Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Drittes Buch [Spaltenumbruch]
adelt/ und den ersten Stein zu seinem Glückeleget. Sonst hätte Astyagens Tochter Man- dane nicht dem Cambyses/ die Edle Hersilia nicht den Tullus Hostilius/ des Damascon Wittib nicht Agathoclen/ und des itzigen Käy- fers Tochter nicht den Agrippa lieben können. Sicher/ die Liebe hat allzu viel Zärtligkeit an sich/ als daß sie diesem scharffen Gesetze sich un- terwerffen solte. Die hohen Cedern sind der Ehrsucht/ die niedrigen Myrten- und Rosen- sträuche der Liebe gewiedmet; Diese aber hat mit jener keine verträgliche Gemeinschafft. Die der Liebe ein Sinnbild zueignen/ bilden sie wie keinen Adler ab/ die nur in der Schooß des Jupiters/ oder auf dem Taurischen Gebürge nisten/ sondern wie Bienen/ die an dem Saffte und der Seele der niedrigen Blumen sich ver- gnügen; die den Thau des Himmels nicht ver- schmähen/ wenn er schon in die tiefsten Thäler auf sich bückende Kräuter gefallen ist. Ja auch die Liebe/ die zwischen hohen Häuptern sich ent- spinnet/ enteusert sich bey ihrer süssen Genüs- sung aller euserlichen Herrligkeit; Sie suchet ihre Ergötzligkeit nicht in den Zinnen der Pal- läste/ sondern in den Wohnstädten der Hirten; nicht in dem Gepränge des Hoffes/ sondern in einfältiger Verträuligkeit. Uber diß schiene der Fürstin Thusnelde Meinung auch der Würde des weiblichen Geschlechtes einen Ab- bruch zu thun. Denn da ein Edler durch seine Heyrath eine Unedle adelte; warum solte diese Krafft dem Frauenzimmer verschränckt seyn? Warum solten sie nicht ihren Adel auf die Ge- schlechts-Nachkommen fortpflantzen/ die zu der Fortzeugung mehr Geblüte und Sorge/ denn die Männer/ beytrügen? Diesemnach die E- pizephyrier den Adel gar vernünfftig von den Müttern herrechneten; die Lycier ihre Kinder nach den mütterlichen Ahnen/ als denen edel- sten Vor-Eltern nenneten; und die Egyptier ihren Königinnen mehr Ehre/ als den Königen erwiesen; in Jndien die Schwester-Kinder so [Spaltenumbruch] gar die Söhne von der Reichs-Folge ausschlüs- sen. Die Fürstin Thusnelde antwortete hier- auf: Jch will nicht in Abrede seyn/ daß auch tapffere Leute von gemeinen gezeuget werden. Dieses aber geschiehet vielleicht so selten/ als de- nen Reigern auf ihren Köpfen die so kostbaren Königs-Federn/ und denen Schlangen Kro- nen wachsen. Dahingegen die alten Ge- schlechter nichts minder von tapfferen Söhnen; als in Jndien die alten Steinklippen von Schmaragden und Türckißen reich sind. Die an der Sonne gewachsenen Früchte sind schmackhaffter/ als welche an dem Schatten reif worden. Und wenn man auf den Adel tapfferer Helden nicht ein besonderes Absehn nehmen wolte; was würde endlich zwischen Kindern der Menschen und unvernünfftiger Thiere für ein Unterschied bleiben? Man ver- ehrt ja das Alterthum in den todten Ehren- Säulen wohlverdienter Leute/ warum nicht auch in ihren lebenden Ehrenbildern/ nehmlich den Nachkommen? Diese schuldige Ehrerbie- tung macht/ daß diß/ was ein Edler gethan/ stets ansehnlicher sey/ als was ein neuer Mensch ausgerichtet. Denn wo die Tugend in einem