Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Vierdtes Buch [Spaltenumbruch]
auf die Bahn gebracht/ oder ungefährliche Zu-fälle dahin abergläubisch ausgedeutet hätte. Des Romulus Empfängnüß und Tod soll durch einer Sonnen-Finsternüß/ des Mithri- dates Geburt und Herrschens-Anfang durch ei- nen Schwantz-Stern/ welcher siebentzig Tag und Nächte mit seinen Flammen das vierdte Theil des Himmels bedecket habe/ angedeutet seyn. Da doch solche aus dem unveränderli- chen Lauffe der Gestirne sich begeben müsten. Der Tempel zu Ephesus solte wegen Abwesen- heit der bey des Alexanders Geburthandreichen- den Diana verbrennet seyn/ da doch die Götter allenthalben gegenwärtig/ oder zum minsten auch in die Ferne zu würcken vermögend seyn solten. Als Carneades sich mit Gift hingerich- tet/ soll der Monde sich verfinstert haben/ da doch diß/ wenn Carneades gleich noch hundert Jahr gelebt hätte/ nicht nachblieben wäre. An- derer Unglück solten frembde Vögel angekün- digt/ oder andere Thiere beweinet haben; da doch der Mensch alleine nur Thränen vergiessen kan. Alleine/ wie dem allem sey/ glaube ich/ daß die blosse Einbildung des Todes ein Schwantz - Gestirne/ welches dem Leibe den Untergang dräuet/ der Seele aber ein zur Tu- gend wegweisender Leit-Stern sey; Drusus auch durch das ihm begegnete Gesichte zu keiner ge- meinen Schwermuth/ also zu seltzamen Einbild- und furchtsamen Entschlüssungen verleitet wor- den. Adgandester fuhre fort: Jch wil darüber nicht streiten/ ob dem Drusus die erzehlten Din- ge begegnet sind/ oder geträumet haben. Diß aber ist gewiß/ daß Drusus folgenden Tag mit seinem Heere aufbrach/ und seinen Rückweg ge- gen dem Rheine nahm/ nach dem er in einen grossen am Ufer aufgerichteten Stein hatte ein- graben lassen: Das Ziel des Claudius Drusus/ welches ihm das Verhängnüß setzte/ weil sein Feind keines zu machen/ seine [Spaltenumbruch] Tugend aber nicht inne zu halten wuste. Die Römer kamen biß an die Weser ohn treibne
Vierdtes Buch [Spaltenumbruch]
auf die Bahn gebracht/ oder ungefaͤhrliche Zu-faͤlle dahin aberglaͤubiſch ausgedeutet haͤtte. Des Romulus Empfaͤngnuͤß und Tod ſoll durch einer Sonnen-Finſternuͤß/ des Mithri- dates Geburt und Herrſchens-Anfang durch ei- nen Schwantz-Stern/ welcher ſiebentzig Tag und Naͤchte mit ſeinen Flammen das vierdte Theil des Himmels bedecket habe/ angedeutet ſeyn. Da doch ſolche aus dem unveraͤnderli- chen Lauffe der Geſtirne ſich begeben muͤſten. Der Tempel zu Epheſus ſolte wegen Abweſen- heit der bey des Alexanders Geburthandreichen- den Diana verbrennet ſeyn/ da doch die Goͤtter allenthalben gegenwaͤrtig/ oder zum minſten auch in die Ferne zu wuͤrcken vermoͤgend ſeyn ſolten. Als Carneades ſich mit Gift hingerich- tet/ ſoll der Monde ſich verfinſtert haben/ da doch diß/ wenn Carneades gleich noch hundert Jahr gelebt haͤtte/ nicht nachblieben waͤre. An- derer Ungluͤck ſolten frembde Voͤgel angekuͤn- digt/ oder andere Thiere beweinet haben; da doch der Menſch alleine nur Thraͤnen vergieſſen kan. Alleine/ wie dem allem ſey/ glaube ich/ daß die bloſſe Einbildung des Todes ein Schwantz - Geſtirne/ welches dem Leibe den Untergang draͤuet/ der Seele aber ein zur Tu- gend wegweiſender Leit-Stern ſey; Druſus auch durch das ihm begegnete Geſichte zu keiner ge- meinen Schwermuth/ alſo zu ſeltzamen Einbild- und furchtſamen Entſchluͤſſungen verleitet wor- den. Adgandeſter fuhre fort: Jch wil daruͤber nicht ſtreiten/ ob dem Druſus die erzehlten Din- ge begegnet ſind/ oder getraͤumet haben. Diß aber iſt gewiß/ daß Druſus folgenden Tag mit ſeinem Heere aufbrach/ und ſeinen Ruͤckweg ge- gen dem Rheine nahm/ nach dem er in einen groſſen am Ufer aufgerichteten Stein hatte ein- graben laſſen: Das Ziel des Claudius Druſus/ welches ihm das Verhaͤngnuͤß ſetzte/ weil ſein Feind keines zu machen/ ſeine [Spaltenumbruch] Tugend aber nicht inne zu halten wuſte. Die Roͤmer kamen biß an die Weſer ohn treibne
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Vierdtes Buch
auf die Bahn gebracht/ oder ungefaͤhrliche Zu-
faͤlle dahin aberglaͤubiſch ausgedeutet haͤtte.
