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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelden.
[Spaltenumbruch] den Viader mit der Spreu vereinbart/ und
auch die Schiffarth in die Elbe und West-
See; Vercingetorich der Gallier König aber
den Fluß Garumna mit dem Mittel-Meere
verknüpffet. Daß die Götter sich solchen Un-
terwindungen nichts minder als Jupiter der
von den Riesen fürgenommener Zusammen-
tragung der Berge widersetzten/ wäre ein
Wahn der Abergläubigen/ oder ein Fürwand
der Faulen. Zum letzten gehörte das Gedich-
te/ daß die Gespenster die Arbeiter/ als Tu-
isco die Donau und den Meyn in einander lei-
ten wollen/ weggetrieben hätten; Zum ersten/
daß eben damahls/ als er diß mit der Arar und
Mosel fürgenommen/ diß was im Tage gear-
beitet worden/ die Schutz-Götter selbiger Flüs-
se des Nachts wieder eingerissen hätten. Jn
dem jenes Träume oder Gedichte der Werck-
leute/ hier aber der viele Regen und der
Schwämmichte Bodem die Ursacher gewest.
Jnsgemein zernichtete diese Wercke die unbe-
dachtsame Fürnehmung einer Unmögligkeit/
oder nebst übeler Anstalt zufällige Hinderniße.
Also hätte Darius die Vereinbarung des
rothen- und Mittel-Meeres nahe zu Wercke
gerichtet/ und seinen Graben dreyßig Ellen
tieff und hundert breit schon biß auff 38000.
Schritte vollendet gehabt; Er hätte aber/ um
Egypten nicht zu ersäuffen/ zuletzt abstehen
müssen/ nachdem er allzuspät wahr genommen/
daß das rothe Meer wohl drey Ellen höher ge-
legen wäre. Gleicher gestalt hätte der hohe
Phrat sich mit dem niedrigen Tigris/ der dür-
re und felsichte Bodem den Avernischen See
mit dem Munde der Tiber nicht wollen ver-
mählen lassen. Silem der Scythen König wä-
re nahe daran gewest/ die Tanais an die Wolge
zu hängen/ wenn es die Massageten nicht mit
Gewalt verwehret hätten. Ein Todesfall wä-
re Ursach/ daß in Persien nicht die Flüsse Miana
und Tirtiri/ und mit diesen das Caspische und
Persische Meer aneinander verknüpfft worden.

[Spaltenumbruch]

Aber wir müssen den Flüssen ihren Lauff
lassen/ und mit dem Drusus auff seinem neu-
en Strome zu den Friesen schiffen/ welcher
denn über die Flevische See mit hundert
Schiffen glückselig segelte/ und als sich die
Friesen von den Römern nichts träumen lies-
sen/ sondern in dem Baduhennischen Heyne
ein sonderbares Feyer begingen/ seine Kriegs-
Völcker unverhindert ans Land setzte. Dru-
sus/ welcher wohl wuste/ was im Kriege an
der Geschwindigkeit gelegen war/ ließ ihm
durch die Gefangenen alsofort den Weg zu
dem Friesischen Heiligthume weisen. Die in
der Andacht begriffenen/ wiewohl nicht gäntz-
lich entwaffneten Friesen griffen alsofort zur
Gegenwehr; Und weil Theudo ihr Hertzog ih-
nen mit tapfferem Beyspiel vorging/ fochten
sie wie Löwen/ also daß/ ungeachtet die mit völ-
liger Rüstung versehenen Römer für den so
unversehens überfallenen Friesen einen gros-
sen Vortheil hatten/ ihrer dennoch viel erlegt/
Drusus und viel Kriegs-Obersten auch ver-
wundet wurden. Endlich aber musten sie der
Menge der Römer nachgeben/ und nachdem
alle ihre in der Eil gemachten Ordnungen
durchbrochen waren/ ihr Heil durch die Flucht
in dem Gehöltze und den Sümpffen zu suchen/
sonderlich der Hertzog Theudo hefftig verwun-
det und hierüber gefangen ward. Nach erlang-
tem Siege wolte Drusus seinen Durst aus
dem unfern von ihm sich befindenden Brun-
nen kühlen/ und mit seinem eigenen Helme dar-
aus Wasser schöpffen; Es rieff ihn aber der ge-
fangene Theudo an/ und verwarnigte ihn/ daß
er durch solch Wasser seiner Gesundheit nicht
Abbruch thun solte. Drusus goß das geschöpf-
te Wasser zur Erden/ und fragte: Wer er wäre?
und warum ihm denn solches schaden solte?
Theudo antwortete: Er wäre der Friesen Her-
tzog/ diß Wasser aber ein gifftiger Brunn/ von
welchem den Trinckenden die Zähne ausfielen/
und die Gelencke in Knien auseinander gin-

