid/ der Haß/ die Eifer&#x017F;ucht/ die<lb/>
Unfruchtbarkeit/ als die Tod-Feinde die&#x017F;er &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Regung ihr abri&#x017F;&#x017F;en/ und ihr einen Dornen-<lb/>
Krantz auf&#x017F;etzten.</p><lb/>
          <p>Bey die&#x017F;en o&#x0364;ftern Ver&#x017F;am&#x0303;lungen ließ<lb/>
Dido gegen mir allezeit meiner Einbildung<lb/>
nach etwas blicke&#x0303;/ welches mich einiger ge-<lb/>
gen mich tragenden Gewogenheit zu ver&#x017F;i-<lb/>
chern &#x017F;chien/ und mir Terentiens Ra&#x0364;th&#x017F;el ausleg-<lb/>
te. Jch aber/ der ich einige Empfindligkeit der<lb/>
Liebe noch nie gefu&#x0364;hlet hatte/ mich auch nicht des<lb/>
Lucius Eifer&#x017F;ucht zu erregen &#x017F;ehr behut&#x017F;am an-<lb/>
&#x017F;tellen mu&#x017F;te/ begegnete ihr mit einer ziemlich<lb/>
kalt&#x017F;innigen Ho&#x0364;fligkeit. Den Morgen nach<lb/>
dem letzten Tantze brachte mir ein unbekandter<lb/>
Knabe auf dem Reit-Platze einen Pu&#x0364;&#x017F;chel wei&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er Blumen/ daraus ich nach der&#x017F;elben genauer<lb/>
Be&#x017F;chauung folgende Zeilen laß:</p><lb/>
          <p>Weil der wei&#x017F;&#x017F;e Flavius nichts minder ein<lb/>
Hertze/ als ein Vaterland voller Schnee hat;<lb/>
bin ich genau zu glauben veranlaßt worden/ daß<lb/>
alles wei&#x017F;&#x017F;e nicht nur unempfindlich/ &#x017F;ondern<lb/>
auch ohne Seele &#x017F;ey. Nach dem mir aber die&#x017F;e<lb/>
Blumen den letzten Jrrthum benommen/ habe<lb/>
ich mich verbunden geachtet ihn durch die&#x017F;er Leb-<lb/>
haftigkeit zu erinnern <supplied>d</supplied>aß nicht alles/ was weiß<lb/>
i&#x017F;t/ Schnee &#x017F;eyn mu&#x017F;&#x017F;e.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Die&#x017F;es</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[470/0524] Vierdtes Buch zur ſchwartzen Farbe trug; ſondern das Roͤmiſche Volck ſpaltete ſich ihnẽ zu Liebe gleichſam in 2. 3. widrige Farbenbuhler/ alſo/ daß in denen Schau- Plaͤtzen mehrmals/ inſonderheit wenn Cajus und Lucius den Spielen beywohnten/ ſich hier- uͤber Zwiſt ereignete/ und ein Theil dieſer/ das ander Theil der andern Farbe ſo wohl mit ihren Kleidern als Ruhmſpruͤchen beypflichtete. Die- ſemnach der Kaͤyſer ſelbſt dieſer weit ausſehenden Uneinigkeit zu begegnen kein kluͤger Mittel wu- ſte/ als andere Farben ans Bret/ und in Anſehn zu bringen/ und dardurch dem Poͤfel entweder ſeine Eitelkeit zu zeigen/ und zu beſtillen/ oder doch die mehrere Verwirrungen/ wie die ſchwer- menden Bienen durch den Rauch zu beruhigen. Er ſtellte dieſemnach Livien an/ daß ſie einen ſolchen Tantz hielt/ in welchem ſie die Farben als Schaͤferinnen aber mit eitel Sclavinnen auf- fuͤhrte/ darunter ſie ſelbſt als eine Blumen-Goͤt- tin der gruͤnen den Siegs-Krantz aufſetzte. Zu- letzt aber folgte ein Tantz von zwoͤlff gruͤn-ge- kleideten Naͤrrinnen/ dardurch ſie die Erweh- lung einer gewiſſen Farbe gleichſam als