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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Eubagen nicht ihnen selbst Recht sprechen/ son-
dern für einer allgemeinen Landes-Versamm-
lung verhöret und entschieden werden solten.
Wodans Anhang beschuldigte Bisuarn hierü-
ber/ daß er dem neuerlichen Jrrthume bey-
pflichtete/ und dardurch die Herrschafft der Ba-
taver zu zerrütten vorhätte. Wie nun die neue
Meinung der Eubagen als irrig verdammt
ward/ also sprach und schlug man Bisuarn den
Kopff ab. Aller ferne sehenden Bataver Köpf-
fe erschütterten sich über dem Falle dieses
Haupts; ihre Hertzen flossen mehr von Thrä-
nen/ als ihre Augen; weil aber das gemeine
Volck/ das ohnediß sich über so blutigen
Schlacht-Opffern zu ergetzen pflegt/ auff Wo-
dans Seite stand/ war niemand so behertzt/ daß
er hierüber seine Empfindligkeit hätte blicken
lassen. Die Wunden der Beleidigten heilte
die Zeit nach und nach zu; Die Freyheitlieben-
den gewohnten endlich des Gehorsams/ und nie-
mand war/ der den tapffern Wodan nicht zu
herrschen/ und seine Verdienste nicht einer gros-
sen Vergeltung würdig schätzte. Also erlang-
te dieser Fürst fast eine vollmächtige Botmäßig-
keit/ und verließ sie seinem Nachfolger Dago-
bert. Dieser machte zwar durch seine Ver-
mählung mit des Caledonischen Hertzogs Toch-
ter sich vermögender/ aber auch verdächtiger.
Jnsonderheit wuste er nicht so wol als Wodan
in gefährlichen Entschlüssungen frembdes Was-
ser auf seine Mühle zu leiten/ und ihm den Vor-
theil/ andern aber den Haß zuzueignen. Wie
er nun die seinem Vorhaben widrige Stadt
Batavodur mit der ihm anvertrauten Kriegs-
Macht zu überrumpeln vergebens versuchte;
Also starb er hier auf unverlängt/ entweder aus
Gramschafft über seinem entdeckten aber feh-
lenden Anschlage/ oder etlicher Meinung nach
durch Gifft. Denn insgemein wird über un-
vermutheten Todes-Fällen der Fürsten also ge-
urtheilt/ gleich als wenn sie nicht denen gemei-
nen Gesetzen der Sterbligkeit unterworffen/ o-
[Spaltenumbruch] der insgesamt ein Ziel der Verrätherey wären-
Sein Tod zohe vielen/ welche die alte Freyhei[t]
noch in ihrem Hertzen besassen/ die Larve vom
Gesichte. Denn nach dem doch ein niemahls
fehlender Schluß des Verhängnüsses ist/ daß
von dem Vorhaben der Fürsten nichts ver-
schwiegen bleiben kan; daß die Wände ihrer ge-
heimsten Zimmer und Schlaffgemächer aus-
wendig der Nachwelt als helle Spiegel für Au-
gen stellen/ was inwendig im verborgensten be-
gangen wird; so ist insonderheit der Tod/ wenn
alle andere stumm bleiben/ ein Verräther ihrer
Geheimnüsse/ welcher durch das Horn des ge-
meinen Ruffes der gantzen Welt kund macht/
was mehrmahls der oberste Staats-Rath nicht
gewüst hat. Welche Begebnüß Fürsten allei-
ne eine genungsame Ursache seyn solte/ nichts
niedriges in ihre Gedancken zu fassen/ als von
welchem hernach die Welt ewig reden wird. Ja
weil das Geschrey von so schnellem Gewächse
ist/ daß es über Nacht aus einem Zwerge zum
Riesen wird/ und bey Abwegung der Ge-
müths-Eigenschafften die Verläumbdung dem
Gewichte des Guten iedesmahl ein Steinlein
unvermerckt weg nimmt und dem Bösen zu-
legt; ereignete sichs auch/ daß vom Dagobert
ausgesprengt ward/ er hätte mit den Caledo-
niern und Römern ein Verständnüß gehabt/
wie er die Bataver ihm als Leibeigne unterthä-
nig machen könte. Alldieweil denn das Böse
insgemoin glaubhaffter als das Gute ist/ und ü-
ber den gemeinen Ruff auch die reineste Un-
schuld schwerlich einen Richter findet; blieb dem
verstorbenen Dagobert viel nachtheiliges auff
dem Halse. Sein verlassener Sohn Cario-
valda/ ein Kind von wenigen Monaten/ war
ohnediß der Herrschafft unfähig/ und verfiel un-
ter die Vormündschafft derer/ welche der Frey-
heit geneigt und der Herrschafft Spinnenfeind
waren. Also ward Cariovalda nicht nur mehr
Bürgerlich als Fürstlich erzogen/ sondern es
ward die gantze Herrschens-Art umgekehret; in

dem
Z z 3

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Eubagen nicht ihnen ſelbſt Recht ſprechen/ ſon-
dern fuͤr einer allgemeinen Landes-Verſamm-
lung verhoͤret und entſchieden werden ſolten.
