Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
mählung mit meinem Sohne einzurichten ver-schnidten. Alleine es werden die unsterblichen Götter auch nach meinem Tode alles diß weiß- licher einrichten/ als es meine Vernunft auf dem Blate seiner Gedancken entwerffen konte. Jch sterbe gleichwohl vergnügt/ nach dem die seltzamen Zufälle dieser Schlacht mir augenscheinliche Kennzeichen des unver änderlichen Verhängnis- ses abgeben/ und ich mein Reich aus so grosser Gefahr und Dienstbarkeit errettet sehe. Erato machte nach menschlicher Gewohnheit dem Kö- nige auch beny verzweifeltem Zustand noch einige Lebens-Hoffnung/ setzte aber bey: Da es ie ja den Göttern gefiele seinen Heldengeist der Welt nicht länger zu gönnen/ so stürbe er doch Königlich/ und auf dem Bette der Helden. Er ginge unter wie die Sonne/ welche noch der Erden wolthut/ und sie erleuchtet/ wenn sie schon selbst verfinstert würde. Er hätte seinen Lebens-Athen daran gesetzt/ wor- mit so viel tausend unglückselige wieder Lufft schöpfen könten. Sein Fall erhielte nicht nur gantze Geschlechter/ sondern 3. Königreiche auf den Beinen/ ja seine todte Leiche wäre gleich sam ein Ancker/ der Asien für dem äusersten Schiffbru- che bewahrete. Unter dieser Rede des Artaxias ward Ariobarzanes und viel andere fürnehme Gefangenen für des Polemons Bette gebracht. Unter diesen war ein ansehnlicher eißgrauer Mann/ welcher bald den Polemon/ bald den A- riobarzanes höchst-erbärmlich ansahe/ und seine Wangen mit häuffigen Thränen überschwem- mete. Polemon hatte ein hertzliches Mitleiden mit diesem Greise/ und weil seine Geberdung ein grösser Leid/ als seine Gefängnüß verursachen konte/ anzuzeigen schien/ fragte er umb die Ursa- che; redete ihm auch zugleich ein: Ein Held mü- ste in beydem Glücke einerley Gesichte behalten; in der Gedult bestünde die halbe Weltweißheit/ zudem wäre er ein Gefangener der Menschen/ keiner Tieger-Thiere. Pharasmanes (also hieß dieser Alte) seufzete/ und fing an: Seine Thränen rührten von keiner Kleinmuth/ weil [Spaltenumbruch] sein Hertze das Unglück sein Lebtage wol hätte verdäuen lernen/ sondern vom Mitleiden über einen so unglückseligen Vater/ und einen Erbar- mens-würdigen Sohne her. Polemon frag- te: Wen er denn meynte? Pharasmanes ant- wortete: Den auf dem Todten-Bette vergehen- den Polemon/ welchem die unbarmhertzigen Götter nur deshalben am Ariobarzanes ei- nen so tapfern Sohn gegeben hätten/ wormit er durch seine eigene Faust sterben könne. Der ohnediß von so viel verspritztem Blute entkräff- tete Polemon erschrack hierüber so sehr/ daß er in Ohnmacht sanck/ und man durch langes Kühlen ihn kaum ein wenig wieder zurechte bringen konte. Hierauf redete er den Pharasmanes zitternde an: Er solte einem Sterbenden doch nicht die Warheit verschweigen/ sondern aufrich- tig melden: Ob Ariobarzanes sein Sohn wäre/ und wie er diß seyn könte? Jch rede die unver- fälschte Wahrheit/ versetzte er; aber ich sehe/ daß es ein unveränderlicher Schluß der Götter ge- wesen/ daß Ariobarzanes seinen Vater tödten müste. So bald ich zu Cyropolis/ wo ich Kö- niglicher Stadthalter gewest/ den zwischen dem Polemon und