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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Drittes Buch
[Spaltenumbruch] beleidigte Ariobarzanes mit dem lincken Flügel
gantz verzweifelt gegen den König Polemon/
weil er nunmehr bey sich ereignendem neuen
Feinde ohne Fällung des Pontischen Hauptes
an seinem bereit in Händen gehabten Siege
selbst zu zweifeln anfing. Diesemnach setzte er
mit dem Kerne seiner aus Medischen und Ga-
latischen Rittern erkieseter Leibwache in den
Hauffen/ wo die Königliche Pontische Haupt-
Fahne wehete. Weil nun Polemon zum wei-
chen viel zu edel war/ kamen beyde Könige selbst-
händig an einander/ und Ariobarzanes traf mit
einem Wurff-Spiesse den Pontischen König so
sehr/ daß er ohnmächtig zu Boden fiel. Sein
Volck ward hierüber so bestürtzt/ daß es gleicher
gestalt die Flucht ergriffen/ und seinem Feinde
den völligen Sieg eingeräumet hätte/ wenn
nicht Erato/ oder ietzt wieder der junge Artaxias/
nach dem Bardanes und Artafernes dem Cos-
rhoes genungsam schien gewachsen zu seyn/ sei-
nen Flügel genommen/ und dem Polemon zu
Hülffe kommen wäre. Dieser machte den
Pontischen Völckern nicht alleine Lufft ihren
König aus den feindlichen Händen und unter
den Pferden herfür zu ziehen/ sondern auch ein
Hertze die Wunden ihres Fürsten/ und den
Schimpf ihres Verlusts zu rächen. Ariobar-
zanes aber kriegte als ein großmüthiger Löw
durch Erblickung seines zweyten Feindes ein
zweyfaches Hertze/ und bemühte sich nach Fäl-
lung des Pontischen Königs auch den neuen
Heerführer zu stürtzen. Erato hob bey der ietzt
gleich wieder aufgehenden Sonnen mit allem
Fleiß den Helm empor/ umb sich dem Ariobar-
zanes zu erkennen zu geben; rief hiermit: Sihe
hier deinen Neben-Buhler/ der wie er dir Arsi-
noen aus den Klauen gerissen hat/ also nun auch
deinen übermüthigen Geist ihrer betrübten See-
le zu gerechter Rache aufopfern wird. Ariobar-
zanes/ der die Fürstin Erato also gleich erkennete/
gerieth hierüber in höchste Verwirrung/ und die
ihn in der Seele beissende Anredung machte ihn
[Spaltenumbruch] fast rasend. Beyde griffen einander wie wü-
tende Panther an/ das abflüssende Blut aus ih-
ren Wunden verminderte keinesweges ihre
Kräfften/ noch die Bemühung ihren Athem/
sondern beydes vergrösserte ihre Verbitterung.
Endlich gelang der Erato ein Streich ihres
Schwerdtes zwischen den Harnisch in Ariobar-
zanens Arm/ und schwächte ihn derogestalt/ daß
ihm der Degen entsanck. Erato schrie hierauf:
Wisse nun/ daß die Götter denen so lohnen/ die
sich in frembde Königreiche dringen/ und daß ich
in allewege der von dir und dem Tigranes ver-
folgte Artaxias sey. Ariobarzanes wolte sich
nach so hefftiger Verwundung zwar zurücke zie-
hen; aber/ weil die Meden an allen Enden zer-
trennet waren/ ward er von seinem Feinde um-
ringet/ und/ nachdem Erato ihn zu tödten ver-
bot/ ihr Gefangener. Die noch wohlberittenen
Meden und auf seiner Seite stehende Armenier
räumten das Feld; alle andere aber wurden
entweder erlegt oder gefangen. Erato muste
selbst der Blutstürtzung steuren/ welche allent-
halben herumb ritt/ mit Stimme und Geber-
