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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] Aber mir sind diese Thorheiten ein Greuel/ und
ich glaube/ daß unser Schutz-Geist durch keine
frembde Künste/ wohl aber durch unsere Laster
uns entrissen wird/ und daß so denn der Göttli-
che Beystand von uns und unserm Lande Ab-
schied nimmt/ wenn unsere unreine Hertzen mehr
zu keinem Tempel eines reinen Goistes taugen/
wenn unsere Flüsse/ unsere Berge/ als die von
der Natur gesetzte Schutzwehren der Länder mit
Blute und Unrecht besudelt sind. Diesemnach
dann auch für keine Strengigkeit des gütigen Got-
tes anzuziehen ist/ wenn er verhänget/ daß Städ-
te und Menschen nichts minder von einem bösen/
als einem guten Geiste begleitet werden/ oder: daß
vieler Meynung nach/ iede Stunde der Woche
eines besonderen Geistes bald heilsamer bald
schädlicher Herrschafft unterworffen/ und daher
unser Glück und Thun auch so ofter Verände-
rung unterworffen seyn solte. Denn der iedem
Menschen noch in Mutter-Leibe zugeeignete
Schutz-Geist/ welcher keinen Augen-Blick sich
von ihm entfernet/ sondern zu unserer Geburt
behülfflich ist/ und nicht/ nach etlicher Meynung
mit uns gebohren/ oder aus dem Geburts-Ge-
stirne herunter gelassen/ weniger aber von uns
sterblichen Menschen geschaffet wird; ja der uns
auf den Händen trägt/ und biß man die Seele
ausbläset/ als ein unabtrennlicher Gefärte be-
gleitet; auch wohl gar nach dem Tode/ wenn des
verstorbenen Boßheit sie nicht selbst verbannet/
ein Beschirmer des Hauses bleibet/ und den un-
srigen uns zu Liebe zu Dienste stehen/ ist solchen
widrigen Geistern nicht nur gewachsen/ sondern
auch überlegen/ wenn selbter nur in schuldigen
Ehren gehalten/ fürnehmlich aber nur mit ei-
nem heiligen Leben versöhnet wird; weswegen
unsere Vor-Eltern in ihren Geburts-Tagen
ihren Schutz-Geist mit Wein und Blumen be-
schenckten; massen mir denn auch ein Edelmann
aus der Jnsel Thule/ dessen Geschlechte nebst et-
lichen andern alldort von Gott die Gnade haben
sollen/ die den Menschen zugeeignete Geister in
[Spaltenumbruch] Gestalt allerhand Thiere mit Augen zu sehen/
betheuerlich erzehlet/ daß ihnen sonderlich an
eines ieden Menschen Geburts-Tage die Augen
eröffnet würden. Diese Gabe soll auch So-
crates gehabt/ und durch Beyhülffe seines
Schutz-Geistes viel ihm durch Zeichen oder
Träume vorangedeutete Unfälle abgelehnet/ ja
sein eignes ihm so abgeneigtes Geburts-Gestir-
ne übermeistert haben. Und ist derogestalt ir-
rig/ daß iedes Menschen Geist die Eigenschafft
seines Sternes haben solle. Denn dieser war
bey dem Socrates irrdisch/ und zur Uppigkeit
geneigt; jener aber feurig/ welcher ihn zu Nach-
sinnung himmlicher Dinge/ zu Ausübung der
Tugend an- und von allem ver gänglichen ab-
leitete. Uber diß deutet unser Schutz-Geist
uns mehrmals unser gutes Glücke an/ wie dem
Curtius Rufus in Africa von seinem in einer
schönen Weibes-Gestalt ihm erscheinenden
Geiste begegnete; er wecket uns zu einer er-
sprießlichen Entschlüssung auf; wie dem Käyser
Julius geschahe/ welchen/ als er über den Fluß
Rubico zu setzen Bedencken trug/ die Schilff-
Pfeiffe eines grossen Menschen-Vildes auf-
munterte/ und ihm über den Strom den Weg
zeigte. Daß aber unser Schutz-Geist mit uns
nicht verschwinde/ sondern auch nach unserm
Tode für uns und die Unsrigen wachsam sey/
hat die Erfahrung uns mehrmals augenschein-
lich erwiesen. Jn der Marathonischen Schlacht
fochte der Schutz-Geist des Theseus mit hell-
gläntzenden Waffen für die Griechen wider die
Persen. Jn der Philippischen Schlacht der
Geist des Käysers Julius wider seinen Mörder
den Cassius/ und ein anderer Geist erstieg für die
furchtsamen Römer den Wall der Brutier und
Lucaner. Die Geister des Pollux und Castors
brachten auf ihrem mit Schweiß und Staub be-
sudelten Pferden die fröliche Botschafft von dem
bey dem Viturnischen See erhaltenen Siege nach
Rom. Des in dem Sicilischen Kriege von des
Augustus Krieges-Volcke enthaupteten Gabi-

