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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Drittes Buch
[Spaltenumbruch] Glücks seyn würden. Ja wenn auch unsere
Vernunfft einige Botmäßigkeit über unser
Thun hätte/ würden die Albern nicht über dem
gewünschten Ausschlage ihrer tummen Anschlä-
ge frolocken/ die Weisen aber die klügsten Ent-
schlüssungen zu Wasser werden sehen. Als ich
nach so vielen der Königin Erato und mir be-
gegneten Glücks-Wechseln unvermeidlich mit
dem weisen Epicur die Versehung des Ver-
hängnisses für nichts anders/ als für Träume
der Wachenden/ und einen elenden Trost kran-
cker Gemüther/ ich mag nicht sagen/ für aber-
gläubige Mährlein alter Weiber zu halten ge-
zwungen werde. Die Königin Erato fiel Sa-
loninen selbst in die Rede/ sie fragende: Was für
ein Unstern ihre hohe Vernunfft in einen so ver-
dammlichen Jrrthum verfallen liesse/ welchem
sie in ihren heilsamen Lehren mehrmahls selbst
widersprochen? Ob sie sich nicht auff die nach-
dencklichen Trost-Reden besinnete/ mit welchen
sie die Ohnmacht ihres bestürtzten Gemüthes
auffgerichtet? Ob sie die Bewegung der Ster-
ne/ den Lauff der Sonne/ das Wachsthum der
Früchte/ und die einträchtige Ubereinstimmung
der Natur für nur ungefähr nicht aber viel-
mehr in so richtiger Ordnung geschehende Din-
ge erkennete? Salonine versetzte: Die Erfah-
rung machte einen immer klüger/ mit den Jah-
ren und dem Himmel änderte man die Ge-
dancken/ und die letzten Meinungen wären ins
gemein die besten. Auch wäre unverneinlich/
daß in dem Lauffe der Natur alles in der Ord-
nung seinen Fortgang behielte/ wie der Schöpf-
fer der Welt solche Anfangs in ihr grosses Uhr-
werck eingepflantzt. Es hinge alles wie die
Ringe oder die Glieder in einer Kette anein-
ander/ und hätte es dieser allerweisseste Werck-
meister derogestalt befestiget/ daß kein Drat zer-
reissen und kein Glied zerbrechen könte. Viel
anders verhielte sichs aber mit des Menschen
Gemüthe und Willen/ welchem das Verhäng-
[Spaltenumbruch] niß seine Freyheit gelassen/ und die Willkühr zu
seinem Führer gemacht hätte/ wie der Steuer-
mann in einem Schiffe wäre. Wie nun die-
se allzu blind wäre allezeit den rechten Weg zu
erkiesen/ und daher so viel Anstalten in Brunn
fielen; also wären sie so wetterwendisch/ und deß-
wegen alle künfftige Dinge so ungewiß/ daß Car-
neades gemeint/ Apollo hätte von selbtem/ aus-
ser in denen vom Lauffe der Natur eintzig her-
rührenden Begebenheiten/ keine Wissenschafft.
Dannenhero Tiresias aus den Eingeweiden de-
nen von der Pest vergehenden Thebanern nicht
zu wahrsagen wuste/ wer der Todschläger des
Lajus wäre; also/ daß bey solcher Unwissenheit
der Wahrsagergeist/ des Lajus Geist durch Zau-
berey aus der Hölle beruffen werden muste. Aus
welchem Grund nicht wenig Weisen so gar
dem Jupiter der künfftigen Dinge Wissenschafft
abgesprochen hätten; sintemal diese gleichsam des
Menschen freyem Willen einen Kapzaum anle-
gen/ oder selbten vielmehr gar auffheben würde.