den wehrte/ daß die Uberwundenen nicht alle
durch die Schärffe der Sebeln aufgerieben wur-
den. Nach derogestalt erlangtem Siege war
der Erato erste Sorge den Zustand des Königs
Polemon zu erkundigen. Deßhalben verfüg-
te sie sich unter sein Gezelt/ traf ihn daselbst zwar
lebend an/ die Wund-Aertzte aber gaben ihm
gantz verlohren. Erato bezeugte ihr hertzliches
Mitleiden über des Königs Verwundung/
wüntschte iedoch ihm Glücke zu einem so herrli-
chen Siege/ befahl auch/ umb ihm noch für dem
Tode eine kurtze Freude zu machen/ die Gefan-
genen ins Zelt zu führen. Jch erfahre nun
erst/ antwortete ihr Polemon/ mit gebrochener
Stimme/ daß ich an ihr den Schutz-Gott der
Pontischen Herrschafft bewirthet habe. Wol-
te Gott! daß das Verhängnüß nicht allhier mit
meinem Leben auch meine danckbare Erkäntniß
dieses Beystandes/ und die Gewalt ihre Ver-

mäh-

Drittes Buch
[Spaltenumbruch] beleidigte Ariobarzanes mit dem lincken Fluͤgel
gantz verzweifelt gegen den Koͤnig Polemon/
weil er nunmehr bey ſich ereignendem neuen
Feinde ohne Faͤllung des Pontiſchen Hauptes
an ſeinem bereit in Haͤnden gehabten Siege
ſelbſt zu zweifeln anfing. Dieſemnach ſetzte er
mit dem Kerne ſeiner aus Mediſchen und Ga-
latiſchen Rittern erkieſeter Leibwache in den
Hauffen/ wo die Koͤnigliche Pontiſche Haupt-
Fahne wehete. Weil nun Polemon zum wei-
chen viel zu edel war/ kamen beyde Koͤnige ſelbſt-
haͤndig an einander/ und Ariobarzanes traf mit
einem Wurff-Spieſſe den Pontiſchen Koͤnig ſo
ſehr/ daß er ohnmaͤchtig zu Boden fiel. Sein
Volck ward hieruͤber ſo beſtuͤrtzt/ daß es gleicher
geſtalt die Flucht ergriffen/ und ſeinem Feinde
den voͤlligen Sieg eingeraͤumet haͤtte/ wenn
nicht Erato/ oder ietzt wieder der junge Artaxias/
nach dem Bardanes und Artafernes dem Coſ-
rhoes genungſam ſchien gewachſen zu ſeyn/ ſei-
nen Fluͤgel genommen/ und dem Polemon zu
Huͤlffe kommen waͤre. Dieſer machte den
Pontiſchen Voͤlckern nicht alleine Lufft ihren
Koͤnig aus den feindlichen Haͤnden und unter
den Pferden herfuͤr zu ziehen/ ſondern auch ein
Hertze die Wunden ihres Fuͤrſten/ und den
Schimpf ihres Verluſts zu raͤchen. Ariobar-
zanes aber kriegte als ein großmuͤthiger Loͤw
durch Erblickung ſeines zweyten Feindes ein
zweyfaches Hertze/ und bemuͤhte ſich nach Faͤl-
lung des Pontiſchen Koͤnigs auch den neuen
Heerfuͤhrer zu ſtuͤrtzen. Erato hob bey der ietzt
gleich wieder aufgehenden Sonnen mit allem
Fleiß den Helm empor/ umb ſich dem Ariobar-
zanes zu erkennen zu geben; rief hiermit: Sihe
hier deinen Neben-Buhler/ der wie er dir Arſi-
noen aus den Klauen geriſſen hat/ alſo nun auch
deinen uͤbermuͤthigen Geiſt ihrer betruͤbten See-
le zu gerechter Rache aufopfern wird. Ariobar-
zanes/ der die Fuͤrſtin Erato alſo gleich erkennete/
gerieth hieruͤber in hoͤchſte Verwirrung/ und die
ihn in der Seele beiſſende Anredung machte ihn
[Spaltenumbruch] faſt raſend. Beyde griffen einander wie wuͤ-
tende Panther an/ das abfluͤſſende Blut aus ih-
ren Wunden verminderte keinesweges ihre
Kraͤfften/ noch die Bemuͤhung ihren Athem/
ſondern beydes vergroͤſſerte ihre Verbitterung.
