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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] lobten Braut beleidige nicht nur das Recht der
Freundschafft/ der Völcker und der heiligen
Eh/ sondern auch die Gottheit/ für welcher Al-
tare das Eh-Verlöbniß vollzogen worden/
und welche das ihr angefügte Unrecht zu rä-
chen nicht vergesse. Daher mangele ihm
nunmehr weder erhebliche Ursache noch Kräf-
ten/ mit seinen sieghaften Waffen dieser Beleidi-
gung gerechter Rache zu üben; daraus die
Sterblichen ins gemein einen grossen Wucher
suchten/ Gott auch selbst deshalben für uns sorg-
fältig wäre. Jedoch wolte er noch einmal hier-
zu ein Auge zudrücken/ und glauben/ daß Se-
gesthes der Uhrheber/ die Heftigkeit seiner Liebe
nur der blinde Wegweiser dieses Anschlages ge-
wesen sey; der allgemeine Nachtreter unbe-
dachtsamer Erkühnungen nemlich die Reue ihm
aber schon auf den Fersen folge. Daher wolle
er das gemeine Heil seinem absondern Unrechte
vor-die abgefertigte Botschafft nicht zurücke
ziehen; also ihm zum Uberflusse noch die Wahl
lassen: Ob er das für geschlagene Bündnüß für
die Freyheit des Vaterlandes belieben/ oder ihm
und seinen Bundsgenossen einen verderblichen
Krieg abnöthigen wolle? Er möchte aus des
vorhergehenden Tages Begebenheit nachden-
cken/ daß man zum Kriege noch anders gefaßt
aufziehen müsse/ als zu einem Treffen; und daß
die Bürger-Kriege die blutigsten und ungerech-
testen/ als welche ohne schlimme Stücke weder
angefangen noch ausgeführet werden könten.

Dieses Schreiben stellte der Feldherr einem
Marsingischen Ritter/ Zedlitz/ zu/ umb solches
seinem Könige zu überbringen/ er ließ auch nebst
ihm alle Gefangene/ welche er biß an die Marck-
männische Gräntze/ wo die Saale und Elbe zu-
sammen fleust/ durch 500. Pferde begleiten und
beschirmen.

Hierauf kehrten sie allerseits mit neuem Sie-
ge und unermäßlichen Freuden zurücke/ ausser
daß die Königin für die Wunden ihres hertzlieb-
sten Zeno grossen Kummer trug/ ob sie schon ei-
[Spaltenumbruch] nige zuletzt nachkommende Edelleute versicher-
ten/ daß die Beschädigung so gefährlich nicht
wäre/ als man anfänglich gefürchtet. Denn
weil ins gemein böse Botschafften so viel mög-
lich vergeringert werden/ finden selbte auch stets
nur einen zweifelhaften Glauben. Jn der zar-
ten Seele der edlen Thußnelde aber war der
traurige Kummer noch viel empfindlicher ein-
gewurtzelt/ weil sie ihre eigene Ehre durch ihres
Vaters Untreue befleckt zu seyn meynte. Da-
her/ ob sie zwar mit ihrem lächelnden Munde
ihre innerliche Gemüths-Vergnügung zu eröff-
nen/ und ihn mit einem Strome der Annehm-
ligkeit zu überschütten sich bemühte/ waren doch
die ihre Freudigkeit unterbrechenden Seufzer
Verräther ihres mit eitel Schwermuth überla-
denen Hertzens. Ja die Augen selbst vermoch-
ten die Qvellen der Traurigkeit nicht zu versto-
pfen/ daß nicht zuweilen die Thränen ihre la-
chende Wangen befeuchteten. Hertzog Herr-
mann fühlete diese Schmertzen zweyfach in sel-
ner Seele/ weil sie mit Thußneldens durch die
heftigste Liebe vereinbaret war. Diesemnach
nöthigte ihn sein eigenes Mitleiden Thußnelden
Lufft/ und sie ihrer gewohnten Großmüthigkeit
eindenck zu machen/ also ihr einzureden: daß sie
durch übermässige Kleinmuth ihrem erhaltenen
Tugend-Ruhme keinen so grossen Abbruch/ sei-
ner Liebe aber kein so grosses Hertzeleid anthun
möchte. Denn es wäre kein ärger Ubel/ als kein
Ubel vertragen können. Ein Weiser freuete sich
auch in einem glüenden Ochsen; das weiche
Holtz würde nur wurmstichig/ und ein niedriges
Gemüthe durch Widerwertigkeit zu Bodem
geworffen. Er wüste zwar/ daß die Natur in
Thußnelden der Welt ein Muster der Voll-
kommenheit/ ihm aber einen Leit-Stern zur
Tugend fürstellen wollen; nichts desto weniger
würde sie zweifels-frey selbst empsinden/ daß
wie der Wind die Lufft/ die Glut das Ertzt/ der
Sturm das Meer; also das Unglück die Ge-
müther von aller Unreinigkeit saubere. Ach!