Ariobarzanes sich anspinnenden Krieg vernommen/ ist mir mein Hertze kalt wor- den/ und Ariobarzanes wird zu sagen wissen/ was für einen beweglichen Brief ich/ weil ich Alters halber so schnelle nicht reisen konte/ ihm geschrieben/ und ihn umb sein und seines Stam- mes Wolfahrt willen gebeten: er wolle es zu kei- ner Thätligkeit zum minsten so lange nicht kom- men lassen/ biß ich selbst ins Lager käme/ weil ich ihm ein keiner Feder vertrauliches Geheimnüß zu entdecken hätte. So viel er ietzt nun ihm erzeh- len liesse/ wäre das Schreiben nicht allein zu rech- te kommen; sondern es hätten auch beyde Könige eine gütliche Unterredung miteinander beliebet/ er wüste aber nicht/ was für ein Zufal diesen heil- samen Fürsatz in so ein jämmerlich Blut-Bad verwandelt. Es ist wahr/ hob der bißher gantz verstummete Ariobarzanes an. Dieses fried- lie- O o 2
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
maͤhlung mit meinem Sohne einzurichten ver-ſchnidten. Alleine es werden die unſterblichen Goͤtter auch nach meinem Tode alles diß weiß- licher einrichten/ als es meine Vernunft auf dem Blate ſeiner Gedancken entwerffen konte. Jch ſterbe gleichwohl vergnuͤgt/ nach dem die ſeltzamẽ Zufaͤlle dieſer Schlacht mir augenſcheinliche Kennzeichen des unver aͤnderlichen Verhaͤngniſ- ſes abgeben/ und ich mein Reich aus ſo groſſer Gefahr und Dienſtbarkeit errettet ſehe. Erato machte nach menſchlicher Gewohnheit dem Koͤ- nige auch bẽy verzweifeltem Zuſtand noch einige Lebens-Hoffnung/ ſetzte aber bey: Da es ie ja den Goͤttern gefiele ſeinẽ Heldengeiſt der Welt nicht laͤnger zu goͤnnen/ ſo ſtuͤrbe er doch Koͤniglich/ und auf dem Bette der Helden. Er ginge unter wie die Soñe/ welche noch der Erden wolthut/ und ſie erleuchtet/ wenn ſie ſchon ſelbſt verfinſtert wuͤrde. Er haͤtte ſeinen Lebens-Athẽ daran geſetzt/ wor- mit ſo viel tauſend ungluͤckſelige wieder Lufft ſchoͤpfen koͤnten. Sein Fall erhielte nicht nur gantze Geſchlechter/ ſondern 3. Koͤnigreiche auf den Beinẽ/ ja ſeine todte Leiche waͤre gleich ſam ein Ancker/ der Aſien fuͤr dem aͤuſerſten Schiffbru- che bewahrete. Unter dieſer Rede des Artaxias ward Ariobarzanes und viel andere fuͤrnehme Gefangenen fuͤr des Polemons Bette gebracht. Unter dieſen war ein anſehnlicher eißgrauer Mann/ welcher bald den Polemon/ bald den A- riobarzanes hoͤchſt-erbaͤrmlich anſahe/ und ſeine Wangen mit haͤuffigen Thraͤnen uͤberſchwem- mete. Polemon hatte ein hertzliches Mitleiden mit dieſem Greiſe/ und weil ſeine Geberdung ein groͤſſer Leid/ als ſeine Gefaͤngnuͤß verurſachen konte/ anzuzeigen ſchien/ fragte er umb die Urſa- che; redete ihm auch zugleich ein: Ein Held muͤ- ſte in beydem Gluͤcke einerley Geſichte behalten; in der Gedult beſtuͤnde die halbe Weltweißheit/ zudem waͤre er ein Gefangener der Menſchen/ keiner Tieger-Thiere. Pharaſmanes (alſo hieß dieſer Alte) ſeufzete/ und fing an: Seine Thraͤnen ruͤhrten von keiner Kleinmuth/ weil [Spaltenumbruch] ſein Hertze das Ungluͤck ſein Lebtage wol haͤtte verdaͤuen lernen/ ſondern vom Mitleiden uͤber einen ſo ungluͤckſeligen Vater/ und einen Erbar- mens-wuͤrdigen Sohne her. Polemon frag- te: Wen er denn meynte? Pharaſmanes