gen.
A a a 3

Arminius und Thußnelden.
[Spaltenumbruch] den Viader mit der Spreu vereinbart/ und
auch die Schiffarth in die Elbe und Weſt-
See; Vercingetorich der Gallier Koͤnig aber
den Fluß Garumna mit dem Mittel-Meere
verknuͤpffet. Daß die Goͤtter ſich ſolchen Un-
terwindungen nichts minder als Jupiter der
von den Rieſen fuͤrgenommener Zuſammen-
tragung der Berge widerſetzten/ waͤre ein
Wahn der Aberglaͤubigen/ oder ein Fuͤrwand
der Faulen. Zum letzten gehoͤrte das Gedich-
te/ daß die Geſpenſter die Arbeiter/ als Tu-
iſco die Donau und den Meyn in einander lei-
ten wollen/ weggetrieben haͤtten; Zum erſten/
daß eben damahls/ als er diß mit der Arar und
Moſel fuͤrgenommen/ diß was im Tage gear-
beitet worden/ die Schutz-Goͤtter ſelbiger Fluͤſ-
ſe des Nachts wieder eingeriſſen haͤtten. Jn
dem jenes Traͤume oder Gedichte der Werck-
leute/ hier aber der viele Regen und der
Schwaͤmmichte Bodem die Urſacher geweſt.
Jnsgemein zernichtete dieſe Wercke die unbe-
dachtſame Fuͤrnehmung einer Unmoͤgligkeit/
oder nebſt uͤbeler Anſtalt zufaͤllige Hinderniße.
Alſo haͤtte Darius die Vereinbarung des
rothen- und Mittel-Meeres nahe zu Wercke
gerichtet/ und ſeinen Graben dreyßig Ellen
tieff und hundert breit ſchon biß auff 38000.
Schritte vollendet gehabt; Er haͤtte aber/ um
Egypten nicht zu erſaͤuffen/ zuletzt abſtehen
muͤſſen/ nachdem er allzuſpaͤt wahr genommen/
daß das rothe Meer wohl drey Ellen hoͤher ge-
legen waͤre. Gleicher geſtalt haͤtte der hohe
Phrat ſich mit dem niedrigen Tigris/ der duͤr-
re und felſichte Bodem den Averniſchen See
mit dem Munde der Tiber nicht wollen ver-
maͤhlen laſſen. Silem der Scythen Koͤnig waͤ-
re nahe daran geweſt/ die Tanais an die Wolge
zu haͤngen/ wenn es die Maſſageten nicht mit
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re Urſach/ daß in Perſien nicht die Fluͤſſe Miana
und Tirtiri/ und mit dieſen das Caſpiſche und
Perſiſche Meer aneinander verknuͤpfft worden.