Wodans Anhang beſchuldigte Biſuarn hieruͤ-
ber/ daß er dem neuerlichen Jrrthume bey-
pflichtete/ und dardurch die Herrſchafft der Ba-
taver zu zerruͤtten vorhaͤtte. Wie nun die neue
Meinung der Eubagen als irrig verdammt
ward/ alſo ſprach und ſchlug man Biſuarn den
Kopff ab. Aller ferne ſehenden Bataver Koͤpf-
fe erſchuͤtterten ſich uͤber dem Falle dieſes
Haupts; ihre Hertzen floſſen mehr von Thraͤ-
nen/ als ihre Augen; weil aber das gemeine
Volck/ das ohnediß ſich uͤber ſo blutigen
Schlacht-Opffern zu ergetzen pflegt/ auff Wo-
dans Seite ſtand/ war niemand ſo behertzt/ daß
er hieruͤber ſeine Empfindligkeit haͤtte blicken
laſſen. Die Wunden der Beleidigten heilte
die Zeit nach und nach zu; Die Freyheitlieben-
den gewohnten endlich des Gehorſams/ und nie-
mand war/ der den tapffern Wodan nicht zu
herrſchen/ und ſeine Verdienſte nicht einer groſ-
ſen Vergeltung wuͤrdig ſchaͤtzte. Alſo erlang-
te dieſer Fuͤrſt faſt eine vollmaͤchtige Botmaͤßig-
keit/ und verließ ſie ſeinem Nachfolger Dago-
bert. Dieſer machte zwar durch ſeine Ver-
maͤhlung mit des Caledoniſchen Hertzogs Toch-
ter ſich vermoͤgender/ aber auch verdaͤchtiger.
