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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Drittes Buch
[Spaltenumbruch] hätte/ also wäre sie mit sich selbst nicht so ver-
schwenderisch/ sie vereinbarte sich nicht mit al-
lem/ was ihr ins Gesicht fiele/ sondern nur
mit dem/ was sie für ihres gleichen hielte/ und
was sie wieder lieben könte. Weßwegen auch
kein ander Thier als der Mensch wahrhafftig
lieben/ die Schönheit eines Sternes/ einer
Perle/ eines Pferdes werth geachtet/ nichts a-
ber/ als das Antlitz und der Geist eines Men-
schen/ eigentlich geliebt werden könte. Wenn
nun das Verhängnüß nicht unsern Willen/
wie der Magnet das Eisen iemanden zu lieben
züge/ wäre es uns selbst zu überwinden un-
möglich. Polemon ward hierüber verdrüß-
lich/ und befahl ihr/ sie solte ihr diese Träume
aus dem Sinne schlagen/ und von ihrer Eigen-
sinnigkeit/ welche ihr eitel Ungeheuer fürbilde-
te/ abstehen/ auch sich zu dem/ was ihr bestes/
und nun nicht mehr zu ändern wäre/ beqve-
men. Der Nahme des Todes wäre zwar
süsse/ sein Wesen aber die bitterste Aloe. Wer
in ewiger Einsamkeit leben könte/ müste ent-
weder ein halber Gott/ oder ein gantz unver-
nünfftiges Thier seyn. Mit diesen Worten
entbrach sich Polemon ihrer/ und versicherte
den Ariobarzanes/ daß die Vermählung auff
die bestimmte Zeit solte bewerckstelliget wer-
den. Es wäre nichts seltzames/ daß alberen
Mägdgen für dem Ehstande eckelte/ dessen
Süßigkeit sie hernach nicht genung zu schätzen
wüsten. Die langsame Liebe wäre wie das
am langsamsten wachsende Metall/ nehmlich
das Gold/ die bewehrteste; hingegen verschwin-
de die hefftigste am geschwindesten. Denn die
Fackel/ die allzusehr lodert/ könne nicht lange
tauren. Arsinoe blieb inzwischen in einer un-
ermeßlichen Betrübniß/ und verzweiffelten
Ungedult. Jch sehe/ fing sie an/ daß einem
Unglückseligen auff dem Meere das Wasser/
auff der Erden ein Grab/ in dem Leben der
Tod gebricht. Aber wie sehr er vor mir fleucht/
[Spaltenumbruch] wil ich ihn doch finden/ und hiermit griff sie
nach einem Messer/ welches ihr aber Erato
ausriß/ und ihre Verzweiffelung mit nachdrück-
licher Einredung straffte. Jst diß die Tugend/
sagte sie/ welche der einfallende Himmel auch
nicht von ihrem Sitze zu stürtzen mächtig seyn
solte? Jst diß die Liebe/ welche sich mit der E-
rato in ein Grab zu legen rühmete? Kan aus
Entdeckung ihres Geschlechts ihr was ärgers
als der Tod zuhängen/ wenn schon Polemon
die Vater-Liebe in grausamste Mord-Lust ver-
wandelt? Jst es nicht Thorheit sterben wollen/
um nicht zu sterben? Sie sage es dem Könige
unter Augen/ daß sie nicht Arsinoe/ sondern der
verworffene Zeno sey/ derdem Polemon das Licht
ausblasen soll! Sie lasse ihr und mir das Urthel
des Todes sprechen! Es ist besser von den Händen
eines unbarmhertzigen Vaters sterben/ als durch
Selbst-Mord dem Verhängniße an seinen
Richterstab greiffen. Ach nein! Holdseligste Era-
to/ sagte Arsinoe: Es ist nicht allein um meinen
Hals/ sondern auch um den guten Nahmen
meiner Mutter der Königin Dynamis/ und
um die unschätzbare Geniessung ihrer Liebe zu
thun. Erato versetzte: Es wäre weder nöthig
dem Tode ein so unzeitiges Opffer zu lieffern/
noch der Königin Ruhm zu versehren. Die
hertzliche Liebe einer barmhertzigen Mutter/
und die Erhaltung ihres verstossenen Sohnes/
könne mit dem Titel eines Lasters nicht ver-
unehret werden. Auch habe die Natur den
Auffenthalt der Tugend nicht in Sinope ein-
geschlossen. Die gantze Welt wäre der Tapf-
ferkeit Vaterland. Die Unschuld müste zu-
weilen dem Verhängniße/ zuweilen einer hitzi-
gen Ubereilung dessen/ gegen welchem uns die
Natur die Gegenwehr verbeut/ ausweichen.
