Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Todes durch viel Bemühung zu erretten nicht
vermocht; als welcher selbst an das Spinnwerck
der Parcen nichts anders/ als ein Sclave an die
Fässel angebunden/ und dem Verhängnüsse/
welches er einmal als ein Gesetze dem Himmel
für geschrieben hätte/ allezeit zu folgen schuldig/
und also einer Nothwendigkeit unterworffen
wäre. Zumal Unwissenheit/ und Veränderun-
gen des Willens einer Gottheit unanständige
Schwachheiten wären. Dieses wäre der äl-
teste Glaube in der Welt; und daher finde man
niemals in denen vermerckten Versammlun-
gen der Götter/ die blinde und unbeständige
Göttin des Glückes/ welche mit dem Verhäng-
nüsse nicht bestehen könte/ sondern nur ein Ge-
spenste irrdischer Gedancken wäre. Die aber/
die sie endlich zu einer Tochter des Jupiters
machten/ hätten damit nichts anders angedeu-
tet; als daß die vom Verhängnüsse geschlossene
Nothwendigkeit in den Augen der unwissenden
Menschen ein Zufall des Glückes schiene zu
seyn. Dahero der kluge und tapffere Ti-
motheus seine grosse Thaten durchaus nicht für
ein Geschencke des Glückes/ noch diß für eine
Gottheit erkennen wolte; Sondern/ als seine
Neider ihn als einen Schlaffenden abmahlten/
bey welchem das Glücke Wache hielte/ in einem
Netze allerhand Festungen an sich züge/ und ih-
ren Fang in des Timotheus Schoß ausschütte-
te/ begegnete er ihnen mit dieser scharffsinnigen
Antwort: Hätte er diß schlaffende ausgerich-
tet/ was würde er allererst ausüben/ wenn er
wachen würde? Salonine warf ein: Der viel
grössere Timoleon/ der das sich erschütternde
Sicilien auf festen Fuß gesetzt/ und das feste
Carthago erschüttert/ hätte alle seine Siege
dem Glücke gedanckt. Die Römer hätten sie
für ihre erstgebohrne Gottheit verehret/ ihr die
meisten Priester und Heiligthümer gewiedmet/
ihr grössere Kräffte als der Tugend zugeetgnet/
und sie für die oberste Uhrheberin des Römi-
schen Reichs erkennet. Zu Smyrna hätte sie
[Spaltenumbruch] ihr eine Himmels-Kugel auf dem Haupte tra-
gendes/ und ein Horn des Uberflusses haltendes
Bild in einem herrlichen Tempel aubeten se-
hen; welches die Priester selbst dahin ausgedeu-
tet hätten/ daß sie alles beherrschte und fruchtbar
machte. Die Königin Erato hielt sich numehr
auch genöthigt ihr Wort dazu zu geben/ und
fing an: Es ist unglaublich/ daß Timoleon/ die
Römer/ oder einige Weltweise iemahls unter
dem Nahmen des Glückens diß/ was der Pöfel
daraus macht/ verstanden habe. Denn dieser
nennet alles diß/ was ungewiß ist/ das Glücke;
bildet ihm auch ein/ alles diß sey Ungewißheit/
was das Verhängnüß entweder für menschli-
chen Augen verbirgt/ oder ihr blödes Gesichte
nicht erkiesen kan. Da hingegen alle Klugen/
welche iemahls das Glücke als was göttliches
angebetet/ gegläubt haben: daß eben diß/ was
auf der Erde das Glücke heist/ im Himmel das
Verhängnüß oder die göttliche Versehung ge-
nennt werde. Hätte der angezogene Timo-
leon alles sein Beginnen blinden Zufällen zu-
geeignet/ würde er schwerlich eines Priesters
Traum sich haben bewegen lassen/ auf einem ab-
sondern Schiffe die Ceres und Proserpina in
seinem Kriegs-Zuge nach Sicilien zu führen.
