Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] thume hergeben muß; die Art der Kinder/ und
also die Fortpflantzung des Adels mehr denen
Vätern/ als Müttern zuzueignen sey. Jene
sind doch nach aller Völcker Rechte die Uhrhe-
ber/ diese aber der Beschluß der Geschlechter.
Alldieweil aber kein Zweiffel ist/ daß ein auf ei-
nen edlen Stamm gepfropffter köstlicher Zweig
die allervollkommensten Früchte trägt/ muß
ich die Gewohnheit der Deutschen nothwendig
vertheydigen/ welche keinen für vollkommen
edel hielten/ noch zu hohen Aemptern befördern/
der nicht von Vater und Mutter Edel geboh-
ren ist. Wiewohl sie in dem Kriege/ als aus
welchem der Adel seinen Uhrsprung nimmt/ sol-
ches nicht so genau beobachten/ sondern man in
Erwehlung der Heerführer bloß auf ihre Tu-
gend und Thaten das Absehn hat. Die Für-
stin Jsmene ward von einem geheimen Triebe
gleichsam gezwungen Thusnelden einzubre-
chen: Sie meinte zwar von beyden Seiten gut
von Adel zu seyn; nichts desto weniger unter-
stünde sie sich nicht ihr selbst diesen Ehrgeitz bey-
zumessen/ daß es keine Unedle ihr nicht in vie-
lem zuvor thun solte. Dahero däuchtete sie ih-
res Vaterlandes Gewohnheit selbst allzu stren-
ge/ ja hochschädlich zu seyn/ weil sie durch Aus-
schlüssung der Unedlen von den höchsten Ehren-
stellen vielen Tugendhafften Leuten den Weg
verschränckte/ dem gemeinen Wesen viel guts zu
thun. Zeugeten Leute von niedriger Ankunft
nicht allezeit grosse Helden; so wären die Kin-
der der Edlen auch oft von aller Tugend leer/
welche doch alleine der Adel/ wie die Speise das
Leben/ erhielte. Vieler Fürsten Söhne wä-
ren ihren Vätern so unähnlich/ daß dieser Ver-
dienste jenen nur ihre Fehler fürrückte/ und ih-
rer tapffern Ahnen verrauchte Bilder/ ja gleich-
sam lebhaffte Steine ihnen Krieg ansagten/
und als Unwürdigen den keinem Erb-Rechte
unterworffenen Adel abstreiten wolten. Da
nun dieser ohne Verdienste als dem Uhrsprun-
ge solcher Würde ein eiteler Schatten/ ein
[Spaltenumbruch] Verfolg tapfferer Thaten herrlicher/ als eine
lange Reye berühmter Ahnen wäre; da alle
Menschen von einem entsprossen seyn sollen/
und also den Fürsten der gantzen Welt zum
Ahnherrn haben; da kein königliches Geschlech-
te so alt und ansehnlich wäre/ welches nicht nie-
drige Leute/ die man nicht einst vom Nahmen
kennet/ unter seinen Vor-Eltern hätte; ja der
grösten Helden Nachkommen insgemein gleich-
sam in ihr erstes Nichts verfielen/ und daher die
von den Edlen Römern auf den Schuhen ge-
tragene Monden gar nachdencklich das Wachs-
thum und das Abnehmen des Adels abbildeten;
da unsere Geschlechts-Register so leicht dem
Jrrthume und unterschlieffe unterwunden wä-
ren/ gestünde sie frey heraus: daß sie bey haben-
der Wahl zwar einen tugendhafften Fürsten
allen andern fürziehen/ einen lasterhafften aber/
ja auch so gar einen mittelmäßigen einem tapf-
feren Unedlen im heyrathen unfehlbar nachse-
tzen würde. Sintemahl dieser/ ungeachtet sei-
ner niedrigen Anherokunfft/ ihren Ahnen viel
näher kommen würde/ als die/ welche nur vom
Geblüte Edel sind/ und in sich einen Geist des
Pöfels haben.

