Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Ellbogen hefftig verwundet; Daher/ und weiler den schlimsten Tod vor Augen sahe/ wenn er noch einmal gefangen würde/ machte er sich zum ersten aus dem Staube. Der inzwischen auch verwundete König Marobod versuchte zwar alle sein Heil zu siegen/ kriegte aber von des Feldherrn Wurffspiesse noch eine Wunde in die Achsel/ und also muste er mit verfluchter Ver- lassung seiner in der Hoffnung schon verschlun- genen Thußnelda auch aus dem Gefechte sich zu- rücke ziehen. Hiermit kriegte der Feldherr Platz die ungewaffnete Thußnelda aus so gefährli- chem Gedränge zu bringen. Weil aber die Liebe in gekrönten Häuptern all zu zart und un- gedultig/ des geliebten Dinges Verlust uner- träglich ist/ und kein Zorn rasender/ als derselbe zu seyn pflegt/ welcher eine hefftige Liebe zur Mutter hat; schoß der erboste Marobod bey sei- ner Zurückweichung einen Pfeil iedoch verge- bens nach der schönen Thußnelde. Die Marck- männer fochten hierauf alsobald laulichter/ hin- gegen wuchs den Cheruskern wegen theils wie- der erstrittener Beute/ und daß etliche neue Hauffen ihnen zu Hülffe kamen/ das Hertze; wiewohl die Longobarden mit solcher Hartnä- ckigkeit stritten/ daß sielieber sterben/ als einen Schritt aus ihrem Gliede weichen wolten. Endlich gaben die Marckmänner die Flucht/ welche der Feldherr all zuweit zu verfolgen nicht für rathsam hielt/ weil er seinen geraubten Schatz dem Feinde wieder abgeschlagen/ und von den Gefangenen den grossen Hinterhalt an der kaum drey Meilweges von dar entfern- ten Weser ausgeforscht hatte/ zumal ihm die all- zu zeitliche Flucht des sonst so streitbaren Maro- bods all zu verdächtig fürkam. Diese Zurückhaltung war auch so viel nöthi- den Erster Theil. H h h
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Ellbogen hefftig verwundet; Daher/ und weiler den ſchlimſten Tod vor Augen ſahe/ wenn er noch einmal gefangen wuͤrde/ machte er ſich zum erſten aus dem Staube. Der inzwiſchen auch verwundete Koͤnig Marobod verſuchte zwar alle ſein Heil zu ſiegen/ kriegte aber von des Feldherrn Wurffſpieſſe noch eine Wunde in die Achſel/ und alſo muſte er mit verfluchter Ver- laſſung ſeiner in der Hoffnung ſchon verſchlun- genen Thußnelda auch aus dem Gefechte ſich zu- ruͤcke ziehen. Hiermit kriegte der Feldherr Platz die ungewaffnete Thußnelda aus ſo gefaͤhrli- chem Gedraͤnge zu bringen. Weil aber die Liebe in gekroͤnten Haͤuptern all zu zart und un- gedultig/ des geliebten Dinges Verluſt uner- traͤglich iſt/ und kein Zorn raſender/ als derſelbe zu ſeyn pflegt/ welcher eine hefftige Liebe zur Mutter hat; ſchoß der erboſte Marobod bey ſei- ner Zuruͤckweichung einen Pfeil iedoch verge- bens nach der ſchoͤnen Thußnelde. Die Marck- maͤnner fochten hierauf alſobald laulichter/ hin- gegen wuchs den Cheruskern wegen theils wie- der erſtrittener Beute/ und daß etliche neue Hauffen ihnen zu Huͤlffe kamen/ das Hertze; wiewohl die Longobarden mit ſolcher Hartnaͤ- ckigkeit ſtritten/ daß ſielieber ſterben/ als einen Schritt aus ihrem Gliede weichen wolten. Endlich gaben die Marckmaͤnner die Flucht/ welche der Feldherr all zuweit zu verfolgen nicht fuͤr rathſam hielt/ weil er ſeinen geraubten Schatz dem Feinde wieder abgeſchlagen/ und von den Gefangenen den groſſen Hinterhalt an der kaum drey Meilweges von dar entfern- ten Weſer ausgeforſcht hatte/ zumal ihm die all- zu zeitliche Flucht des ſonſt ſo ſtreitbaren Maro- bods all zu verdaͤchtig fuͤrkam. Dieſe Zuruͤckhaltung war auch ſo viel noͤthi- den Erſter Theil. H h h
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Arminius und Thußnelda.
