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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelden.
[Spaltenumbruch] Polemon diese ungewöhnliche Uberfallung
rechtfertigte/ oder auch vielleicht was erfischete/
wiese er der Erato Arsinoens Schreiben/ von
dem sie aber ohne diß schon Wissenschafft hat-
te/ beschwerte sich über seiner Tochter zu sei-
nem Schimpff und ihrem Unheil gereichen-
de Widersetzligkeit/ und beschwor sie endlich/
daß/ da sie so tieff in Arsinoens Hertze gesehen/
sie ihm die Ursache nicht verschweigen solte. E-
rato begegnete dem Könige mit tieffster De-
muth/ schützte für: Sie hätte sich ohne Vorwitz
nicht unterstehen wollen/ Arsinoen etwas aus-
zulocken; doch sehe sie/ daß/ wenn nur Ariobar-
zanes Nahme genennet würde/ sie sich entsetzte/
und über der Heyrath auffs eusserste grämte/
welches ihren Kräfften in die Länge auszustehen
unmöglich fallen dörffte. Der König führte
sie hierauf mit sich in Arsinoens Zimmer/ welche
mit verfallenen Wangen/ thränenden Augen/
und tieffäugichtem Gesichte betroffen ward.
Nichts destoweniger zohe er ihren Brieff herfür/
und befahl ihr: Sie solte rund heraus bekennen/
was ihr Ariobarzanens Eh unmöglich machte/
und das in ihrem Schreiben angedeutete Feu-
er/ welches in Sinope angezündet werden sol-
te/ auslegen. Arsinoe fiel ihm abermahls mit
erbärmlichen Geberden zu Füssen/ sagte/ sie
wäre zwar Meisterin ihres Willens/ aber kei-
ne Gebieterin über die Natur und das Ver-
hängniß/ welche sie vom Ariobarzanes gleich-
sam mit den Haaren wegzügen. Mit dem
Feuer hätte sie auff ihre Begräbniß-Fackeln
gezielet/ weil diese Heyrath doch ihr Tod seyn/
dieser aber Ariobarzanens Begierden aller-
dings ausleschen würde. Jhr Wunsch und
Verlangen wäre diesem nach zu sterben/ sie
wolte von Hertzen den Tod als ein Geschen-
cke der Götter/ und ein Gifft-Glaß mit Freu-
den für eine Königliche Mitgifft aus den Vä-
terlichen Händen annehmen. Wolte er sie a-
ber der Göttin Vesta zu ewiger Jungfrau-
schafft wiedmen/ wolte sie mit dem ewigen Feu-
[Spaltenumbruch] er auch eine ewige Danckbarkeit in ihre See-
le bewahren. Diese Erklärung thät sie so
wehmüthig/ daß/ wie harte gleich Polemon war/
ihm die Augen übergingen/ und er mit etwas
sanfftmüthiger Bezeugung sie fragte: was denn
die Ursache ihrer wider einen so vollkommenen
König geschöpffter Todtfeindschafft wäre? Ar-
sinoe antwortete: Sie hegte derogleichen in ih-
rem Hertzen nicht/ sondern sie hätte vielmehr ein
grosses Vergnügen an seinen Tugenden; aber
unmöglich wäre es ihr einmahl ihn zu lieben.
Polemon fing an zu ruffen: Jhr Götter!
