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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] kehren/ und ihnen gleichwohl den grösten Ab-
bruch thun. Jedoch ließ er mit dem flüchti-
gen Demosthenes in der Hoffnung sich künfftig
besser zu halten/ den Schild nicht im Stiche;
sondern die gantze Nacht anfangs alles Kriegs-
Geräthe/ hernach die Verwundeten und das
Fußvolck über den Fluß gehen; und endlich folg-
te er mit der Reuterey nach/ zündete die Brücken
hinter sich an/ und zohe sich an die Weser. Dru-
sus/ welcher ihm einbildete: er hätte den Arpus
zwischen diesen zwey Flüssen im Sacke/ ward
am Morgen allererst bey Abweichung der letz-
ten Hauffen dieser klugen Zurückziehung ge-
wahr; hatte auch Bedencken einem so listigen
und tapfferem Feinde zwischen die Flüsse und
Wälder tieffer nachzugehen; sonderlich da er
vernahm: daß die Catten sich abermahls an ei-
nen so vortheilhaften Ort zwischen die Fulde und
Weser gesetzt/ und am Rücken ebenfals etliche
Brücken geschlagen hatten. Diesem nach ent-
schloß sich Drusus auch einmal mit den Hermun-
duren/ welche wie die Catten gleicher gestalt ein
Theil der Schwaben waren/ anzubinden/ und
sein Heil zu versuchen; richtete also seinen Zug
gegen Mittag und gegen dem Meyn/ von dar
wendete er sich gegen der Saale; fand auch zu
seiner Verwunderung etliche Tagereisen we-
der einigen Widerstand/ noch einige Menschen.
Denn in denen Wäldern waren alle Flecken
verbrennet. Endlich aber gerieth sein Vortrab
nahe biß an den Hermundurischen Saltz-See;
aus welchem sie an statt des mangelnden Meer-
Wassers das von ihnen so genennte Saltz-Oel
schöpffen/ solches in einen grossen Hauffen
glüender Kolen giessen/ und also denn das durch
Feuer und Wasser gleichsam zusammen gebacke-
ne Saltz von der Asche absondern. Diesen Ort/
als welchen die Natur mit einem so herrlichen
Schatze begabet/ auch mit diesem ge altzenen ei-
nen andern süssen See unmittelbar verbunden
hat/ halten die Hermundurer für den heiligsten
in der Welt/ und glauben/ daß Gott nirgends
wo so geschwinde das Gebet der Sterblichen er-
[Spaltenumbruch] höre; dahero sie auch wegen Besitzung dieses
Saltz-Sees und etlicher anderer Saltz-Brun-
nen mit den Catten und Cheruskern offtmahls
Kriege geführet. Nahe hierbey/ sage ich/ stiessen
etliche Hermundurer/ so den Feind ausspühren
solten/ auff des damahligen Bürgermeisters
des Qvintus Crispinus Sohn/ der den Römi-
schen Vortrab führte. Wie nun er sich dieser
wenigen leicht bemächtigte/ also zwang er ihnen
endlich durch Dräuen und Marter aus: daß der
Marckmänner König Marobod zwischen der
Saale und dem Saltz-See mit siebentzig tau-
send außerlesenen Fußknechten und dreißig tau-
send Reutern wartete. Vannius aber/ ein Qva-
discher Fürst/ welcher durch Marbods Hülffe
das Königreich der Qvaden und Schwaben
zwischen der Donau/ dem Flusse Marus/ und
dem Reiche der Bojen unlängst erobert hatte/
stünde nicht weit darvon/ und hätte dieser allen
seinen Unterthanen befohlen/ sich gegen der Saa-
le zurück zu ziehen. Drusus stutzte nicht allein
über dieser Zeitung/ sondern ward auch beküm-
mert/ daß er von dieser grossen Macht nicht um-
geben und auffgerieben werden möchte. Weil
er aber gleichwohl nicht begreiffen konte/ war-
um die Hermundurer/ welche eine so grosse
Macht an der Hand gehabt/ so ferne gewichen
wären; fragte: warum sie denn ihr Land selbst
so sehr verwüstet hätten? Nostitz/ ein gefange-
ner Edelmann/ antwortete dem Drusus: Bey
den Deutschen wäre es Herkommens/ daß ein
ieder der gemeinen Wohlfarth zum besten
sich ihres Vermögens gerne verlustig mach-
ten. Wenn diesem nach ihr Fürst es für vor-
träglich hielte/ steckte ieder Einwohner auff sei-
nen Besehl das Feuer mit Freuden unter sein
eigenes Dach/ weil sie sich bescheideten: daß ein
Fürst eben so wohl als die Sonne manchmahl
beschwerlich seyn müste; welche mehrmahls ei-
nem Reisenden den Schweiß austriebe/ unter-
dessen die Erndte reiff machte/ die Welt beseelte/
und tausenderley Nutzen schaffte. Schwere Sa-
chen senckten sich in die Tieffe/ als ihrem ordent-

