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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] viel andere grausame Thiere den vom Hispani-
schen Könige Gargoris weggeworffenen Habis
gesäuget/ und die Bienen in Sicilien des Hiero-
clytus Auswürffling Hiero gespeiset. Jnson-
derheit aber wäre nichts minder den Delfinen
und Murenen die Liebe gegen dem Menschen/
als den Pfauen gegen die Tauben/ und den Tur-
tel-Tauben gegen die Papegoyen eingepflantzt.
Die Delfinen nähmen sich so gar des menschli-
chen Seufzens an/ ergetzten sich über ihrer
Stimme/ und kämen den Schiffen entgegen ge-
schwommen. Ja ob schon die Berührung der
Erde ihr Tod wäre; so folgten sie doch so weit de-
nen lockenden Menschen nach. Und also wäre
einer auf dem trockenen Sande erblichen/ der
einen Knaben aus der Stadt Jassus/ Diony-
sius genennt/ für Liebe nicht lassen wollen/ wel-
chen hernach der grosse Alexander zum Priester
des Neptunus bestellet hätte. Bey eben dieser
Stadt Jassus/ und bey Naupact habe ein Del-
fin sich an dem flachen Ufer hingerichtet/ weil sie
einen auf ihnen reitenden Knaben bey entstande-
nem Ungewitter abfallen und ertrincken lassen.
Und an dem nechst angelegenen Lucriner-See
wäre noch das von dem Käyser gebauete Be-
gräbnüß eines für Sehnsucht entseelten Delfins
zu sehen/ der einen Knaben täglich von Bajä
nach Puteoli und zurücke geschiffet/ nach des
Knabens Tode auch sein ihm verdrüßliches Le-
ben aufgegeben hätte. Aus den Murenen
hätten einige den Lucius Philippus/ den Horten-
sius und Hircius hertzlich geliebet/ und ein denck-
würdiges Beyspiel sehe man alldar für Augen:
Also er glauben müste/ daß wie die grössesten
Thiere/ als Elefanten und Cameele/ für dem
Menschen Furcht trügen/ weil die Natur ihren
Augen die Eigenschafft eines Vergrösserung-
Glases eingesetzt hätte/ wormit sie uns für grös-
ser/ als wir wahrhaftig wären/ ansehen; also ha-
be sie auch gewissen Thieren einen solchen gehei-
men Trieb/ wie das Eisen gegen dem Magnet-
Steine oder die Sonnenwende gegen der Son-
[Spaltenumbruch] ne hat/ eingepflantzt; hingegen aber wäre an
Antonien als eine ungewöhnliche Ubermaaß ih-
rer Güte zu rühmen/ daß sie eine unwürdige
Murene mit ihrer Gegen-Liebe eben so wie die
Sonne die sümpfichten Thäler mit ihren
Straalen beseligte. Nach dem auch Antoni-
ens Leutseligkeit ihren Augen keinen sauern
Blick zu erlauben fähig ware; betrauerte er/
daß die Murene ihre grosse Glückseligkeit nicht
genung erkennen könte. Zumal wie sonst alle
Murenen vom Essig-Geschmacke rasend/ also
diese Geliebte von einem einigen unholden
Straale verzweifelnd werden würde. Anto-
nia sahe es dem Muräna an den Augen an/ daß
er einen Blick in die Heimligkeit ihres Hertzens
gethan hatte; und weil Octavia sich mit dem
Mecenas gleich auf die Seite wendete/ warff sie
auf ihn einen so anmuthigen Straal/ der ihm
durch Marck und Adern ging/ und vollends den
Nebel alles seinen Zweifels zu Boden drückte:
Diesen begleitete sie mit folgendem Jnnhalt:
Es hätten ja wohl ehe hohe Häupter an geringe-