Er würde selbst nach Delphis nicht gereiset
seyn/ und dem Apollo seine Andacht aufgeopf-
fert/ weniger würde ihn daselbst im Tempel zu
einem Glücks-Zeichen eine Opfer-Binde von
den aufgehenckten Geschencken sein Haupt um-
schlinget/ und er gleichsam von der verehrten
Gottheit einen Sieges-Krantz zu vorher über-
kommen haben. Die Römer hätten aus kei-
nem andern Absehen dem Glücke als einer
erstgebohrnen/ ferner als einer starcken/ als ei-
ner vielbrüstigen/ und als einer himmlischen
Göttin so viel Tempel gebaut; als in dem ersten
die ewige/ in dem andern die allmächtige/ in dem
dritten die milde Gottheit der Versehung/ in
dem letzten aber ihren Uhrsprung abzubilden;
als welche von den meisten Menschen alleine

ange-
Erster Theil. P p

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Todes durch viel Bemuͤhung zu erretten nicht
vermocht; als welcher ſelbſt an das Spinnwerck
der Parcen nichts anders/ als ein Sclave an die
Faͤſſel angebunden/ und dem Verhaͤngnuͤſſe/
welches er einmal als ein Geſetze dem Himmel
fuͤr geſchrieben haͤtte/ allezeit zu folgen ſchuldig/
und alſo einer Nothwendigkeit unterworffen
waͤre. Zumal Unwiſſenheit/ und Veraͤnderun-
gen des Willens einer Gottheit unanſtaͤndige
Schwachheiten waͤren. Dieſes waͤre der aͤl-
teſte Glaube in der Welt; und daher finde man
niemals in denen vermerckten Verſammlun-
gen der Goͤtter/ die blinde und unbeſtaͤndige
Goͤttin des Gluͤckes/ welche mit dem Verhaͤng-
nuͤſſe nicht beſtehen koͤnte/ ſondern nur ein Ge-
ſpenſte irrdiſcher Gedancken waͤre. Die aber/
die ſie endlich zu einer Tochter des Jupiters
machten/ haͤtten damit nichts anders angedeu-
tet; als daß die vom Verhaͤngnuͤſſe geſchloſſene
Nothwendigkeit in den Augen der unwiſſenden
Menſchen ein Zufall des Gluͤckes ſchiene zu
ſeyn. Dahero der kluge und tapffere Ti-
motheus ſeine groſſe Thaten durchaus nicht fuͤr
ein Geſchencke des Gluͤckes/ noch diß fuͤr eine
Gottheit erkennen wolte; Sondern/ als ſeine
Neider ihn als einen Schlaffenden abmahlten/
bey welchem das Gluͤcke Wache hielte/ in einem
Netze allerhand Feſtungen an ſich zuͤge/ und ih-
ren Fang in des Timotheus Schoß ausſchuͤtte-
te/ begegnete er ihnen mit dieſer ſcharffſinnigen
Antwort: Haͤtte er diß ſchlaffende ausgerich-
tet/ was wuͤrde er allererſt ausuͤben/ wenn er
wachen wuͤrde? Salonine warf ein: Der viel
groͤſſere Timoleon/ der das ſich erſchuͤtternde
Sicilien auf feſten Fuß geſetzt/ und das feſte
Carthago erſchuͤttert/ haͤtte alle ſeine Siege
dem Gluͤcke gedanckt. Die Roͤmer haͤtten ſie
fuͤr ihre erſtgebohrne Gottheit verehret/ ihr die
meiſten Prieſter und Heiligthuͤmer gewiedmet/
ihr groͤſſere Kraͤffte als der Tugend zugeetgnet/
und ſie fuͤr die oberſte Uhrheberin des Roͤmi-
ſchen Reichs erkennet. Zu Smyrna haͤtte ſie
[Spaltenumbruch] ihr eine Himmels-Kugel auf dem Haupte tra-
gendes/ und ein Horn des Uberfluſſes haltendes
Bild in einem herrlichen Tempel aubeten ſe-
hen; welches die Prieſter ſelbſt dahin ausgedeu-
tet haͤtten/ daß ſie alles beherrſchte und fruchtbar
machte. Die Koͤnigin Erato hielt ſich numehr
auch genoͤthigt ihr Wort dazu zu geben/ und
fing an: Es iſt unglaublich/ daß Timoleon/ die
Roͤmer/ oder einige Weltweiſe iemahls unter
dem Nahmen des Gluͤckẽs diß/ was der Poͤfel
daraus macht/ verſtanden habe. Denn dieſer
nennet alles diß/ was ungewiß iſt/ das Gluͤcke;
bildet ihm auch ein/ alles diß ſey Ungewißheit/
was das Verhaͤngnuͤß entweder fuͤr menſchli-
chen Augen verbirgt/ oder ihr bloͤdes Geſichte
nicht erkieſen kan. Da hingegen alle Klugen/
welche iemahls das Gluͤcke als was goͤttliches
angebetet/ geglaͤubt haben: daß eben diß/ was
auf der Erde das Gluͤcke heiſt/ im Himmel das
Verhaͤngnuͤß oder die goͤttliche Verſehung ge-
nennt werde. Haͤtte der angezogene Timo-
leon alles ſein Beginnen blinden Zufaͤllen zu-
geeignet/ wuͤrde er ſchwerlich eines Prieſters
Traum ſich haben bewegen laſſen/ auf einem ab-
ſondern Schiffe die Ceres und Proſerpina in
ſeinem Kriegs-Zuge nach Sicilien zu fuͤhren.
