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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] thume hergeben muß; die Art der Kinder/ und
also die Fortpflantzung des Adels mehr denen
Vätern/ als Müttern zuzueignen sey. Jene
sind doch nach aller Völcker Rechte die Uhrhe-
ber/ diese aber der Beschluß der Geschlechter.
Alldieweil aber kein Zweiffel ist/ daß ein auf ei-
nen edlen Stamm gepfropffter köstlicher Zweig
die allervollkommensten Früchte trägt/ muß
ich die Gewohnheit der Deutschen nothwendig
vertheydigen/ welche keinen für vollkommen
edel hielten/ noch zu hohen Aemptern befördern/
der nicht von Vater und Mutter Edel geboh-
ren ist. Wiewohl sie in dem Kriege/ als aus
welchem der Adel seinen Uhrsprung nimmt/ sol-
ches nicht so genau beobachten/ sondern man in
Erwehlung der Heerführer bloß auf ihre Tu-
gend und Thaten das Absehn hat. Die Für-
stin Jsmene ward von einem geheimen Triebe
gleichsam gezwungen Thusnelden einzubre-
chen: Sie meinte zwar von beyden Seiten gut
von Adel zu seyn; nichts desto weniger unter-
stünde sie sich nicht ihr selbst diesen Ehrgeitz bey-
zumessen/ daß es keine Unedle ihr nicht in vie-
lem zuvor thun solte. Dahero däuchtete sie ih-
res Vaterlandes Gewohnheit selbst allzu stren-
ge/ ja hochschädlich zu seyn/ weil sie durch Aus-
schlüssung der Unedlen von den höchsten Ehren-
stellen vielen Tugendhafften Leuten den Weg
verschränckte/ dem gemeinen Wesen viel guts zu
thun. Zeugeten Leute von niedriger Ankunft
nicht allezeit grosse Helden; so wären die Kin-
der der Edlen auch oft von aller Tugend leer/
welche doch alleine der Adel/ wie die Speise das
Leben/ erhielte. Vieler Fürsten Söhne wä-
ren ihren Vätern so unähnlich/ daß dieser Ver-
dienste jenen nur ihre Fehler fürrückte/ und ih-
rer tapffern Ahnen verrauchte Bilder/ ja gleich-
sam lebhaffte Steine ihnen Krieg ansagten/
und als Unwürdigen den keinem Erb-Rechte
unterworffenen Adel abstreiten wolten. Da
nun dieser ohne Verdienste als dem Uhrsprun-
ge solcher Würde ein eiteler Schatten/ ein
[Spaltenumbruch] Verfolg tapfferer Thaten herrlicher/ als eine
lange Reye berühmter Ahnen wäre; da alle
Menschen von einem entsprossen seyn sollen/
und also den Fürsten der gantzen Welt zum
Ahnherrn haben; da kein königliches Geschlech-
te so alt und ansehnlich wäre/ welches nicht nie-
drige Leute/ die man nicht einst vom Nahmen
kennet/ unter seinen Vor-Eltern hätte; ja der
grösten Helden Nachkommen insgemein gleich-
sam in ihr erstes Nichts verfielen/ und daher die
von den Edlen Römern auf den Schuhen ge-
tragene Monden gar nachdencklich das Wachs-
thum und das Abnehmen des Adels abbildeten;
da unsere Geschlechts-Register so leicht dem
Jrrthume und unterschlieffe unterwunden wä-
ren/ gestünde sie frey heraus: daß sie bey haben-
der Wahl zwar einen tugendhafften Fürsten
allen andern fürziehen/ einen lasterhafften aber/
ja auch so gar einen mittelmäßigen einem tapf-
feren Unedlen im heyrathen unfehlbar nachse-
tzen würde. Sintemahl dieser/ ungeachtet sei-
ner niedrigen Anherokunfft/ ihren Ahnen viel
näher kommen würde/ als die/ welche nur vom
Geblüte Edel sind/ und in sich einen Geist des
Pöfels haben.

Die Hertzogin Thusnelde war schon zu ei-
nem neuen Gegensatze geschickt; als die Gräf-
fin von Horn eine Jungfrau aus ihrem Frauen-
zimmer ihr andeutete: daß der Feldherr mit
unterschiedenen Fürsten schon im Vorgemache
wären/ sie heimzusuchen. Also ward ihr Gesprä-
che unterbrochen um selbte zu empfangen/ wel-
che auch gleich in ihr Zimmer eintraten. Mit
dem Feldherrn kamen Hertzog Arpus/ Sege-
stes/ Jubill/ Rhemetalces/ Malovend/ und
endlich auch Zeno; dessen aber Erato nicht ehe
innen ward/ biß sie sich mit den andern bewill-
kommet hatte. Wie diese zwey aber einander
erblickten/ verlohren sie beyderseits Farbe/
Sprache und Bewegung. Alle Anwesenden/
denen die Nahmen und die Geschichte so wohl
des Zeno/ als der Erato/ also auch die Ursache

