Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Vierdtes Buch [Spaltenumbruch]
zu erlangen suchte. Wie nun Hertzog Herr-mann ihn in selbigen Saal zu leiten befahl/ und er ihm im Vorgemache entgegen kam/ trat sein eigner Bruder Ernst oder Flavius hinein/ wel- cher von dem Feldherrn und denen andern deut- schen Fürsten alsobald erkennet/ mit grossen Freuden und hertzlicher Umbarmung bewill- kommet ward. Weil nun die Speisen allbereit auf der Taffel standen/ musten sie beyderseits ih- ren Freud- und Freundschaffts-Bezeugungen etwas abbrechen/ und sich an die Taffeln setzen. Der Feldherr bezeigte sich überaus lustig/ und gab zu vernehmen/ daß er gegenwärtigen Tag für den andern seiner glückseligsten hielte/ inden er nicht allein wider einen mächtigen König einen so herrlichen Sieg/ sondern auch seinen Aug-Apfel die wunderschöne Thußnelda und seinen liebsten Bruder wieder erlanget hätte. Diese Erklärung machte den Fürsten Flavius begierig/ den Verlauff selbigen Tages zu ver- nehmen/ welchen denn der Feldherr mit aus- führlicher Erzehlung vergnügte/ und insonder- heit des Fürsten Zeno/ Rhemetalces und Malo- vends Tapferkeit hoch heraus strich/ und melde- te/ daß Hertzog Malovend diesen Tag seinen Fehler/ daß er wider sein Vaterland die Hand aufgehoben/ getilget/ die andern zwey Fürsten aber umb Deutschland verdienet hätten/ daß sie für Fürsten ihres Reichs erklärt/ und mit dem Rechte und Freyheit der Deutsch-Eingebornen beschencket würden. Massen denn auch nach der andern Fürsten Einstimmung der Feldherr zum Zeichen ihrer Annehmung in den deutschen Fürsten-Stand/ iedem eine Fahne/ eine Lantze/ und ein köstliches Schwerdt überreichte/ von ih- nen beyderseits auch mit grosser Vergnüg- und Dancksagung angenommen ward. Hierauf gab Hertzog Arpus auch dem Flavius seine Sorgfalt über seiner so unvermutheten Ankunft zu verste- hen; iedoch verlangte er mehr nicht/ als nur: Ob ihn ein guter oder böser Stern von Rom in sein Vaterland geleitet hätte/ zu vernehmen/ da er die [Spaltenumbruch] Ursache offentlich zu entdecken Bedencken trüge. Flavius antwortete: Er müste gestehen/ daß er aus einer geheimen Ursache ungerne von Rom gewichen wäre. Die ihn aber hierzu genöthiget/ wäre denen nicht zu verschweigen/ von denen sie selbst herrührte. Arpus ward hierüber noch begi- riger; bat daher/ weil sie derogestalt zu sagen taug- te/ sie ihnen nicht zu verschweigen. Flavius antwortete: Die zu Rom erschollene Niederlage des Varus habe den Käyser derogestalt er- schreckt/ daß er alle unter seiner Leibwache/ oder auch nur Reisens und Handels wegen zu Rom sich befindende und zu den Waffen geschickte Deutschen auf unterschiedene entlegene Jnseln/ die unbewehrten aber aus Furcht/ daß sie einen Aufstand anstiften möchten/ ausser der Stadt Rom geschafft hätte. Jch war auch auf die Jnsel Dianium gebracht/ von dar ich durch Beystand eines Frauenzimmers mich dieses Gefängnüsses entbrochen