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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] des Fürsten Wodan diesen Erinnerungen ent-
gegen: Die Kauffmannschafft wäre der alten
Scythen und fast aller Völcker bestes Gewer-
be gewest. Die Phönicisehen Handelsleute
hätten sich durch ihr Gewerbe zu Fürsten/ die
Stadt Tyrus zu einer Beherrscherin vieler
Länder/ und Carthago bey nahe zum Haupte
der Welt gemacht. Der grosse Gesetzgeber
Solon/ und die berühmtesten Weltweisen De-
mocritus und Socrates hätten sich zu handeln
nicht gescheuet/ und der göttliche Plato wäre
durch den in Egypten getriebenen Oel-Handel
reich worden. Dem Thales hätte die Ver-
mählung seiner Sternkunst und Kauffmann-
schafft grossen Wucher einbracht. Die Römi-
sche Ritterschafft hätte durch Kauffmannschafft
ihren Glantz behalten; Lucius Petius zu Pa-
normus/ Qvintus Mutius zu Syracusa dar-
durch ein grosses erworben. Käyser Julius
wäre eines Wechslers Enckel/ und der König
Tarqvinius Priscus/ so wol als der grosse Bür-
germeister Cicero/ eines Kauffmanns/ nehmlich
des Damarats Sohn gewest/ ja Tarqvinius
selbst und der grosse Pompejus hätten Handlung
getrieben. Die über des Adels Auffnehmen
eifernde Fürsten hätten durch Abschneidung des
Gewerbesselbtem arglistig die Flügel zu ver-
schneiden getrachtet/ und solches dem kleinmü-
thigen Pöfel zugeschantzt. Hätten Curius/
Scipio und andere grosse Helden/ wie auch fast
aller Völcker Adel dem Feldbaue als einer der
Ritterschafft anständigen Bemühung obgele-
gen; warum solte die Kauffmannschafft/ welche
die Hand in Seide/ Gold/ Perlen und den e-
delsten Gewächsen hätte/ selbter verkleinerlich
seyn? Die Handlung wäre ja ein Grundstein
eines Reiches; welche das Vermögen als die
Spann-Adern des gemeinen Wesens beytra-
gen müste. Die Griechen hätten das Schiff
der Argonauten als ein Sinnebild der Kauff-
mannschafft unter die Gestirne versetzt; weil
sie wol gesehen/ daß sie ein beweglicher Angel-
[Spaltenumbruch] stern eines Landes wäre. Hiermit erreichte
Fürst Wodan seinen Zweck; die Bataver wur-
den wohl/ wie die andern Gallier/ reicher/ aber
auch weibischer. Weil nun Wodan nicht oh-
ne Mißgunst wahrnahm/ wie die Gallier dem
Käyser auf sein Wincken zu Gebote stunden/
die Britannier auch dem/ was sie ihren Köni-
gen an Augen ansahen/ durch Befolgung zuvor
kamen; ward er verdrüßlich/ daß er mehr ein
Diener/ als Gebieter der Bataver seyn/ und
nach der Deutschen Art nur mit seinem Bey-
spiele/ nicht mit Befehle sie zu Beliebung eines
oder des andern Dinges bringen solte. Daher
fing er an nach und nach etwas weiter zu greif-
fen. Die Wohlthaten seiner Vorfahren hat-
ten ohnediß dem Volcke eine Liebe gegen sein
Geschlechte eingeflöst; diese aber ist nicht selten
eine Stief-Mutter der Freyheit und eine rechte
der Dienstbarkeit. Also war fast iederman sei-
nen Befehlen zu gehorsamen geneigt; und ie
begieriger einer zu dienen war/ ie mehr ward er