Die Götter aber liessen die Tugend nirgends
aufftreiben/ sie hätten ihr denn schon vorher einen
beqvemen Sitz ausersehen. Sie selbst habe diese
himmlische Vorsorge zu preisen. Denn als ihre

Unter-

Drittes Buch
[Spaltenumbruch] haͤtte/ alſo waͤre ſie mit ſich ſelbſt nicht ſo ver-
ſchwenderiſch/ ſie vereinbarte ſich nicht mit al-
lem/ was ihr ins Geſicht fiele/ ſondern nur
mit dem/ was ſie fuͤr ihres gleichen hielte/ und
was ſie wieder lieben koͤnte. Weßwegen auch
kein ander Thier als der Menſch wahrhafftig
lieben/ die Schoͤnheit eines Sternes/ einer
Perle/ eines Pferdes werth geachtet/ nichts a-
ber/ als das Antlitz und der Geiſt eines Men-
ſchen/ eigentlich geliebt werden koͤnte. Wenn
nun das Verhaͤngnuͤß nicht unſern Willen/
wie der Magnet das Eiſen iemanden zu lieben
zuͤge/ waͤre es uns ſelbſt zu uͤberwinden un-
moͤglich. Polemon ward hieruͤber verdruͤß-
lich/ und befahl ihr/ ſie ſolte ihr dieſe Traͤume
aus dem Sinne ſchlagen/ und von ihrer Eigen-
ſinnigkeit/ welche ihr eitel Ungeheuer fuͤrbilde-
te/ abſtehen/ auch ſich zu dem/ was ihr beſtes/
und nun nicht mehr zu aͤndern waͤre/ beqve-
men. Der Nahme des Todes waͤre zwar
ſuͤſſe/ ſein Weſen aber die bitterſte Aloe. Wer
in ewiger Einſamkeit leben koͤnte/ muͤſte ent-
weder ein halber Gott/ oder ein gantz unver-
nuͤnfftiges Thier ſeyn. Mit dieſen Worten
entbrach ſich Polemon ihrer/ und verſicherte
den Ariobarzanes/ daß die Vermaͤhlung auff
die beſtimmte Zeit ſolte bewerckſtelliget wer-
den. Es waͤre nichts ſeltzames/ daß alberen
Maͤgdgen fuͤr dem Ehſtande eckelte/ deſſen
Suͤßigkeit ſie hernach nicht genung zu ſchaͤtzen
wuͤſten. Die langſame Liebe waͤre wie das
am langſamſten wachſende Metall/ nehmlich
das Gold/ die bewehrteſte; hingegen verſchwin-
de die hefftigſte am geſchwindeſten. Denn die
Fackel/ die allzuſehr lodert/ koͤnne nicht lange
tauren. Arſinoe blieb inzwiſchen in einer un-
ermeßlichen Betruͤbniß/ und verzweiffelten
Ungedult. Jch ſehe/ fing ſie an/ daß einem
Ungluͤckſeligen auff dem Meere das Waſſer/
auff der Erden ein Grab/ in dem Leben der
Tod gebricht. Aber wie ſehr er vor mir fleucht/
[Spaltenumbruch] wil ich ihn doch finden/ und hiermit griff ſie
nach einem Meſſer/ welches ihr aber Erato
ausriß/ und ihre Verzweiffelung mit nachdruͤck-
licher Einredung ſtraffte. Jſt diß die Tugend/
ſagte ſie/ welche der einfallende Himmel auch
nicht von ihrem Sitze zu ſtuͤrtzen maͤchtig ſeyn
ſolte? Jſt diß die Liebe/ welche ſich mit der E-
rato in ein Grab zu legen ruͤhmete? Kan aus
Entdeckung ihres Geſchlechts ihr was aͤrgers
als der Tod zuhaͤngen/ wenn ſchon Polemon
die Vater-Liebe in grauſamſte Mord-Luſt ver-