Denn was Gott gewiß vorsehe/ müste unver-
änderlich; also/ daß selbte nicht dem veränder-
lichen Willen des Menschen unterworffen
seyn/ und könte er nicht/ diß nicht thun/ was
er schon vorher gewiß wüste/ daß es gesche-
hen würde. Jsmene brach Saloninen hier
abermahls ein: Jhre eigene Geschichts-Er-
zehlung überwiese sie durch die dem Polemon
begegnete Wahrsagungen/ daß Gott alles künff-
tige/ was gleich nicht von der Ordnung der Na-
tur herkäme/ sondern insgemein dem Glücke zu-
geschrieben würde/ eigentlich wüste/ und daher
würde der Mensch freylich durch solche unver-
änderliche Vorsehung gezwungen eines oder das
ander zu thun/ wäre also die Tugend mehr eine
Gabe/ die Boßheit eine Straffe des Verhäng-
nisses/ als ein Werck unsers freyen Willens. Ja
das Verhängniß binde so gar die Götter/ und
hätte Jupiter selbst seinen Sohn Sarpedon aus
den Händen des Patroclus/ und den Banden des

Todes

Drittes Buch
[Spaltenumbruch] Gluͤcks ſeyn wuͤrden. Ja wenn auch unſere
Vernunfft einige Botmaͤßigkeit uͤber unſer
Thun haͤtte/ wuͤrden die Albern nicht uͤber dem
gewuͤnſchten Ausſchlage ihrer tummen Anſchlaͤ-
ge frolocken/ die Weiſen aber die kluͤgſten Ent-
ſchluͤſſungen zu Waſſer werden ſehen. Als ich
nach ſo vielen der Koͤnigin Erato und mir be-
gegneten Gluͤcks-Wechſeln unvermeidlich mit
dem weiſen Epicur die Verſehung des Ver-
haͤngniſſes fuͤr nichts anders/ als fuͤr Traͤume
der Wachenden/ und einen elenden Troſt kran-
cker Gemuͤther/ ich mag nicht ſagen/ fuͤr aber-
glaͤubige Maͤhrlein alter Weiber zu halten ge-
zwungen werde. Die Koͤnigin Erato fiel Sa-
loninen ſelbſt in die Rede/ ſie fragende: Was fuͤr
ein Unſtern ihre hohe Vernunfft in einen ſo ver-
dammlichen Jrrthum verfallen lieſſe/ welchem
ſie in ihren heilſamen Lehren mehrmahls ſelbſt
widerſprochen? Ob ſie ſich nicht auff die nach-
dencklichen Troſt-Reden beſinnete/ mit welchen
ſie die Ohnmacht ihres beſtuͤrtzten Gemuͤthes
auffgerichtet? Ob ſie die Bewegung der Ster-
ne/ den Lauff der Sonne/ das Wachsthum der
Fruͤchte/ und die eintraͤchtige Ubereinſtimmung
der Natur fuͤr nur ungefaͤhr nicht aber viel-
mehr in ſo richtiger Ordnung geſchehende Din-
ge erkennete? Salonine verſetzte: Die Erfah-
rung machte einen immer kluͤger/ mit den Jah-
ren und dem Himmel aͤnderte man die Ge-
dancken/ und die letzten Meinungen waͤren ins
gemein die beſten. Auch waͤre unverneinlich/
daß in dem Lauffe der Natur alles in der Ord-
nung ſeinen Fortgang behielte/ wie der Schoͤpf-
fer der Welt ſolche Anfangs in ihr groſſes Uhr-
werck eingepflantzt. Es hinge alles wie die
Ringe oder die Glieder in einer Kette anein-
ander/ und haͤtte es dieſer allerweiſſeſte Werck-
meiſter derogeſtalt befeſtiget/ daß kein Drat zer-
reiſſen und kein Glied zerbrechen koͤnte. Viel
anders verhielte ſichs aber mit des Menſchen
Gemuͤthe und Willen/ welchem das Verhaͤng-
[Spaltenumbruch] niß ſeine Freyheit gelaſſen/ und die Willkuͤhr zu
ſeinem Fuͤhrer gemacht haͤtte/ wie der Steuer-
mann in einem Schiffe waͤre. Wie nun die-
ſe allzu blind waͤre allezeit den rechten Weg zu
erkieſen/ und daher ſo viel Anſtalten in Brunn
fielen; alſo waͤren ſie ſo wetterwendiſch/ und deß-
wegen alle kuͤnfftige Dinge ſo ungewiß/ daß Car-
neades gemeint/ Apollo haͤtte von ſelbtem/ auſ-
ſer in denen vom Lauffe der Natur eintzig her-
ruͤhrenden Begebenheiten/ keine Wiſſenſchafft.