vom Volcke gepriesen/ und vom Fürsten erho-
ben. Das Glücke bot seinem Vorhaben gleich-
sam die Hand/ weil zwischen denen Eubagen/
die die Bataver zu ihren Priestern und daher
auch zu ihren vornehmsten Leitern hatten/ sich
über gewissen Meinungen Zwist entspan/ und
sie dardurch ihre alte Gewalt schwächten. Jn
diese Zwytracht wickelte sich Hertzog Wodan
unter dem Scheine sie zu vereinbaren/ in der
Warheit aber sich/ nach der Römischen Käyser
verschmitzten Beyspiele/ zum obersten Priester
zu machen. Die klügern Vorsteher des Lan-
des merckten numehr/ wohin Wodan zielte; da-
her waren sie bemüht dieser Fluth bey Zeiten
einen Tamm entgegen zu bauen; und schlug der
edle Bisuar/ den die Bataver für einen göttli-
chen Wahrsager hielten/ allerhand kluge Mit-
tel für; wordurch Wodan unvermerckt in den
Schrancken voriger Fürsten/ die Bataver aber
bey ihrer alten Freyheit erhalten werden möch-
ten. Unter andern rieth er/ daß die zwistigen

Euba-

Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] des Fuͤrſten Wodan dieſen Erinnerungen ent-
gegen: Die Kauffmannſchafft waͤre der alten
Scythen und faſt aller Voͤlcker beſtes Gewer-
be geweſt. Die Phoͤniciſehen Handelsleute
haͤtten ſich durch ihr Gewerbe zu Fuͤrſten/ die
Stadt Tyrus zu einer Beherrſcherin vieler
Laͤnder/ und Carthago bey nahe zum Haupte
der Welt gemacht. Der groſſe Geſetzgeber
Solon/ und die beruͤhmteſten Weltweiſen De-
mocritus und Socrates haͤtten ſich zu handeln
nicht geſcheuet/ und der goͤttliche Plato waͤre
durch den in Egypten getriebenen Oel-Handel
reich worden. Dem Thales haͤtte die Ver-
maͤhlung ſeiner Sternkunſt und Kauffmann-
ſchafft groſſen Wucher einbracht. Die Roͤmi-
ſche Ritterſchafft haͤtte durch Kauffmannſchafft
ihren Glantz behalten; Lucius Petius zu Pa-
normus/ Qvintus Mutius zu Syracuſa dar-
durch ein groſſes erworben. Kaͤyſer Julius
waͤre eines Wechslers Enckel/ und der Koͤnig
Tarqvinius Priſcus/ ſo wol als der groſſe Buͤr-
germeiſter Cicero/ eines Kauffmanns/ nehmlich
des Damarats Sohn geweſt/ ja Tarqvinius
ſelbſt und deꝛ gꝛoſſe Pompejus haͤtten Handlung
getrieben. Die uͤber des Adels Auffnehmen
eifernde Fuͤrſten haͤtten durch Abſchneidung des
Gewerbesſelbtem argliſtig die Fluͤgel zu ver-
ſchneiden getrachtet/ und ſolches dem kleinmuͤ-
thigen Poͤfel zugeſchantzt. Haͤtten Curius/
Scipio und andere groſſe Helden/ wie auch faſt
aller Voͤlcker Adel dem Feldbaue als einer der
Ritterſchafft anſtaͤndigen Bemuͤhung obgele-
gen; warum ſolte die Kauffmannſchafft/ welche
die Hand in Seide/ Gold/ Perlen und den e-
delſten Gewaͤchſen haͤtte/ ſelbter verkleinerlich
ſeyn? Die Handlung waͤre ja ein Grundſtein
eines Reiches; welche das Vermoͤgen als die
Spann-Adern des gemeinen Weſens beytra-
gen muͤſte. Die Griechen haͤtten das Schiff
der Argonauten als ein Sinnebild der Kauff-
mannſchafft unter die Geſtirne verſetzt; weil
ſie wol geſehen/ daß ſie ein beweglicher Angel-
[Spaltenumbruch] ſtern eines Landes waͤre. Hiermit erreichte