Er wuͤrde ſelbſt nach Delphis nicht gereiſet
ſeyn/ und dem Apollo ſeine Andacht aufgeopf-
fert/ weniger wuͤrde ihn daſelbſt im Tempel zu
einem Gluͤcks-Zeichen eine Opfer-Binde von
den aufgehenckten Geſchencken ſein Haupt um-
ſchlinget/ und er gleichſam von der verehrten
Gottheit einen Sieges-Krantz zu vorher uͤber-
kommen haben. Die Roͤmer haͤtten aus kei-
nem andern Abſehen dem Gluͤcke als einer
erſtgebohrnen/ ferner als einer ſtarcken/ als ei-
ner vielbruͤſtigen/ und als einer himmliſchen
Goͤttin ſo viel Tempel gebaut; als in dem erſten
die ewige/ in dem andern die allmaͤchtige/ in dem
dritten die milde Gottheit der Verſehung/ in
dem letzten aber ihren Uhrſprung abzubilden;
als welche von den meiſten Menſchen alleine

ange-
Erſter Theil. P p
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0349" n="297"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
Todes durch viel Bemu&#x0364;hung zu erretten nicht<lb/>
vermocht; als welcher &#x017F;elb&#x017F;t an das Spinnwerck<lb/>
der Parcen nichts anders/ als ein Sclave an die<lb/>
Fa&#x0364;&#x017F;&#x017F;el angebunden/ und dem Verha&#x0364;ngnu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e/<lb/>
welches er einmal als ein Ge&#x017F;etze dem Himmel<lb/>
fu&#x0364;r ge&#x017F;chrieben ha&#x0364;tte/ allezeit zu folgen &#x017F;chuldig/<lb/>
und al&#x017F;o einer Nothwendigkeit unterworffen<lb/>
wa&#x0364;re. Zumal Unwi&#x017F;&#x017F;enheit/ und Vera&#x0364;nderun-<lb/>
gen des Willens einer Gottheit unan&#x017F;ta&#x0364;ndige<lb/>
Schwachheiten wa&#x0364;ren. Die&#x017F;es wa&#x0364;re der a&#x0364;l-<lb/>
te&#x017F;te Glaube in der Welt; und daher finde man<lb/>
niemals in denen vermerckten Ver&#x017F;ammlun-<lb/>
gen der Go&#x0364;tter/ die blinde und unbe&#x017F;ta&#x0364;ndige<lb/>
Go&#x0364;ttin des Glu&#x0364;ckes/ welche mit dem Verha&#x0364;ng-<lb/>
nu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e nicht be&#x017F;tehen ko&#x0364;nte/ &#x017F;ondern nur ein Ge-<lb/>
&#x017F;pen&#x017F;te irrdi&#x017F;cher Gedancken wa&#x0364;re. Die aber/<lb/>
die &#x017F;ie endlich zu einer Tochter des Jupiters<lb/>
machten/ ha&#x0364;tten damit nichts anders angedeu-<lb/>
tet; als daß die vom Verha&#x0364;ngnu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene<lb/>
Nothwendigkeit in den Augen der unwi&#x017F;&#x017F;enden<lb/>
Men&#x017F;chen ein Zufall des Glu&#x0364;ckes &#x017F;chiene zu<lb/>
&#x017F;eyn. Dahero der kluge und tapffere Ti-<lb/>
motheus &#x017F;eine gro&#x017F;&#x017F;e Thaten durchaus nicht fu&#x0364;r<lb/>
ein Ge&#x017F;chencke des Glu&#x0364;ckes/ noch diß fu&#x0364;r eine<lb/>
Gottheit erkennen wolte; Sondern/ als &#x017F;eine<lb/>
Neider ihn als einen Schlaffenden abmahlten/<lb/>