Jnſonderheit wuſte er nicht ſo wol als Wodan
in gefaͤhrlichen Entſchluͤſſungen frembdes Waſ-
ſer auf ſeine Muͤhle zu leiten/ und ihm den Vor-
theil/ andern aber den Haß zuzueignen. Wie
er nun die ſeinem Vorhaben widrige Stadt
Batavodur mit der ihm anvertrauten Kriegs-
Macht zu uͤberrumpeln vergebens verſuchte;
Alſo ſtarb er hier auf unverlaͤngt/ entweder aus
Gramſchafft uͤber ſeinem entdeckten aber feh-
lenden Anſchlage/ oder etlicher Meinung nach
durch Gifft. Denn insgemein wird uͤber un-
vermutheten Todes-Faͤllen der Fuͤrſten alſo ge-
urtheilt/ gleich als wenn ſie nicht denen gemei-
nen Geſetzen der Sterbligkeit unterworffen/ o-
[Spaltenumbruch] der insgeſamt ein Ziel der Verraͤtherey waͤren-
Sein Tod zohe vielen/ welche die alte Freyhei[t]
noch in ihrem Hertzen beſaſſen/ die Larve vom
Geſichte. Denn nach dem doch ein niemahls
fehlender Schluß des Verhaͤngnuͤſſes iſt/ daß
von dem Vorhaben der Fuͤrſten nichts ver-
ſchwiegen bleiben kan; daß die Waͤnde ihrer ge-
heimſten Zimmer und Schlaffgemaͤcher aus-
wendig der Nachwelt als helle Spiegel fuͤr Au-
gen ſtellen/ was inwendig im verborgenſten be-
gangen wird; ſo iſt inſonderheit der Tod/ wenn
alle andere ſtumm bleiben/ ein Verraͤther ihrer
Geheimnuͤſſe/ welcher durch das Horn des ge-
meinen Ruffes der gantzen Welt kund macht/
was mehrmahls der oberſte Staats-Rath nicht
gewuͤſt hat. Welche Begebnuͤß Fuͤrſten allei-
ne eine genungſame Urſache ſeyn ſolte/ nichts
niedriges in ihre Gedancken zu faſſen/ als von
welchem hernach die Welt ewig reden wird. Ja
weil das Geſchrey von ſo ſchnellem Gewaͤchſe
iſt/ daß es uͤber Nacht aus einem Zwerge zum
Rieſen wird/ und bey Abwegung der Ge-
muͤths-Eigenſchafften die Verlaͤumbdung dem
Gewichte des Guten iedesmahl ein Steinlein
unvermerckt weg nimmt und dem Boͤſen zu-
legt; ereignete ſichs auch/ daß vom Dagobert
ausgeſprengt ward/ er haͤtte mit den Caledo-
niern und Roͤmern ein Verſtaͤndnuͤß gehabt/
wie er die Bataver ihm als Leibeigne unterthaͤ-
nig machen koͤnte. Alldieweil denn das Boͤſe
insgemoin glaubhaffter als das Gute iſt/ und uͤ-
ber den gemeinen Ruff auch die reineſte Un-
ſchuld ſchwerlich einen Richter findet; blieb dem
verſtorbenen Dagobert viel nachtheiliges auff
dem Halſe. Sein verlaſſener Sohn Cario-
valda/ ein Kind von wenigen Monaten/ war
ohnediß der Herrſchafft unfaͤhig/ und verfiel un-
ter die Vormuͤndſchafft derer/ welche der Frey-
heit geneigt und der Herrſchafft Spinnenfeind
waren. Alſo ward Cariovalda nicht nur mehr
Buͤrgerlich als Fuͤrſtlich erzogen/ ſondern es
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[365/0419] Arminius und Thußnelda. Eubagen nicht ihnen ſelbſt Recht ſprechen/ ſon- dern fuͤr einer allgemeinen Landes-Verſamm- lung verhoͤret und entſchieden werden ſolten. Wodans Anhang beſchuldigte Biſuarn hieruͤ- ber/ daß er dem neuerlichen Jrrthume bey- pflichtete/ und dardurch die Herrſchafft der Ba- taver zu zerruͤtten vorhaͤtte. Wie nun die neue Meinung der Eubagen als irrig verdammt ward/ alſo ſprach und ſchlug man Biſuarn den Kopff ab. Aller ferne ſehenden Bataver Koͤpf- fe erſchuͤtterten ſich uͤber dem Falle dieſes Haupts; ihre Hertzen floſſen mehr von Thraͤ- nen/ als ihre Augen; weil aber das gemeine Volck/ das ohnediß ſich uͤber ſo blutigen Schlacht-Opffern zu ergetzen