die-
S s 2

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] thume hergeben muß; die Art der Kinder/ und
alſo die Fortpflantzung des Adels mehr denen
Vaͤtern/ als Muͤttern zuzueignen ſey. Jene
ſind doch nach aller Voͤlcker Rechte die Uhrhe-
ber/ dieſe aber der Beſchluß der Geſchlechter.
Alldieweil aber kein Zweiffel iſt/ daß ein auf ei-
nen edlen Stamm gepfropffter koͤſtlicher Zweig
die allervollkommenſten Fruͤchte traͤgt/ muß
ich die Gewohnheit der Deutſchen nothwendig
vertheydigen/ welche keinen fuͤr vollkommen
edel hielten/ noch zu hohen Aemptern befoͤrdern/
der nicht von Vater und Mutter Edel geboh-
ren iſt. Wiewohl ſie in dem Kriege/ als aus
welchem der Adel ſeinen Uhrſprung nimmt/ ſol-
ches nicht ſo genau beobachten/ ſondern man in
Erwehlung der Heerfuͤhrer bloß auf ihre Tu-
gend und Thaten das Abſehn hat. Die Fuͤr-
ſtin Jſmene ward von einem geheimen Triebe
gleichſam gezwungen Thuſnelden einzubre-
chen: Sie meinte zwar von beyden Seiten gut
von Adel zu ſeyn; nichts deſto weniger unter-
ſtuͤnde ſie ſich nicht ihr ſelbſt dieſen Ehrgeitz bey-
zumeſſen/ daß es keine Unedle ihr nicht in vie-
lem zuvor thun ſolte. Dahero daͤuchtete ſie ih-
res Vaterlandes Gewohnheit ſelbſt allzu ſtren-
ge/ ja hochſchaͤdlich zu ſeyn/ weil ſie durch Aus-
ſchluͤſſung der Unedlen von den hoͤchſten Ehren-
ſtellen vielen Tugendhafften Leuten den Weg
verſchraͤnckte/ dem gemeinen Weſen viel guts zu
thun. Zeugeten Leute von niedriger Ankunft
nicht allezeit groſſe Helden; ſo waͤren die Kin-
der der Edlen auch oft von aller Tugend leer/
welche doch alleine der Adel/ wie die Speiſe das
Leben/ erhielte. Vieler Fuͤrſten Soͤhne waͤ-
ren ihren Vaͤtern ſo unaͤhnlich/ daß dieſer Ver-
dienſte jenen nur ihre Fehler fuͤrruͤckte/ und ih-
rer tapffern Ahnen verrauchte Bilder/ ja gleich-
ſam lebhaffte Steine ihnen Krieg anſagten/
und als Unwuͤrdigen den keinem Erb-Rechte
unterworffenen Adel abſtreiten wolten. Da
nun dieſer ohne Verdienſte als dem Uhrſprun-
ge ſolcher Wuͤrde ein eiteler Schatten/ ein
[Spaltenumbruch] Verfolg tapfferer Thaten herrlicher/ als eine
lange Reye beruͤhmter Ahnen waͤre; da alle
Menſchen von einem entſproſſen ſeyn ſollen/
und alſo den Fuͤrſten der gantzen Welt zum
Ahnherrn haben; da kein koͤnigliches Geſchlech-
te ſo alt und anſehnlich waͤre/ welches nicht nie-
drige Leute/ die man nicht einſt vom Nahmen
kennet/ unter ſeinen Vor-Eltern haͤtte; ja der
groͤſten Helden Nachkommen insgemein gleich-
ſam in ihr erſtes Nichts verfielen/ und daher die
von den Edlen Roͤmern auf den Schuhen ge-
tragene Monden gar nachdencklich das Wachs-
thum und das Abnehmen des Adels abbildeten;
da unſere Geſchlechts-Regiſter ſo leicht dem
Jrrthume und unterſchlieffe unterwunden waͤ-
ren/ geſtuͤnde ſie frey heraus: daß ſie bey haben-
der Wahl zwar einen tugendhafften Fuͤrſten
allen andern fuͤrziehen/ einen laſterhafften aber/
ja auch ſo gar einen mittelmaͤßigen einem tapf-
feren Unedlen im heyrathen unfehlbar nachſe-
tzen wuͤrde. Sintemahl dieſer/ ungeachtet ſei-
ner niedrigen Anherokunfft/ ihren Ahnen viel
naͤher kommen wuͤrde/ als die/ welche nur vom
Gebluͤte Edel ſind/ und in ſich einen Geiſt des
Poͤfels haben.

Die Hertzogin Thuſnelde war ſchon zu ei-
nem neuen Gegenſatze geſchickt; als die Graͤf-
fin von Horn eine Jungfrau aus ihrem Frauen-
zimmer ihr andeutete: daß der Feldherr mit
unterſchiedenen Fuͤrſten ſchon im Vorgemache
waͤren/ ſie heimzuſuchen. Alſo ward ihr Geſpraͤ-
che unterbrochen um ſelbte zu empfangen/ wel-
che auch gleich in ihr Zimmer eintraten. Mit
dem Feldherrn kamen Hertzog Arpus/ Sege-
ſtes/ Jubill/ Rhemetalces/ Malovend/ und
endlich auch Zeno; deſſen aber Erato nicht ehe
innen ward/ biß ſie ſich mit den andern bewill-
kommet hatte. Wie dieſe zwey aber einander
erblickten/ verlohren ſie beyderſeits Farbe/
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/375>, abgerufen am 10.05.2024.