Dannenhero Tireſias aus den Eingeweiden de-
nen von der Peſt vergehenden Thebanern nicht
zu wahrſagen wuſte/ wer der Todſchlaͤger des
Lajus waͤre; alſo/ daß bey ſolcher Unwiſſenheit
der Wahrſagergeiſt/ des Lajus Geiſt durch Zau-
berey aus der Hoͤlle beruffen werden muſte. Aus
welchem Grund nicht wenig Weiſen ſo gar
dem Jupiter der kuͤnfftigen Dinge Wiſſenſchafft
abgeſprochen haͤtten; ſintemal dieſe gleichſam des
Menſchen freyem Willen einen Kapzaum anle-
gen/ oder ſelbten vielmehr gar auffheben wuͤrde.
Denn was Gott gewiß vorſehe/ muͤſte unver-
aͤnderlich; alſo/ daß ſelbte nicht dem veraͤnder-
lichen Willen des Menſchen unterworffen
ſeyn/ und koͤnte er nicht/ diß nicht thun/ was
er ſchon vorher gewiß wuͤſte/ daß es geſche-
hen wuͤrde. Jſmene brach Saloninen hier
abermahls ein: Jhre eigene Geſchichts-Er-
zehlung uͤberwieſe ſie durch die dem Polemon
begegnete Wahrſagungen/ daß Gott alles kuͤnff-
tige/ was gleich nicht von der Ordnung der Na-
tur herkaͤme/ ſondern insgemein dem Gluͤcke zu-
geſchrieben wuͤrde/ eigentlich wuͤſte/ und daher
wuͤrde der Menſch freylich durch ſolche unver-
aͤnderliche Voꝛſehung gezwungen eines odeꝛ das
ander zu thun/ waͤre alſo die Tugend mehr eine
Gabe/ die Boßheit eine Straffe des Verhaͤng-
niſſes/ als ein Werck unſers freyen Willens. Ja
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[296/0348] Drittes Buch Gluͤcks ſeyn wuͤrden. Ja wenn auch unſere Vernunfft einige Botmaͤßigkeit uͤber unſer Thun haͤtte/ wuͤrden die Albern nicht uͤber dem gewuͤnſchten Ausſchlage ihrer tummen Anſchlaͤ- ge frolocken/ die Weiſen aber die kluͤgſten Ent- ſchluͤſſungen zu Waſſer werden ſehen. Als ich nach ſo vielen der Koͤnigin Erato und mir be- gegneten Gluͤcks-Wechſeln unvermeidlich mit dem weiſen Epicur die Verſehung des Ver- haͤngniſſes fuͤr nichts anders/ als fuͤr Traͤume der Wachenden/ und einen elenden Troſt kran- cker Gemuͤther/ ich mag nicht ſagen/ fuͤr aber- glaͤubige Maͤhrlein alter Weiber zu halten ge- zwungen werde. Die Koͤnigin Erato fiel Sa- loninen ſelbſt in die Rede/ ſie fragende: Was fuͤr ein Unſtern ihre hohe Vernunfft in einen ſo ver- dammlichen Jrrthum verfallen lieſſe/ welchem ſie in ihren heilſamen Lehren mehrmahls ſelbſt widerſprochen? Ob ſie ſich nicht auff die nach- dencklichen Troſt-Reden beſinnete/ mit welchen ſie die Ohnmacht ihres beſtuͤrtzten Gemuͤthes auffgerichtet? Ob ſie die Bewegung der Ster- ne/ den Lauff der Sonne/ das Wachsthum der Fruͤchte/ und die eintraͤchtige Ubereinſtimmung der Natur fuͤr nur ungefaͤhr nicht aber viel- mehr in ſo richtiger Ordnung geſchehende Din- ge erkennete? Salonine verſetzte: Die Erfah- rung machte einen