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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelden.
[Spaltenumbruch] besuchten/ und sich von ihm so selten/ als der
Mercur-Stern vor der Sonne entfernten/
hielten dem Orismanes ein: Niemand als
GOtt/ der sein Reichthum in seinem eigenen
Wesen besässe/ könte in sich selbst/ und in seiner
eigenen Einsamkeit seine Vergnügung finden.
Denn GOtt alleine gingen seine Wercke ohne
Werckzeug und Bemühung von Händen/ und
alles diß/ was gleich von ihm herflüsse/ bleibe
doch in ihm/ als in einem unerschöpfflichen
Brunnen unvermindert. Ein Mensch aber
sey durch eine gemeine Dürfftigkeit an den an-
dern gebunden/ ja ieder sey nicht so wohl ein
abgesonderter Leib/ als ein Gliedmaß der all-
gemeinen Gesellschafft/ und deßwegen darvon
unzertrennlich. Ein Mensch könne ihm so we-
nigselbst helffen/ als ein Auge sich selbst sehen.
Die Einsamkeit wäre der Beleidigung und dem
Mangel mehr als die Gemeinschafft unter-
worffen/ jene aber wäre der Gerechtigkeit/
diese der Handreichung/ und ein Mensch der
Gesellschafft nichts minder als Feuer und Was-
sers benöthiget. Uber diß sey die Einsamkeit
der ärgste Rathgeber/ und man könne bey nie-
manden gefährlicher/ als alleine bey sich selbst
seyn. Wenn aber auch schon ein Weiser so
weit kommen wäre; daß er für sich selbst zu
sündigen sich schämete/ oder auch keinen äusser-
lichen Beystand dürffte/ so solten wir doch uns
selbst nicht dem Vaterlande stehlen/ dem wir
gebohren wären/ noch für den Menschen das
Licht verstecken/ das die milde Natur in uns
angesteckt hätte. Die grösten Köstligkeiten hät-
ten ohne ihre Anwehrung/ das Marck der Er-
den in seinen Adern keinen Fürzug für Schaum
und Asche/ und die Tugend machte sich durch
ihre Vertuschung zu nichts/ oder zum Laster.
Alle Sachen würden geschätzt nicht nach ihrem
Wesen/ sondern nach ihrem Aussehen. Was
man nicht sehe/ sey so viel/ als wenn es nicht
wäre. Etwas aber seyn/ und selbtes auch im
Wercke zeigen/ wäre ein zweyfaches Wesen.
[Spaltenumbruch] Nach dieser Einrede gab Orisma nes allererst
Gifft und Galle von sich/ und wendete für:
Er könte es länger auff seinem Hertzen nicht
behalten/ daß seine eigene Mißhandlung/ und
die daraus erwachsende Bestürtzung ihn in sol-
che Einsamkeit eingesperret hätte. Denn er
habe durch Beliebung der weiblichen Herrschafft
Armenien mehr Schaden gethan/ als alle sei-
ne Ahnen nichts gutes gestifftet/ und es wür-
den alle seine Geschlechts-Nachkommen die-
se Scharte nicht auswetzen. Ein Weib wä-
re das erste Ungeheuer der Natur/ welche
stets das Männliche Geschlechte zu zeugen ge-
meint wäre; also daß das weibliche nur durch
Mißrathung gebohren würde. Wenn nun
an einem Weibe was gutes wäre/ könte man
es für ein Wunderwerck halten. Daher die
Scythen auch den blossen Nahmen Weib für
so unflätig hielten/ daß sie sich selbten zu nen-
nen schämten. Die weiblichen Gottheiten
wären so gar in dem Kreisse der Vollkommen-
heiten/ nehmlich im Himmel voller Gebrechen/
und Jupiter wäre von seiner Juno so geqvä-
let worden/ daß er sie einmahl aus dem Rei-
che stossen/ und sie schwebend in die Lufft hen-
cken müssen. Das erste Weibsbild auff Er-
den hätte Jupiter zur Straffe des menschli-
chen Geschlechtes zubereiten lassen/ als er ü-
ber den Diebstal des Prometheus so ergrimmt
gewest wäre. Die Schönen hegten in ihren Ant-
litzen zwar eine Sonne/ alle aber in ihrem
Leibe die Befleckung/ und in ihren Hertzen
den Unbestand des Monden. Jhr Kopff gin-
ge allezeit mit Eitelkeit/ wie ihr Gemüthe mit
Geilheit schwanger. Und weil die Alten ge-
glaubt/ daß diß sonst so fruchtbare Geschlech-
te in nichts mehr als in Gebährung der Weiß-
heit unfruchtbar wäre/ hätten sie der klugen
Pallas kein Weibsbild zur Mutter zugeei-
gnet. Zu Athen hätte man wegen ihrer Unver-
nunfft keinen wichtigern Handel als einen
Scheffel Gerste zu kauffen verstattet. Wegen

ihrer
Q q 2

Arminius und Thußnelden.
[Spaltenumbruch] beſuchten/ und ſich von ihm ſo ſelten/ als der
Mercur-Stern vor der Sonne entfernten/
hielten dem Oriſmanes ein: Niemand als
GOtt/ der ſein Reichthum in ſeinem eigenen
Weſen beſaͤſſe/ koͤnte in ſich ſelbſt/ und in ſeiner
eigenen Einſamkeit ſeine Vergnuͤgung finden.