wandelt? Jſt es nicht Thorheit ſterben wollen/
um nicht zu ſterben? Sie ſage es dem Koͤnige
unter Augen/ daß ſie nicht Arſinoe/ ſondern der
verworffene Zeno ſey/ derdem Polemon das Licht
ausblaſen ſoll! Sie laſſe ihr und mir das Urthel
des Todes ſprechen! Es iſt beſſeꝛ von den Haͤnden
eines unbarmhertzigen Vaters ſterben/ als durch
Selbſt-Mord dem Verhaͤngniße an ſeinen
Richterſtab greiffen. Ach nein! Holdſeligſte Era-
to/ ſagte Arſinoe: Es iſt nicht allein um meinen
Hals/ ſondern auch um den guten Nahmen
meiner Mutter der Koͤnigin Dynamis/ und
um die unſchaͤtzbare Genieſſung ihrer Liebe zu
thun. Erato verſetzte: Es waͤre weder noͤthig
dem Tode ein ſo unzeitiges Opffer zu lieffern/
noch der Koͤnigin Ruhm zu verſehren. Die
hertzliche Liebe einer barmhertzigen Mutter/
und die Erhaltung ihres verſtoſſenen Sohnes/
koͤnne mit dem Titel eines Laſters nicht ver-
unehret werden. Auch habe die Natur den
Auffenthalt der Tugend nicht in Sinope ein-
geſchloſſen. Die gantze Welt waͤre der Tapf-
ferkeit Vaterland. Die Unſchuld muͤſte zu-
weilen dem Verhaͤngniße/ zuweilen einer hitzi-
gen Ubereilung deſſen/ gegen welchem uns die
Natur die Gegenwehr verbeut/ ausweichen.
Die Goͤtter aber lieſſen die Tugend nirgends
aufftreiben/ ſie haͤtten ihr deñ ſchon vorher einen
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himmliſche Vorſorge zu preiſen. Denn als ihre

Unter-
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[284/0336] Drittes Buch haͤtte/ alſo waͤre ſie mit ſich ſelbſt nicht ſo ver- ſchwenderiſch/ ſie vereinbarte ſich nicht mit al- lem/ was ihr ins Geſicht fiele/ ſondern nur mit dem/ was ſie fuͤr ihres gleichen hielte/ und was ſie wieder lieben koͤnte. Weßwegen auch kein ander Thier als der Menſch wahrhafftig lieben/ die Schoͤnheit eines Sternes/ einer Perle/ eines Pferdes werth geachtet/ nichts a- ber/ als das Antlitz und der Geiſt eines Men- ſchen/ eigentlich geliebt werden koͤnte. Wenn nun das Verhaͤngnuͤß nicht unſern Willen/ wie der Magnet das Eiſen iemanden zu lieben zuͤge/ waͤre es uns ſelbſt zu uͤberwinden un- moͤglich. Polemon ward hieruͤber verdruͤß- lich/ und befahl ihr/ ſie ſolte ihr dieſe Traͤume aus dem Sinne ſchlagen/ und von ihrer Eigen- ſinnigkeit/ welche ihr eitel Ungeheuer fuͤrbilde- te/ abſtehen/ auch ſich zu dem/ was ihr beſtes/ und nun nicht mehr zu aͤndern waͤre/ beqve- men. Der Nahme des Todes waͤre zwar ſuͤſſe/ ſein Weſen aber die bitterſte Aloe. Wer in ewiger Einſamkeit leben koͤnte/ muͤſte ent- weder ein halber Gott/ oder ein gantz unver- nuͤnfftiges Thier ſeyn. Mit dieſen Worten entbrach ſich Polemon ihrer/ und verſicherte den Ariobarzanes/ daß die Vermaͤhlung auff die