Was ist denn unter einem solchen vergnügen-
den Wohlgefallen und der Liebe für ein Unter-
scheid? Arsinoe antwortete: Jch weiß wohl/
allerliebster Herr Vater/ daß die Liebe allezeit
die Gewogenheit zur Mutter/ diese aber jene
nicht allezeit zur Tochter habe/ und mein an
dem Ariobarzanes habendes Belieben doch
nimmermehr die Liebe in meinem Hertzen ge-
behren werde. Polemon fragte: Was denn
ihrer Liebe im Wege stünde? Worauff Arsi-
noe anfing: Jhr von dem Verhängniß gelei-
teter Wille. Denn das Wohlgefallen be-
mächtigte sich eines Menschen mit Gewalt
und wieder seine Zuneigung. Man müsse
die Tugend und Schönheit auch in seinem
Feinde werth halten/ und die Gramschafft
müste mehrmals die Gaben der Natur und des
Gemüths mit denen schönsten Farben in die
Taffel seines Hertzens mahlen/ ja die Stiffter
des ärgsten Unrechts innerlich der Gerechtig-
keit beyfallen. Diese Gewogenheit zündete
sich in einem Augenblicke wie ein Blitz an/
sonder einige vorhergehende Berathschlagung;
insonderheit erstreckte sie sich auff alle Reich-
thümer der Natur/ auff Blumen und leblo-
se Edelgesteine/ die gleich keiner Gegen-Liebe
fähig sind. Die Liebe aber/ wie sie ein sich lang-
sam entzündendes Feuer/ und allererst der
Schönheit Enckelin wäre; die Berathschla-
gung zur Amme/ und den Willen zum Leiter

hätte/
N n 2

Arminius und Thußnelden.
[Spaltenumbruch] Polemon dieſe ungewoͤhnliche Uberfallung
rechtfertigte/ oder auch vielleicht was erfiſchete/
wieſe er der Erato Arſinoens Schreiben/ von
dem ſie aber ohne diß ſchon Wiſſenſchafft hat-
te/ beſchwerte ſich uͤber ſeiner Tochter zu ſei-
nem Schimpff und ihrem Unheil gereichen-
de Widerſetzligkeit/ und beſchwor ſie endlich/
daß/ da ſie ſo tieff in Arſinoens Hertze geſehen/
ſie ihm die Urſache nicht verſchweigen ſolte. E-
rato begegnete dem Koͤnige mit tieffſter De-
muth/ ſchuͤtzte fuͤr: Sie haͤtte ſich ohne Vorwitz
nicht unterſtehen wollen/ Arſinoen etwas aus-
zulocken; doch ſehe ſie/ daß/ wenn nur Ariobar-
zanes Nahme genennet wuͤrde/ ſie ſich entſetzte/
und uͤber der Heyrath auffs euſſerſte graͤmte/
welches ihren Kraͤfften in die Laͤnge auszuſtehen
unmoͤglich fallen doͤrffte. Der Koͤnig fuͤhrte
ſie hierauf mit ſich in Arſinoens Zimmer/ welche
mit verfallenen Wangen/ thraͤnenden Augen/
und tieffaͤugichtem Geſichte betroffen ward.
Nichts deſtoweniger zohe er ihren Brieff herfuͤr/
und befahl ihr: Sie ſolte rund heraus bekennen/
was ihr Ariobarzanens Eh unmoͤglich machte/
und das in ihrem Schreiben angedeutete Feu-
er/ welches in Sinope angezuͤndet werden ſol-
te/ auslegen. Arſinoe fiel ihm abermahls mit
erbaͤrmlichen Geberden zu Fuͤſſen/ ſagte/ ſie
waͤre zwar Meiſterin ihres Willens/ aber kei-
ne Gebieterin uͤber die Natur und das Ver-
haͤngniß/ welche ſie vom Ariobarzanes gleich-
ſam mit den Haaren wegzuͤgen. Mit dem
Feuer haͤtte ſie auff ihre Begraͤbniß-Fackeln
gezielet/ weil dieſe Heyrath doch ihr Tod ſeyn/
dieſer aber Ariobarzanens Begierden aller-
dings ausleſchen wuͤrde. Jhr Wunſch und
Verlangen waͤre dieſem nach zu ſterben/ ſie
wolte von Hertzen den Tod als ein Geſchen-
cke der Goͤtter/ und ein Gifft-Glaß mit Freu-
den fuͤr eine Koͤnigliche Mitgifft aus den Vaͤ-
terlichen Haͤnden annehmen. Wolte er ſie a-
ber der Goͤttin Veſta zu ewiger Jungfrau-
ſchafft wiedmen/ wolte ſie mit dem ewigen Feu-
[Spaltenumbruch] er auch eine ewige Danckbarkeit in ihre See-
le bewahren. Dieſe Erklaͤrung thaͤt ſie ſo
wehmuͤthig/ daß/ wie harte gleich Polemon war/
ihm die Augen uͤbergingen/ und er mit etwas
ſanfftmuͤthiger Bezeugung ſie fragte: was denn
die Urſache ihrer wider einen ſo vollkommenen
Koͤnig geſchoͤpffter Todtfeindſchafft waͤre? Ar-
ſinoe antwortete: Sie hegte derogleichen in ih-
rem Hertzen nicht/ ſondern ſie haͤtte vielmehr ein
groſſes Vergnuͤgen an ſeinen Tugenden; aber
unmoͤglich waͤre es ihr einmahl ihn zu lieben.
