Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
me. Sintemal auch die nicht ohne Schuldleidenden die Gewogenheit/ als wie der verfin- sterte Monde die Augen der Menschen an sich zu ziehen/ und die Unglückseligsten gegen sich nichts minder eine Verehrung/ als Erbarmnüß zu erwecken pflegten. Also wiche man eben so gern einem Blinden/ als einem Könige aus dem Wege; und die Alten hätten die von dem Donner berührten Oerter zu Heiligthümern eingeweihet. So würde sie wohl/ antwortete Thußnelde/ einer der grösten Tempel in Deutschland werden/ ungeachtet sie sich für keine Gott zu wiedmen würdige Hecke hielte. Sintemal das Unglück seine äuserste Kräfften an ihr prüfete/ und eines alle Tage dem andern die Hand reichte. Massen sie denn ihr Vater Segesthes zeither fast so vielen Götzen zun Füs- sen geleget/ als seine Veränderung ihm neue An- schläge an die Hand gegeben hätte. Der Feld- herr begegnete ihr: Gleichwohl hätte er unter diesen ihrer beyder Wuntsch billigen/ und dar- durch bestärcken müssen/ daß/ wie vieler abson- derlich tödtlichen Gifte Vereinbarung heilsam/ also mehrmals ein Ubel des andern Artzney wä- re. Wenn auch der Sturmwind und das Un- glücke so gar arg rasete/ wäre es ein Merckmahl der äuserst angewehrten Kräfften/ und daß bey- de bald aufhören würden. Die schwärtzeste Wolcke wäre durch die letzthin erhaltene väter- liche Einwilligung zu ihrer Heyrath zertrieben; sintemal zwar nicht das Recht der Natur/ den- noch der Völcker der Eltern Beyfall zu der Kin- der Verehligung erforderte; alle übrigen/ wel- che Arglist oder Verläumbdung erdächten/ wä- ren nur unter die so geringschätzigen Verdrüß- ligkeiten zu rechnen; welche Telemachus und die Egyptischen Weiber durch das Kraut Ne- penthes in die Vergessenheit zu vergraben ge- trauten. Nach dem aber in allen diesen Unfäl- len das unveränderliche Verhängnüß seine Hand hätte/ und unsere Feinde nur Werckzeu- ge des Göttlichen Zornes wären/ stünde es uns [Spaltenumbruch] ja besser an/ uns der unvermeidlichen Noth zu unterwerffen/ als ein Sclave unsers verzärtelten und offt der Natur unverträglichen Willens zu seyn. Der Himmel wolte zuweilen unsere Vergnügung durch die Schärffe der Wider- wertigkeiten/ wie die übermässige Süssigkeit durch eine annehmliche Säure verbessern/ ja zu- weilen durch einen Sturmwind uns in Hafen der Glückseligkeit treiben. Also pflegten die Aertzte zuweilen selbst ihren Krancken ein Fieber zu machen/ umb gefährlichere Schwachheiten abzuleiten. Gleicher gestalt hätten die Rho- dier bey Einfallung ihres Colossus aus dem gut- hertzigen Beytrage ihrer Nachbarn mehr Vor- theil/ als aus dem Erdbeben Schaden empfun- den. Einigen hätte ein in der Schlacht sie ver- wundender Pfeil ihr Geschwüre eröffnet/ wel- ches die Aertzte mit einigem Finger an zurühren sich gefürchtet hätten. Mit einem Worte: Die so süsse