Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] in Sand: Jch liebe. Nachdem nun die
scharffsichtige Liebe nicht leicht eine Spur über-
sihet; fiel diese kurtze Schrifft Antonien alsofort
in die Augen/ welche/ als sie Octavien und den
Mecenas ihr von ferne folgen sahe/ unter der an-
genommenen Betrachtung etlicher ausländi-
ser Gewächse die Schrifft hin und wieder treten-
de mit ihren Fußstapfen ausleschte; hiermit aber
die Liebe in dem Hertzen des hierauf merckenden
Murena zweyfach anzündete. Octavia/ An-
tonia und Mecenas fuhren hierauf mit einan-
der auf das bey Baje auf einem Berge gelegene
Vorwerg des Käysers Julius/ das funfzehn
Ellen lange Marmel-Bild seines Schutz-Got-
tes zu schauen/ welches Augustus für etlichen
Tagen daselbst hatte aufrichten lassen/ und in
kriegischer Gestalt in der rechten Hand eine
Opfer-Schüssel/ in der lincken ein Horn des
Uberflusses hielt; die Uberschrifft war daran:
Dem Schutz-Gotte des Käysers Ju-
lius.
Von dar verfügten sie sich in das kost-
bare Vorwerg des Marius/ allwo Mecenas
wegen daselbst in den warmen Bädern wieder
erlangter Gesundheit dem Esculapius aus
Ertzt eine Säule aufrichten ließ. Jnzwischen
aber verfügte sich Lucius Murena nach Puteoli/
und ließ daselbst den Weiher der Antonia/ als
wenn er brennte/ und mit den Flammen die
darinnen spielende Murene überschüttete/ mit
in einander versetzten vielfärbichten Steinen ab-
bilden/ und in eine weisse Marmel-Taffel dar-
unter graben:

Jhr Motten/ die ihr blind in heisse Fackeln flüget/
Die Flügel euch sengt weg/ vergleicht euch ja nicht mir.
Weil ihr vom ersten Straal bald eingeäschert lieget;
Mein Brand und Leiden geht dem eurigen weit für.
Jch brenn' in dieser Fluth/ wormit ich mich osst kühle/
Und meine Liebes-Brunst nur so viel länger fühle.
Jhr Salamander weicht der leuchtenden Murene;
Jhr könnt ja wohl bestehn in Flammen/ weil ihr kalt.
Das Wasser aber/ das ich mir nur hier entlehne/
Jst nicht mein Element/ Feu'r ist mein Aussenthalt.
Die Glut/ die ihr lescht aus/ schlägt über mir zu sammen/
Die Liebe steckt mein Hertz/ ich diese Fluth in Flammen.
[Spaltenumbruch]
Jhr Würmer/ die ihr lebt in siedend-heissen Qvellen/
Und euch vom Schwefel nährt/ die ihr von Kält' erbleicht;
Glaubt: daß der kalte Teich hier Zunder hegt der Höllen/
Daß ener Feuer-Kost weit meiner Speise weicht.
Denn ihr speist nur den Mund mit Schwefel/ ich mein Hertze
Mit Liebe/ welcher Glut gleicht keine Schwefel-Kertze.