bey welchem das Glu&#x0364;cke Wache hielte/ in einem<lb/>
Netze allerhand Fe&#x017F;tungen an &#x017F;ich zu&#x0364;ge/ und ih-<lb/>
ren Fang in des Timotheus Schoß aus&#x017F;chu&#x0364;tte-<lb/>
te/ begegnete er ihnen mit die&#x017F;er &#x017F;charff&#x017F;innigen<lb/>
Antwort: Ha&#x0364;tte er diß &#x017F;chlaffende ausgerich-<lb/>
tet/ was wu&#x0364;rde er allerer&#x017F;t ausu&#x0364;ben/ wenn er<lb/>
wachen wu&#x0364;rde? Salonine warf ein: Der viel<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ere Timoleon/ der das &#x017F;ich er&#x017F;chu&#x0364;tternde<lb/>
Sicilien auf fe&#x017F;ten Fuß ge&#x017F;etzt/ und das fe&#x017F;te<lb/>
Carthago er&#x017F;chu&#x0364;ttert/ ha&#x0364;tte alle &#x017F;eine Siege<lb/>
dem Glu&#x0364;cke gedanckt. Die Ro&#x0364;mer ha&#x0364;tten &#x017F;ie<lb/>
fu&#x0364;r ihre er&#x017F;tgebohrne Gottheit verehret/ ihr die<lb/>
mei&#x017F;ten Prie&#x017F;ter und Heiligthu&#x0364;mer gewiedmet/<lb/>
ihr gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ere Kra&#x0364;ffte als der Tugend zugeetgnet/<lb/>
und &#x017F;ie fu&#x0364;r die ober&#x017F;te Uhrheberin des Ro&#x0364;mi-<lb/>
&#x017F;chen Reichs erkennet. Zu Smyrna ha&#x0364;tte &#x017F;ie<lb/><cb/>
ihr eine Himmels-Kugel auf dem Haupte tra-<lb/>
gendes/ und ein Horn des Uberflu&#x017F;&#x017F;es haltendes<lb/>
Bild in einem herrlichen Tempel aubeten &#x017F;e-<lb/>
hen; welches die Prie&#x017F;ter &#x017F;elb&#x017F;t dahin ausgedeu-<lb/>
tet ha&#x0364;tten/ daß &#x017F;ie alles beherr&#x017F;chte und fruchtbar<lb/>
machte. Die Ko&#x0364;nigin Erato hielt &#x017F;ich numehr<lb/>
auch geno&#x0364;thigt ihr Wort dazu zu geben/ und<lb/>
fing an: Es i&#x017F;t unglaublich/ daß Timoleon/ die<lb/>
Ro&#x0364;mer/ oder einige Weltwei&#x017F;e iemahls unter<lb/>
dem Nahmen des Glu&#x0364;cke&#x0303;s diß/ was der Po&#x0364;fel<lb/>
daraus macht/ ver&#x017F;tanden habe. Denn die&#x017F;er<lb/>
nennet alles diß/ was ungewiß i&#x017F;t/ das Glu&#x0364;cke;<lb/>
bildet ihm auch ein/ alles diß &#x017F;ey Ungewißheit/<lb/>
was das Verha&#x0364;ngnu&#x0364;ß entweder fu&#x0364;r men&#x017F;chli-<lb/>
chen Augen verbirgt/ oder ihr blo&#x0364;des Ge&#x017F;ichte<lb/>
nicht erkie&#x017F;en kan. Da hingegen alle Klugen/<lb/>
welche iemahls das Glu&#x0364;cke als was go&#x0364;ttliches<lb/>
angebetet/ gegla&#x0364;ubt haben: daß eben diß/ was<lb/>
auf der Erde das Glu&#x0364;cke hei&#x017F;t/ im Himmel das<lb/>
Verha&#x0364;ngnu&#x0364;ß oder die go&#x0364;ttliche Ver&#x017F;ehung ge-<lb/>
nennt werde. Ha&#x0364;tte der angezogene Timo-<lb/>
leon alles &#x017F;ein Beginnen blinden Zufa&#x0364;llen zu-<lb/>
geeignet/ wu&#x0364;rde er &#x017F;chwerlich eines Prie&#x017F;ters<lb/>