habe. Arpus fragte: Wenn er denn von Rom weg wäre/ und wie es möglich seyn könte/ daß bey seiner Anwesenheit in Rom man schon die Niederlage des Varus gewust haben könne? Flavius antwortete: Sie hätten daraus keines weges zu zweifeln/ sondern sich zu versichern/ daß diese böse Zeitung schon den fünften Tag zu Rom gewest/ er aber noch wohl vier Tage hernach aus Rom geschie- den sey. Rhemetalces fiel ein: Obes durch ein Wunderwerck zu Rom so zeitlich kund worden/ wie er ihm denn erzehlen lassen/ daß die Schlacht in Macedonien/ in welcher Paulus den Perses überwunden/ und in welcher Marius die Cim- brer geschlagen/ zu Rom/ und des Taurosthenes Sieg und Krönung zu Egina an eben dem Ta- ge/ als solche weit darvon geschehen/ von Ge- spenstern wären angekündigt worden. Glei- cher gestalt solle der Griechen Platerischer Sieg in Beotien wider den Mardonius in eben dem- selben Tage auf dem Vorgebürge Mycale kund worden/ und eine Ursache des wider die Persen erlangten See-Gefechtes gewesen seyn. Den Sieg
Vierdtes Buch [Spaltenumbruch]
zu erlangen ſuchte. Wie nun Hertzog Herr-mann ihn in ſelbigen Saal zu leiten befahl/ und er ihm im Vorgemache entgegen kam/ trat ſein eigner Bruder Ernſt oder Flavius hinein/ wel- cher von dem Feldherrn und denen andern deut- ſchen Fuͤrſten alſobald erkennet/ mit groſſen Freuden und hertzlicher Umbarmung bewill- kommet ward. Weil nun die Speiſen allbereit auf der Taffel ſtanden/ muſten ſie beyderſeits ih- ren Freud- und Freundſchaffts-Bezeugungen etwas abbrechen/ und ſich an die Taffeln ſetzen. Der Feldherr bezeigte ſich uͤberaus luſtig/ und gab zu vernehmen/ daß er gegenwaͤrtigen Tag fuͤr den andern ſeiner gluͤckſeligſten hielte/ indẽ er nicht allein wider einen maͤchtigẽ Koͤnig einen ſo herrlichen Sieg/ ſondern auch ſeinen Aug-Apfel die wunderſchoͤne Thußnelda und ſeinen liebſten Bruder wieder erlanget haͤtte. Dieſe Erklaͤrung machte den Fuͤrſten Flavius begierig/ den Verlauff ſelbigen Tages zu ver- nehmen/ welchen denn der Feldherr mit aus- fuͤhrlicher Erzehlung vergnuͤgte/ und inſonder- heit des Fuͤrſten Zeno/ Rhemetalces und Malo- vends Tapferkeit hoch heraus ſtrich/ und melde- te/ daß Hertzog Malovend dieſen Tag ſeinen Fehler/ daß er wider ſein Vaterland die Hand aufgehoben/ getilget/ die andern zwey Fuͤrſten aber umb Deutſchland verdienet haͤtten/ daß ſie fuͤr Fuͤrſten ihres Reichs erklaͤrt/ und mit dem Rechte und Freyheit der Deutſch-Eingebornen beſchencket wuͤrden. Maſſen denn auch nach der andern Fuͤrſten Einſtimmung der Feldherr zum Zeichen ihrer Annehmung in den deutſchen Fuͤrſten-Stand/ iedem eine Fahne/ eine Lantze/ und ein koͤſtliches Schwerdt uͤberreichte/ von ih- nen beyderſeits auch mit groſſer Vergnuͤg- und Danckſagung angenommen ward. Hierauf gab Hertzog Arpus auch dem Flavius ſeine Sorgfalt uͤber ſeiner ſo unvermutheten Ankunft zu verſte- hen; iedoch verlangte er mehr nicht/ als nur: Ob ihn ein guter oder boͤſer