Dieses Bild und Gemählde schickte er nach
seiner Verfertigung durch etliche unbekante Leu-
te zu oberwehntem Weiher/ und ließ/ unter dem
Vorwand/ daß es Antonia bestellet hätte/
solches in dem daran stehenden Spatzier-Saale
aufsetzen. Wie nun Octavia/ Antonia und
Mecenas dahin zurücke kamen/ fanden sie diese
Neuerung/ und Antonia nicht ohne sonderbare
Entsetzung. Jedoch weil sie ihr leicht an den
Fingern ausrechnen konte/ woher dieses Eben-
theuer käme/ verstellte sie so viel möglich ihre
Gemüths-Veränderung/ und gab auf Octa-
viens Befragung für: Sie hätte für etlicher
Zeit diese Reime in dem Saale gefunden/ und
weil sie solche für des Virgilius Maro Gemäch-
te hielte; so hätte sie so wohl ihm zu Ehren/ als
ihrer Murene zu Liebe/ das Bildnüß fertigen
lassen. Sie konte sich aber an dieser Schrifft
nicht satt lesen/ und ie länger sie selbter nachdach-
te/ ie klärer stellte selbte die heftige Liebe/ ja so gar
den darinnen deutlich ausgedrückten Nahmen des
Lucius Murena für Augen. Ob nun wohl bey-
der Liebe täglich zunahm/ sonderlich da dieses
Feuer im Hertzen so feste verschlossen blieb; so er-
eignete sich doch keine sichere Gelegenheit solche
gegeneinander auszulassen/ biß auf den anmu-
thigen April/ da bey Baulis das Fest der Ve-
nus von dem Römischen Frauenzimmer be-
gangen ward. Der Käyser Julius hat daselbst
der gebährenden Venus als der Mutter der
Julier einen so herrlichen Tempel/ als der zu
Rom ist/ gebauet/ darinnen ihr ein Wagen über
und über mit Britannischen Perlen gestücket/
geweihet/ und darein ihr künstliches vom Arche-
silaus gefertigtes Marmel-Bild/ welches zwey-
mal die Lebens-Grösse übertrifft/ und in der
rechten Hand eine Welt-Kugel/ in der lincken

drey

Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] in Sand: Jch liebe. Nachdem nun die
ſcharffſichtige Liebe nicht leicht eine Spur uͤber-
ſihet; fiel dieſe kurtze Schrifft Antonien alſofort
in die Augen/ welche/ als ſie Octavien und den
Mecenas ihr von ferne folgen ſahe/ unter der an-
genommenen Betrachtung etlicher auslaͤndi-
ſer Gewaͤchſe die Schrifft hin und wieder treten-
de mit ihren Fußſtapfen ausleſchte; hiermit aber
die Liebe in dem Hertzen des hierauf merckenden
Murena zweyfach anzuͤndete. Octavia/ An-
tonia und Mecenas fuhren hierauf mit einan-
der auf das bey Baje auf einem Berge gelegene
Vorwerg des Kaͤyſers Julius/ das funfzehn
Ellen lange Marmel-Bild ſeines Schutz-Got-
tes zu ſchauen/ welches Auguſtus fuͤr etlichen
Tagen daſelbſt hatte aufrichten laſſen/ und in
kriegiſcher Geſtalt in der rechten Hand eine
Opfer-Schuͤſſel/ in der lincken ein Horn des
Uberfluſſes hielt; die Uberſchrifft war daran:
Dem Schutz-Gotte des Kaͤyſers Ju-
lius.
Von dar verfuͤgten ſie ſich in das koſt-
bare Vorwerg des Marius/ allwo Mecenas
wegen daſelbſt in den warmen Baͤdern wieder
erlangter Geſundheit dem Eſculapius aus
Ertzt eine Saͤule aufrichten ließ. Jnzwiſchen
aber verfuͤgte ſich Lucius Murena nach Puteoli/
und ließ daſelbſt den Weiher der Antonia/ als
wenn er brennte/ und mit den Flammen die
darinnen ſpielende Murene uͤberſchuͤttete/ mit
in einander verſetzten vielfaͤrbichten Steinen ab-
bilden/ und in eine weiſſe Marmel-Taffel dar-
unter graben:

Jhr Motten/ die ihr blind in heiſſe Fackeln fluͤget/
Die Fluͤgel euch ſengt weg/ vergleicht euch ja nicht mir.
Weil ihr vom erſten Straal bald eingeaͤſchert lieget;
Mein Brand und Leiden geht dem eurigen weit fuͤr.