Geschlechte einmahl recht eingewurtzelt ist/ kön- nen desselbten Nachkommen so schwer in eine böse Unart verfallen; als die Mohren-Mütter weisse Kinder gebähren; ungeachtet ihre Schwärtze keine unabsonderliche Eigenschafft selbiger Menschen ist. Diesemnach denn der Adel gar billich für einen Lorber-Krantz zu hal- ten/ welchen nicht alsbald die ersten Verdienste zu wege bringen/ sondern die verjährende Zeit denen Geschlechtern nach und nach aufsetzt/ wenn die rühmlichen Thaten gleichsam schon zum Theil vergessen sind. Dannenhero muß ich unvermeidlich unserm Geschlechte ablegen/ und für das männliche nachgeben: daß/ nach dem die Früchte nicht so sehr nach den Stamme eines Baumes/ als nach dem Propfreisern fal- len/ ungeachtet jener allen Safft zum Wachs- thume
Drittes Buch [Spaltenumbruch]
adelt/ und den erſten Stein zu ſeinem Gluͤckeleget. Sonſt haͤtte Aſtyagens Tochter Man- dane nicht dem Cambyſes/ die Edle Herſilia nicht den Tullus Hoſtilius/ des Damaſcon Wittib nicht Agathoclen/ und des itzigen Kaͤy- fers Tochter nicht den Agrippa lieben koͤnnen. Sicher/ die Liebe hat allzu viel Zaͤrtligkeit an ſich/ als daß ſie dieſem ſcharffen Geſetze ſich un- terwerffen ſolte. Die hohen Cedern ſind der Ehrſucht/ die niedrigen Myrten- und Roſen- ſtraͤuche der Liebe gewiedmet; Dieſe aber hat mit jener keine vertraͤgliche Gemeinſchafft. Die der Liebe ein Sinnbild zueignen/ bilden ſie wie keinen Adler ab/ die nur in der Schooß des Jupiters/ oder auf dem Tauriſchen Gebuͤrge niſten/ ſondern wie Bienen/ die an dem Saffte und der Seele der niedrigen Blumen ſich ver- gnuͤgen; die den Thau des Himmels nicht ver- ſchmaͤhen/ wenn er ſchon in die tiefſten Thaͤler auf ſich buͤckende Kraͤuter gefallen iſt. Ja auch die Liebe/ die zwiſchen hohen Haͤuptern ſich ent- ſpinnet/ enteuſert ſich bey ihrer ſuͤſſen Genuͤſ- ſung aller euſerlichen Herrligkeit; Sie ſuchet ihre Ergoͤtzligkeit nicht in den Zinnen der Pal- laͤſte/ ſondern in den Wohnſtaͤdten der Hirten; nicht in dem Gepraͤnge des Hoffes/ ſondern in einfaͤltiger Vertraͤuligkeit. Uber diß ſchiene der Fuͤrſtin Thuſnelde Meinung auch der Wuͤrde des weiblichen Geſchlechtes einen Ab- bruch zu thun. Denn da ein Edler durch ſeine Heyrath eine Unedle adelte; warum ſolte dieſe Krafft dem Frauenzimmer verſchraͤnckt ſeyn? Warum ſolten ſie nicht ihren Adel auf die Ge- ſchlechts-Nachkommen fortpflantzen/ die zu der Fortzeugung mehr Gebluͤte und Sorge/ denn die Maͤnner/ beytruͤgen? Dieſemnach die E- pizephyrier den Adel gar vernuͤnfftig von den Muͤttern herrechneten; die Lycier ihre Kinder nach den muͤtterlichen Ahnen/ als denen edel- ſten Vor-Eltern nenneten; und die Egyptier ihren Koͤniginnen mehr Ehre/ als den Koͤnigen erwieſen; in Jndien die Schweſter-Kinder ſo [Spaltenumbruch] gar die Soͤhne von der Reichs-Folge ausſchluͤſ- ſen. Die Fuͤrſtin Thuſnelde antwortete hier- auf: Jch will nicht in Abrede ſeyn/ daß auch tapffere Leute von gemeinen gezeuget werden. Dieſes aber geſchiehet vielleicht ſo ſelten/ als de- nen Reigern auf ihren Koͤpfen die ſo koſtbaren Koͤnigs-Federn/ und denen Schlangen Kro- nen wachſen. Dahingegen