Stern von Rom in ſein Vaterland geleitet haͤtte/ zu vernehmẽ/ da er die [Spaltenumbruch] Urſache offentlich zu entdecken Bedencken truͤge. Flavius antwortete: Er muͤſte geſtehen/ daß er aus einer geheimen Urſache ungerne von Rom gewichen waͤre. Die ihn aber hierzu genoͤthiget/ waͤre denen nicht zu verſchweigen/ von denen ſie ſelbſt herruͤhrte. Arpus ward hieruͤber noch begi- riger; bat daher/ weil ſie derogeſtalt zu ſagẽ taug- te/ ſie ihnen nicht zu verſchweigen. Flavius antwortete: Die zu Rom erſchollene Niederlage des Varus habe den Kaͤyſer derogeſtalt er- ſchreckt/ daß er alle unter ſeiner Leibwache/ oder auch nur Reiſens und Handels wegen zu Rom ſich befindende und zu den Waffen geſchickte Deutſchen auf unterſchiedene entlegene Jnſeln/ die unbewehrten aber aus Furcht/ daß ſie einen Aufſtand anſtiften moͤchten/ auſſer der Stadt Rom geſchafft haͤtte. Jch war auch auf die Jnſel Dianium gebracht/ von dar ich durch Beyſtand eines Frauenzimmers mich dieſes Gefaͤngnuͤſſes entbrochen habe. Arpus fragte: Wenn er denn von Rom weg waͤre/ und wie es moͤglich ſeyn koͤnte/ daß bey ſeiner Anweſenheit in Rom man ſchon die Niederlage des Varus gewuſt haben koͤnne? Flavius antwortete: Sie haͤtten daraus keines weges zu zweifeln/ ſondern ſich zu verſichern/ daß dieſe boͤſe Zeitung ſchon den fuͤnften Tag zu Rom geweſt/ er aber noch wohl vier Tage hernach aus Rom geſchie- den ſey. Rhemetalces fiel ein: Obes durch ein Wunderwerck zu Rom ſo zeitlich kund worden/ wie er ihm denn erzehlen laſſen/ daß die Schlacht in Macedonien/ in welcher Paulus den Perſes uͤberwunden/ und in welcher Marius die Cim- brer geſchlagen/ zu Rom/ und des Tauroſthenes Sieg und Kroͤnung zu Egina an eben dem Ta- ge/ als ſolche weit darvon geſchehen/ von Ge- ſpenſtern waͤren angekuͤndigt worden. Glei- cher geſtalt ſolle der Griechen Plateriſcher Sieg in Beotien wider den Mardonius in eben dem- ſelben Tage auf dem Vorgebuͤrge Mycale kund worden/ und eine Urſache des wider die Perſen erlangten See-Gefechtes geweſen ſeyn. Den Sieg
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Vierdtes Buch
zu erlangen ſuchte. Wie nun Hertzog Herr-
mann ihn in ſelbigen Saal zu leiten befahl/ und
er ihm im Vorgemache entgegen kam/ trat ſein
eigner Bruder Ernſt oder Flavius hinein/ wel-
cher von dem Feldherrn und denen andern deut-
ſchen Fuͤrſten alſobald erkennet/ mit groſſen
Freuden und hertzlicher Umbarmung bewill-
kommet ward. Weil nun die Speiſen allbereit
auf der Taffel ſtanden/ muſten ſie beyderſeits ih-
ren Freud- und Freundſchaffts-Bezeugungen
etwas abbrechen/ und ſich an die Taffeln ſetzen.
Der Feldherr bezeigte ſich uͤberaus luſtig/
und gab zu vernehmen/ daß er gegenwaͤrtigen
Tag fuͤr den andern ſeiner gluͤckſeligſten hielte/
indẽ er nicht allein wider einen maͤchtigẽ Koͤnig
einen ſo herrlichen Sieg/ ſondern auch ſeinen
Aug-Apfel die wunderſchoͤne Thußnelda und
ſeinen liebſten Bruder wieder erlanget haͤtte.