Jch brenn’ in dieſer Fluth/ wormit ich mich oſſt kuͤhle/
Und meine Liebes-Brunſt nur ſo viel laͤnger fuͤhle.
Jhr Salamander weicht der leuchtenden Murene;
Jhr koͤnnt ja wohl beſtehn in Flammen/ weil ihr kalt.
Das Waſſer aber/ das ich mir nur hier entlehne/
Jſt nicht mein Element/ Feu’r iſt mein Auſſenthalt.
Die Glut/ die ihr leſcht aus/ ſchlaͤgt uͤber mir zu ſammen/
Die Liebe ſteckt mein Hertz/ ich dieſe Fluth in Flammen.
[Spaltenumbruch]
Jhr Wuͤrmer/ die ihr lebt in ſiedend-heiſſen Qvellen/
Und euch vom Schwefel naͤhrt/ die ihr von Kaͤlt’ erbleicht;
Glaubt: daß der kalte Teich hier Zunder hegt der Hoͤllen/
Daß ener Feuer-Koſt weit meiner Speiſe weicht.
Denn ihr ſpeiſt nur den Mund mit Schwefel/ ich mein Hertze
Mit Liebe/ welcher Glut gleicht keine Schwefel-Kertze.

Dieſes Bild und Gemaͤhlde ſchickte er nach
ſeiner Verfertigung durch etliche unbekante Leu-
te zu oberwehntem Weiher/ und ließ/ unter dem
Vorwand/ daß es Antonia beſtellet haͤtte/
ſolches in dem daran ſtehenden Spatzier-Saale
aufſetzen. Wie nun Octavia/ Antonia und
Mecenas dahin zuruͤcke kamen/ fanden ſie dieſe
Neuerung/ und Antonia nicht ohne ſonderbare
Entſetzung. Jedoch weil ſie ihr leicht an den
Fingern ausrechnen konte/ woher dieſes Eben-
theuer kaͤme/ verſtellte ſie ſo viel moͤglich ihre
Gemuͤths-Veraͤnderung/ und gab auf Octa-
viens Befragung fuͤr: Sie haͤtte fuͤr etlicher
Zeit dieſe Reime in dem Saale gefunden/ und
weil ſie ſolche fuͤr des Virgilius Maro Gemaͤch-
te hielte; ſo haͤtte ſie ſo wohl ihm zu Ehren/ als
ihrer Murene zu Liebe/ das Bildnuͤß fertigen
laſſen. Sie konte ſich aber an dieſer Schrifft
nicht ſatt leſen/ und ie laͤnger ſie ſelbter nachdach-
te/ ie klaͤrer ſtellte ſelbte die heftige Liebe/ ja ſo gar
den darinnen deutlich ausgedruͤcktẽ Nahmẽ des
Lucius Murena fuͤr Augen. Ob nun wohl bey-
der Liebe taͤglich zunahm/ ſonderlich da dieſes
Feuer im Hertzen ſo feſte verſchloſſen blieb; ſo er-
eignete ſich doch keine ſichere Gelegenheit ſolche
gegeneinander auszulaſſen/ biß auf den anmu-
thigen April/ da bey Baulis das Feſt der Ve-
nus von dem Roͤmiſchen Frauenzimmer be-
gangen ward. Der Kaͤyſer Julius hat daſelbſt
der gebaͤhrenden Venus als der Mutter der
Julier einen ſo herrlichen Tempel/ als der zu
Rom iſt/ gebauet/ darinnen ihr ein Wagen uͤber
und uͤber mit Britanniſchen Perlen geſtuͤcket/
geweihet/ und darein ihr kuͤnſtliches vom Arche-
ſilaus gefertigtes Marmel-Bild/ welches zwey-
mal die Lebens-Groͤſſe uͤbertrifft/ und in der
rechten Hand eine Welt-Kugel/ in der lincken

drey
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0442" n="388"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vierdtes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
in Sand: <hi rendition="#fr">Jch liebe.</hi> Nachdem nun die<lb/>