Milch hätte ihren Ursprung aus Blute/ und der Honig aus bitterem Klee/ und die grösseste Ergetzligkeit aus überstandenem Unglücke. Thußneldens Hertze ward nicht so wohl durch die Krafft der angezogenen Gründe/ als durch das Ansehen des Redners selbst gerüh- ret/ daß sie eine merckliche Gemüths-Beruhi- gung von sich blicken ließ. Gleichwohl aber giengen ihr die Augen noch über/ und sie gab die- se Ursache ihrer Wehmuth zu verstehen/ daß sie all ihr Unglück zu vergessen verbunden wäre/ weil das Verhängnüß sie durch die Liebe des Feldherrn mit tausendfacher Glückseligkeit über- schwemmete. Alleine/ diß stiege ihr noch allzu- sehr zum Hertzen/ daß ihr Unstern so viel andere Unschuldige mit drückte; oder/ daß für die Wie- derbringung ihres Heiles andere so viel leiden müsten. Wie denn die holdselige Königin Era- to nur deshalben/ daß sie sich an sie einen zer- brechlichen Rohr-Stab gelehnet hätte/ in die Gefahr verfallen wäre/ Hertzog Herrmann/ Jubil und Malovend ihr Blut verspritzet/ viel andere auch/ und vielleicht der großmüthige Zeno
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
me. Sintemal auch die nicht ohne Schuldleidenden die Gewogenheit/ als wie der verfin- ſterte Monde die Augen der Menſchen an ſich zu ziehen/ und die Ungluͤckſeligſten gegen ſich nichts minder eine Verehrung/ als Erbarmnuͤß zu erwecken pflegten. Alſo wiche man eben ſo gern einem Blinden/ als einem Koͤnige aus dem Wege; und die Alten haͤtten die von dem Donner beruͤhrten Oerter zu Heiligthuͤmern eingeweihet. So wuͤrde ſie wohl/ antwortete Thußnelde/ einer der groͤſten Tempel in Deutſchland werden/ ungeachtet ſie ſich fuͤr keine Gott zu wiedmen wuͤrdige Hecke hielte. Sintemal das Ungluͤck ſeine aͤuſerſte Kraͤfften an ihr pruͤfete/ und eines alle Tage dem andern die Hand reichte. Maſſen ſie denn ihr Vater Segeſthes zeither faſt ſo vielen Goͤtzen zun Fuͤſ- ſen geleget/ als ſeine Veraͤnderung ihm neue An- ſchlaͤge an die Hand gegeben haͤtte. Der Feld- herr begegnete ihr: Gleichwohl haͤtte er unter dieſen ihrer beyder Wuntſch billigen/ und dar- durch beſtaͤrcken muͤſſen/ daß/ wie vieler abſon- derlich toͤdtlichen Gifte Vereinbarung heilſam/ alſo mehrmals ein Ubel des andern Artzney waͤ- re. Wenn auch der Sturmwind und das Un- gluͤcke ſo gar arg raſete/ waͤre es ein Merckmahl der aͤuſerſt angewehrten Kraͤfften/ und daß bey- de bald aufhoͤren wuͤrden. Die ſchwaͤrtzeſte Wolcke waͤre durch die letzthin erhaltene vaͤter- liche Einwilligung zu ihrer Heyrath zertrieben; ſintemal zwar nicht das Recht der Natur/ den- noch der Voͤlcker der Eltern Beyfall zu der Kin- der Verehligung erforderte; alle uͤbrigen/ wel- che Argliſt oder Verlaͤumbdung erdaͤchten/ waͤ- ren nur unter die ſo geringſchaͤtzigen Verdruͤß- ligkeiten zu rechnen; welche Telemachus und die Egyptiſchen Weiber durch das Kraut Ne- penthes in die Vergeſſenheit