Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Drittes Buch
[Spaltenumbruch] Als er nun zu den Scythen ferner zu fliehen
für gehabt/ wäre ihm Scribonia mit heissen
Thränen zu Fusse gefallen/ und ihn beweglichst
ersuchet/ daß er entweder ihre Eh offenbar ma-
chen/ oder sie und ihr Kind tödten möchte. Al-
leine er wäre darzu nicht zu bereden gewest/ son-
dern er habe ihr/ und ihrem noch an ihren Brü-
sten hängendem Sohne Scribonius auff den
Todesfall gegenwärtiges Zeugnüß/ daß Scri-
bonia seine Gemahlin/ und diß Kind sein Sohn
wäre/ ertheilet. Dieser ausführliche Brief hat-
te einen grossen Schein/ und wie Käyser Augu-
stus sich vorher hierdurch bethören lassen/ also
war keiner unter den Reichs-Räthen/ der nicht
diesem Scribonius Glauben beymaß. Der
Königin Dynamis aber alleine wolte diß nicht
in Kopf. Dahero nahm diß schlauhe Weib den
Brief selbst in ihre Hände/ und nach dem sie alle
Buchstaben aufs genaueste betrachtet/ fing sie in
einem Augenblicke über laut an zu ruffen: Es
glaube niemand diesem Verfälscher/ dessen Be-
trug numehr am Tage liegt. Als nun alle
Augen und Ohren auf sie richteten/ redete sie
ferner: Sehet/ dieser Brief soll nach der ver-
lohrnen Schlacht bey dem Berge Scotius/
und als der Käyser mit dem P. Servilius Jsau-
ricus Bürgermeister in Rom gewest/ geschrieben
seyn; Da doch der Jnhalt dieses Brieffes sich
grossen Theils etliche Jahr hernach/ und wie
Qvintus Fufius/ und Q. Calenus die Bür ger-
meister-Würde vertreten hat/ zugetragen.
Die Anwesenden erinnerten sich dessen alsofort/
sahen aber mehrer Gewißheit halber in den
Zeit-Registern nach/ welche mit der Königin
Einwurffe überein traffen. Hingegen ver-
stummete Scribonius bey so unverhoft entdeck-
ter Falschheit/ wuste auch/ wie sehr er sich be-
mühete/ nichts/ welches den Stich halten kon-
te/ aufzubringen. Endlich erbot er sich diesen
in dem blossen Umstande der Zeit bestehenden
Jrrthum durch andere Uhrkunden zu verbes-
[Spaltenumbruch] sern/ und erlangte damit Urlaub aus dem Reichs-
Rathe zu gehen. Er aber verwandelte seine Be-
weiß-Führung in eine offenbare Flucht aus der
Stadt Panticapeum/ zohe sein im Lande ver-
legtes Kriegs-Volck zusammen/ und meinte
seine Gewalt und Heyrath mit den Waffen zu
rechtfertigen/ weil seine Rechts-Gründe nicht
den Stich halten konten. Die Reichs-Stän-
de griffen durch Aufmunterung zur Gegen-
wehr/ machten auch die gantze Begebenheit
dem Vipsanius Agrippa/ der damals gleich zu
Chalcedon sich befand/ zu wissen/ und baten die-
ses unwürdigen Königs entübrigt zu seyn. A-
grippa trug alsofort dem anwesenden Könige
Polemon/ der seinem Vater Mithridates in-
zwischen im Pontischen Reiche gefolget war/
auf/ wider den Scribonius den Bosphorern
Hülffe zu leisten. Wie aber Polemon in solches
Land ankam/ hatten sie schon selbst den Scribo-
nius an dem Flusse Psychrus zwischen dem Co-
raxischen Gebürge gefangen bekommen/ und
von ihm diß Bekäntnüß ausgepresset: Er sey
ein Freygelassener des Vedius Pollio gewest/
und habe Bekandtschafft gehabt mit demselben/
welcher sich zu Rom des Antonius und der
Octavia Sohn zu seyn gerühmt/ Augustus a-
ber zur Ruderbanck hätte schmieden lassen.
Nach der Zeit wäre er in Asien kommen/ und
hätte gesehen/ wie glückselig ein seinem Be-
düncken nach wenig verschmitzter Cappadocier
die Person des Königs Ariarathes gespielet/
und mit seiner blossen Aehnligkeit dessen fast al-
le Morgenländer überredet hätte/ da doch mehr
als zu gewiß war/ daß Marcus Antonius bey
Einsetzung des Königs Archelaus den Aria-
rathes hingerichtet hatte. Diese zwey Ver-
fälscher hätten ihm die Bahn gebrochen/ und
das Bildnüß des Mithridates/ dem er ähn-
lich zu seyn vermeinet/ zu seiner Erfindung
sich für des Pharnaces Sohn auszugeben/ An-
laß gegeben. Worauf sie denn diesem Scri-