&#x017F;charff&#x017F;ichtige Liebe nicht leicht eine Spur u&#x0364;ber-<lb/>
&#x017F;ihet; fiel die&#x017F;e kurtze Schrifft Antonien al&#x017F;ofort<lb/>
in die Augen/ welche/ als &#x017F;ie Octavien und den<lb/>
Mecenas ihr von ferne folgen &#x017F;ahe/ unter der an-<lb/>
genommenen Betrachtung etlicher ausla&#x0364;ndi-<lb/>
&#x017F;er Gewa&#x0364;ch&#x017F;e die Schrifft hin und wieder treten-<lb/>
de mit ihren Fuß&#x017F;tapfen ausle&#x017F;chte; hiermit aber<lb/>
die Liebe in dem Hertzen des hierauf merckenden<lb/>
Murena zweyfach anzu&#x0364;ndete. Octavia/ An-<lb/>
tonia und Mecenas fuhren hierauf mit einan-<lb/>
der auf das bey Baje auf einem Berge gelegene<lb/>
Vorwerg des Ka&#x0364;y&#x017F;ers Julius/ das funfzehn<lb/>
Ellen lange Marmel-Bild &#x017F;eines Schutz-Got-<lb/>
tes zu &#x017F;chauen/ welches Augu&#x017F;tus fu&#x0364;r etlichen<lb/>
Tagen da&#x017F;elb&#x017F;t hatte aufrichten la&#x017F;&#x017F;en/ und in<lb/>
kriegi&#x017F;cher Ge&#x017F;talt in der rechten Hand eine<lb/>
Opfer-Schu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el/ in der lincken ein Horn des<lb/>
Uberflu&#x017F;&#x017F;es hielt; die Uber&#x017F;chrifft war daran:<lb/><hi rendition="#fr">Dem Schutz-Gotte des Ka&#x0364;y&#x017F;ers Ju-<lb/>
lius.</hi> Von dar verfu&#x0364;gten &#x017F;ie &#x017F;ich in das ko&#x017F;t-<lb/>
bare Vorwerg des Marius/ allwo Mecenas<lb/>
wegen da&#x017F;elb&#x017F;t in den warmen Ba&#x0364;dern wieder<lb/>
erlangter Ge&#x017F;undheit dem E&#x017F;culapius aus<lb/>
Ertzt eine Sa&#x0364;ule aufrichten ließ. Jnzwi&#x017F;chen<lb/>
aber verfu&#x0364;gte &#x017F;ich Lucius Murena nach Puteoli/<lb/>
und ließ da&#x017F;elb&#x017F;t den Weiher der Antonia/ als<lb/>
wenn er brennte/ und mit den Flammen die<lb/>
darinnen &#x017F;pielende Murene u&#x0364;ber&#x017F;chu&#x0364;ttete/ mit<lb/>
in einander ver&#x017F;etzten vielfa&#x0364;rbichten Steinen ab-<lb/>
bilden/ und in eine wei&#x017F;&#x017F;e Marmel-Taffel dar-<lb/>
unter graben:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Jhr Motten/ die ihr blind in hei&#x017F;&#x017F;e Fackeln flu&#x0364;get/</l><lb/>
              <l>Die Flu&#x0364;gel euch &#x017F;engt weg/ vergleicht euch ja nicht mir.</l><lb/>
              <l>Weil ihr vom er&#x017F;ten Straal bald eingea&#x0364;&#x017F;chert lieget;</l><lb/>
              <l>Mein Brand und Leiden geht dem eurigen weit fu&#x0364;r.</l><lb/>
              <l>Jch brenn&#x2019; in die&#x017F;er Fluth/ wormit ich mich o&#x017F;&#x017F;t ku&#x0364;hle/</l><lb/>
              <l>Und meine Liebes-Brun&#x017F;t nur &#x017F;o viel la&#x0364;nger fu&#x0364;hle.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Jhr Salamander weicht der leuchtenden Murene;</l><lb/>