Polemon fing an zu ruffen: Jhr Goͤtter!
Was iſt denn unter einem ſolchen vergnuͤgen-
den Wohlgefallen und der Liebe fuͤr ein Unter-
ſcheid? Arſinoe antwortete: Jch weiß wohl/
allerliebſter Herr Vater/ daß die Liebe allezeit
die Gewogenheit zur Mutter/ dieſe aber jene
nicht allezeit zur Tochter habe/ und mein an
dem Ariobarzanes habendes Belieben doch
nimmermehr die Liebe in meinem Hertzen ge-
behren werde. Polemon fragte: Was denn
ihrer Liebe im Wege ſtuͤnde? Worauff Arſi-
noe anfing: Jhr von dem Verhaͤngniß gelei-
teter Wille. Denn das Wohlgefallen be-
maͤchtigte ſich eines Menſchen mit Gewalt
und wieder ſeine Zuneigung. Man muͤſſe
die Tugend und Schoͤnheit auch in ſeinem
Feinde werth halten/ und die Gramſchafft
muͤſte mehrmals die Gaben der Natur und des
Gemuͤths mit denen ſchoͤnſten Farben in die
Taffel ſeines Hertzens mahlen/ ja die Stiffter
des aͤrgſten Unrechts innerlich der Gerechtig-
keit beyfallen. Dieſe Gewogenheit zuͤndete
ſich in einem Augenblicke wie ein Blitz an/
ſonder einige vorhergehende Berathſchlagung;
inſonderheit erſtreckte ſie ſich auff alle Reich-
thuͤmer der Natur/ auff Blumen und leblo-
ſe Edelgeſteine/ die gleich keiner Gegen-Liebe
faͤhig ſind. Die Liebe aber/ wie ſie ein ſich lang-
ſam entzuͤndendes Feuer/ und allererſt der
Schoͤnheit Enckelin waͤre; die Berathſchla-
gung zur Amme/ und den Willen zum Leiter

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[283/0335] Arminius und Thußnelden. Polemon dieſe ungewoͤhnliche Uberfallung rechtfertigte/ oder auch vielleicht was erfiſchete/ wieſe er der Erato Arſinoens Schreiben/ von dem ſie aber ohne diß ſchon Wiſſenſchafft hat- te/ beſchwerte ſich uͤber ſeiner Tochter zu ſei- nem Schimpff und ihrem Unheil gereichen- de Widerſetzligkeit/ und beſchwor ſie endlich/ daß/ da ſie ſo tieff in Arſinoens Hertze geſehen/ ſie ihm die Urſache nicht verſchweigen ſolte. E- rato begegnete dem Koͤnige mit tieffſter De- muth/ ſchuͤtzte fuͤr: Sie haͤtte ſich ohne Vorwitz nicht unterſtehen wollen/ Arſinoen etwas aus- zulocken; doch ſehe ſie/ daß/ wenn nur Ariobar- zanes Nahme genennet wuͤrde/ ſie ſich entſetzte/ und uͤber der Heyrath auffs euſſerſte graͤmte/ welches ihren Kraͤfften in die Laͤnge auszuſtehen unmoͤglich fallen doͤrffte. Der Koͤnig fuͤhrte ſie hierauf mit ſich in Arſinoens Zimmer/ welche mit verfallenen Wangen/ thraͤnenden Augen/ und tieffaͤugichtem Geſichte betroffen ward. Nichts deſtoweniger zohe er ihren Brieff herfuͤr/ und befahl ihr: Sie ſolte rund heraus bekennen/ was ihr Ariobarzanens Eh unmoͤglich machte/ und das in ihrem Schreiben angedeutete Feu- er/ welches in Sinope angezuͤndet werden ſol- te/ auslegen. Arſinoe fiel ihm abermahls mit