immer kluͤger/ mit den Jah- ren und dem Himmel aͤnderte man die Ge- dancken/ und die letzten Meinungen waͤren ins gemein die beſten. Auch waͤre unverneinlich/ daß in dem Lauffe der Natur alles in der Ord- nung ſeinen Fortgang behielte/ wie der Schoͤpf- fer der Welt ſolche Anfangs in ihr groſſes Uhr- werck eingepflantzt. Es hinge alles wie die Ringe oder die Glieder in einer Kette anein- ander/ und haͤtte es dieſer allerweiſſeſte Werck- meiſter derogeſtalt befeſtiget/ daß kein Drat zer- reiſſen und kein Glied zerbrechen koͤnte. Viel anders verhielte ſichs aber mit des Menſchen Gemuͤthe und Willen/ welchem das Verhaͤng- niß ſeine Freyheit gelaſſen/ und die Willkuͤhr zu ſeinem Fuͤhrer gemacht haͤtte/ wie der Steuer- mann in einem Schiffe waͤre. Wie nun die- ſe allzu blind waͤre allezeit den rechten Weg zu erkieſen/ und daher ſo viel Anſtalten in Brunn fielen; alſo waͤren ſie ſo wetterwendiſch/ und deß- wegen alle kuͤnfftige Dinge ſo ungewiß/ daß Car- neades gemeint/ Apollo haͤtte von ſelbtem/ auſ- ſer in denen vom Lauffe der Natur eintzig her- ruͤhrenden Begebenheiten/ keine Wiſſenſchafft. Dannenhero Tireſias aus den Eingeweiden de- nen von der Peſt vergehenden Thebanern nicht zu wahrſagen wuſte/ wer der Todſchlaͤger des Lajus waͤre; alſo/ daß bey ſolcher Unwiſſenheit der Wahrſagergeiſt/ des Lajus Geiſt durch Zau- berey aus der Hoͤlle beruffen werden muſte. Aus welchem Grund nicht wenig Weiſen ſo gar dem Jupiter der kuͤnfftigen Dinge Wiſſenſchafft abgeſprochen haͤtten; ſintemal dieſe gleichſam des Menſchen freyem Willen einen Kapzaum anle- gen/ oder ſelbten vielmehr gar auffheben wuͤrde. Denn was Gott gewiß vorſehe/ muͤſte unver- aͤnderlich; alſo/ daß ſelbte nicht dem veraͤnder- lichen Willen des Menſchen unterworffen ſeyn/ und koͤnte er nicht/ diß nicht thun/ was er ſchon vorher gewiß wuͤſte/ daß es geſche- hen wuͤrde. Jſmene brach Saloninen hier abermahls ein: Jhre eigene Geſchichts-Er- zehlung uͤberwieſe ſie durch die dem Polemon begegnete Wahrſagungen/ daß Gott alles kuͤnff- tige/ was gleich nicht von der Ordnung der Na- tur herkaͤme/ ſondern insgemein dem Gluͤcke zu- geſchrieben wuͤrde/ eigentlich wuͤſte/ und daher wuͤrde der Menſch freylich durch ſolche unver- aͤnderliche Voꝛſehung gezwungen eines odeꝛ das ander zu thun/ waͤre alſo die Tugend mehr eine Gabe/ die Boßheit eine Straffe des Verhaͤng- niſſes/ als ein Werck unſers freyen Willens. Ja das Verhaͤngniß binde ſo gar die Goͤtter/ und haͤtte Jupiter ſelbſt ſeinen Sohn Sarpedon aus den Haͤnden des Patroclus/ und den Banden des Todes

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/348>, abgerufen am 08.05.2024.