[Spaltenumbruch]

Aber wir muͤſſen den Fluͤſſen ihren Lauff
laſſen/ und mit dem Druſus auff ſeinem neu-
en Strome zu den Frieſen ſchiffen/ welcher
denn uͤber die Fleviſche See mit hundert
Schiffen gluͤckſelig ſegelte/ und als ſich die
Frieſen von den Roͤmern nichts traͤumen lieſ-
ſen/ ſondern in dem Baduhenniſchen Heyne
ein ſonderbares Feyer begingen/ ſeine Kriegs-
Voͤlcker unverhindert ans Land ſetzte. Dru-
ſus/ welcher wohl wuſte/ was im Kriege an
der Geſchwindigkeit gelegen war/ ließ ihm
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dem Frieſiſchen Heiligthume weiſen. Die in
der Andacht begriffenen/ wiewohl nicht gaͤntz-
lich entwaffneten Frieſen griffen alſofort zur
Gegenwehr; Und weil Theudo ihr Hertzog ih-
nen mit tapfferem Beyſpiel vorging/ fochten
ſie wie Loͤwen/ alſo daß/ ungeachtet die mit voͤl-
liger Ruͤſtung verſehenen Roͤmer fuͤr den ſo
unverſehens uͤberfallenen Frieſen einen groſ-
ſen Vortheil hatten/ ihrer dennoch viel erlegt/
Druſus und viel Kriegs-Oberſten auch ver-
wundet wurden. Endlich aber muſten ſie der
Menge der Roͤmer nachgeben/ und nachdem
alle ihre in der Eil gemachten Ordnungen
durchbrochen waren/ ihr Heil durch die Flucht
in dem Gehoͤltze und den Suͤmpffen zu ſuchen/
ſonderlich der Hertzog Theudo hefftig verwun-
det und hieruͤber gefangen ward. Nach erlang-
tem Siege wolte Druſus ſeinen Durſt aus
dem unfern von ihm ſich befindenden Brun-
nen kuͤhlen/ und mit ſeinem eigenen Helme dar-
aus Waſſer ſchoͤpffen; Es rieff ihn aber der ge-
fangene Theudo an/ und verwarnigte ihn/ daß
er durch ſolch Waſſer ſeiner Geſundheit nicht
Abbruch thun ſolte. Druſus goß das geſchoͤpf-
te Waſſer zur Erden/ und fragte: Wer er waͤre?
und warum ihm denn ſolches ſchaden ſolte?
Theudo antwortete: Er waͤre der Frieſen Her-
tzog/ diß Waſſer aber ein gifftiger Brunn/ von
welchem den Trinckenden die Zaͤhne ausfielen/
und die Gelencke in Knien auseinander gin-