die alten Ge- ſchlechter nichts minder von tapfferen Soͤhnen; als in Jndien die alten Steinklippen von Schmaragden und Tuͤrckißen reich ſind. Die an der Sonne gewachſenen Fruͤchte ſind ſchmackhaffter/ als welche an dem Schatten reif worden. Und wenn man auf den Adel tapfferer Helden nicht ein beſonderes Abſehn nehmen wolte; was wuͤrde endlich zwiſchen Kindern der Menſchen und unvernuͤnfftiger Thiere fuͤr ein Unterſchied bleiben? Man ver- ehrt ja das Alterthum in den todten Ehren- Saͤulen wohlverdienter Leute/ warum nicht auch in ihren lebenden Ehrenbildern/ nehmlich den Nachkommen? Dieſe ſchuldige Ehrerbie- tung macht/ daß diß/ was ein Edler gethan/ ſtets anſehnlicher ſey/ als was ein neuer Menſch ausgerichtet. Denn wo die Tugend in einem Geſchlechte einmahl recht eingewurtzelt iſt/ koͤn- nen deſſelbten Nachkommen ſo ſchwer in eine boͤſe Unart verfallen; als die Mohren-Muͤtter weiſſe Kinder gebaͤhren; ungeachtet ihre Schwaͤrtze keine unabſonderliche Eigenſchafft ſelbiger Menſchen iſt. Dieſemnach denn der Adel gar billich fuͤr einen Lorber-Krantz zu hal- ten/ welchen nicht alsbald die erſten Verdienſte zu wege bringen/ ſondern die verjaͤhrende Zeit denen Geſchlechtern nach und nach aufſetzt/ wenn die ruͤhmlichen Thaten gleichſam ſchon zum Theil vergeſſen ſind. Dannenhero muß ich unvermeidlich unſerm Geſchlechte ablegen/ und fuͤr das maͤnnliche nachgeben: daß/ nach dem die Fruͤchte nicht ſo ſehr nach den Stamme eines Baumes/ als nach dem Propfreiſern fal- len/ ungeachtet jener allen Safft zum Wachs- thume
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Drittes Buch
adelt/ und den erſten Stein zu ſeinem Gluͤcke
leget. Sonſt haͤtte Aſtyagens Tochter Man-
dane nicht dem Cambyſes/ die Edle Herſilia
nicht den Tullus Hoſtilius/ des Damaſcon
Wittib nicht Agathoclen/ und des itzigen Kaͤy-
fers Tochter nicht den Agrippa lieben koͤnnen.
Sicher/ die Liebe hat allzu viel Zaͤrtligkeit an
ſich/ als daß ſie dieſem ſcharffen Geſetze ſich un-
terwerffen ſolte. Die hohen Cedern ſind der
Ehrſucht/ die niedrigen Myrten- und Roſen-
ſtraͤuche der Liebe gewiedmet; Dieſe aber hat
mit jener keine vertraͤgliche Gemeinſchafft.
Die der Liebe ein Sinnbild zueignen/ bilden ſie
wie keinen Adler ab/ die nur in der Schooß des
Jupiters/ oder auf dem Tauriſchen Gebuͤrge
niſten/ ſondern wie Bienen/ die an dem Saffte
und der Seele der niedrigen Blumen ſich ver-
gnuͤgen; die den Thau des Himmels nicht ver-
ſchmaͤhen/ wenn er ſchon in die tiefſten Thaͤler
auf ſich buͤckende Kraͤuter gefallen iſt. Ja auch
die Liebe/ die zwiſchen hohen Haͤuptern ſich ent-
ſpinnet/ enteuſert ſich bey ihrer ſuͤſſen Genuͤſ-
ſung aller euſerlichen Herrligkeit; Sie ſuchet
ihre Ergoͤtzligkeit nicht in den Zinnen der Pal-
laͤſte/ ſondern in den Wohnſtaͤdten der Hirten;
nicht in dem Gepraͤnge des Hoffes/ ſondern in
einfaͤltiger Vertraͤuligkeit. Uber diß ſchiene
der Fuͤrſtin Thuſnelde Meinung auch der
Wuͤrde des weiblichen Geſchlechtes einen Ab-
bruch zu thun. Denn da ein Edler durch ſeine
Heyrath eine Unedle adelte; warum ſolte dieſe
Krafft dem Frauenzimmer verſchraͤnckt ſeyn?