Traum &#x017F;ich haben bewegen la&#x017F;&#x017F;en/ auf einem ab-<lb/>
&#x017F;ondern Schiffe die Ceres und Pro&#x017F;erpina in<lb/>
&#x017F;einem Kriegs-Zuge nach Sicilien zu fu&#x0364;hren.<lb/>
Er wu&#x0364;rde &#x017F;elb&#x017F;t nach Delphis nicht gerei&#x017F;et<lb/>
&#x017F;eyn/ und dem Apollo &#x017F;eine Andacht aufgeopf-<lb/>
fert/ weniger wu&#x0364;rde ihn da&#x017F;elb&#x017F;t im Tempel zu<lb/>
einem Glu&#x0364;cks-Zeichen eine Opfer-Binde von<lb/>
den aufgehenckten Ge&#x017F;chencken &#x017F;ein Haupt um-<lb/>
&#x017F;chlinget/ und er gleich&#x017F;am von der verehrten<lb/>
Gottheit einen Sieges-Krantz zu vorher u&#x0364;ber-<lb/>
kommen haben. Die Ro&#x0364;mer ha&#x0364;tten aus kei-<lb/>
nem andern Ab&#x017F;ehen dem Glu&#x0364;cke als einer<lb/>
er&#x017F;tgebohrnen/ ferner als einer &#x017F;tarcken/ als ei-<lb/>
ner vielbru&#x0364;&#x017F;tigen/ und als einer himmli&#x017F;chen<lb/>
Go&#x0364;ttin &#x017F;o viel Tempel gebaut; als in dem er&#x017F;ten<lb/>
die ewige/ in dem andern die allma&#x0364;chtige/ in dem<lb/>
dritten die milde Gottheit der Ver&#x017F;ehung/ in<lb/>
dem letzten aber ihren Uhr&#x017F;prung abzubilden;<lb/>
als welche von den mei&#x017F;ten Men&#x017F;chen alleine<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Er&#x017F;ter Theil. P p</fw><fw place="bottom" type="catch">ange-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[297/0349] Arminius und Thußnelda. Todes durch viel Bemuͤhung zu erretten nicht vermocht; als welcher ſelbſt an das Spinnwerck der Parcen nichts anders/ als ein Sclave an die Faͤſſel angebunden/ und dem Verhaͤngnuͤſſe/ welches er einmal als ein Geſetze dem Himmel fuͤr geſchrieben haͤtte/ allezeit zu folgen ſchuldig/ und alſo einer Nothwendigkeit unterworffen waͤre. Zumal Unwiſſenheit/ und Veraͤnderun- gen des Willens einer Gottheit unanſtaͤndige Schwachheiten waͤren. Dieſes waͤre der aͤl- teſte Glaube in der Welt; und daher finde man niemals in denen vermerckten Verſammlun- gen der Goͤtter/ die blinde und unbeſtaͤndige Goͤttin des Gluͤckes/ welche mit dem Verhaͤng- nuͤſſe nicht beſtehen koͤnte/ ſondern nur ein Ge- ſpenſte irrdiſcher Gedancken waͤre. Die aber/ die ſie endlich zu einer Tochter des Jupiters machten/ haͤtten damit nichts anders angedeu- tet; als daß die vom Verhaͤngnuͤſſe geſchloſſene Nothwendigkeit in den Augen der unwiſſenden Menſchen ein Zufall des Gluͤckes ſchiene zu ſeyn. Dahero der kluge und tapffere Ti- motheus ſeine groſſe Thaten durchaus nicht fuͤr ein Geſchencke des Gluͤckes/ noch diß fuͤr eine Gottheit erkennen wolte; Sondern/ als ſeine Neider ihn als einen Schlaffenden abmahlten/ bey welchem das Gluͤcke Wache hielte/ in einem Netze allerhand Feſtungen an ſich zuͤge/ und ih- ren Fang in des Timotheus