ant- wortete: Den auf dem Todten-Bette vergehen- den Polemon/ welchem die unbarmhertzigen Goͤtter nur deshalben am Ariobarzanes ei- nen ſo tapfern Sohn gegeben haͤtten/ wormit er durch ſeine eigene Fauſt ſterben koͤnne. Der ohnediß von ſo viel verſpritztem Blute entkraͤff- tete Polemon erſchrack hieruͤber ſo ſehr/ daß er in Ohnmacht ſanck/ und man durch langes Kuͤhlen ihn kaum ein wenig wieder zurechte bringen konte. Hierauf redete er den Pharaſmanes zitternde an: Er ſolte einem Sterbenden doch nicht die Warheit verſchweigen/ ſondern aufrich- tig melden: Ob Ariobarzanes ſein Sohn waͤre/ und wie er diß ſeyn koͤnte? Jch rede die unver- faͤlſchte Wahrheit/ verſetzte er; aber ich ſehe/ daß es ein unveraͤnderlicher Schluß der Goͤtter ge- weſen/ daß Ariobarzanes ſeinen Vater toͤdten muͤſte. So bald ich zu Cyropolis/ wo ich Koͤ- niglicher Stadthalter geweſt/ den zwiſchen dem Polemon und Ariobarzanes ſich anſpinnenden Krieg vernommen/ iſt mir mein Hertze kalt wor- den/ und Ariobarzanes wird zu ſagen wiſſen/ was fuͤr einen beweglichen Brief ich/ weil ich Alters halber ſo ſchnelle nicht reiſen konte/ ihm geſchrieben/ und ihn umb ſein und ſeines Stam- mes Wolfahrt willen gebeten: er wolle es zu kei- ner Thaͤtligkeit zum minſten ſo lange nicht kom- men laſſen/ biß ich ſelbſt ins Lager kaͤme/ weil ich ihm ein keiner Feder vertrauliches Geheimnuͤß zu entdeckẽ haͤtte. So viel er ietzt nun ihm erzeh- len lieſſe/ waͤre das Schreibẽ nicht allein zu rech- te kom̃en; ſondern es haͤtten auch beyde Koͤnige eine guͤtliche Unterredung miteinander beliebet/ er wuͤſte aber nicht/ was fuͤr ein Zufal dieſen heil- ſamen Fuͤrſatz in ſo ein jaͤmmerlich Blut-Bad verwandelt. Es iſt wahr/ hob der bißher gantz verſtummete Ariobarzanes an. Dieſes fried- lie- O o 2
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Arminius und Thußnelda.
maͤhlung mit meinem Sohne einzurichten ver-
ſchnidten. Alleine es werden die unſterblichen
Goͤtter auch nach meinem Tode alles diß weiß-
licher einrichten/ als es meine Vernunft auf dem
Blate ſeiner Gedancken entwerffen konte. Jch
ſterbe gleichwohl vergnuͤgt/ nach dem die ſeltzamẽ
Zufaͤlle dieſer Schlacht mir augenſcheinliche
Kennzeichen des unver aͤnderlichen Verhaͤngniſ-
ſes abgeben/ und ich mein Reich aus ſo groſſer
Gefahr und Dienſtbarkeit errettet ſehe. Erato
machte nach menſchlicher Gewohnheit dem Koͤ-
nige auch bẽy verzweifeltem Zuſtand noch einige
Lebens-Hoffnung/ ſetzte aber bey: Da es ie ja den
Goͤttern gefiele ſeinẽ Heldengeiſt der Welt nicht
laͤnger zu goͤnnen/ ſo ſtuͤrbe er doch Koͤniglich/ und
auf dem Bette der Helden. Er ginge unter wie
die Soñe/ welche noch der Erden wolthut/ und ſie
erleuchtet/ wenn ſie ſchon ſelbſt verfinſtert wuͤrde.
Er haͤtte ſeinen Lebens-Athẽ daran geſetzt/ wor-
mit ſo viel tauſend ungluͤckſelige wieder Lufft
ſchoͤpfen koͤnten. Sein Fall erhielte nicht nur
gantze Geſchlechter/ ſondern 3. Koͤnigreiche auf
den Beinẽ/ ja ſeine todte Leiche waͤre gleich ſam ein
Ancker/ der Aſien fuͤr dem aͤuſerſten Schiffbru-
che bewahrete. Unter dieſer Rede des Artaxias
ward Ariobarzanes und viel andere fuͤrnehme
Gefangenen fuͤr des Polemons Bette gebracht.