Warum ſolten ſie nicht ihren Adel auf die Ge-
ſchlechts-Nachkommen fortpflantzen/ die zu der
Fortzeugung mehr Gebluͤte und Sorge/ denn
die Maͤnner/ beytruͤgen? Dieſemnach die E-
pizephyrier den Adel gar vernuͤnfftig von den
Muͤttern herrechneten; die Lycier ihre Kinder
nach den muͤtterlichen Ahnen/ als denen edel-
ſten Vor-Eltern nenneten; und die Egyptier
ihren Koͤniginnen mehr Ehre/ als den Koͤnigen
erwieſen; in Jndien die Schweſter-Kinder ſo
gar die Soͤhne von der Reichs-Folge ausſchluͤſ-
ſen. Die Fuͤrſtin Thuſnelde antwortete hier-
auf: Jch will nicht in Abrede ſeyn/ daß auch
tapffere Leute von gemeinen gezeuget werden.
Dieſes aber geſchiehet vielleicht ſo ſelten/ als de-
nen Reigern auf ihren Koͤpfen die ſo koſtbaren
Koͤnigs-Federn/ und denen Schlangen Kro-
nen wachſen. Dahingegen die alten Ge-
ſchlechter nichts minder von tapfferen Soͤhnen;
als in Jndien die alten Steinklippen von
Schmaragden und Tuͤrckißen reich ſind. Die
an der Sonne gewachſenen Fruͤchte ſind
ſchmackhaffter/ als welche an dem Schatten
reif worden. Und wenn man auf den Adel
tapfferer Helden nicht ein beſonderes Abſehn
nehmen wolte; was wuͤrde endlich zwiſchen
Kindern der Menſchen und unvernuͤnfftiger
Thiere fuͤr ein Unterſchied bleiben? Man ver-
ehrt ja das Alterthum in den todten Ehren-
Saͤulen wohlverdienter Leute/ warum nicht
auch in ihren lebenden Ehrenbildern/ nehmlich
den Nachkommen? Dieſe ſchuldige Ehrerbie-
tung macht/ daß diß/ was ein Edler gethan/
ſtets anſehnlicher ſey/ als was ein neuer Menſch
ausgerichtet. Denn wo die Tugend in einem
Geſchlechte einmahl recht eingewurtzelt iſt/ koͤn-
nen deſſelbten Nachkommen ſo ſchwer in eine
boͤſe Unart verfallen; als die Mohren-Muͤtter
weiſſe Kinder gebaͤhren; ungeachtet ihre
Schwaͤrtze keine unabſonderliche Eigenſchafft
ſelbiger Menſchen iſt. Dieſemnach denn der
Adel gar billich fuͤr einen Lorber-Krantz zu hal-
ten/ welchen nicht alsbald die erſten Verdienſte
zu wege bringen/ ſondern die verjaͤhrende Zeit
denen Geſchlechtern nach und nach aufſetzt/
wenn die ruͤhmlichen Thaten gleichſam ſchon
zum Theil vergeſſen ſind. Dannenhero muß
ich unvermeidlich unſerm Geſchlechte ablegen/
und fuͤr das maͤnnliche nachgeben: daß/ nach
dem die Fruͤchte nicht ſo ſehr nach den Stamme
eines Baumes/ als nach dem Propfreiſern fal-
len/ ungeachtet jener allen Safft zum Wachs-
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/374>, abgerufen am 16.07.2024. |