nius

Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] Aber mir ſind dieſe Thorheiten ein Greuel/ und
ich glaube/ daß unſer Schutz-Geiſt durch keine
frembde Kuͤnſte/ wohl aber durch unſere Laſter
uns entriſſen wird/ und daß ſo denn der Goͤttli-
che Beyſtand von uns und unſerm Lande Ab-
ſchied nim̃t/ wenn unſere unreine Hertzen mehr
zu keinem Tempel eines reinen Goiſtes taugen/
wenn unſere Fluͤſſe/ unſere Berge/ als die von
der Natur geſetzte Schutzwehren der Laͤnder mit
Blute und Unrecht beſudelt ſind. Dieſemnach
dañ auch fuͤr keine Strengigkeit des guͤtigẽ Got-
tes anzuziehẽ iſt/ wenn er verhaͤnget/ daß Staͤd-
te und Menſchẽ nichts minder von einem boͤſen/
als einem guten Geiſte begleitet werdẽ/ oder: daß
vieler Meynung nach/ iede Stunde der Woche
eines beſonderen Geiſtes bald heilſamer bald
ſchaͤdlicher Herrſchafft unterworffen/ und daher
unſer Gluͤck und Thun auch ſo ofter Veraͤnde-
rung unterworffen ſeyn ſolte. Denn der iedem
Menſchen noch in Mutter-Leibe zugeeignete
Schutz-Geiſt/ welcher keinen Augen-Blick ſich
von ihm entfernet/ ſondern zu unſerer Geburt
behuͤlfflich iſt/ und nicht/ nach etlicher Meynung
mit uns gebohren/ oder aus dem Geburts-Ge-
ſtirne herunter gelaſſen/ weniger aber von uns
ſterblichen Menſchen geſchaffet wird; ja der uns
auf den Haͤnden traͤgt/ und biß man die Seele
ausblaͤſet/ als ein unabtrennlicher Gefaͤrte be-
gleitet; auch wohl gar nach dem Tode/ wenn des
verſtorbenen Boßheit ſie nicht ſelbſt verbannet/
ein Beſchirmer des Hauſes bleibet/ und den un-
ſrigen uns zu Liebe zu Dienſte ſtehen/ iſt ſolchen
widrigen Geiſtern nicht nur gewachſen/ ſondern
auch uͤberlegen/ wenn ſelbter nur in ſchuldigen
Ehren gehalten/ fuͤrnehmlich aber nur mit ei-
nem heiligen Leben verſoͤhnet wird; weswegen
unſere Vor-Eltern in ihren Geburts-Tagen
ihren Schutz-Geiſt mit Wein und Blumen be-
ſchenckten; maſſen mir denn auch ein Edelmann
aus der Jnſel Thule/ deſſen Geſchlechte nebſt et-
lichen andern alldort von Gott die Gnade haben
ſollen/ die den Menſchen zugeeignete Geiſter in
[Spaltenumbruch] Geſtalt allerhand Thiere mit Augen zu ſehen/
betheuerlich erzehlet/ daß ihnen ſonderlich an
eines ieden Menſchen Geburts-Tage die Augen
eroͤffnet wuͤrden. Dieſe Gabe ſoll auch So-
crates gehabt/ und durch Beyhuͤlffe ſeines
Schutz-Geiſtes viel ihm durch Zeichen oder
Traͤume vorangedeutete Unfaͤlle abgelehnet/ ja
ſein eignes ihm ſo abgeneigtes Geburts-Geſtir-
ne uͤbermeiſtert haben. Und iſt derogeſtalt ir-
rig/ daß iedes Menſchen Geiſt die Eigenſchafft
ſeines Sternes haben ſolle. Denn dieſer war
bey dem Socrates irrdiſch/ und zur Uppigkeit
geneigt; jener aber feurig/ welcher ihn zu Nach-
ſinnung him̃licher Dinge/ zu Ausuͤbung der
Tugend an- und von allem ver gaͤnglichen ab-
leitete. Uber diß deutet unſer Schutz-Geiſt
uns mehrmals unſer gutes Gluͤcke an/ wie dem
Curtius Rufus in Africa von ſeinem in einer
ſchoͤnen Weibes-Geſtalt ihm erſcheinenden
Geiſte begegnete; er wecket uns zu einer er-
ſprießlichen Entſchluͤſſung auf; wie dem Kaͤyſer
Julius geſchahe/ welchen/ als er uͤber den Fluß
Rubico zu ſetzen Bedencken trug/ die Schilff-
Pfeiffe eines groſſen Menſchen-Vildes auf-
munterte/ und ihm uͤber den Strom den Weg
zeigte. Daß aber unſer Schutz-Geiſt mit uns
nicht verſchwinde/ ſondern auch nach unſerm
Tode fuͤr uns und die Unſrigen wachſam ſey/
hat die Erfahrung uns mehrmals augenſchein-
lich erwieſen. Jn der Marathoniſchen Schlacht
fochte der Schutz-Geiſt des Theſeus mit hell-
glaͤntzenden Waffen fuͤr die Griechen wider die
Perſen. Jn der Philippiſchen Schlacht der
Geiſt des Kaͤyſers Julius wider ſeinen Moͤrder
den Caſſius/ und ein anderer Geiſt erſtieg fuͤr die
furchtſamen Roͤmer den Wall der Brutier und
Lucaner. Die Geiſter des Pollux und Caſtors
brachten auf ihrem mit Schweiß und Staub be-
ſudelten Pferden die froͤliche Botſchafft von dem
bey dem Viturniſchẽ See erhaltenẽ Siege nach
Rom. Des in dem Siciliſchen Kriege von des
Auguſtus Krieges-Volcke enthaupteten Gabi-

nius
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/470>, abgerufen am 22.11.2024.