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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Drittes Buch
[Spaltenumbruch] Sinne schlagen/ daher reisete er selbst in den Epi-
rischen Eichwald bey der Stadt Dodona/ allwo
Jupiter in einem alten noch vom Deucalion ge-
baueten Tempel künftig Ding wahrsagte. Wie
er nun nach verrichteter gewöhnlichen Andacht
fragte: Was er für Glück oder Unglück von sei-
nen neugebohrnen Zwillingen zu hoffen hätte/
antworteten ihm die daselbst singenden Tauben:

Die Tochter wird alsbald die Mutter küssen/
Der Sohn das Blut des Vaters selbst vergiessen.

Als nun Polemon über dieser Weissagung be-
stürtzt war/ und die Götter umb Erklärung mit
vielen Seufzern anflehete/ hob sich das güldene
Bild des Jupiters/ welches oben auf dem Tem-
pel stand/ auf/ und schlug mit seiner eisernen
Ruthe an die vings herumb aufgehenckten ertz-
tene Tiegel/ welche eben vorige Reymen von sich
lauten liessen. Der König wolte mit dieser be-
trübten Zeitung nicht nach Hause kehren/ son-
dern schiffte aus Griechenland geraden Weges
in Africa/ und durch das fast unwegbare Sand-
Meer zu dem Ammonischen Jupiter bey den
Troglodyten; wohin dem grossen Alexander die
Raben/ dem Bachus ein Widder den Weg ge-
wiesen hat. Daselbst wusch sich Polemon aus
dem Sonnen-Brunnen/ welcher des Morgens
und Abends laues/ des Mittags eißkaltes/ umb
Mitternacht siedendheisses Wasser hat; opferte
hierauf sieben Widder/ verrichtete alles/ was zu
selbigem Gottes-Dienste gehörig ist/ und bat
ihm seiner Kinder Zufälle zu offenbaren. Die
Priester nahmen des Jupiters Bild/ welches
wie ein Seeweiser aus weissem Marmel/ oben
mit einem Widder-Kopfe gemacht/ auf der Sei-
te mit Smaragden und andern Edelgesteinen
gezieret war/ setzten solches auf einen güldenen
Nachen/ an welchem eine grosse Menge silber-
ner Schüsseln hingen/ und hinter dem eine grosse
Anzahl Frauen und Jungfrauen allerhand Lob-
Lieder sangen. Auf des Königs angebrachte
Frage verdrehete der Abgott die Augen/ schüttel-
[Spaltenumbruch] te den Kopf/ raschelte mit den umbhangenden
Hammel-Fellen/ und/ welches zu verwundern/
brauchte der Priester zu Auslegung dessen/ was
Jupiter andeutete/ eben die von dem Dodoni-
schen Jupiter ausgesprochene Worte. Wie-
wohl nun die Wahrheit der Hammonischen
Wahrsagungen durch die dem Egyptischen Kö-
nige Themeuthes/ dem Getulischen Jarbas/ dem
Hannibal und viel andern ertheilte Weissagun-
gen bewährt war; so ließ sich doch Polemon nicht
vergnügen/ sondern er berieth sich auch mit dem
Pythischen Apollo in Beotien/ dessen Heilig-
thum von einer Ziege erfunden worden. Wie
nun die Pythia nach zweyen ihm geopferten
weissen Pferden aus dem Brunne Cassiotis/
welcher die angezündeten Fackeln auslescht/ die
ausgeleschten anzündet/ getruncken/ und den
Wahrsager-Geist bekommen/ auch sich bey ein-
brechender Demmerung über die heilige Höle
auf den güldenen Dreyfuß gesetzt hatte/ kriegte
sie einen Jäscht für dem Mund/ und fing an eben
diese Wahrsagung/ welche fürzeiten dem The-
banischen Könige Lajus geschehen war/ auszu-
schäumen:

Wenn nicht die Götter wolln/ so zeuge doch kein Kind/
Nachdem dir selbst dein Sohn ein Sterbeus-Netze spinnt.

Mit diesen betrübten Offenbarungen kam Po-
lemon wieder zu Sinope an/ ich stelle zu ihrem
vernünftigen Nachdencken/ zu was für Hertzeleid
für mich/ sonderlich/ da sich der König entschloß
meinen einigen Sohn hinrichten zu lassen. Die
ehliche und Mutter-Liebe kämpfte in meinem
Hertzen gegen einander/ weil jene aus den Gött-
lichen Wahrsagungen selbst die Gefahr meines
Gemahls/ diese meines Kindes Untergang für
Augen sahe. Jch hielt ihm aber gleichwohl
ein; wie die albern Rathschläge der Menschen
die unvermeidlichen Schlüsse des Verhängnüs-
ses zu stören sich vergebens anmaßten/ als aus
dem Beyspiele Astyagens/ der seiner Tochter
Mandane gantz Asien überschattende Frucht

wollen

Drittes Buch
[Spaltenumbruch] Sinne ſchlagen/ daher reiſete er ſelbſt in den Epi-
riſchen Eichwald bey der Stadt Dodona/ allwo
Jupiter in einem alten noch vom Deucalion ge-
baueten Tempel kuͤnftig Ding wahrſagte. Wie
er nun nach verrichteter gewoͤhnlichen Andacht
fragte: Was er fuͤr Gluͤck oder Ungluͤck von ſei-
nen neugebohrnen Zwillingen zu hoffen haͤtte/
antworteten ihm die daſelbſt ſingenden Tauben:

Die Tochter wird alsbald die Mutter kuͤſſen/
Der Sohn das Blut des Vaters ſelbſt vergieſſen.