sag-
J i i 3

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] lobten Braut beleidige nicht nur das Recht der
Freundſchafft/ der Voͤlcker und der heiligen
Eh/ ſondern auch die Gottheit/ fuͤr welcher Al-
tare das Eh-Verloͤbniß vollzogen worden/
und welche das ihr angefuͤgte Unrecht zu raͤ-
chen nicht vergeſſe. Daher mangele ihm
nunmehr weder erhebliche Urſache noch Kraͤf-
ten/ mit ſeinen ſieghaften Waffen dieſer Beleidi-
gung gerechter Rache zu uͤben; daraus die
Sterblichen ins gemein einen groſſen Wucher
ſuchten/ Gott auch ſelbſt deshalben fuͤr uns ſorg-
faͤltig waͤre. Jedoch wolte er noch einmal hier-
zu ein Auge zudruͤcken/ und glauben/ daß Se-
geſthes der Uhrheber/ die Heftigkeit ſeiner Liebe
nur der blinde Wegweiſer dieſes Anſchlages ge-
weſen ſey; der allgemeine Nachtreter unbe-
dachtſamer Erkuͤhnungen nemlich die Reue ihm
aber ſchon auf den Ferſen folge. Daher wolle
er das gemeine Heil ſeinem abſondern Unrechte
vor-die abgefertigte Botſchafft nicht zuruͤcke
ziehen; alſo ihm zum Uberfluſſe noch die Wahl
laſſen: Ob er das fuͤr geſchlagene Buͤndnuͤß fuͤr
die Freyheit des Vaterlandes belieben/ oder ihm
und ſeinen Bundsgenoſſen einen verderblichen
Krieg abnoͤthigen wolle? Er moͤchte aus des
vorhergehenden Tages Begebenheit nachden-
cken/ daß man zum Kriege noch anders gefaßt
aufziehen muͤſſe/ als zu einem Treffen; und daß
die Buͤrger-Kriege die blutigſten und ungerech-
teſten/ als welche ohne ſchlimme Stuͤcke weder
angefangen noch ausgefuͤhret werden koͤnten.

Dieſes Schreiben ſtellte der Feldherr einem
Marſingiſchen Ritter/ Zedlitz/ zu/ umb ſolches
ſeinem Koͤnige zu uͤberbringen/ er ließ auch nebſt
ihm alle Gefangene/ welche er biß an die Marck-
maͤnniſche Graͤntze/ wo die Saale und Elbe zu-
ſammen fleuſt/ durch 500. Pferde begleiten und
beſchirmen.