Des Romulus Empfaͤngnuͤß und Tod ſoll
durch einer Sonnen-Finſternuͤß/ des Mithri-
dates Geburt und Herrſchens-Anfang durch ei-
nen Schwantz-Stern/ welcher ſiebentzig Tag
und Naͤchte mit ſeinen Flammen das vierdte
Theil des Himmels bedecket habe/ angedeutet
ſeyn. Da doch ſolche aus dem unveraͤnderli-
chen Lauffe der Geſtirne ſich begeben muͤſten.
Der Tempel zu Epheſus ſolte wegen Abweſen-
heit der bey des Alexanders Geburthandreichen-
den Diana verbrennet ſeyn/ da doch die Goͤtter
allenthalben gegenwaͤrtig/ oder zum minſten
auch in die Ferne zu wuͤrcken vermoͤgend ſeyn
ſolten. Als Carneades ſich mit Gift hingerich-
tet/ ſoll der Monde ſich verfinſtert haben/ da
doch diß/ wenn Carneades gleich noch hundert
Jahr gelebt haͤtte/ nicht nachblieben waͤre. An-
derer Ungluͤck ſolten frembde Voͤgel angekuͤn-
digt/ oder andere Thiere beweinet haben; da doch
der Menſch alleine nur Thraͤnen vergieſſen
kan. Alleine/ wie dem allem ſey/ glaube ich/
daß die bloſſe Einbildung des Todes ein
Schwantz - Geſtirne/ welches dem Leibe den
Untergang draͤuet/ der Seele aber ein zur Tu-
gend wegweiſender Leit-Stern ſey; Druſus auch
durch das ihm begegnete Geſichte zu keiner ge-
meinen Schwermuth/ alſo zu ſeltzamen Einbild-
und furchtſamen Entſchluͤſſungen verleitet wor-
den. Adgandeſter fuhre fort: Jch wil daruͤber
nicht ſtreiten/ ob dem Druſus die erzehlten Din-
ge begegnet ſind/ oder getraͤumet haben. Diß
aber iſt gewiß/ daß Druſus folgenden Tag mit
ſeinem Heere aufbrach/ und ſeinen Ruͤckweg ge-
gen dem Rheine nahm/ nach dem er in einen
groſſen am Ufer aufgerichteten Stein hatte ein-
graben laſſen:
Das Ziel des Claudius Druſus/
welches ihm das Verhaͤngnuͤß ſetzte/
weil ſein Feind keines zu machen/ ſeine
Tugend aber nicht inne zu halten
wuſte.
Die Roͤmer kamen biß an die Weſer ohn
Hindernuͤß; fanden aber ihre befeſtigte
Bruͤcke abgebrochen/ und nichts als die Todten-
Knochen von ihrer Beſatzung. Welches ſie in
eine noch groͤſſere Beſtuͤrtzung ſetzte; zumal nie-
mand verhanden war/ der ihnen nur die Art ſo
erbaͤrmlicher Niederlage erzehlen konte. Wie ſie
nun beemſigt warẽ eine neue Bruͤcke uͤber dieſen
Fluß zu ſchlagen; fielen umb Mitternacht ein
Hauffen von fuͤnff hundert Cheruskiſchen Edel-
leuten den Roͤmern ein/ erlegten die Wache/
rennten alles was ihnen begegnete im Laͤger zu
Bodem/ zohen ſich auch/ als ſie das gantze Laͤger
in Lermen gebracht/ und etliche hundert Feinde
erlegt hatten/ ohne einigen Verluſt zuruͤcke.
Weil nun ein Sieg des andern Werckzeug iſt/
und dieſelben/ welchen das Ungluͤck mit ſeinen
Bley-Fuͤſſen gleich lange auf dem Ruͤcken her-
umb getreten hat/ wieder aufrichtet/ ſo ermun-
terte dieſer gluͤckliche Streich den Feldherrn
Segimer ebenfalls/ daß er die Roͤmer beym
Uberſetzẽ des Fluſſes anzugreiffen ſich entſchloß;
ſonderlich da er vom Marobod/ daß er ſein
Kriegsheer Sudwerts gezogen haͤtte/ vom Dru-
ſus aber/ daß bereit das dritte Theil uͤber die
Bruͤcke geſetzt waͤre/ Kundſchafft einzog. Die-
ſemnach zohe er ſein gantzes Heer aus dem Hartz-
walde gegen eben ſelbigen Strom/ und befehlich-
te etliche Wagehaͤlſe/ daß ſie drey mit Pech/
Schwefel/ und anderm brennenden Zeuge an-
gefuͤllte Schiffe des Nachts Strom-ab fuͤh-
ren/ und darmit die Roͤmiſche Bruͤcke zernich-
ten ſolten/ mit der Abrede/ ſo bald er das erſte ihm
mit einer Fackel gegebene Zeichen von einem
Berge erblicken wuͤrde/ wolte er mit geſam̃ter
Macht das Roͤmiſche Laͤger anfallen. Der
Anſchlag ging nach Wuntſch von ſtatten.
Denn/ weil die Nacht ſehr truͤbe war/ die auf
den Schiffen ſich auch nur den Strom ab
treibne
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