ren Thieren/ denen sie zu Ehren gantze Städte
und prächtige Grabmahle gebauet/ Crassus/
Hortensius und Hircius an Murenen so gar
ihre Erlustigung gehabt/ daß sie selbte für un-
schätzbar gehalten/ ja für sie die Klage angelegt
hätten. Zu dem wüste niemand als sie von der
Würde ihrer vernünftigen Murene zu urthei-
len. Uber dieser Erklärung hatte Muräna
noch theils seine Seufzer zu verdrücken/ theils
die Veränderung seines Gemüthes und Gesich-
tes nicht mercklich zu machen; und daher ward
er genöthiget/ sein Gespräche mit Höfligkeit ab-
zubrechen. Weil nun Octavia und Mecenas
mit einander in einen Lustgang/ Antonia alleine
sich in einen andern Weg schlugen/ erkiesete Mu-
räna/ welchen die der anfangenden Liebe ankle-
bende Furcht sich Antonien beyzugesellen nicht
erlaubte/ den drittern. Und als er einen Scheide-
Weg wahrnahm/ welchen Antonia nothwendig
treffen muste; schrieb er mit dem Stabe daselbst

in
C c c 2

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] viel andere grauſame Thiere den vom Hiſpani-
ſchen Koͤnige Gargoris weggeworffenen Habis
geſaͤuget/ und die Bienen in Sicilien des Hiero-
clytus Auswuͤrffling Hiero geſpeiſet. Jnſon-
derheit aber waͤre nichts minder den Delfinen
und Murenen die Liebe gegen dem Menſchen/
als den Pfauen gegen die Tauben/ und den Tur-
tel-Tauben gegen die Papegoyen eingepflantzt.
Die Delfinen naͤhmen ſich ſo gar des menſchli-
chen Seufzens an/ ergetzten ſich uͤber ihrer
Stimme/ und kaͤmen den Schiffen entgegen ge-
ſchwommen. Ja ob ſchon die Beruͤhrung der
Erde ihr Tod waͤre; ſo folgten ſie doch ſo weit de-
nen lockenden Menſchen nach. Und alſo waͤre
einer auf dem trockenen Sande erblichen/ der
einen Knaben aus der Stadt Jaſſus/ Diony-
ſius genennt/ fuͤr Liebe nicht laſſen wollen/ wel-
chen hernach der groſſe Alexander zum Prieſter
des Neptunus beſtellet haͤtte. Bey eben dieſer
Stadt Jaſſus/ und bey Naupact habe ein Del-
fin ſich an dem flachen Ufer hingerichtet/ weil ſie
einen auf ihnen reitenden Knaben bey entſtande-
nem Ungewitter abfallen und ertrincken laſſen.
Und an dem nechſt angelegenen Lucriner-See
waͤre noch das von dem Kaͤyſer gebauete Be-
graͤbnuͤß eines fuͤr Sehnſucht entſeelten Delfins
zu ſehen/ der einen Knaben taͤglich von Bajaͤ
nach Puteoli und zuruͤcke geſchiffet/ nach des
Knabens Tode auch ſein ihm verdruͤßliches Le-
ben aufgegeben haͤtte. Aus den Murenen
haͤtten einige den Lucius Philippus/ den Horten-
ſius und Hircius hertzlich geliebet/ und ein denck-
wuͤrdiges Beyſpiel ſehe man alldar fuͤr Augen:
Alſo er glauben muͤſte/ daß wie die groͤſſeſten
Thiere/ als Elefanten und Cameele/ fuͤr dem
Menſchen Furcht truͤgen/ weil die Natur ihren
Augen die Eigenſchafft eines Vergroͤſſerung-
Glaſes eingeſetzt haͤtte/ wormit ſie uns fuͤr groͤſ-
ſer/ als wir wahrhaftig waͤren/ anſehen; alſo ha-
be ſie auch gewiſſen Thieren einen ſolchen gehei-
men Trieb/ wie das Eiſen gegen dem Magnet-
Steine oder die Sonnenwende gegen der Son-
[Spaltenumbruch] ne hat/ eingepflantzt; hingegen aber waͤre an