Hierauf kehrten ſie allerſeits mit neuem Sie-
ge und unermaͤßlichen Freuden zuruͤcke/ auſſer
daß die Koͤnigin fuͤr die Wunden ihres hertzlieb-
ſten Zeno groſſen Kummer trug/ ob ſie ſchon ei-
[Spaltenumbruch] nige zuletzt nachkommende Edelleute verſicher-
ten/ daß die Beſchaͤdigung ſo gefaͤhrlich nicht
waͤre/ als man anfaͤnglich gefuͤrchtet. Denn
weil ins gemein boͤſe Botſchafften ſo viel moͤg-
lich vergeringert werden/ finden ſelbte auch ſtets
nur einen zweifelhaften Glauben. Jn der zar-
ten Seele der edlen Thußnelde aber war der
traurige Kummer noch viel empfindlicher ein-
gewurtzelt/ weil ſie ihre eigene Ehre durch ihres
Vaters Untreue befleckt zu ſeyn meynte. Da-
her/ ob ſie zwar mit ihrem laͤchelnden Munde
ihre iñerliche Gemuͤths-Vergnuͤgung zu eroͤff-
nen/ und ihn mit einem Strome der Annehm-
ligkeit zu uͤberſchuͤtten ſich bemuͤhte/ waren doch
die ihre Freudigkeit unterbrechenden Seufzer
Verraͤther ihres mit eitel Schwermuth uͤberla-
denen Hertzens. Ja die Augen ſelbſt vermoch-
ten die Qvellen der Traurigkeit nicht zu verſto-
pfen/ daß nicht zuweilen die Thraͤnen ihre la-
chende Wangen befeuchteten. Hertzog Herr-
mann fuͤhlete dieſe Schmertzen zweyfach in ſel-
ner Seele/ weil ſie mit Thußneldens durch die
heftigſte Liebe vereinbaret war. Dieſemnach
noͤthigte ihn ſein eigenes Mitleiden Thußnelden
Lufft/ und ſie ihrer gewohnten Großmuͤthigkeit
eindenck zu machen/ alſo ihr einzureden: daß ſie
durch uͤbermaͤſſige Kleinmuth ihrem erhaltenen
Tugend-Ruhme keinen ſo groſſen Abbruch/ ſei-
ner Liebe aber kein ſo groſſes Hertzeleid anthun
moͤchte. Denn es waͤre kein aͤrger Ubel/ als kein
Ubel vertragen koͤnnen. Ein Weiſer freuete ſich
auch in einem gluͤenden Ochſen; das weiche
Holtz wuͤrde nur wurmſtichig/ und ein niedriges
Gemuͤthe durch Widerwertigkeit zu Bodem
geworffen. Er wuͤſte zwar/ daß die Natur in
Thußnelden der Welt ein Muſter der Voll-
kommenheit/ ihm aber einen Leit-Stern zur
Tugend fuͤrſtellen wollen; nichts deſto weniger
wuͤrde ſie zweifels-frey ſelbſt empſinden/ daß
wie der Wind die Lufft/ die Glut das Ertzt/ der
Sturm das Meer; alſo das Ungluͤck die Ge-
muͤther von aller Unreinigkeit ſaubere. Ach!