Unter dieſen war ein anſehnlicher eißgrauer
Mann/ welcher bald den Polemon/ bald den A-
riobarzanes hoͤchſt-erbaͤrmlich anſahe/ und ſeine
Wangen mit haͤuffigen Thraͤnen uͤberſchwem-
mete. Polemon hatte ein hertzliches Mitleiden
mit dieſem Greiſe/ und weil ſeine Geberdung ein
groͤſſer Leid/ als ſeine Gefaͤngnuͤß verurſachen
konte/ anzuzeigen ſchien/ fragte er umb die Urſa-
che; redete ihm auch zugleich ein: Ein Held muͤ-
ſte in beydem Gluͤcke einerley Geſichte behalten;
in der Gedult beſtuͤnde die halbe Weltweißheit/
zudem waͤre er ein Gefangener der Menſchen/
keiner Tieger-Thiere. Pharaſmanes (alſo
hieß dieſer Alte) ſeufzete/ und fing an: Seine
Thraͤnen ruͤhrten von keiner Kleinmuth/ weil
ſein Hertze das Ungluͤck ſein Lebtage wol haͤtte
verdaͤuen lernen/ ſondern vom Mitleiden uͤber
einen ſo ungluͤckſeligen Vater/ und einen Erbar-
mens-wuͤrdigen Sohne her. Polemon frag-
te: Wen er denn meynte? Pharaſmanes ant-
wortete: Den auf dem Todten-Bette vergehen-
den Polemon/ welchem die unbarmhertzigen
Goͤtter nur deshalben am Ariobarzanes ei-
nen ſo tapfern Sohn gegeben haͤtten/ wormit er
durch ſeine eigene Fauſt ſterben koͤnne. Der
ohnediß von ſo viel verſpritztem Blute entkraͤff-
tete Polemon erſchrack hieruͤber ſo ſehr/ daß er in
Ohnmacht ſanck/ und man durch langes Kuͤhlen
ihn kaum ein wenig wieder zurechte bringen
konte. Hierauf redete er den Pharaſmanes
zitternde an: Er ſolte einem Sterbenden doch
nicht die Warheit verſchweigen/ ſondern aufrich-
tig melden: Ob Ariobarzanes ſein Sohn waͤre/
und wie er diß ſeyn koͤnte? Jch rede die unver-
faͤlſchte Wahrheit/ verſetzte er; aber ich ſehe/ daß
es ein unveraͤnderlicher Schluß der Goͤtter ge-
weſen/ daß Ariobarzanes ſeinen Vater toͤdten
muͤſte. So bald ich zu Cyropolis/ wo ich Koͤ-
niglicher Stadthalter geweſt/ den zwiſchen dem
Polemon und Ariobarzanes ſich anſpinnenden
Krieg vernommen/ iſt mir mein Hertze kalt wor-
den/ und Ariobarzanes wird zu ſagen wiſſen/
was fuͤr einen beweglichen Brief ich/ weil ich
Alters halber ſo ſchnelle nicht reiſen konte/ ihm
geſchrieben/ und ihn umb ſein und ſeines Stam-
mes Wolfahrt willen gebeten: er wolle es zu kei-
ner Thaͤtligkeit zum minſten ſo lange nicht kom-
men laſſen/ biß ich ſelbſt ins Lager kaͤme/ weil ich
ihm ein keiner Feder vertrauliches Geheimnuͤß
zu entdeckẽ haͤtte. So viel er ietzt nun ihm erzeh-
len lieſſe/ waͤre das Schreibẽ nicht allein zu rech-
te kom̃en; ſondern es haͤtten auch beyde Koͤnige
eine guͤtliche Unterredung miteinander beliebet/
er wuͤſte aber nicht/ was fuͤr ein Zufal dieſen heil-
ſamen Fuͤrſatz in ſo ein jaͤmmerlich Blut-Bad
verwandelt. Es iſt wahr/ hob der bißher gantz
verſtummete Ariobarzanes an. Dieſes fried-
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