Antonien als eine ungewoͤhnliche Ubermaaß ih-
rer Guͤte zu ruͤhmen/ daß ſie eine unwuͤrdige
Murene mit ihrer Gegen-Liebe eben ſo wie die
Sonne die ſuͤmpfichten Thaͤler mit ihren
Straalen beſeligte. Nach dem auch Antoni-
ens Leutſeligkeit ihren Augen keinen ſauern
Blick zu erlauben faͤhig ware; betrauerte er/
daß die Murene ihre groſſe Gluͤckſeligkeit nicht
genung erkennen koͤnte. Zumal wie ſonſt alle
Murenen vom Eſſig-Geſchmacke raſend/ alſo
dieſe Geliebte von einem einigen unholden
Straale verzweifelnd werden wuͤrde. Anto-
nia ſahe es dem Muraͤna an den Augen an/ daß
er einen Blick in die Heimligkeit ihres Hertzens
gethan hatte; und weil Octavia ſich mit dem
Mecenas gleich auf die Seite wendete/ warff ſie
auf ihn einen ſo anmuthigen Straal/ der ihm
durch Marck und Adern ging/ und vollends den
Nebel alles ſeinen Zweifels zu Boden druͤckte:
Dieſen begleitete ſie mit folgendem Jnnhalt:
Es haͤtten ja wohl ehe hohe Haͤupter an geringe-
ren Thieren/ denen ſie zu Ehren gantze Staͤdte
und praͤchtige Grabmahle gebauet/ Craſſus/
Hortenſius und Hircius an Murenen ſo gar
ihre Erluſtigung gehabt/ daß ſie ſelbte fuͤr un-
ſchaͤtzbar gehalten/ ja fuͤr ſie die Klage angelegt
haͤtten. Zu dem wuͤſte niemand als ſie von der
Wuͤrde ihrer vernuͤnftigen Murene zu urthei-
len. Uber dieſer Erklaͤrung hatte Muraͤna
noch theils ſeine Seufzer zu verdruͤcken/ theils
die Veraͤnderung ſeines Gemuͤthes und Geſich-
tes nicht mercklich zu machen; und daher ward
er genoͤthiget/ ſein Geſpraͤche mit Hoͤfligkeit ab-
zubrechen. Weil nun Octavia und Mecenas
mit einander in einen Luſtgang/ Antonia alleine
ſich in einen andern Weg ſchlugen/ erkieſete Mu-
raͤna/ welchen die der anfangenden Liebe ankle-
bende Furcht ſich Antonien beyzugeſellen nicht
erlaubte/ den drittern. Und als er einen Scheide-
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treffen muſte; ſchrieb er mit dem Stabe daſelbſt

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C c c 2
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[387/0441] Arminius und Thußnelda. viel andere grauſame Thiere den vom Hiſpani- ſchen Koͤnige Gargoris weggeworffenen Habis geſaͤuget/ und die Bienen in Sicilien des Hiero- clytus Auswuͤrffling Hiero geſpeiſet. Jnſon- derheit aber waͤre nichts minder den Delfinen und Murenen die Liebe gegen dem Menſchen/ als den Pfauen gegen die Tauben/ und den Tur- tel-Tauben gegen die Papegoyen eingepflantzt. Die Delfinen naͤhmen ſich ſo gar des menſchli- chen Seufzens an/ ergetzten ſich uͤber ihrer Stimme/ und kaͤmen den Schiffen entgegen ge- ſchwommen. Ja ob ſchon die Beruͤhrung der Erde ihr Tod waͤre; ſo folgten ſie doch ſo weit de- nen lockenden Menſchen nach. Und alſo waͤre einer auf dem trockenen Sande erblichen/ der einen Knaben aus der Stadt Jaſſus/ Diony- ſius genennt/ fuͤr Liebe nicht laſſen wollen/ wel- chen hernach der groſſe Alexander zum Prieſter des Neptunus beſtellet haͤtte. Bey eben dieſer Stadt Jaſſus/ und bey Naupact habe ein Del- fin ſich an dem flachen Ufer hingerichtet/ weil