Die Hertzogin Thusnelde war schon zu ei-
nem neuen Gegensatze geschickt; als die Gräf-
fin von Horn eine Jungfrau aus ihrem Frauen-
zimmer ihr andeutete: daß der Feldherr mit
unterschiedenen Fürsten schon im Vorgemache
wären/ sie heimzusuchen. Also ward ihr Gesprä-
che unterbrochen um selbte zu empfangen/ wel-
che auch gleich in ihr Zimmer eintraten. Mit
dem Feldherrn kamen Hertzog Arpus/ Sege-
stes/ Jubill/ Rhemetalces/ Malovend/ und
endlich auch Zeno; dessen aber Erato nicht ehe
innen ward/ biß sie sich mit den andern bewill-
kommet hatte. Wie diese zwey aber einander
erblickten/ verlohren sie beyderseits Farbe/
Sprache und Bewegung. Alle Anwesenden/
denen die Nahmen und die Geschichte so wohl
des Zeno/ als der Erato/ also auch die Ursache

die-
S s 2

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] thume hergeben muß; die Art der Kinder/ und
alſo die Fortpflantzung des Adels mehr denen
Vaͤtern/ als Muͤttern zuzueignen ſey. Jene
ſind doch nach aller Voͤlcker Rechte die Uhrhe-
ber/ dieſe aber der Beſchluß der Geſchlechter.
Alldieweil aber kein Zweiffel iſt/ daß ein auf ei-
nen edlen Stamm gepfropffter koͤſtlicher Zweig
die allervollkommenſten Fruͤchte traͤgt/ muß
ich die Gewohnheit der Deutſchen nothwendig
vertheydigen/ welche keinen fuͤr vollkommen
edel hielten/ noch zu hohen Aemptern befoͤrdern/
der nicht von Vater und Mutter Edel geboh-
ren iſt. Wiewohl ſie in dem Kriege/ als aus
welchem der Adel ſeinen Uhrſprung nimmt/ ſol-
ches nicht ſo genau beobachten/ ſondern man in
Erwehlung der Heerfuͤhrer bloß auf ihre Tu-
gend und Thaten das Abſehn hat. Die Fuͤr-
ſtin Jſmene ward von einem geheimen Triebe
gleichſam gezwungen Thuſnelden einzubre-
chen: Sie meinte zwar von beyden Seiten gut
von Adel zu ſeyn; nichts deſto weniger unter-
ſtuͤnde ſie ſich nicht ihr ſelbſt dieſen Ehrgeitz bey-
zumeſſen/ daß es keine Unedle ihr nicht in vie-
lem zuvor thun ſolte. Dahero daͤuchtete ſie ih-
res Vaterlandes Gewohnheit ſelbſt allzu ſtren-
ge/ ja hochſchaͤdlich zu ſeyn/ weil ſie durch Aus-
ſchluͤſſung der Unedlen von den hoͤchſten Ehren-
ſtellen vielen Tugendhafften Leuten den Weg
verſchraͤnckte/ dem gemeinen Weſen viel guts zu
thun. Zeugeten Leute von niedriger Ankunft
nicht allezeit groſſe Helden; ſo waͤren die Kin-
der der Edlen auch oft von aller Tugend leer/
welche doch alleine der Adel/ wie die Speiſe das
Leben/ erhielte. Vieler Fuͤrſten Soͤhne waͤ-
ren ihren Vaͤtern ſo unaͤhnlich/ daß dieſer Ver-
dienſte jenen nur ihre Fehler fuͤrruͤckte/ und ih-
rer tapffern Ahnen verrauchte Bilder/ ja gleich-
ſam lebhaffte Steine ihnen Krieg anſagten/
und als Unwuͤrdigen den keinem Erb-Rechte
unterworffenen Adel abſtreiten wolten. Da
nun dieſer ohne Verdienſte als dem Uhrſprun-
ge ſolcher Wuͤrde ein eiteler Schatten/ ein
[Spaltenumbruch] Verfolg tapfferer Thaten herrlicher/ als eine
lange Reye beruͤhmter Ahnen waͤre; da alle
Menſchen von einem entſproſſen ſeyn ſollen/