beſtimmte Zeit ſolte bewerckſtelliget wer- den. Es waͤre nichts ſeltzames/ daß alberen Maͤgdgen fuͤr dem Ehſtande eckelte/ deſſen Suͤßigkeit ſie hernach nicht genung zu ſchaͤtzen wuͤſten. Die langſame Liebe waͤre wie das am langſamſten wachſende Metall/ nehmlich das Gold/ die bewehrteſte; hingegen verſchwin- de die hefftigſte am geſchwindeſten. Denn die Fackel/ die allzuſehr lodert/ koͤnne nicht lange tauren. Arſinoe blieb inzwiſchen in einer un- ermeßlichen Betruͤbniß/ und verzweiffelten Ungedult. Jch ſehe/ fing ſie an/ daß einem Ungluͤckſeligen auff dem Meere das Waſſer/ auff der Erden ein Grab/ in dem Leben der Tod gebricht. Aber wie ſehr er vor mir fleucht/ wil ich ihn doch finden/ und hiermit griff ſie nach einem Meſſer/ welches ihr aber Erato ausriß/ und ihre Verzweiffelung mit nachdruͤck- licher Einredung ſtraffte. Jſt diß die Tugend/ ſagte ſie/ welche der einfallende Himmel auch nicht von ihrem Sitze zu ſtuͤrtzen maͤchtig ſeyn ſolte? Jſt diß die Liebe/ welche ſich mit der E- rato in ein Grab zu legen ruͤhmete? Kan aus Entdeckung ihres Geſchlechts ihr was aͤrgers als der Tod zuhaͤngen/ wenn ſchon Polemon die Vater-Liebe in grauſamſte Mord-Luſt ver- wandelt? Jſt es nicht Thorheit ſterben wollen/ um nicht zu ſterben? Sie ſage es dem Koͤnige unter Augen/ daß ſie nicht Arſinoe/ ſondern der verworffene Zeno ſey/ derdem Polemon das Licht ausblaſen ſoll! Sie laſſe ihr und mir das Urthel des Todes ſprechen! Es iſt beſſeꝛ von den Haͤnden eines unbarmhertzigen Vaters ſterben/ als durch Selbſt-Mord dem Verhaͤngniße an ſeinen Richterſtab greiffen. Ach nein! Holdſeligſte Era- to/ ſagte Arſinoe: Es iſt nicht allein um meinen Hals/ ſondern auch um den guten Nahmen meiner Mutter der Koͤnigin Dynamis/ und um die unſchaͤtzbare Genieſſung ihrer Liebe zu thun. Erato verſetzte: Es waͤre weder noͤthig dem Tode ein ſo unzeitiges Opffer zu lieffern/ noch der Koͤnigin Ruhm zu verſehren. Die hertzliche Liebe einer barmhertzigen Mutter/ und die Erhaltung ihres verſtoſſenen Sohnes/ koͤnne mit dem Titel eines Laſters nicht ver- unehret werden. Auch habe die Natur den Auffenthalt der Tugend nicht in Sinope ein- geſchloſſen. Die gantze Welt waͤre der Tapf- ferkeit Vaterland. Die Unſchuld muͤſte zu- weilen dem Verhaͤngniße/ zuweilen einer hitzi- gen Ubereilung deſſen/ gegen welchem uns die Natur die Gegenwehr verbeut/ ausweichen. Die Goͤtter aber lieſſen die Tugend nirgends aufftreiben/ ſie haͤtten ihr deñ ſchon vorher einen beqvemen Sitz auserſehen. Sie ſelbſt habe dieſe himmliſche Vorſorge zu preiſen. Denn als ihre Unter-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/336>, abgerufen am 08.05.2024.