lichen

Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] kehren/ und ihnen gleichwohl den groͤſten Ab-
bruch thun. Jedoch ließ er mit dem fluͤchti-
gen Demoſthenes in der Hoffnung ſich kuͤnfftig
beſſer zu halten/ den Schild nicht im Stiche;
ſondern die gantze Nacht anfangs alles Kriegs-
Geraͤthe/ hernach die Verwundeten und das
Fußvolck uͤber den Fluß gehen; und endlich folg-
te er mit der Reuterey nach/ zuͤndete die Bruͤcken
hinter ſich an/ und zohe ſich an die Weſer. Dru-
ſus/ welcher ihm einbildete: er haͤtte den Arpus
zwiſchen dieſen zwey Fluͤſſen im Sacke/ ward
am Morgen allererſt bey Abweichung der letz-
ten Hauffen dieſer klugen Zuruͤckziehung ge-
wahr; hatte auch Bedencken einem ſo liſtigen
und tapfferem Feinde zwiſchen die Fluͤſſe und
Waͤlder tieffer nachzugehen; ſonderlich da er
vernahm: daß die Catten ſich abermahls an ei-
nen ſo vortheilhaften Ort zwiſchen die Fulde und
Weſer geſetzt/ und am Ruͤcken ebenfals etliche
Bruͤcken geſchlagen hatten. Dieſem nach ent-
ſchloß ſich Druſus auch einmal mit dẽ Hermun-
duren/ welche wie die Catten gleicher geſtalt ein
Theil der Schwaben waren/ anzubinden/ und
ſein Heil zu verſuchen; richtete alſo ſeinen Zug
gegen Mittag und gegen dem Meyn/ von dar
wendete er ſich gegen der Saale; fand auch zu
ſeiner Verwunderung etliche Tagereiſen we-
der einigen Widerſtand/ noch einige Menſchen.
Denn in denen Waͤldern waren alle Flecken
verbrennet. Endlich aber gerieth ſein Vortrab
nahe biß an den Hermunduriſchen Saltz-See;
aus welchem ſie an ſtatt des mangelnden Meer-
Waſſers das von ihnen ſo genennte Saltz-Oel
ſchoͤpffen/ ſolches in einen groſſen Hauffen
gluͤender Kolen gieſſen/ und alſo denn das durch
Feuer und Waſſer gleichſam zuſam̃en gebacke-
ne Saltz von der Aſche abſondern. Dieſen Ort/
als welchen die Natur mit einem ſo herrlichen
Schatze begabet/ auch mit dieſem ge altzenen ei-
nen andern ſuͤſſen See unmittelbar verbunden
hat/ halten die Hermundurer fuͤr den heiligſten
in der Welt/ und glauben/ daß Gott nirgends
wo ſo geſchwinde das Gebet der Sterblichen er-
[Spaltenumbruch] hoͤre; dahero ſie auch wegen Beſitzung dieſes
Saltz-Sees und etlicher anderer Saltz-Brun-
nen mit den Catten und Cheruſkern offtmahls
Kriege gefuͤhret. Nahe hierbey/ ſage ich/ ſtieſſen
etliche Hermundurer/ ſo den Feind ausſpuͤhren
ſolten/ auff des damahligen Buͤrgermeiſters
des Qvintus Criſpinus Sohn/ der den Roͤmi-
ſchen Vortrab fuͤhrte. Wie nun er ſich dieſer
wenigen leicht bemaͤchtigte/ alſo zwang er ihnen
endlich durch Draͤuen und Marter aus: daß der
Marckmaͤnner Koͤnig Marobod zwiſchen der
Saale und dem Saltz-See mit ſiebentzig tau-
ſend außerleſenen Fußknechten und dreißig tau-
ſend Reutern wartete. Vannius aber/ ein Qva-
diſcher Fuͤrſt/ welcher durch Marbods Huͤlffe
das Koͤnigreich der Qvaden und Schwaben
zwiſchen der Donau/ dem Fluſſe Marus/ und
dem Reiche der Bojen unlaͤngſt erobert hatte/
ſtuͤnde nicht weit darvon/ und haͤtte dieſer allen
ſeinen Unteꝛthanen befohlen/ ſich gegen deꝛ Saa-
le zuruͤck zu ziehen. Druſus ſtutzte nicht allein
uͤber dieſer Zeitung/ ſondern ward auch bekuͤm-
mert/ daß er von dieſer groſſen Macht nicht um-
geben und auffgerieben werden moͤchte. Weil
er aber gleichwohl nicht begreiffen konte/ war-
um die Hermundurer/ welche eine ſo groſſe
Macht an der Hand gehabt/ ſo ferne gewichen
waͤren; fragte: warum ſie denn ihr Land ſelbſt
ſo ſehr verwuͤſtet haͤtten? Noſtitz/ ein gefange-
ner Edelmann/ antwortete dem Druſus: Bey
den Deutſchen waͤre es Herkommens/ daß ein
ieder der gemeinen Wohlfarth zum beſten
ſich ihres Vermoͤgens gerne verluſtig mach-
ten. Wenn dieſem nach ihr Fuͤrſt es fuͤr vor-
traͤglich hielte/ ſteckte ieder Einwohner auff ſei-
nen Beſehl das Feuer mit Freuden unter ſein
eigenes Dach/ weil ſie ſich beſcheideten: daß ein
Fuͤrſt eben ſo wohl als die Sonne manchmahl
beſchwerlich ſeyn muͤſte; welche mehrmahls ei-
nem Reiſenden den Schweiß austriebe/ unter-
deſſen die Erndte reiff machte/ die Welt beſeelte/
und tauſenderley Nutzen ſchaffte. Schwere Sa-
chen ſenckten ſich in die Tieffe/ als ihrem ordent-

lichen
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/464>, abgerufen am 22.11.2024.