und alſo den Fuͤrſten der gantzen Welt zum
Ahnherrn haben; da kein koͤnigliches Geſchlech-
te ſo alt und anſehnlich waͤre/ welches nicht nie-
drige Leute/ die man nicht einſt vom Nahmen
kennet/ unter ſeinen Vor-Eltern haͤtte; ja der
groͤſten Helden Nachkommen insgemein gleich-
ſam in ihr erſtes Nichts verfielen/ und daher die
von den Edlen Roͤmern auf den Schuhen ge-
tragene Monden gar nachdencklich das Wachs-
thum und das Abnehmen des Adels abbildeten;
da unſere Geſchlechts-Regiſter ſo leicht dem
Jrrthume und unterſchlieffe unterwunden waͤ-
ren/ geſtuͤnde ſie frey heraus: daß ſie bey haben-
der Wahl zwar einen tugendhafften Fuͤrſten
allen andern fuͤrziehen/ einen laſterhafften aber/
ja auch ſo gar einen mittelmaͤßigen einem tapf-
feren Unedlen im heyrathen unfehlbar nachſe-
tzen wuͤrde. Sintemahl dieſer/ ungeachtet ſei-
ner niedrigen Anherokunfft/ ihren Ahnen viel
naͤher kommen wuͤrde/ als die/ welche nur vom
Gebluͤte Edel ſind/ und in ſich einen Geiſt des
Poͤfels haben.

Die Hertzogin Thuſnelde war ſchon zu ei-
nem neuen Gegenſatze geſchickt; als die Graͤf-
fin von Horn eine Jungfrau aus ihrem Frauen-
zimmer ihr andeutete: daß der Feldherr mit
unterſchiedenen Fuͤrſten ſchon im Vorgemache
waͤren/ ſie heimzuſuchen. Alſo ward ihr Geſpraͤ-
che unterbrochen um ſelbte zu empfangen/ wel-
che auch gleich in ihr Zimmer eintraten. Mit
dem Feldherrn kamen Hertzog Arpus/ Sege-
ſtes/ Jubill/ Rhemetalces/ Malovend/ und
endlich auch Zeno; deſſen aber Erato nicht ehe
innen ward/ biß ſie ſich mit den andern bewill-
kommet hatte. Wie dieſe zwey aber einander
erblickten/ verlohren ſie beyderſeits Farbe/
Sprache und Bewegung. Alle Anweſenden/
denen die Nahmen und die Geſchichte ſo wohl
des Zeno/ als der Erato/ alſo auch die Urſache

die-
S s 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0375" n="323"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
thume hergeben muß; die Art der Kinder/ und<lb/>
al&#x017F;o die Fortpflantzung des Adels mehr denen<lb/>
Va&#x0364;tern/ als Mu&#x0364;ttern zuzueignen &#x017F;ey. Jene<lb/>
&#x017F;ind doch nach aller Vo&#x0364;lcker Rechte die Uhrhe-<lb/>
ber/ die&#x017F;e aber der Be&#x017F;chluß der Ge&#x017F;chlechter.<lb/>
Alldieweil aber kein Zweiffel i&#x017F;t/ daß ein auf ei-<lb/>
nen edlen Stamm gepfropffter ko&#x0364;&#x017F;tlicher Zweig<lb/>
die allervollkommen&#x017F;ten Fru&#x0364;chte tra&#x0364;gt/ muß<lb/>
ich die Gewohnheit der Deut&#x017F;chen nothwendig<lb/>
vertheydigen/ welche keinen fu&#x0364;r vollkommen<lb/>
edel hielten/ noch zu hohen Aemptern befo&#x0364;rdern/<lb/>
der nicht von Vater und Mutter Edel geboh-<lb/>
ren i&#x017F;t. Wiewohl &#x017F;ie in dem Kriege/ als aus<lb/>
welchem der Adel &#x017F;einen Uhr&#x017F;prung nimmt/ &#x017F;ol-<lb/>
ches nicht &#x017F;o genau beobachten/ &#x017F;ondern man in<lb/>
Erwehlung der Heerfu&#x0364;hrer bloß auf ihre Tu-<lb/>