Ellbogen hefftig verwundet; Daher/ und weil
er den ſchlimſten Tod vor Augen ſahe/ wenn er
noch einmal gefangen wuͤrde/ machte er ſich zum
erſten aus dem Staube. Der inzwiſchen auch
verwundete Koͤnig Marobod verſuchte zwar
alle ſein Heil zu ſiegen/ kriegte aber von des
Feldherrn Wurffſpieſſe noch eine Wunde in die
Achſel/ und alſo muſte er mit verfluchter Ver-
laſſung ſeiner in der Hoffnung ſchon verſchlun-
genen Thußnelda auch aus dem Gefechte ſich zu-
ruͤcke ziehen. Hiermit kriegte der Feldherr Platz
die ungewaffnete Thußnelda aus ſo gefaͤhrli-
chem Gedraͤnge zu bringen. Weil aber die
Liebe in gekroͤnten Haͤuptern all zu zart und un-
gedultig/ des geliebten Dinges Verluſt uner-
traͤglich iſt/ und kein Zorn raſender/ als derſelbe
zu ſeyn pflegt/ welcher eine hefftige Liebe zur
Mutter hat; ſchoß der erboſte Marobod bey ſei-
ner Zuruͤckweichung einen Pfeil iedoch verge-
bens nach der ſchoͤnen Thußnelde. Die Marck-
maͤnner fochten hierauf alſobald laulichter/ hin-
gegen wuchs den Cheruskern wegen theils wie-
der erſtrittener Beute/ und daß etliche neue
Hauffen ihnen zu Huͤlffe kamen/ das Hertze;
wiewohl die Longobarden mit ſolcher Hartnaͤ-
ckigkeit ſtritten/ daß ſielieber ſterben/ als einen
Schritt aus ihrem Gliede weichen wolten.
Endlich gaben die Marckmaͤnner die Flucht/
welche der Feldherr all zuweit zu verfolgen nicht
fuͤr rathſam hielt/ weil er ſeinen geraubten
Schatz dem Feinde wieder abgeſchlagen/ und
von den Gefangenen den groſſen Hinterhalt
an der kaum drey Meilweges von dar entfern-
ten Weſer ausgeforſcht hatte/ zumal ihm die all-
zu zeitliche Flucht des ſonſt ſo ſtreitbaren Maro-
bods all zu verdaͤchtig fuͤrkam.
Dieſe Zuruͤckhaltung war auch ſo viel noͤthi-
ger und heilſam/ weil der hertzhaffte Jubil in-
zwiſchen in euſerſter Noth badete. Denn die-
ſer war mit ſeinem in dreyhundert Maͤnnern
beſtehenden Hauffen auf dreyhundert ſtreitbare
Marſinger unter ihrem Hertzoge Tapis/ deſſen
Sitz an dem Fluſſe Guttalus in der Stadt Bu-
dorigum iſt/ und deſſen Gebiete ſich an ſolchem
Strome von dem Marcomanniſehen Gebuͤr-
ge biß an die Bartſch erſtrecket/ geſtoſſen. Jhre
Sprache bezeuget/ daß ſie von Uhrſprunge
Schwaben ſind. Neben dieſen hielten noch
fuͤnf hundert Sarmater den Hertzog der Her-
mundurer warm; welch Volck zwar zu Fuſſe
nichts taugt/ zu Pferde aber iſt es ſo ſchnell/ daß
wenn es mit ſeinen uͤber Stock und Stein ren-
nenden Hauffen anfaͤllt/ auch die geſchloſſenſte
Schlacht-Ordnung zertrennet wird. Dieſe
fuͤhrte des Sarmatiſchen Koͤnigs Jagelle
Sohn/ deſſen Reich ſich von der Weichſel biß an
den Fluß Tanais/ und vom Baltiſchen biß an
das ſchwartze Meer/ und die Meotiſche Pfuͤtze
erſtreckte. Jhre Grauſamkeit haben auch die
Roͤmer ſchon unter dem Lucullus im Thraci-
ſchen Kriege/ und noch fuͤr weniger Zeit Augu-
ſtus erfahren/ nach dem ſie uͤber die gefrorne
Donau den Roͤmern oftmals eingefallen/ und
groſſen Schaden gethan/ alſo daß der Kaͤyſer ih-
retwegen den Lentulus mit dreyen Legionen zu
Beſetzung ſelbigen Fluſſes halten muͤſſen/ biß
endlich durch Vermittelung des Daciſchen Koͤ-
nigs Cotiſan die Roͤmer und Sarmater mit ein-
ander einen Frieden gemacht/ als jene zu dem
Jagello nach Kiov/ dieſe aber zum Kaͤyſer biß in
Hiſpanien nach Tarracon eine praͤchtige Ge-
ſandſchafft abgehen laſſen. Dieſes Koͤnigs
Sohn Boris/ ein zwantzig jaͤhriger ſtreitbarer
Fuͤrſt/ hatte ſich an des Koͤnigs Marobods Hoffe
etliche Monat auf gehalten/ und um ſeine ſchoͤne
Tochter Adelmund geworben; alſo um ihm
durch ſeine Tapfferkeit Gunſt und Anſehn zu
erwerben/ ſich dieſem eilfertigen Anſchlage des
Koͤnig Marobods zugeſellet. Hertzog Jubil
und Melo muſten bey ſolcher Beſchaffenheit
ſich auch in zwey Hauffen theilen/ und alſo nahm
dieſer den Marſingiſchen Hertzog/ jener den uͤ-
ber alle andere hervorragenden und mit einer
abſcheulichen Ruͤſtung alles grauſame draͤuen-
den
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/479>, abgerufen am 16.07.2024. |