Dieſe Erklaͤrung machte den Fuͤrſten Flavius
begierig/ den Verlauff ſelbigen Tages zu ver-
nehmen/ welchen denn der Feldherr mit aus-
fuͤhrlicher Erzehlung vergnuͤgte/ und inſonder-
heit des Fuͤrſten Zeno/ Rhemetalces und Malo-
vends Tapferkeit hoch heraus ſtrich/ und melde-
te/ daß Hertzog Malovend dieſen Tag ſeinen
Fehler/ daß er wider ſein Vaterland die Hand
aufgehoben/ getilget/ die andern zwey Fuͤrſten
aber umb Deutſchland verdienet haͤtten/ daß ſie
fuͤr Fuͤrſten ihres Reichs erklaͤrt/ und mit dem
Rechte und Freyheit der Deutſch-Eingebornen
beſchencket wuͤrden. Maſſen denn auch nach
der andern Fuͤrſten Einſtimmung der Feldherr
zum Zeichen ihrer Annehmung in den deutſchen
Fuͤrſten-Stand/ iedem eine Fahne/ eine Lantze/
und ein koͤſtliches Schwerdt uͤberreichte/ von ih-
nen beyderſeits auch mit groſſer Vergnuͤg- und
Danckſagung angenommen ward. Hierauf gab
Hertzog Arpus auch dem Flavius ſeine Sorgfalt
uͤber ſeiner ſo unvermutheten Ankunft zu verſte-
hen; iedoch verlangte er mehr nicht/ als nur: Ob
ihn ein guter oder boͤſer Stern von Rom in ſein
Vaterland geleitet haͤtte/ zu vernehmẽ/ da er die
Urſache offentlich zu entdecken Bedencken truͤge.
Flavius antwortete: Er muͤſte geſtehen/ daß er
aus einer geheimen Urſache ungerne von Rom
gewichen waͤre. Die ihn aber hierzu genoͤthiget/
waͤre denen nicht zu verſchweigen/ von denen ſie
ſelbſt herruͤhrte. Arpus ward hieruͤber noch begi-
riger; bat daher/ weil ſie derogeſtalt zu ſagẽ taug-
te/ ſie ihnen nicht zu verſchweigen. Flavius
antwortete: Die zu Rom erſchollene Niederlage
des Varus habe den Kaͤyſer derogeſtalt er-
ſchreckt/ daß er alle unter ſeiner Leibwache/ oder
auch nur Reiſens und Handels wegen zu Rom
ſich befindende und zu den Waffen geſchickte
Deutſchen auf unterſchiedene entlegene Jnſeln/
die unbewehrten aber aus Furcht/ daß ſie einen
Aufſtand anſtiften moͤchten/ auſſer der Stadt
Rom geſchafft haͤtte. Jch war auch auf die
Jnſel Dianium gebracht/ von dar ich durch
Beyſtand eines Frauenzimmers mich dieſes
Gefaͤngnuͤſſes entbrochen habe. Arpus fragte:
Wenn er denn von Rom weg waͤre/ und wie es
moͤglich ſeyn koͤnte/ daß bey ſeiner Anweſenheit
in Rom man ſchon die Niederlage des Varus
gewuſt haben koͤnne? Flavius antwortete:
Sie haͤtten daraus keines weges zu zweifeln/
ſondern ſich zu verſichern/ daß dieſe boͤſe Zeitung
ſchon den fuͤnften Tag zu Rom geweſt/ er aber
noch wohl vier Tage hernach aus Rom geſchie-
den ſey. Rhemetalces fiel ein: Obes durch ein
Wunderwerck zu Rom ſo zeitlich kund worden/
wie er ihm denn erzehlen laſſen/ daß die Schlacht
in Macedonien/ in welcher Paulus den Perſes
uͤberwunden/ und in welcher Marius die Cim-
brer geſchlagen/ zu Rom/ und des Tauroſthenes
Sieg und Kroͤnung zu Egina an eben dem Ta-
ge/ als ſolche weit darvon geſchehen/ von Ge-
ſpenſtern waͤren angekuͤndigt worden. Glei-
cher geſtalt ſolle der Griechen Plateriſcher Sieg
in Beotien wider den Mardonius in eben dem-
ſelben Tage auf dem Vorgebuͤrge Mycale kund
worden/ und eine Urſache des wider die Perſen
erlangten See-Gefechtes geweſen ſeyn. Den
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/496>, abgerufen am 16.07.2024. |