gend und Thaten das Ab&#x017F;ehn hat. Die Fu&#x0364;r-<lb/>
&#x017F;tin J&#x017F;mene ward von einem geheimen Triebe<lb/>
gleich&#x017F;am gezwungen Thu&#x017F;nelden einzubre-<lb/>
chen: Sie meinte zwar von beyden Seiten gut<lb/>
von Adel zu &#x017F;eyn; nichts de&#x017F;to weniger unter-<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;nde &#x017F;ie &#x017F;ich nicht ihr &#x017F;elb&#x017F;t die&#x017F;en Ehrgeitz bey-<lb/>
zume&#x017F;&#x017F;en/ daß es keine Unedle ihr nicht in vie-<lb/>
lem zuvor thun &#x017F;olte. Dahero da&#x0364;uchtete &#x017F;ie ih-<lb/>
res Vaterlandes Gewohnheit &#x017F;elb&#x017F;t allzu &#x017F;tren-<lb/>
ge/ ja hoch&#x017F;cha&#x0364;dlich zu &#x017F;eyn/ weil &#x017F;ie durch Aus-<lb/>
&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ung der Unedlen von den ho&#x0364;ch&#x017F;ten Ehren-<lb/>
&#x017F;tellen vielen Tugendhafften Leuten den Weg<lb/>
ver&#x017F;chra&#x0364;nckte/ dem gemeinen We&#x017F;en viel guts zu<lb/>
thun. Zeugeten Leute von niedriger Ankunft<lb/>
nicht allezeit gro&#x017F;&#x017F;e Helden; &#x017F;o wa&#x0364;ren die Kin-<lb/>
der der Edlen auch oft von aller Tugend leer/<lb/>
welche doch alleine der Adel/ wie die Spei&#x017F;e das<lb/>
Leben/ erhielte. Vieler Fu&#x0364;r&#x017F;ten So&#x0364;hne wa&#x0364;-<lb/>
ren ihren Va&#x0364;tern &#x017F;o una&#x0364;hnlich/ daß die&#x017F;er Ver-<lb/>
dien&#x017F;te jenen nur ihre Fehler fu&#x0364;rru&#x0364;ckte/ und ih-<lb/>
rer tapffern Ahnen verrauchte Bilder/ ja gleich-<lb/>
&#x017F;am lebhaffte Steine ihnen Krieg an&#x017F;agten/<lb/>
und als Unwu&#x0364;rdigen den keinem Erb-Rechte<lb/>
unterworffenen Adel ab&#x017F;treiten wolten. Da<lb/>
nun die&#x017F;er ohne Verdien&#x017F;te als dem Uhr&#x017F;prun-<lb/>
ge &#x017F;olcher Wu&#x0364;rde ein eiteler Schatten/ ein<lb/><cb/>
Verfolg tapfferer Thaten herrlicher/ als eine<lb/>
lange Reye beru&#x0364;hmter Ahnen wa&#x0364;re; da alle<lb/>
Men&#x017F;chen von einem ent&#x017F;pro&#x017F;&#x017F;en &#x017F;eyn &#x017F;ollen/<lb/>
und al&#x017F;o den Fu&#x0364;r&#x017F;ten der gantzen Welt zum<lb/>
Ahnherrn haben; da kein ko&#x0364;nigliches Ge&#x017F;chlech-<lb/>
te &#x017F;o alt und an&#x017F;ehnlich wa&#x0364;re/ welches nicht nie-<lb/>
drige Leute/ die man nicht ein&#x017F;t vom Nahmen<lb/>
kennet/ unter &#x017F;einen Vor-Eltern ha&#x0364;tte; ja der<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;ten Helden Nachkommen insgemein gleich-<lb/>
&#x017F;am in ihr er&#x017F;tes Nichts verfielen/ und daher die<lb/>
von den Edlen Ro&#x0364;mern auf den Schuhen ge-<lb/>
tragene Monden gar nachdencklich das Wachs-<lb/>
thum und das Abnehmen des Adels abbildeten;<lb/>
da un&#x017F;ere Ge&#x017F;chlechts-Regi&#x017F;ter &#x017F;o leicht dem<lb/>
Jrrthume und unter&#x017F;chlieffe unterwunden wa&#x0364;-<lb/>
ren/ ge&#x017F;tu&#x0364;nde &#x017F;ie frey heraus: daß &#x017F;ie bey haben-<lb/>