zu vergraben ge- trauten. Nach dem aber in allen dieſen Unfaͤl- len das unveraͤnderliche Verhaͤngnuͤß ſeine Hand haͤtte/ und unſere Feinde nur Werckzeu- ge des Goͤttlichen Zornes waͤren/ ſtuͤnde es uns [Spaltenumbruch] ja beſſer an/ uns der unvermeidlichen Noth zu unterwerffen/ als ein Sclave unſers verzaͤrtelten und offt der Natur unvertraͤglichen Willens zu ſeyn. Der Himmel wolte zuweilen unſere Vergnuͤgung durch die Schaͤrffe der Wider- wertigkeiten/ wie die uͤbermaͤſſige Suͤſſigkeit durch eine annehmliche Saͤure verbeſſern/ ja zu- weilen durch einen Sturmwind uns in Hafen der Gluͤckſeligkeit treiben. Alſo pflegten die Aertzte zuweilen ſelbſt ihren Krancken ein Fieber zu machen/ umb gefaͤhrlichere Schwachheiten abzuleiten. Gleicher geſtalt haͤtten die Rho- dier bey Einfallung ihres Coloſſus aus dem gut- hertzigen Beytrage ihrer Nachbarn mehr Vor- theil/ als aus dem Erdbeben Schaden empfun- den. Einigen haͤtte ein in der Schlacht ſie ver- wundender Pfeil ihr Geſchwuͤre eroͤffnet/ wel- ches die Aertzte mit einigem Finger an zuruͤhren ſich gefuͤrchtet haͤtten. Mit einem Worte: Die ſo ſuͤſſe Milch haͤtte ihren Urſprung aus Blute/ und der Honig aus bitterem Klee/ und die groͤſſeſte Ergetzligkeit aus uͤberſtandenem Ungluͤcke. Thußneldens Hertze ward nicht ſo wohl durch die Krafft der angezogenen Gruͤnde/ als durch das Anſehen des Redners ſelbſt geruͤh- ret/ daß ſie eine merckliche Gemuͤths-Beruhi- gung von ſich blicken ließ. Gleichwohl aber giengen ihr die Augen noch uͤber/ und ſie gab die- ſe Urſache ihrer Wehmuth zu verſtehen/ daß ſie all ihr Ungluͤck zu vergeſſen verbunden waͤre/ weil das Verhaͤngnuͤß ſie durch die Liebe des Feldheꝛꝛn mit tauſendfacher Gluͤckſeligkeit uͤber- ſchwemmete. Alleine/ diß ſtiege ihr noch allzu- ſehr zum Hertzen/ daß ihr Unſtern ſo viel andere Unſchuldige mit druͤckte; oder/ daß fuͤr die Wie- derbringung ihres Heiles andere ſo viel leiden muͤſten. Wie denn die holdſelige Koͤnigin Era- to nur deshalben/ daß ſie ſich an ſie einen zer- brechlichen Rohr-Stab gelehnet haͤtte/ in die Gefahr verfallen waͤre/ Hertzog Herrmann/ Jubil und Malovend ihr Blut verſpritzet/ viel andere auch/ und vielleicht der großmuͤthige Zeno
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Arminius und Thußnelda.
me. Sintemal auch die nicht ohne Schuld
leidenden die Gewogenheit/ als wie der verfin-
ſterte Monde die Augen der Menſchen an ſich
zu ziehen/ und die Ungluͤckſeligſten gegen ſich
nichts minder eine Verehrung/ als Erbarmnuͤß
zu erwecken pflegten. Alſo wiche man eben
ſo gern einem Blinden/ als einem Koͤnige aus
dem Wege; und die Alten haͤtten die von dem
Donner beruͤhrten Oerter zu Heiligthuͤmern
eingeweihet. So wuͤrde ſie wohl/ antwortete
Thußnelde/ einer der groͤſten Tempel in
Deutſchland werden/ ungeachtet ſie ſich fuͤr keine
Gott zu wiedmen wuͤrdige Hecke hielte.