ſag-
J i i 3
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[437/0491] Arminius und Thußnelda. lobten Braut beleidige nicht nur das Recht der Freundſchafft/ der Voͤlcker und der heiligen Eh/ ſondern auch die Gottheit/ fuͤr welcher Al- tare das Eh-Verloͤbniß vollzogen worden/ und welche das ihr angefuͤgte Unrecht zu raͤ- chen nicht vergeſſe. Daher mangele ihm nunmehr weder erhebliche Urſache noch Kraͤf- ten/ mit ſeinen ſieghaften Waffen dieſer Beleidi- gung gerechter Rache zu uͤben; daraus die Sterblichen ins gemein einen groſſen Wucher ſuchten/ Gott auch ſelbſt deshalben fuͤr uns ſorg- faͤltig waͤre. Jedoch wolte er noch einmal hier- zu ein Auge zudruͤcken/ und glauben/ daß Se- geſthes der Uhrheber/ die Heftigkeit ſeiner Liebe nur der blinde Wegweiſer dieſes Anſchlages ge- weſen ſey; der allgemeine Nachtreter unbe- dachtſamer Erkuͤhnungen nemlich die Reue ihm aber ſchon auf den Ferſen folge. Daher wolle er das gemeine Heil ſeinem abſondern Unrechte vor-die abgefertigte Botſchafft nicht zuruͤcke ziehen; alſo ihm zum Uberfluſſe noch die Wahl laſſen: Ob er das fuͤr geſchlagene Buͤndnuͤß fuͤr die Freyheit des Vaterlandes belieben/ oder ihm und ſeinen Bundsgenoſſen einen verderblichen Krieg abnoͤthigen wolle? Er moͤchte aus des vorhergehenden Tages Begebenheit nachden- cken/ daß man zum Kriege noch anders gefaßt aufziehen muͤſſe/ als zu einem Treffen; und daß die Buͤrger-Kriege die blutigſten und ungerech- teſten/ als welche ohne ſchlimme Stuͤcke weder angefangen noch ausgefuͤhret werden koͤnten. Dieſes Schreiben ſtellte der Feldherr einem Marſingiſchen Ritter/ Zedlitz/ zu/ umb ſolches ſeinem Koͤnige zu uͤberbringen/ er ließ auch nebſt ihm alle Gefangene/ welche er biß an die Marck- maͤnniſche Graͤntze/ wo die Saale und Elbe zu- ſammen fleuſt/ durch 500. Pferde begleiten und beſchirmen. Hierauf kehrten ſie allerſeits mit neuem Sie- ge und unermaͤßlichen Freuden zuruͤcke/ auſſer daß die Koͤnigin fuͤr die Wunden ihres hertzlieb- ſten Zeno groſſen Kummer trug/ ob ſie ſchon ei- nige zuletzt nachkommende Edelleute verſicher- ten/ daß die Beſchaͤdigung ſo gefaͤhrlich nicht waͤre/ als man anfaͤnglich gefuͤrchtet. Denn weil ins gemein boͤſe Botſchafften ſo viel moͤg- lich vergeringert werden/ finden ſelbte auch ſtets nur einen zweifelhaften Glauben. Jn der zar- ten Seele der edlen Thußnelde aber war der traurige Kummer noch viel empfindlicher ein- gewurtzelt/ weil ſie ihre eigene Ehre durch ihres Vaters Untreue befleckt zu ſeyn meynte. Da- her/ ob ſie zwar mit ihrem laͤchelnden Munde ihre iñerliche Gemuͤths-Vergnuͤgung zu eroͤff- nen/ und ihn mit einem Strome der Annehm- ligkeit zu uͤberſchuͤtten ſich bemuͤhte/ waren doch die ihre Freudigkeit unterbrechenden Seufzer Verraͤther ihres mit eitel Schwermuth uͤberla- denen Hertzens. Ja die Augen ſelbſt vermoch- ten die Qvellen der Traurigkeit nicht zu verſto- pfen/ daß nicht zuweilen die Thraͤnen ihre la- chende Wangen befeuchteten. Hertzog Herr- mann fuͤhlete dieſe Schmertzen zweyfach in ſel- ner Seele/ weil ſie mit Thußneldens durch die heftigſte Liebe vereinbaret war. Dieſemnach noͤthigte ihn ſein eigenes Mitleiden Thußnelden Lufft/ und ſie ihrer gewohnten Großmuͤthigkeit eindenck zu machen/ alſo ihr einzureden: daß ſie durch uͤbermaͤſſige Kleinmuth ihrem erhaltenen Tugend-Ruhme keinen ſo groſſen Abbruch/ ſei- ner Liebe aber kein ſo groſſes Hertzeleid anthun moͤchte. Denn es waͤre kein aͤrger Ubel/ als kein Ubel vertragen koͤnnen. Ein Weiſer freuete ſich auch in einem gluͤenden Ochſen; das weiche Holtz wuͤrde nur wurmſtichig/ und ein niedriges Gemuͤthe durch Widerwertigkeit zu Bodem geworffen. Er wuͤſte zwar/ daß die Natur in Thußnelden der Welt ein Muſter der Voll- kommenheit/ ihm aber einen Leit-Stern zur Tugend fuͤrſtellen wollen; nichts deſto weniger wuͤrde ſie zweifels-frey ſelbſt empſinden/ daß wie der Wind die Lufft/ die Glut das Ertzt/ der Sturm das Meer; alſo das Ungluͤck die Ge- muͤther von aller Unreinigkeit ſaubere. Ach! ſag- J i i 3

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/491>, abgerufen am 22.11.2024.