gen.
A a a 3
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[373/0427] Arminius und Thußnelden. den Viader mit der Spreu vereinbart/ und auch die Schiffarth in die Elbe und Weſt- See; Vercingetorich der Gallier Koͤnig aber den Fluß Garumna mit dem Mittel-Meere verknuͤpffet. Daß die Goͤtter ſich ſolchen Un- terwindungen nichts minder als Jupiter der von den Rieſen fuͤrgenommener Zuſammen- tragung der Berge widerſetzten/ waͤre ein Wahn der Aberglaͤubigen/ oder ein Fuͤrwand der Faulen. Zum letzten gehoͤrte das Gedich- te/ daß die Geſpenſter die Arbeiter/ als Tu- iſco die Donau und den Meyn in einander lei- ten wollen/ weggetrieben haͤtten; Zum erſten/ daß eben damahls/ als er diß mit der Arar und Moſel fuͤrgenommen/ diß was im Tage gear- beitet worden/ die Schutz-Goͤtter ſelbiger Fluͤſ- ſe des Nachts wieder eingeriſſen haͤtten. Jn dem jenes Traͤume oder Gedichte der Werck- leute/ hier aber der viele Regen und der Schwaͤmmichte Bodem die Urſacher geweſt. Jnsgemein zernichtete dieſe Wercke die unbe- dachtſame Fuͤrnehmung einer Unmoͤgligkeit/ oder nebſt uͤbeler Anſtalt zufaͤllige Hinderniße. Alſo haͤtte Darius die Vereinbarung des rothen- und Mittel-Meeres nahe zu Wercke gerichtet/ und ſeinen Graben dreyßig Ellen tieff und hundert breit ſchon biß auff 38000. Schritte vollendet gehabt; Er haͤtte aber/ um Egypten nicht zu erſaͤuffen/ zuletzt abſtehen muͤſſen/ nachdem er allzuſpaͤt wahr genommen/ daß das rothe Meer wohl drey Ellen hoͤher ge- legen waͤre. Gleicher geſtalt haͤtte der hohe Phrat ſich mit dem niedrigen Tigris/ der duͤr- re und felſichte Bodem den Averniſchen See mit dem Munde der Tiber nicht wollen ver- maͤhlen laſſen. Silem der Scythen Koͤnig waͤ- re nahe daran geweſt/ die Tanais an die Wolge zu haͤngen/ wenn es die Maſſageten nicht mit Gewalt verwehret haͤtten. Ein Todesfall waͤ- re Urſach/ daß in Perſien nicht die Fluͤſſe Miana und Tirtiri/ und mit dieſen das Caſpiſche und Perſiſche Meer aneinander verknuͤpfft worden. Aber wir muͤſſen den Fluͤſſen ihren Lauff laſſen/ und mit dem Druſus auff ſeinem neu- en Strome zu den Frieſen ſchiffen/ welcher denn uͤber die Fleviſche See mit hundert Schiffen gluͤckſelig ſegelte/ und als ſich die Frieſen von den Roͤmern nichts traͤumen lieſ- ſen/ ſondern in dem Baduhenniſchen Heyne ein ſonderbares Feyer begingen/ ſeine Kriegs- Voͤlcker unverhindert ans Land ſetzte. Dru- ſus/ welcher wohl wuſte/ was im Kriege an der Geſchwindigkeit gelegen war/ ließ ihm durch die Gefangenen alſofort den Weg zu dem Frieſiſchen Heiligthume weiſen. Die in der Andacht begriffenen/ wiewohl nicht gaͤntz- lich entwaffneten Frieſen griffen alſofort zur Gegenwehr; Und weil Theudo ihr Hertzog ih- nen mit tapfferem Beyſpiel vorging/ fochten ſie wie Loͤwen/ alſo daß/ ungeachtet die mit voͤl- liger Ruͤſtung verſehenen Roͤmer fuͤr den ſo unverſehens uͤberfallenen Frieſen einen groſ- ſen Vortheil hatten/ ihrer dennoch viel erlegt/ Druſus und viel Kriegs-Oberſten auch ver- wundet wurden. Endlich aber muſten ſie der Menge der Roͤmer nachgeben/ und nachdem alle ihre in der Eil gemachten Ordnungen durchbrochen waren/ ihr Heil durch die Flucht in dem Gehoͤltze und den Suͤmpffen zu ſuchen/ ſonderlich der Hertzog Theudo hefftig verwun- det und hieruͤber gefangen ward. Nach erlang- tem Siege wolte Druſus ſeinen Durſt aus dem unfern von ihm ſich befindenden Brun- nen kuͤhlen/ und mit ſeinem eigenen Helme dar- aus Waſſer ſchoͤpffen; Es rieff ihn aber der ge- fangene Theudo an/ und verwarnigte ihn/ daß er durch ſolch Waſſer ſeiner Geſundheit nicht Abbruch thun ſolte. Druſus goß das geſchoͤpf- te Waſſer zur Erden/ und fragte: Wer er waͤre? und warum ihm denn ſolches ſchaden ſolte? Theudo antwortete: Er waͤre der Frieſen Her- tzog/ diß Waſſer aber ein gifftiger Brunn/ von welchem den Trinckenden die Zaͤhne ausfielen/ und die Gelencke in Knien auseinander gin- gen. A a a 3

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/427>, abgerufen am 22.11.2024.