Endlich gelang der Erato ein Streich ihres
Schwerdtes zwiſchen den Harniſch in Ariobar-
zanens Arm/ und ſchwaͤchte ihn derogeſtalt/ daß
ihm der Degen entſanck. Erato ſchrie hierauf:
Wiſſe nun/ daß die Goͤtter denen ſo lohnen/ die
ſich in frembde Koͤnigreiche dringen/ und daß ich
in allewege der von dir und dem Tigranes ver-
folgte Artaxias ſey. Ariobarzanes wolte ſich
nach ſo hefftiger Verwundung zwar zuruͤcke zie-
hen; aber/ weil die Meden an allen Enden zer-
trennet waren/ ward er von ſeinem Feinde um-
ringet/ und/ nachdem Erato ihn zu toͤdten ver-
bot/ ihr Gefangener. Die noch wohlberittenen
Meden und auf ſeiner Seite ſtehende Armenier
raͤumten das Feld; alle andere aber wurden
entweder erlegt oder gefangen. Erato muſte
ſelbſt der Blutſtuͤrtzung ſteuren/ welche allent-
halben herumb ritt/ mit Stimme und Geber-
den wehrte/ daß die Uberwundenen nicht alle
durch die Schaͤrffe der Sebeln aufgerieben wur-
den. Nach derogeſtalt erlangtem Siege war
der Erato erſte Sorge den Zuſtand des Koͤnigs
Polemon zu erkundigen. Deßhalben verfuͤg-
te ſie ſich unter ſein Gezelt/ traf ihn daſelbſt zwar
lebend an/ die Wund-Aertzte aber gaben ihm
gantz verlohren. Erato bezeugte ihr hertzliches
Mitleiden uͤber des Koͤnigs Verwundung/
wuͤntſchte iedoch ihm Gluͤcke zu einem ſo herrli-
chen Siege/ befahl auch/ umb ihm noch fuͤr dem
Tode eine kurtze Freude zu machen/ die Gefan-
genen ins Zelt zu fuͤhren. Jch erfahre nun
erſt/ antwortete ihr Polemon/ mit gebrochener
Stimme/ daß ich an ihr den Schutz-Gott der
Pontiſchen Herrſchafft bewirthet habe. Wol-
te Gott! daß das Verhaͤngnuͤß nicht allhier mit
meinem Leben auch meine danckbare Erkaͤntniß
dieſes Beyſtandes/ und die Gewalt ihre Ver-

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[290/0342] Drittes Buch beleidigte Ariobarzanes mit dem lincken Fluͤgel gantz verzweifelt gegen den Koͤnig Polemon/ weil er nunmehr bey ſich ereignendem neuen Feinde ohne Faͤllung des Pontiſchen Hauptes an ſeinem bereit in Haͤnden gehabten Siege ſelbſt zu zweifeln anfing. Dieſemnach ſetzte er mit dem Kerne ſeiner aus Mediſchen und Ga- latiſchen Rittern erkieſeter Leibwache in den Hauffen/ wo die Koͤnigliche Pontiſche Haupt- Fahne wehete. Weil nun Polemon zum wei- chen viel zu edel war/ kamen beyde Koͤnige ſelbſt- haͤndig an einander/ und Ariobarzanes traf mit einem Wurff-Spieſſe den Pontiſchen Koͤnig ſo ſehr/ daß er ohnmaͤchtig zu Boden fiel. Sein Volck ward hieruͤber ſo beſtuͤrtzt/ daß es gleicher geſtalt die Flucht ergriffen/ und ſeinem Feinde den voͤlligen Sieg eingeraͤumet haͤtte/ wenn nicht Erato/ oder ietzt wieder der junge Artaxias/ nach dem Bardanes und Artafernes dem Coſ- rhoes genungſam ſchien gewachſen zu ſeyn/ ſei- nen Fluͤgel genommen/ und dem Polemon zu Huͤlffe kommen waͤre. Dieſer machte den Pontiſchen Voͤlckern nicht alleine Lufft ihren Koͤnig aus den feindlichen Haͤnden und