              <l>Jhr ko&#x0364;nnt ja wohl be&#x017F;tehn in Flammen/ weil ihr kalt.</l><lb/>
              <l>Das Wa&#x017F;&#x017F;er aber/ das ich mir nur hier entlehne/</l><lb/>
              <l>J&#x017F;t nicht mein Element/ Feu&#x2019;r i&#x017F;t mein Au&#x017F;&#x017F;enthalt.</l><lb/>
              <l>Die Glut/ die ihr le&#x017F;cht aus/ &#x017F;chla&#x0364;gt u&#x0364;ber mir zu &#x017F;ammen/</l><lb/>
              <l>Die Liebe &#x017F;teckt mein Hertz/ ich die&#x017F;e Fluth in Flammen.</l>
            </lg><lb/>
            <cb/>
            <lg n="3">
              <l>Jhr Wu&#x0364;rmer/ die ihr lebt in &#x017F;iedend-hei&#x017F;&#x017F;en Qvellen/</l><lb/>
              <l>Und euch vom Schwefel na&#x0364;hrt/ die ihr von Ka&#x0364;lt&#x2019; erbleicht;</l><lb/>
              <l>Glaubt: daß der kalte Teich hier Zunder hegt der Ho&#x0364;llen/</l><lb/>
              <l>Daß ener Feuer-Ko&#x017F;t weit meiner Spei&#x017F;e weicht.</l><lb/>
              <l>Denn ihr &#x017F;pei&#x017F;t nur den Mund mit Schwefel/ ich mein Hertze</l><lb/>
              <l>Mit Liebe/ welcher Glut gleicht keine Schwefel-Kertze.</l>
            </lg>
          </lg><lb/>
          <p>Die&#x017F;es Bild und Gema&#x0364;hlde &#x017F;chickte er nach<lb/>
&#x017F;einer Verfertigung durch etliche unbekante Leu-<lb/>
te zu oberwehntem Weiher/ und ließ/ unter dem<lb/>
Vorwand/ daß es Antonia be&#x017F;tellet ha&#x0364;tte/<lb/>
&#x017F;olches in dem daran &#x017F;tehenden Spatzier-Saale<lb/>
auf&#x017F;etzen. Wie nun Octavia/ Antonia und<lb/>
Mecenas dahin zuru&#x0364;cke kamen/ fanden &#x017F;ie die&#x017F;e<lb/>
Neuerung/ und Antonia nicht ohne &#x017F;onderbare<lb/>
Ent&#x017F;etzung. Jedoch weil &#x017F;ie ihr leicht an den<lb/>
Fingern ausrechnen konte/ woher die&#x017F;es Eben-<lb/>
theuer ka&#x0364;me/ ver&#x017F;tellte &#x017F;ie &#x017F;o viel mo&#x0364;glich ihre<lb/>
Gemu&#x0364;ths-Vera&#x0364;nderung/ und gab auf Octa-<lb/>
viens Befragung fu&#x0364;r: Sie ha&#x0364;tte fu&#x0364;r etlicher<lb/>
Zeit die&#x017F;e Reime in dem Saale gefunden/ und<lb/>
weil &#x017F;ie &#x017F;olche fu&#x0364;r des Virgilius Maro Gema&#x0364;ch-<lb/>
te hielte; &#x017F;o ha&#x0364;tte &#x017F;ie &#x017F;o wohl ihm zu Ehren/ als<lb/>
ihrer Murene zu Liebe/ das Bildnu&#x0364;ß fertigen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Sie konte &#x017F;ich aber an die&#x017F;er Schrifft<lb/>
nicht &#x017F;att le&#x017F;en/ und ie la&#x0364;nger &#x017F;ie &#x017F;elbter nachdach-<lb/>
te/ ie kla&#x0364;rer &#x017F;tellte &#x017F;elbte die heftige Liebe/ ja &#x017F;o gar<lb/>
den darinnen deutlich ausgedru&#x0364;ckte&#x0303; Nahme&#x0303; des<lb/>
Lucius Murena fu&#x0364;r Augen. Ob nun wohl bey-<lb/>