eine Thorheit durchzoh; diß aber darmit vorſichtig verbluͤmet ward/ daß zwar die gruͤne Farbe mit allen andern eine Verwandnuͤß habe/ und alſo hochſchaͤtzbar/ ja gleichſam der fruchtbaren Na- tur allgemeine Leib-Farbe ſey/ aber doch von der Gewohnheit zum Aufzuge der Narren gebrau- chet werde. Servilia hielt auf des Kaͤyſers Befehl einen Tantz/ darinnen vier und zwantzig Zwerge ſo viel Farben in Geſtalt der Geſtirne auffuͤhreten/ und nach dem Stande der zwoͤlff him̃liſchen Zeichen kuͤnſtliche Stellungen mach- ten. Sie kroͤnete ſelbſt in Geſtalt der Juno die blaue Himmel-Farbe mit einem Hyacinthen- Krantze. Zuletzt aber erſchienen ſo viel Todten- Gerippe/ welche anfangs die Eitelkeit der aͤngſt- lichen Steroͤligkeit durch ſeltſame Geberden ab- bildeten/ hernach aber/ welches die zum Tode und Trauren geſchickteſie Farbe waͤre/ ſich miteinan- der zancktẽ/ endlich die blaue Farbe darzu erweh- leten/ als welche ohn diß bey den meiſten Morgẽ- Laͤndern die Kleidung der Leidtragenden waͤre. Livia/ des Druſus Tochter/ folgte mit einem Tantze/ darinnen ſieben Laſter ſieben Farben fuͤrſtellten. Die Heucheley war weiß/ die Grau- ſamkeit roth/ die Hoffart gruͤn/ der Neid blau/ der Haß ſchwartz/ die Ehrſucht braun/ die Eiferſucht gelbe geputzt/ und dieſe ward von dreyen Unhol- din zur Koͤnigin erwehlet/ und ihr Haupt mit gelben Blumen geſchmuͤckt. Endlich beſchloß Lollia mit einem von zwoͤlff Holdinnen und ſo viel Liebes-Goͤttern gehegtem Tantze/ darinnen ſie nicht ſo wohl als eine angeberdete als weſent- liche Venus/ die rothe Liebes- und Herrſchaffts- Farbe mit einem Roſen-Krantz beſchenckte/ wel- chen aber der Neid/ der Haß/ die Eiferſucht/ die Unfruchtbarkeit/ als die Tod-Feinde dieſer ſuͤſſen Regung ihr abriſſen/ und ihr einen Dornen- Krantz aufſetzten. Bey dieſen oͤftern Verſam̃lungen ließ Dido gegen mir allezeit meiner Einbildung nach etwas blickẽ/ welches mich einiger ge- gen mich tragenden Gewogenheit zu verſi- chern ſchien/ und mir Terentiens Raͤthſel ausleg- te. Jch aber/ der ich einige Empfindligkeit der Liebe noch nie gefuͤhlet hatte/ mich auch nicht des Lucius Eiferſucht zu erregen ſehr behutſam an- ſtellen muſte/ begegnete ihr mit einer ziemlich kaltſinnigen Hoͤfligkeit. Den Morgen nach dem letzten Tantze brachte mir ein unbekandter Knabe auf dem Reit-Platze einen Puͤſchel weiſ- ſer Blumen/ daraus ich nach derſelben genauer Beſchauung folgende Zeilen laß: Weil der weiſſe Flavius nichts minder ein Hertze/ als ein Vaterland voller Schnee hat; bin ich genau zu glauben veranlaßt worden/ daß alles weiſſe nicht nur unempfindlich/ ſondern auch ohne Seele ſey. Nach dem mir aber dieſe Blumen den letzten Jrrthum benommen/ habe ich mich verbunden geachtet ihn durch dieſer Leb- haftigkeit zu erinnern daß nicht alles/ was weiß iſt/ Schnee ſeyn muſſe. Dieſes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/524
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/524>, abgerufen am 20.05.2024.