Denn GOtt alleine gingen ſeine Wercke ohne
Werckzeug und Bemuͤhung von Haͤnden/ und
alles diß/ was gleich von ihm herfluͤſſe/ bleibe
doch in ihm/ als in einem unerſchoͤpfflichen
Brunnen unvermindert. Ein Menſch aber
ſey durch eine gemeine Duͤrfftigkeit an den an-
dern gebunden/ ja ieder ſey nicht ſo wohl ein
abgeſonderter Leib/ als ein Gliedmaß der all-
gemeinen Geſellſchafft/ und deßwegen darvon
unzertrennlich. Ein Menſch koͤnne ihm ſo we-
nigſelbſt helffen/ als ein Auge ſich ſelbſt ſehen.
Die Einſamkeit waͤre der Beleidigung und dem
Mangel mehr als die Gemeinſchafft unter-
worffen/ jene aber waͤre der Gerechtigkeit/
dieſe der Handreichung/ und ein Menſch der
Geſellſchafft nichts minder als Feuer und Waſ-
ſers benoͤthiget. Uber diß ſey die Einſamkeit
der aͤrgſte Rathgeber/ und man koͤnne bey nie-
manden gefaͤhrlicher/ als alleine bey ſich ſelbſt
ſeyn. Wenn aber auch ſchon ein Weiſer ſo
weit kommen waͤre; daß er fuͤr ſich ſelbſt zu
ſuͤndigen ſich ſchaͤmete/ oder auch keinen aͤuſſer-
lichen Beyſtand duͤrffte/ ſo ſolten wir doch uns
ſelbſt nicht dem Vaterlande ſtehlen/ dem wir
gebohren waͤren/ noch fuͤr den Menſchen das
Licht verſtecken/ das die milde Natur in uns
angeſteckt haͤtte. Die groͤſten Koͤſtligkeiten haͤt-
ten ohne ihre Anwehrung/ das Marck der Er-
den in ſeinen Adern keinen Fuͤrzug fuͤr Schaum
und Aſche/ und die Tugend machte ſich durch
ihre Vertuſchung zu nichts/ oder zum Laſter.
Alle Sachen wuͤrden geſchaͤtzt nicht nach ihrem
Weſen/ ſondern nach ihrem Ausſehen. Was
man nicht ſehe/ ſey ſo viel/ als wenn es nicht
waͤre. Etwas aber ſeyn/ und ſelbtes auch im
Wercke zeigen/ waͤre ein zweyfaches Weſen.
[Spaltenumbruch] Nach dieſer Einrede gab Oriſma nes allererſt
Gifft und Galle von ſich/ und wendete fuͤr:
Er koͤnte es laͤnger auff ſeinem Hertzen nicht
behalten/ daß ſeine eigene Mißhandlung/ und
die daraus erwachſende Beſtuͤrtzung ihn in ſol-
che Einſamkeit eingeſperret haͤtte. Denn er
habe durch Beliebung der weiblichen Herrſchafft
Armenien mehr Schaden gethan/ als alle ſei-
ne Ahnen nichts gutes geſtifftet/ und es wuͤr-
den alle ſeine Geſchlechts-Nachkommen die-
ſe Scharte nicht auswetzen. Ein Weib waͤ-
re das erſte Ungeheuer der Natur/ welche
ſtets das Maͤnnliche Geſchlechte zu zeugen ge-
meint waͤre; alſo daß das weibliche nur durch
Mißrathung gebohren wuͤrde. Wenn nun
an einem Weibe was gutes waͤre/ koͤnte man
es fuͤr ein Wunderwerck halten. Daher die
Scythen auch den bloſſen Nahmen Weib fuͤr
ſo unflaͤtig hielten/ daß ſie ſich ſelbten zu nen-
nen ſchaͤmten. Die weiblichen Gottheiten
waͤren ſo gar in dem Kreiſſe der Vollkommen-
heiten/ nehmlich im Himmel voller Gebrechen/
und Jupiter waͤre von ſeiner Juno ſo geqvaͤ-
let worden/ daß er ſie einmahl aus dem Rei-
che ſtoſſen/ und ſie ſchwebend in die Lufft hen-
cken muͤſſen. Das erſte Weibsbild auff Er-
den haͤtte Jupiter zur Straffe des menſchli-
chen Geſchlechtes zubereiten laſſen/ als er uͤ-
ber den Diebſtal des Prometheus ſo ergrimmt
geweſt waͤre. Die Schoͤnen hegten in ihren Ant-
litzen zwar eine Sonne/ alle aber in ihrem
Leibe die Befleckung/ und in ihren Hertzen
den Unbeſtand des Monden. Jhr Kopff gin-
ge allezeit mit Eitelkeit/ wie ihr Gemuͤthe mit
Geilheit ſchwanger. Und weil die Alten ge-
glaubt/ daß diß ſonſt ſo fruchtbare Geſchlech-
te in nichts mehr als in Gebaͤhrung der Weiß-
heit unfruchtbar waͤre/ haͤtten ſie der klugen
Pallas kein Weibsbild zur Mutter zugeei-
gnet. Zu Athen haͤtte man wegen ihrer Unver-
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ihrer
Q q 2
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/359>, abgerufen am 22.11.2024.