ſie einen auf ihnen reitenden Knaben bey entſtande- nem Ungewitter abfallen und ertrincken laſſen. Und an dem nechſt angelegenen Lucriner-See waͤre noch das von dem Kaͤyſer gebauete Be- graͤbnuͤß eines fuͤr Sehnſucht entſeelten Delfins zu ſehen/ der einen Knaben taͤglich von Bajaͤ nach Puteoli und zuruͤcke geſchiffet/ nach des Knabens Tode auch ſein ihm verdruͤßliches Le- ben aufgegeben haͤtte. Aus den Murenen haͤtten einige den Lucius Philippus/ den Horten- ſius und Hircius hertzlich geliebet/ und ein denck- wuͤrdiges Beyſpiel ſehe man alldar fuͤr Augen: Alſo er glauben muͤſte/ daß wie die groͤſſeſten Thiere/ als Elefanten und Cameele/ fuͤr dem Menſchen Furcht truͤgen/ weil die Natur ihren Augen die Eigenſchafft eines Vergroͤſſerung- Glaſes eingeſetzt haͤtte/ wormit ſie uns fuͤr groͤſ- ſer/ als wir wahrhaftig waͤren/ anſehen; alſo ha- be ſie auch gewiſſen Thieren einen ſolchen gehei- men Trieb/ wie das Eiſen gegen dem Magnet- Steine oder die Sonnenwende gegen der Son- ne hat/ eingepflantzt; hingegen aber waͤre an Antonien als eine ungewoͤhnliche Ubermaaß ih- rer Guͤte zu ruͤhmen/ daß ſie eine unwuͤrdige Murene mit ihrer Gegen-Liebe eben ſo wie die Sonne die ſuͤmpfichten Thaͤler mit ihren Straalen beſeligte. Nach dem auch Antoni- ens Leutſeligkeit ihren Augen keinen ſauern Blick zu erlauben faͤhig ware; betrauerte er/ daß die Murene ihre groſſe Gluͤckſeligkeit nicht genung erkennen koͤnte. Zumal wie ſonſt alle Murenen vom Eſſig-Geſchmacke raſend/ alſo dieſe Geliebte von einem einigen unholden Straale verzweifelnd werden wuͤrde. Anto- nia ſahe es dem Muraͤna an den Augen an/ daß er einen Blick in die Heimligkeit ihres Hertzens gethan hatte; und weil Octavia ſich mit dem Mecenas gleich auf die Seite wendete/ warff ſie auf ihn einen ſo anmuthigen Straal/ der ihm durch Marck und Adern ging/ und vollends den Nebel alles ſeinen Zweifels zu Boden druͤckte: Dieſen begleitete ſie mit folgendem Jnnhalt: Es haͤtten ja wohl ehe hohe Haͤupter an geringe- ren Thieren/ denen ſie zu Ehren gantze Staͤdte und praͤchtige Grabmahle gebauet/ Craſſus/ Hortenſius und Hircius an Murenen ſo gar ihre Erluſtigung gehabt/ daß ſie ſelbte fuͤr un- ſchaͤtzbar gehalten/ ja fuͤr ſie die Klage angelegt haͤtten. Zu dem wuͤſte niemand als ſie von der Wuͤrde ihrer vernuͤnftigen Murene zu urthei- len. Uber dieſer Erklaͤrung hatte Muraͤna noch theils ſeine Seufzer zu verdruͤcken/ theils die Veraͤnderung ſeines Gemuͤthes und Geſich- tes nicht mercklich zu machen; und daher ward er genoͤthiget/ ſein Geſpraͤche mit Hoͤfligkeit ab- zubrechen. Weil nun Octavia und Mecenas mit einander in einen Luſtgang/ Antonia alleine ſich in einen andern Weg ſchlugen/ erkieſete Mu- raͤna/ welchen die der anfangenden Liebe ankle- bende Furcht ſich Antonien beyzugeſellen nicht erlaubte/ den drittern. Und als er einen Scheide- Weg wahrnahm/ welchen Antonia nothwendig treffen muſte; ſchrieb er mit dem Stabe daſelbſt in C c c 2

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/441>, abgerufen am 22.11.2024.