Als nun Polemon uͤber dieſer Weiſſagung be-
ſtuͤrtzt war/ und die Goͤtter umb Erklaͤrung mit
vielen Seufzern anflehete/ hob ſich das guͤldene
Bild des Jupiters/ welches oben auf dem Tem-
pel ſtand/ auf/ und ſchlug mit ſeiner eiſernen
Ruthe an die vings herumb aufgehenckten ertz-
tene Tiegel/ welche eben vorige Reymen von ſich
lauten lieſſen. Der Koͤnig wolte mit dieſer be-
truͤbten Zeitung nicht nach Hauſe kehren/ ſon-
dern ſchiffte aus Griechenland geraden Weges
in Africa/ und durch das faſt unwegbare Sand-
Meer zu dem Ammoniſchen Jupiter bey den
Troglodyten; wohin dem groſſen Alexander die
Raben/ dem Bachus ein Widder den Weg ge-
wieſen hat. Daſelbſt wuſch ſich Polemon aus
dem Sonnen-Brunnen/ welcher des Morgens
und Abends laues/ des Mittags eißkaltes/ umb
Mitternacht ſiedendheiſſes Waſſer hat; opferte
hierauf ſieben Widder/ verrichtete alles/ was zu
ſelbigem Gottes-Dienſte gehoͤrig iſt/ und bat
ihm ſeiner Kinder Zufaͤlle zu offenbaren. Die
Prieſter nahmen des Jupiters Bild/ welches
wie ein Seeweiſer aus weiſſem Marmel/ oben
mit einem Widder-Kopfe gemacht/ auf der Sei-
te mit Smaragden und andern Edelgeſteinen
gezieret war/ ſetzten ſolches auf einen guͤldenen
Nachen/ an welchem eine groſſe Menge ſilber-
ner Schuͤſſeln hingen/ und hinter dem eine groſſe
Anzahl Frauen und Jungfrauen allerhand Lob-
Lieder ſangen. Auf des Koͤnigs angebrachte
Frage verdrehete der Abgott die Augen/ ſchuͤttel-
[Spaltenumbruch] te den Kopf/ raſchelte mit den umbhangenden
Hammel-Fellen/ und/ welches zu verwundern/
brauchte der Prieſter zu Auslegung deſſen/ was
Jupiter andeutete/ eben die von dem Dodoni-
ſchen Jupiter ausgeſprochene Worte. Wie-
wohl nun die Wahrheit der Hammoniſchen
Wahrſagungen durch die dem Egyptiſchen Koͤ-
nige Themeuthes/ dem Getuliſchen Jarbas/ dem
Hannibal und viel andern ertheilte Weiſſagun-
gen bewaͤhrt war; ſo ließ ſich doch Polemon nicht
vergnuͤgen/ ſondern er berieth ſich auch mit dem
Pythiſchen Apollo in Beotien/ deſſen Heilig-
thum von einer Ziege erfunden worden. Wie
nun die Pythia nach zweyen ihm geopferten
weiſſen Pferden aus dem Brunne Caſſiotis/
welcher die angezuͤndeten Fackeln ausleſcht/ die
ausgeleſchten anzuͤndet/ getruncken/ und den
Wahrſager-Geiſt bekommen/ auch ſich bey ein-
brechender Demmerung uͤber die heilige Hoͤle
auf den guͤldenen Dreyfuß geſetzt hatte/ kriegte
ſie einen Jaͤſcht fuͤr dem Mund/ und fing an eben
dieſe Wahrſagung/ welche fuͤrzeiten dem The-
baniſchen Koͤnige Lajus geſchehen war/ auszu-
ſchaͤumen:

Wenn nicht die Goͤtter wolln/ ſo zeuge doch kein Kind/
Nachdem dir ſelbſt dein Sohn ein Sterbeus-Netze ſpinnt.

Mit dieſen betruͤbten Offenbarungen kam Po-
lemon wieder zu Sinope an/ ich ſtelle zu ihrem
vernuͤnftigẽ Nachdencken/ zu was fuͤr Hertzeleid
fuͤr mich/ ſonderlich/ da ſich der Koͤnig entſchloß
meinen einigen Sohn hinrichten zu laſſen. Die
ehliche und Mutter-Liebe kaͤmpfte in meinem
Hertzen gegen einander/ weil jene aus den Goͤtt-
lichen Wahrſagungen ſelbſt die Gefahr meines
Gemahls/ dieſe meines Kindes Untergang fuͤr
Augen ſahe. Jch hielt ihm aber gleichwohl
ein; wie die albern Rathſchlaͤge der Menſchen
die unvermeidlichen Schluͤſſe des Verhaͤngnuͤſ-
ſes zu ſtoͤren ſich vergebens anmaßten/ als aus
dem Beyſpiele Aſtyagens/ der ſeiner Tochter
Mandane gantz Aſien uͤberſchattende Frucht

wollen
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/314>, abgerufen am 22.11.2024.