Sintemal das Ungluͤck ſeine aͤuſerſte Kraͤfften
an ihr pruͤfete/ und eines alle Tage dem andern
die Hand reichte. Maſſen ſie denn ihr Vater
Segeſthes zeither faſt ſo vielen Goͤtzen zun Fuͤſ-
ſen geleget/ als ſeine Veraͤnderung ihm neue An-
ſchlaͤge an die Hand gegeben haͤtte. Der Feld-
herr begegnete ihr: Gleichwohl haͤtte er unter
dieſen ihrer beyder Wuntſch billigen/ und dar-
durch beſtaͤrcken muͤſſen/ daß/ wie vieler abſon-
derlich toͤdtlichen Gifte Vereinbarung heilſam/
alſo mehrmals ein Ubel des andern Artzney waͤ-
re. Wenn auch der Sturmwind und das Un-
gluͤcke ſo gar arg raſete/ waͤre es ein Merckmahl
der aͤuſerſt angewehrten Kraͤfften/ und daß bey-
de bald aufhoͤren wuͤrden. Die ſchwaͤrtzeſte
Wolcke waͤre durch die letzthin erhaltene vaͤter-
liche Einwilligung zu ihrer Heyrath zertrieben;
ſintemal zwar nicht das Recht der Natur/ den-
noch der Voͤlcker der Eltern Beyfall zu der Kin-
der Verehligung erforderte; alle uͤbrigen/ wel-
che Argliſt oder Verlaͤumbdung erdaͤchten/ waͤ-
ren nur unter die ſo geringſchaͤtzigen Verdruͤß-
ligkeiten zu rechnen; welche Telemachus und
die Egyptiſchen Weiber durch das Kraut Ne-
penthes in die Vergeſſenheit zu vergraben ge-
trauten. Nach dem aber in allen dieſen Unfaͤl-
len das unveraͤnderliche Verhaͤngnuͤß ſeine
Hand haͤtte/ und unſere Feinde nur Werckzeu-
ge des Goͤttlichen Zornes waͤren/ ſtuͤnde es uns
ja beſſer an/ uns der unvermeidlichen Noth zu
unterwerffen/ als ein Sclave unſers verzaͤrtelten
und offt der Natur unvertraͤglichen Willens zu
ſeyn. Der Himmel wolte zuweilen unſere
Vergnuͤgung durch die Schaͤrffe der Wider-
wertigkeiten/ wie die uͤbermaͤſſige Suͤſſigkeit
durch eine annehmliche Saͤure verbeſſern/ ja zu-
weilen durch einen Sturmwind uns in Hafen
der Gluͤckſeligkeit treiben. Alſo pflegten die
Aertzte zuweilen ſelbſt ihren Krancken ein Fieber
zu machen/ umb gefaͤhrlichere Schwachheiten
abzuleiten. Gleicher geſtalt haͤtten die Rho-
dier bey Einfallung ihres Coloſſus aus dem gut-
hertzigen Beytrage ihrer Nachbarn mehr Vor-
theil/ als aus dem Erdbeben Schaden empfun-
den. Einigen haͤtte ein in der Schlacht ſie ver-
wundender Pfeil ihr Geſchwuͤre eroͤffnet/ wel-
ches die Aertzte mit einigem Finger an zuruͤhren
ſich gefuͤrchtet haͤtten. Mit einem Worte:
Die ſo ſuͤſſe Milch haͤtte ihren Urſprung aus
Blute/ und der Honig aus bitterem Klee/ und
die groͤſſeſte Ergetzligkeit aus uͤberſtandenem
Ungluͤcke. Thußneldens Hertze ward nicht ſo
wohl durch die Krafft der angezogenen Gruͤnde/
als durch das Anſehen des Redners ſelbſt geruͤh-
ret/ daß ſie eine merckliche Gemuͤths-Beruhi-
gung von ſich blicken ließ. Gleichwohl aber
giengen ihr die Augen noch uͤber/ und ſie gab die-
ſe Urſache ihrer Wehmuth zu verſtehen/ daß ſie
all ihr Ungluͤck zu vergeſſen verbunden waͤre/
weil das Verhaͤngnuͤß ſie durch die Liebe des
Feldheꝛꝛn mit tauſendfacher Gluͤckſeligkeit uͤber-
ſchwemmete. Alleine/ diß ſtiege ihr noch allzu-
ſehr zum Hertzen/ daß ihr Unſtern ſo viel andere
Unſchuldige mit druͤckte; oder/ daß fuͤr die Wie-
derbringung ihres Heiles andere ſo viel leiden
muͤſten. Wie denn die holdſelige Koͤnigin Era-
to nur deshalben/ daß ſie ſich an ſie einen zer-
brechlichen Rohr-Stab gelehnet haͤtte/ in die
Gefahr verfallen waͤre/ Hertzog Herrmann/
Jubil und Malovend ihr Blut verſpritzet/ viel
andere auch/ und vielleicht der großmuͤthige
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/493>, abgerufen am 16.07.2024. |