pflegt/ auff Wo- dans Seite ſtand/ war niemand ſo behertzt/ daß er hieruͤber ſeine Empfindligkeit haͤtte blicken laſſen. Die Wunden der Beleidigten heilte die Zeit nach und nach zu; Die Freyheitlieben- den gewohnten endlich des Gehorſams/ und nie- mand war/ der den tapffern Wodan nicht zu herrſchen/ und ſeine Verdienſte nicht einer groſ- ſen Vergeltung wuͤrdig ſchaͤtzte. Alſo erlang- te dieſer Fuͤrſt faſt eine vollmaͤchtige Botmaͤßig- keit/ und verließ ſie ſeinem Nachfolger Dago- bert. Dieſer machte zwar durch ſeine Ver- maͤhlung mit des Caledoniſchen Hertzogs Toch- ter ſich vermoͤgender/ aber auch verdaͤchtiger. Jnſonderheit wuſte er nicht ſo wol als Wodan in gefaͤhrlichen Entſchluͤſſungen frembdes Waſ- ſer auf ſeine Muͤhle zu leiten/ und ihm den Vor- theil/ andern aber den Haß zuzueignen. Wie er nun die ſeinem Vorhaben widrige Stadt Batavodur mit der ihm anvertrauten Kriegs- Macht zu uͤberrumpeln vergebens verſuchte; Alſo ſtarb er hier auf unverlaͤngt/ entweder aus Gramſchafft uͤber ſeinem entdeckten aber feh- lenden Anſchlage/ oder etlicher Meinung nach durch Gifft. Denn insgemein wird uͤber un- vermutheten Todes-Faͤllen der Fuͤrſten alſo ge- urtheilt/ gleich als wenn ſie nicht denen gemei- nen Geſetzen der Sterbligkeit unterworffen/ o- der insgeſamt ein Ziel der Verraͤtherey waͤren- Sein Tod zohe vielen/ welche die alte Freyheit noch in ihrem Hertzen beſaſſen/ die Larve vom Geſichte. Denn nach dem doch ein niemahls fehlender Schluß des Verhaͤngnuͤſſes iſt/ daß von dem Vorhaben der Fuͤrſten nichts ver- ſchwiegen bleiben kan; daß die Waͤnde ihrer ge- heimſten Zimmer und Schlaffgemaͤcher aus- wendig der Nachwelt als helle Spiegel fuͤr Au- gen ſtellen/ was inwendig im verborgenſten be- gangen wird; ſo iſt inſonderheit der Tod/ wenn alle andere ſtumm bleiben/ ein Verraͤther ihrer Geheimnuͤſſe/ welcher durch das Horn des ge- meinen Ruffes der gantzen Welt kund macht/ was mehrmahls der oberſte Staats-Rath nicht gewuͤſt hat. Welche Begebnuͤß Fuͤrſten allei- ne eine genungſame Urſache ſeyn ſolte/ nichts niedriges in ihre Gedancken zu faſſen/ als von welchem hernach die Welt ewig reden wird. Ja weil das Geſchrey von ſo ſchnellem Gewaͤchſe iſt/ daß es uͤber Nacht aus einem Zwerge zum Rieſen wird/ und bey Abwegung der Ge- muͤths-Eigenſchafften die Verlaͤumbdung dem Gewichte des Guten iedesmahl ein Steinlein unvermerckt weg nimmt und dem Boͤſen zu- legt; ereignete ſichs auch/ daß vom Dagobert ausgeſprengt ward/ er haͤtte mit den Caledo- niern und Roͤmern ein Verſtaͤndnuͤß gehabt/ wie er die Bataver ihm als Leibeigne unterthaͤ- nig machen koͤnte. Alldieweil denn das Boͤſe insgemoin glaubhaffter als das Gute iſt/ und uͤ- ber den gemeinen Ruff auch die reineſte Un- ſchuld ſchwerlich einen Richter findet; blieb dem verſtorbenen Dagobert viel nachtheiliges auff dem Halſe. Sein verlaſſener Sohn Cario- valda/ ein Kind von wenigen Monaten/ war ohnediß der Herrſchafft unfaͤhig/ und verfiel un- ter die Vormuͤndſchafft derer/ welche der Frey- heit geneigt und der Herrſchafft Spinnenfeind waren. Alſo ward Cariovalda nicht nur mehr Buͤrgerlich als Fuͤrſtlich erzogen/ ſondern es ward die gantze Herrſchens-Art umgekehret; in dem Z z 3

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/419>, abgerufen am 12.05.2024.