der Liebe ta&#x0364;glich zunahm/ &#x017F;onderlich da die&#x017F;es<lb/>
Feuer im Hertzen &#x017F;o fe&#x017F;te ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en blieb; &#x017F;o er-<lb/>
eignete &#x017F;ich doch keine &#x017F;ichere Gelegenheit &#x017F;olche<lb/>
gegeneinander auszula&#x017F;&#x017F;en/ biß auf den anmu-<lb/>
thigen April/ da bey Baulis das Fe&#x017F;t der Ve-<lb/>
nus von dem Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Frauenzimmer be-<lb/>
gangen ward. Der Ka&#x0364;y&#x017F;er Julius hat da&#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
der geba&#x0364;hrenden Venus als der Mutter der<lb/>
Julier einen &#x017F;o herrlichen Tempel/ als der zu<lb/>
Rom i&#x017F;t/ gebauet/ darinnen ihr ein Wagen u&#x0364;ber<lb/>
und u&#x0364;ber mit Britanni&#x017F;chen Perlen ge&#x017F;tu&#x0364;cket/<lb/>
geweihet/ und darein ihr ku&#x0364;n&#x017F;tliches vom Arche-<lb/>
&#x017F;ilaus gefertigtes Marmel-Bild/ welches zwey-<lb/>
mal die Lebens-Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e u&#x0364;bertrifft/ und in der<lb/>
rechten Hand eine Welt-Kugel/ in der lincken<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">drey</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[388/0442] Vierdtes Buch in Sand: Jch liebe. Nachdem nun die ſcharffſichtige Liebe nicht leicht eine Spur uͤber- ſihet; fiel dieſe kurtze Schrifft Antonien alſofort in die Augen/ welche/ als ſie Octavien und den Mecenas ihr von ferne folgen ſahe/ unter der an- genommenen Betrachtung etlicher auslaͤndi- ſer Gewaͤchſe die Schrifft hin und wieder treten- de mit ihren Fußſtapfen ausleſchte; hiermit aber die Liebe in dem Hertzen des hierauf merckenden Murena zweyfach anzuͤndete. Octavia/ An- tonia und Mecenas fuhren hierauf mit einan- der auf das bey Baje auf einem Berge gelegene Vorwerg des Kaͤyſers Julius/ das funfzehn Ellen lange Marmel-Bild ſeines Schutz-Got- tes zu ſchauen/ welches Auguſtus fuͤr etlichen Tagen daſelbſt hatte aufrichten laſſen/ und in kriegiſcher Geſtalt in der rechten Hand eine Opfer-Schuͤſſel/ in der lincken ein Horn des Uberfluſſes hielt; die Uberſchrifft war daran: Dem Schutz-Gotte des Kaͤyſers Ju- lius. Von dar verfuͤgten ſie ſich in das koſt- bare Vorwerg des Marius/ allwo Mecenas wegen daſelbſt in den warmen Baͤdern wieder erlangter Geſundheit dem Eſculapius aus Ertzt eine Saͤule aufrichten ließ. Jnzwiſchen aber verfuͤgte ſich Lucius Murena nach Puteoli/ und ließ daſelbſt den Weiher der Antonia/ als wenn er brennte/ und mit den Flammen die darinnen ſpielende Murene uͤberſchuͤttete/ mit in einander verſetzten vielfaͤrbichten Steinen ab- bilden/ und in eine weiſſe Marmel-Taffel dar- unter graben: Jhr Motten/ die ihr blind in heiſſe Fackeln fluͤget/ Die Fluͤgel euch ſengt weg/ vergleicht euch