der Wahl zwar einen tugendhafften Fu&#x0364;r&#x017F;ten<lb/>
allen andern fu&#x0364;rziehen/ einen la&#x017F;terhafften aber/<lb/>
ja auch &#x017F;o gar einen mittelma&#x0364;ßigen einem tapf-<lb/>
feren Unedlen im heyrathen unfehlbar nach&#x017F;e-<lb/>
tzen wu&#x0364;rde. Sintemahl die&#x017F;er/ ungeachtet &#x017F;ei-<lb/>
ner niedrigen Anherokunfft/ ihren Ahnen viel<lb/>
na&#x0364;her kommen wu&#x0364;rde/ als die/ welche nur vom<lb/>
Geblu&#x0364;te Edel &#x017F;ind/ und in &#x017F;ich einen Gei&#x017F;t des<lb/>
Po&#x0364;fels haben.</p><lb/>
          <p>Die Hertzogin Thu&#x017F;nelde war &#x017F;chon zu ei-<lb/>
nem neuen Gegen&#x017F;atze ge&#x017F;chickt; als die Gra&#x0364;f-<lb/>
fin von Horn eine Jungfrau aus ihrem Frauen-<lb/>
zimmer ihr andeutete: daß der Feldherr mit<lb/>
unter&#x017F;chiedenen Fu&#x0364;r&#x017F;ten &#x017F;chon im Vorgemache<lb/>
wa&#x0364;ren/ &#x017F;ie heimzu&#x017F;uchen. Al&#x017F;o ward ihr Ge&#x017F;pra&#x0364;-<lb/>
che unterbrochen um &#x017F;elbte zu empfangen/ wel-<lb/>
che auch gleich in ihr Zimmer eintraten. Mit<lb/>
dem Feldherrn kamen Hertzog Arpus/ Sege-<lb/>
&#x017F;tes/ Jubill/ Rhemetalces/ Malovend/ und<lb/>
endlich auch Zeno; de&#x017F;&#x017F;en aber Erato nicht ehe<lb/>
innen ward/ biß &#x017F;ie &#x017F;ich mit den andern bewill-<lb/>
kommet hatte. Wie die&#x017F;e zwey aber einander<lb/>
erblickten/ verlohren &#x017F;ie beyder&#x017F;eits Farbe/<lb/>
Sprache und Bewegung. Alle Anwe&#x017F;enden/<lb/>
denen die Nahmen und die Ge&#x017F;chichte &#x017F;o wohl<lb/>
des Zeno/ als der Erato/ al&#x017F;o auch die Ur&#x017F;ache<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S s 2</fw><fw place="bottom" type="catch">die-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[323/0375] Arminius und Thußnelda. thume hergeben muß; die Art der Kinder/ und alſo die Fortpflantzung des Adels mehr denen Vaͤtern/ als Muͤttern zuzueignen ſey. Jene ſind doch nach aller Voͤlcker Rechte die Uhrhe- ber/ dieſe aber der Beſchluß der Geſchlechter. Alldieweil aber kein Zweiffel iſt/ daß ein auf ei- nen edlen Stamm gepfropffter koͤſtlicher Zweig die allervollkommenſten Fruͤchte traͤgt/ muß ich die Gewohnheit der Deutſchen nothwendig vertheydigen/ welche keinen fuͤr vollkommen edel hielten/ noch zu hohen Aemptern befoͤrdern/ der nicht von Vater und Mutter Edel geboh- ren iſt. Wiewohl ſie in dem Kriege/ als aus welchem der Adel ſeinen Uhrſprung nimmt/ ſol- ches nicht ſo genau beobachten/ ſondern man in Erwehlung der Heerfuͤhrer bloß auf ihre Tu- gend und Thaten das Abſehn hat. Die Fuͤr- ſtin Jſmene ward von einem geheimen Triebe gleichſam gezwungen Thuſnelden einzubre- chen: Sie meinte zwar von beyden Seiten gut von Adel zu ſeyn; nichts deſto weniger unter- ſtuͤnde ſie ſich nicht ihr ſelbſt dieſen Ehrgeitz bey- zumeſſen/ daß es keine Unedle ihr nicht in vie- lem zuvor thun ſolte. Dahero