Fuͤrſt Wodan ſeinen Zweck; die Bataver wur-
den wohl/ wie die andern Gallier/ reicher/ aber
auch weibiſcher. Weil nun Wodan nicht oh-
ne Mißgunſt wahrnahm/ wie die Gallier dem
Kaͤyſer auf ſein Wincken zu Gebote ſtunden/
die Britannier auch dem/ was ſie ihren Koͤni-
gen an Augen anſahen/ durch Befolgung zuvor
kamen; ward er verdruͤßlich/ daß er mehr ein
Diener/ als Gebieter der Bataver ſeyn/ und
nach der Deutſchen Art nur mit ſeinem Bey-
ſpiele/ nicht mit Befehle ſie zu Beliebung eines
oder des andern Dinges bringen ſolte. Daher
fing er an nach und nach etwas weiter zu greif-
fen. Die Wohlthaten ſeiner Vorfahren hat-
ten ohnediß dem Volcke eine Liebe gegen ſein
Geſchlechte eingefloͤſt; dieſe aber iſt nicht ſelten
eine Stief-Mutter der Freyheit und eine rechte
der Dienſtbarkeit. Alſo war faſt iederman ſei-
nen Befehlen zu gehorſamen geneigt; und ie
begieriger einer zu dienen war/ ie mehr ward er
vom Volcke geprieſen/ und vom Fuͤrſten erho-
ben. Das Gluͤcke bot ſeinem Vorhaben gleich-
ſam die Hand/ weil zwiſchen denen Eubagen/
die die Bataver zu ihren Prieſtern und daher
auch zu ihren vornehmſten Leitern hatten/ ſich
uͤber gewiſſen Meinungen Zwiſt entſpan/ und
ſie dardurch ihre alte Gewalt ſchwaͤchten. Jn
dieſe Zwytracht wickelte ſich Hertzog Wodan
unter dem Scheine ſie zu vereinbaren/ in der
Warheit aber ſich/ nach der Roͤmiſchen Kaͤyſer
verſchmitzten Beyſpiele/ zum oberſten Prieſter
zu machen. Die kluͤgern Vorſteher des Lan-
des merckten numehr/ wohin Wodan zielte; da-
her waren ſie bemuͤht dieſer Fluth bey Zeiten
einen Tamm entgegen zu bauen; und ſchlug der
edle Biſuar/ den die Bataver fuͤr einen goͤttli-
chen Wahrſager hielten/ allerhand kluge Mit-
tel fuͤr; wordurch Wodan unvermerckt in den
Schrancken voriger Fuͤrſten/ die Bataver aber
bey ihrer alten Freyheit erhalten werden moͤch-
ten. Unter andern rieth er/ daß die zwiſtigen

Euba-
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[364/0418] Vierdtes Buch des Fuͤrſten Wodan dieſen Erinnerungen ent- gegen: Die Kauffmannſchafft waͤre der alten Scythen und faſt aller Voͤlcker beſtes Gewer- be geweſt. Die Phoͤniciſehen Handelsleute haͤtten ſich durch ihr Gewerbe zu Fuͤrſten/ die Stadt Tyrus zu einer Beherrſcherin vieler Laͤnder/ und Carthago bey nahe zum Haupte der Welt gemacht. Der groſſe Geſetzgeber Solon/ und die beruͤhmteſten Weltweiſen De- mocritus und Socrates haͤtten ſich zu handeln nicht geſcheuet/ und der goͤttliche Plato waͤre durch den in Egypten getriebenen Oel-Handel reich worden. Dem Thales haͤtte die Ver- maͤhlung ſeiner Sternkunſt und Kauffmann- ſchafft groſſen Wucher einbracht. Die Roͤmi- ſche Ritterſchafft haͤtte durch Kauffmannſchafft ihren Glantz behalten; Lucius Petius zu Pa- normus/ Qvintus Mutius zu Syracuſa dar- durch ein groſſes erworben. Kaͤyſer Julius waͤre eines Wechslers Enckel/ und der Koͤnig Tarqvinius Priſcus/ ſo wol als der groſſe Buͤr- germeiſter Cicero/ eines