ja nicht mir. Weil ihr vom erſten Straal bald eingeaͤſchert lieget; Mein Brand und Leiden geht dem eurigen weit fuͤr. Jch brenn’ in dieſer Fluth/ wormit ich mich oſſt kuͤhle/ Und meine Liebes-Brunſt nur ſo viel laͤnger fuͤhle. Jhr Salamander weicht der leuchtenden Murene; Jhr koͤnnt ja wohl beſtehn in Flammen/ weil ihr kalt. Das Waſſer aber/ das ich mir nur hier entlehne/ Jſt nicht mein Element/ Feu’r iſt mein Auſſenthalt. Die Glut/ die ihr leſcht aus/ ſchlaͤgt uͤber mir zu ſammen/ Die Liebe ſteckt mein Hertz/ ich dieſe Fluth in Flammen. Jhr Wuͤrmer/ die ihr lebt in ſiedend-heiſſen Qvellen/ Und euch vom Schwefel naͤhrt/ die ihr von Kaͤlt’ erbleicht; Glaubt: daß der kalte Teich hier Zunder hegt der Hoͤllen/ Daß ener Feuer-Koſt weit meiner Speiſe weicht. Denn ihr ſpeiſt nur den Mund mit Schwefel/ ich mein Hertze Mit Liebe/ welcher Glut gleicht keine Schwefel-Kertze. Dieſes Bild und Gemaͤhlde ſchickte er nach ſeiner Verfertigung durch etliche unbekante Leu- te zu oberwehntem Weiher/ und ließ/ unter dem Vorwand/ daß es Antonia beſtellet haͤtte/ ſolches in dem daran ſtehenden Spatzier-Saale aufſetzen. Wie nun Octavia/ Antonia und Mecenas dahin zuruͤcke kamen/ fanden ſie dieſe Neuerung/ und Antonia nicht ohne ſonderbare Entſetzung. Jedoch weil ſie ihr leicht an den Fingern ausrechnen konte/ woher dieſes Eben- theuer kaͤme/ verſtellte ſie ſo viel moͤglich ihre Gemuͤths-Veraͤnderung/ und gab auf Octa- viens Befragung fuͤr: Sie haͤtte fuͤr etlicher Zeit dieſe Reime in dem Saale gefunden/ und weil ſie ſolche fuͤr des Virgilius Maro Gemaͤch- te hielte; ſo haͤtte ſie ſo wohl ihm zu Ehren/ als ihrer Murene zu Liebe/ das Bildnuͤß fertigen laſſen. Sie konte ſich aber an dieſer Schrifft nicht ſatt leſen/ und ie laͤnger ſie ſelbter nachdach- te/ ie klaͤrer ſtellte ſelbte die heftige Liebe/ ja ſo gar den darinnen deutlich ausgedruͤcktẽ Nahmẽ des Lucius Murena fuͤr Augen. Ob nun wohl bey- der Liebe taͤglich zunahm/ ſonderlich da dieſes Feuer im Hertzen ſo feſte verſchloſſen blieb; ſo er- eignete ſich doch keine ſichere Gelegenheit ſolche gegeneinander auszulaſſen/ biß auf den anmu- thigen April/ da bey Baulis das Feſt der Ve- nus von dem Roͤmiſchen Frauenzimmer be- gangen ward. Der Kaͤyſer Julius hat daſelbſt der gebaͤhrenden Venus als der Mutter der Julier einen ſo herrlichen Tempel/ als der zu Rom iſt/ gebauet/ darinnen ihr ein Wagen uͤber und uͤber mit Britanniſchen Perlen geſtuͤcket/ geweihet/ und darein ihr kuͤnſtliches vom Arche- ſilaus gefertigtes Marmel-Bild/ welches zwey- mal die Lebens-Groͤſſe uͤbertrifft/ und in der rechten Hand eine Welt-Kugel/ in der lincken drey

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/442
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/442>, abgerufen am 22.11.2024.