erbaͤrmlichen Geberden zu Fuͤſſen/ ſagte/ ſie waͤre zwar Meiſterin ihres Willens/ aber kei- ne Gebieterin uͤber die Natur und das Ver- haͤngniß/ welche ſie vom Ariobarzanes gleich- ſam mit den Haaren wegzuͤgen. Mit dem Feuer haͤtte ſie auff ihre Begraͤbniß-Fackeln gezielet/ weil dieſe Heyrath doch ihr Tod ſeyn/ dieſer aber Ariobarzanens Begierden aller- dings ausleſchen wuͤrde. Jhr Wunſch und Verlangen waͤre dieſem nach zu ſterben/ ſie wolte von Hertzen den Tod als ein Geſchen- cke der Goͤtter/ und ein Gifft-Glaß mit Freu- den fuͤr eine Koͤnigliche Mitgifft aus den Vaͤ- terlichen Haͤnden annehmen. Wolte er ſie a- ber der Goͤttin Veſta zu ewiger Jungfrau- ſchafft wiedmen/ wolte ſie mit dem ewigen Feu- er auch eine ewige Danckbarkeit in ihre See- le bewahren. Dieſe Erklaͤrung thaͤt ſie ſo wehmuͤthig/ daß/ wie harte gleich Polemon war/ ihm die Augen uͤbergingen/ und er mit etwas ſanfftmuͤthiger Bezeugung ſie fragte: was denn die Urſache ihrer wider einen ſo vollkommenen Koͤnig geſchoͤpffter Todtfeindſchafft waͤre? Ar- ſinoe antwortete: Sie hegte derogleichen in ih- rem Hertzen nicht/ ſondern ſie haͤtte vielmehr ein groſſes Vergnuͤgen an ſeinen Tugenden; aber unmoͤglich waͤre es ihr einmahl ihn zu lieben. Polemon fing an zu ruffen: Jhr Goͤtter! Was iſt denn unter einem ſolchen vergnuͤgen- den Wohlgefallen und der Liebe fuͤr ein Unter- ſcheid? Arſinoe antwortete: Jch weiß wohl/ allerliebſter Herr Vater/ daß die Liebe allezeit die Gewogenheit zur Mutter/ dieſe aber jene nicht allezeit zur Tochter habe/ und mein an dem Ariobarzanes habendes Belieben doch nimmermehr die Liebe in meinem Hertzen ge- behren werde. Polemon fragte: Was denn ihrer Liebe im Wege ſtuͤnde? Worauff Arſi- noe anfing: Jhr von dem Verhaͤngniß gelei- teter Wille. Denn das Wohlgefallen be- maͤchtigte ſich eines Menſchen mit Gewalt und wieder ſeine Zuneigung. Man muͤſſe die Tugend und Schoͤnheit auch in ſeinem Feinde werth halten/ und die Gramſchafft muͤſte mehrmals die Gaben der Natur und des Gemuͤths mit denen ſchoͤnſten Farben in die Taffel ſeines Hertzens mahlen/ ja die Stiffter des aͤrgſten Unrechts innerlich der Gerechtig- keit beyfallen. Dieſe Gewogenheit zuͤndete ſich in einem Augenblicke wie ein Blitz an/ ſonder einige vorhergehende Berathſchlagung; inſonderheit erſtreckte ſie ſich auff alle Reich- thuͤmer der Natur/ auff Blumen und leblo- ſe Edelgeſteine/ die gleich keiner Gegen-Liebe faͤhig ſind. Die Liebe aber/ wie ſie ein ſich lang- ſam entzuͤndendes Feuer/ und allererſt der Schoͤnheit Enckelin waͤre; die Berathſchla- gung zur Amme/ und den Willen zum Leiter haͤtte/ N n 2

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/335>, abgerufen am 25.11.2024.