Kauffmanns/ nehmlich des Damarats Sohn geweſt/ ja Tarqvinius ſelbſt und deꝛ gꝛoſſe Pompejus haͤtten Handlung getrieben. Die uͤber des Adels Auffnehmen eifernde Fuͤrſten haͤtten durch Abſchneidung des Gewerbesſelbtem argliſtig die Fluͤgel zu ver- ſchneiden getrachtet/ und ſolches dem kleinmuͤ- thigen Poͤfel zugeſchantzt. Haͤtten Curius/ Scipio und andere groſſe Helden/ wie auch faſt aller Voͤlcker Adel dem Feldbaue als einer der Ritterſchafft anſtaͤndigen Bemuͤhung obgele- gen; warum ſolte die Kauffmannſchafft/ welche die Hand in Seide/ Gold/ Perlen und den e- delſten Gewaͤchſen haͤtte/ ſelbter verkleinerlich ſeyn? Die Handlung waͤre ja ein Grundſtein eines Reiches; welche das Vermoͤgen als die Spann-Adern des gemeinen Weſens beytra- gen muͤſte. Die Griechen haͤtten das Schiff der Argonauten als ein Sinnebild der Kauff- mannſchafft unter die Geſtirne verſetzt; weil ſie wol geſehen/ daß ſie ein beweglicher Angel- ſtern eines Landes waͤre. Hiermit erreichte Fuͤrſt Wodan ſeinen Zweck; die Bataver wur- den wohl/ wie die andern Gallier/ reicher/ aber auch weibiſcher. Weil nun Wodan nicht oh- ne Mißgunſt wahrnahm/ wie die Gallier dem Kaͤyſer auf ſein Wincken zu Gebote ſtunden/ die Britannier auch dem/ was ſie ihren Koͤni- gen an Augen anſahen/ durch Befolgung zuvor kamen; ward er verdruͤßlich/ daß er mehr ein Diener/ als Gebieter der Bataver ſeyn/ und nach der Deutſchen Art nur mit ſeinem Bey- ſpiele/ nicht mit Befehle ſie zu Beliebung eines oder des andern Dinges bringen ſolte. Daher fing er an nach und nach etwas weiter zu greif- fen. Die Wohlthaten ſeiner Vorfahren hat- ten ohnediß dem Volcke eine Liebe gegen ſein Geſchlechte eingefloͤſt; dieſe aber iſt nicht ſelten eine Stief-Mutter der Freyheit und eine rechte der Dienſtbarkeit. Alſo war faſt iederman ſei- nen Befehlen zu gehorſamen geneigt; und ie begieriger einer zu dienen war/ ie mehr ward er vom Volcke geprieſen/ und vom Fuͤrſten erho- ben. Das Gluͤcke bot ſeinem Vorhaben gleich- ſam die Hand/ weil zwiſchen denen Eubagen/ die die Bataver zu ihren Prieſtern und daher auch zu ihren vornehmſten Leitern hatten/ ſich uͤber gewiſſen Meinungen Zwiſt entſpan/ und ſie dardurch ihre alte Gewalt ſchwaͤchten. Jn dieſe Zwytracht wickelte ſich Hertzog Wodan unter dem Scheine ſie zu vereinbaren/ in der Warheit aber ſich/ nach der Roͤmiſchen Kaͤyſer verſchmitzten Beyſpiele/ zum oberſten Prieſter zu machen. Die kluͤgern Vorſteher des Lan- des merckten numehr/ wohin Wodan zielte; da- her waren ſie bemuͤht dieſer Fluth bey Zeiten einen Tamm entgegen zu bauen; und ſchlug der edle Biſuar/ den die Bataver fuͤr einen goͤttli- chen Wahrſager hielten/ allerhand kluge Mit- tel fuͤr; wordurch Wodan unvermerckt in den Schrancken voriger Fuͤrſten/ die Bataver aber bey ihrer alten Freyheit erhalten werden moͤch- ten. Unter andern rieth er/ daß die zwiſtigen Euba-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/418>, abgerufen am 26.11.2024.