daͤuchtete ſie ih- res Vaterlandes Gewohnheit ſelbſt allzu ſtren- ge/ ja hochſchaͤdlich zu ſeyn/ weil ſie durch Aus- ſchluͤſſung der Unedlen von den hoͤchſten Ehren- ſtellen vielen Tugendhafften Leuten den Weg verſchraͤnckte/ dem gemeinen Weſen viel guts zu thun. Zeugeten Leute von niedriger Ankunft nicht allezeit groſſe Helden; ſo waͤren die Kin- der der Edlen auch oft von aller Tugend leer/ welche doch alleine der Adel/ wie die Speiſe das Leben/ erhielte. Vieler Fuͤrſten Soͤhne waͤ- ren ihren Vaͤtern ſo unaͤhnlich/ daß dieſer Ver- dienſte jenen nur ihre Fehler fuͤrruͤckte/ und ih- rer tapffern Ahnen verrauchte Bilder/ ja gleich- ſam lebhaffte Steine ihnen Krieg anſagten/ und als Unwuͤrdigen den keinem Erb-Rechte unterworffenen Adel abſtreiten wolten. Da nun dieſer ohne Verdienſte als dem Uhrſprun- ge ſolcher Wuͤrde ein eiteler Schatten/ ein Verfolg tapfferer Thaten herrlicher/ als eine lange Reye beruͤhmter Ahnen waͤre; da alle Menſchen von einem entſproſſen ſeyn ſollen/ und alſo den Fuͤrſten der gantzen Welt zum Ahnherrn haben; da kein koͤnigliches Geſchlech- te ſo alt und anſehnlich waͤre/ welches nicht nie- drige Leute/ die man nicht einſt vom Nahmen kennet/ unter ſeinen Vor-Eltern haͤtte; ja der groͤſten Helden Nachkommen insgemein gleich- ſam in ihr erſtes Nichts verfielen/ und daher die von den Edlen Roͤmern auf den Schuhen ge- tragene Monden gar nachdencklich das Wachs- thum und das Abnehmen des Adels abbildeten; da unſere Geſchlechts-Regiſter ſo leicht dem Jrrthume und unterſchlieffe unterwunden waͤ- ren/ geſtuͤnde ſie frey heraus: daß ſie bey haben- der Wahl zwar einen tugendhafften Fuͤrſten allen andern fuͤrziehen/ einen laſterhafften aber/ ja auch ſo gar einen mittelmaͤßigen einem tapf- feren Unedlen im heyrathen unfehlbar nachſe- tzen wuͤrde. Sintemahl dieſer/ ungeachtet ſei- ner niedrigen Anherokunfft/ ihren Ahnen viel naͤher kommen wuͤrde/ als die/ welche nur vom Gebluͤte Edel ſind/ und in ſich einen Geiſt des Poͤfels haben. Die Hertzogin Thuſnelde war ſchon zu ei- nem neuen Gegenſatze geſchickt; als die Graͤf- fin von Horn eine Jungfrau aus ihrem Frauen- zimmer ihr andeutete: daß der Feldherr mit unterſchiedenen Fuͤrſten ſchon im Vorgemache waͤren/ ſie heimzuſuchen. Alſo ward ihr Geſpraͤ- che unterbrochen um ſelbte zu empfangen/ wel- che auch gleich in ihr Zimmer eintraten. Mit dem Feldherrn kamen Hertzog Arpus/ Sege- ſtes/ Jubill/ Rhemetalces/ Malovend/ und endlich auch Zeno; deſſen aber Erato nicht ehe innen ward/ biß ſie ſich mit den andern bewill- kommet hatte. Wie dieſe zwey aber einander erblickten/ verlohren ſie beyderſeits Farbe/ Sprache und Bewegung. Alle Anweſenden/ denen die Nahmen und die Geſchichte ſo wohl des Zeno/ als der Erato/ alſo auch die Urſache die- S s 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/375
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/375>, abgerufen am 22.11.2024.