unter den Pferden herfuͤr zu ziehen/ ſondern auch ein Hertze die Wunden ihres Fuͤrſten/ und den Schimpf ihres Verluſts zu raͤchen. Ariobar- zanes aber kriegte als ein großmuͤthiger Loͤw durch Erblickung ſeines zweyten Feindes ein zweyfaches Hertze/ und bemuͤhte ſich nach Faͤl- lung des Pontiſchen Koͤnigs auch den neuen Heerfuͤhrer zu ſtuͤrtzen. Erato hob bey der ietzt gleich wieder aufgehenden Sonnen mit allem Fleiß den Helm empor/ umb ſich dem Ariobar- zanes zu erkennen zu geben; rief hiermit: Sihe hier deinen Neben-Buhler/ der wie er dir Arſi- noen aus den Klauen geriſſen hat/ alſo nun auch deinen uͤbermuͤthigen Geiſt ihrer betruͤbten See- le zu gerechter Rache aufopfern wird. Ariobar- zanes/ der die Fuͤrſtin Erato alſo gleich erkennete/ gerieth hieruͤber in hoͤchſte Verwirrung/ und die ihn in der Seele beiſſende Anredung machte ihn faſt raſend. Beyde griffen einander wie wuͤ- tende Panther an/ das abfluͤſſende Blut aus ih- ren Wunden verminderte keinesweges ihre Kraͤfften/ noch die Bemuͤhung ihren Athem/ ſondern beydes vergroͤſſerte ihre Verbitterung. Endlich gelang der Erato ein Streich ihres Schwerdtes zwiſchen den Harniſch in Ariobar- zanens Arm/ und ſchwaͤchte ihn derogeſtalt/ daß ihm der Degen entſanck. Erato ſchrie hierauf: Wiſſe nun/ daß die Goͤtter denen ſo lohnen/ die ſich in frembde Koͤnigreiche dringen/ und daß ich in allewege der von dir und dem Tigranes ver- folgte Artaxias ſey. Ariobarzanes wolte ſich nach ſo hefftiger Verwundung zwar zuruͤcke zie- hen; aber/ weil die Meden an allen Enden zer- trennet waren/ ward er von ſeinem Feinde um- ringet/ und/ nachdem Erato ihn zu toͤdten ver- bot/ ihr Gefangener. Die noch wohlberittenen Meden und auf ſeiner Seite ſtehende Armenier raͤumten das Feld; alle andere aber wurden entweder erlegt oder gefangen. Erato muſte ſelbſt der Blutſtuͤrtzung ſteuren/ welche allent- halben herumb ritt/ mit Stimme und Geber- den wehrte/ daß die Uberwundenen nicht alle durch die Schaͤrffe der Sebeln aufgerieben wur- den. Nach derogeſtalt erlangtem Siege war der Erato erſte Sorge den Zuſtand des Koͤnigs Polemon zu erkundigen. Deßhalben verfuͤg- te ſie ſich unter ſein Gezelt/ traf ihn daſelbſt zwar lebend an/ die Wund-Aertzte aber gaben ihm gantz verlohren. Erato bezeugte ihr hertzliches Mitleiden uͤber des Koͤnigs Verwundung/ wuͤntſchte iedoch ihm Gluͤcke zu einem ſo herrli- chen Siege/ befahl auch/ umb ihm noch fuͤr dem Tode eine kurtze Freude zu machen/ die Gefan- genen ins Zelt zu fuͤhren. Jch erfahre nun erſt/ antwortete ihr Polemon/ mit gebrochener Stimme/ daß ich an ihr den Schutz-Gott der Pontiſchen Herrſchafft bewirthet habe. Wol- te Gott! daß das Verhaͤngnuͤß nicht allhier mit meinem Leben auch meine danckbare Erkaͤntniß dieſes Beyſtandes/ und die Gewalt ihre Ver- maͤh-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/342>, abgerufen am 22.11.2024.