Schoß ausſchuͤtte- te/ begegnete er ihnen mit dieſer ſcharffſinnigen Antwort: Haͤtte er diß ſchlaffende ausgerich- tet/ was wuͤrde er allererſt ausuͤben/ wenn er wachen wuͤrde? Salonine warf ein: Der viel groͤſſere Timoleon/ der das ſich erſchuͤtternde Sicilien auf feſten Fuß geſetzt/ und das feſte Carthago erſchuͤttert/ haͤtte alle ſeine Siege dem Gluͤcke gedanckt. Die Roͤmer haͤtten ſie fuͤr ihre erſtgebohrne Gottheit verehret/ ihr die meiſten Prieſter und Heiligthuͤmer gewiedmet/ ihr groͤſſere Kraͤffte als der Tugend zugeetgnet/ und ſie fuͤr die oberſte Uhrheberin des Roͤmi- ſchen Reichs erkennet. Zu Smyrna haͤtte ſie ihr eine Himmels-Kugel auf dem Haupte tra- gendes/ und ein Horn des Uberfluſſes haltendes Bild in einem herrlichen Tempel aubeten ſe- hen; welches die Prieſter ſelbſt dahin ausgedeu- tet haͤtten/ daß ſie alles beherrſchte und fruchtbar machte. Die Koͤnigin Erato hielt ſich numehr auch genoͤthigt ihr Wort dazu zu geben/ und fing an: Es iſt unglaublich/ daß Timoleon/ die Roͤmer/ oder einige Weltweiſe iemahls unter dem Nahmen des Gluͤckẽs diß/ was der Poͤfel daraus macht/ verſtanden habe. Denn dieſer nennet alles diß/ was ungewiß iſt/ das Gluͤcke; bildet ihm auch ein/ alles diß ſey Ungewißheit/ was das Verhaͤngnuͤß entweder fuͤr menſchli- chen Augen verbirgt/ oder ihr bloͤdes Geſichte nicht erkieſen kan. Da hingegen alle Klugen/ welche iemahls das Gluͤcke als was goͤttliches angebetet/ geglaͤubt haben: daß eben diß/ was auf der Erde das Gluͤcke heiſt/ im Himmel das Verhaͤngnuͤß oder die goͤttliche Verſehung ge- nennt werde. Haͤtte der angezogene Timo- leon alles ſein Beginnen blinden Zufaͤllen zu- geeignet/ wuͤrde er ſchwerlich eines Prieſters Traum ſich haben bewegen laſſen/ auf einem ab- ſondern Schiffe die Ceres und Proſerpina in ſeinem Kriegs-Zuge nach Sicilien zu fuͤhren. Er wuͤrde ſelbſt nach Delphis nicht gereiſet ſeyn/ und dem Apollo ſeine Andacht aufgeopf- fert/ weniger wuͤrde ihn daſelbſt im Tempel zu einem Gluͤcks-Zeichen eine Opfer-Binde von den aufgehenckten Geſchencken ſein Haupt um- ſchlinget/ und er gleichſam von der verehrten Gottheit einen Sieges-Krantz zu vorher uͤber- kommen haben. Die Roͤmer haͤtten aus kei- nem andern Abſehen dem Gluͤcke als einer erſtgebohrnen/ ferner als einer ſtarcken/ als ei- ner vielbruͤſtigen/ und als einer himmliſchen Goͤttin ſo viel Tempel gebaut; als in dem erſten die ewige/ in dem andern die allmaͤchtige/ in dem dritten die milde Gottheit der Verſehung/ in dem letzten aber ihren Uhrſprung abzubilden; als welche von den meiſten Menſchen alleine ange- Erſter Theil. P p

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/349
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/349>, abgerufen am 08.05.2024.