bonius

Drittes Buch
[Spaltenumbruch] Als er nun zu den Scythen ferner zu fliehen
fuͤr gehabt/ waͤre ihm Scribonia mit heiſſen
Thraͤnen zu Fuſſe gefallen/ und ihn beweglichſt
erſuchet/ daß er entweder ihre Eh offenbar ma-
chen/ oder ſie und ihr Kind toͤdten moͤchte. Al-
leine er waͤre darzu nicht zu bereden geweſt/ ſon-
dern er habe ihr/ und ihrem noch an ihren Bruͤ-
ſten haͤngendem Sohne Scribonius auff den
Todesfall gegenwaͤrtiges Zeugnuͤß/ daß Scri-
bonia ſeine Gemahlin/ und diß Kind ſein Sohn
waͤre/ ertheilet. Dieſer ausfuͤhrliche Brief hat-
te einen groſſen Schein/ und wie Kaͤyſer Augu-
ſtus ſich vorher hierdurch bethoͤren laſſen/ alſo
war keiner unter den Reichs-Raͤthen/ der nicht
dieſem Scribonius Glauben beymaß. Der
Koͤnigin Dynamis aber alleine wolte diß nicht
in Kopf. Dahero nahm diß ſchlauhe Weib den
Brief ſelbſt in ihre Haͤnde/ und nach dem ſie alle
Buchſtaben aufs genaueſte betrachtet/ fing ſie in
einem Augenblicke uͤber laut an zu ruffen: Es
glaube niemand dieſem Verfaͤlſcher/ deſſen Be-
trug numehr am Tage liegt. Als nun alle
Augen und Ohren auf ſie richteten/ redete ſie
ferner: Sehet/ dieſer Brief ſoll nach der ver-
lohrnen Schlacht bey dem Berge Scotius/
und als der Kaͤyſer mit dem P. Servilius Jſau-
ricus Buͤrgermeiſter in Rom geweſt/ geſchrieben
ſeyn; Da doch der Jnhalt dieſes Brieffes ſich
groſſen Theils etliche Jahr hernach/ und wie
Qvintus Fufius/ und Q. Calenus die Buͤr ger-
meiſter-Wuͤrde vertreten hat/ zugetragen.
Die Anweſenden erinnerten ſich deſſen alſofort/
ſahen aber mehrer Gewißheit halber in den
Zeit-Regiſtern nach/ welche mit der Koͤnigin
Einwurffe uͤberein traffen. Hingegen ver-
ſtummete Scribonius bey ſo unverhoft entdeck-
ter Falſchheit/ wuſte auch/ wie ſehr er ſich be-
muͤhete/ nichts/ welches den Stich halten kon-
te/ aufzubringen. Endlich erbot er ſich dieſen
in dem bloſſen Umſtande der Zeit beſtehenden
Jrrthum durch andere Uhrkunden zu verbeſ-
[Spaltenumbruch] ſeꝛn/ und eꝛlangte damit Uꝛlaub aus dem Reichs-
Rathe zu gehen. Er aber verwandelte ſeine Be-
weiß-Fuͤhrung in eine offenbare Flucht aus der
Stadt Panticapeum/ zohe ſein im Lande ver-
legtes Kriegs-Volck zuſammen/ und meinte
ſeine Gewalt und Heyrath mit den Waffen zu
rechtfertigen/ weil ſeine Rechts-Gruͤnde nicht
den Stich halten konten. Die Reichs-Staͤn-
de griffen durch Aufmunterung zur Gegen-
wehr/ machten auch die gantze Begebenheit
dem Vipſanius Agrippa/ der damals gleich zu
Chalcedon ſich befand/ zu wiſſen/ und baten die-
ſes unwuͤrdigen Koͤnigs entuͤbrigt zu ſeyn. A-
grippa trug alſofort dem anweſenden Koͤnige
Polemon/ der ſeinem Vater Mithridates in-
zwiſchen im Pontiſchen Reiche gefolget war/
auf/ wider den Scribonius den Boſphorern
Huͤlffe zu leiſten. Wie aber Polemon in ſolches
Land ankam/ hatten ſie ſchon ſelbſt den Scribo-
nius an dem Fluſſe Pſychrus zwiſchen dem Co-
raxiſchen Gebuͤrge gefangen bekommen/ und
von ihm diß Bekaͤntnuͤß ausgepreſſet: Er ſey
ein Freygelaſſener des Vedius Pollio geweſt/
und habe Bekandtſchafft gehabt mit demſelben/
welcher ſich zu Rom des Antonius und der
Octavia Sohn zu ſeyn geruͤhmt/ Auguſtus a-
ber zur Ruderbanck haͤtte ſchmieden laſſen.
Nach der Zeit waͤre er in Aſien kommen/ und
haͤtte geſehen/ wie gluͤckſelig ein ſeinem Be-
duͤncken nach wenig verſchmitzter Cappadocier
die Perſon des Koͤnigs Ariarathes geſpielet/
und mit ſeiner bloſſen Aehnligkeit deſſen faſt al-
le Morgenlaͤnder uͤberredet haͤtte/ da doch mehr
als zu gewiß war/ daß Marcus Antonius bey
Einſetzung des Koͤnigs Archelaus den Aria-
rathes hingerichtet hatte. Dieſe zwey Ver-
faͤlſcher haͤtten ihm die Bahn gebrochen/ und
das Bildnuͤß des Mithridates/ dem er aͤhn-
lich zu ſeyn vermeinet/ zu ſeiner Erfindung
ſich fuͤr des Pharnaces Sohn auszugeben/ An-
laß gegeben. Worauf ſie denn dieſem Scri-

bonius
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0304" n="252"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Drittes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
Als er nun zu den Scythen ferner zu fliehen<lb/>
fu&#x0364;r gehabt/ wa&#x0364;re ihm Scribonia mit hei&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Thra&#x0364;nen zu Fu&#x017F;&#x017F;e gefallen/ und ihn beweglich&#x017F;t<lb/>
er&#x017F;uchet/ daß er entweder ihre Eh offenbar ma-<lb/>
chen/ oder &#x017F;ie und ihr Kind to&#x0364;dten mo&#x0364;chte. Al-<lb/>
leine er wa&#x0364;re darzu nicht zu bereden gewe&#x017F;t/ &#x017F;on-<lb/>
dern er habe ihr/ und ihrem noch an ihren Bru&#x0364;-<lb/>
&#x017F;ten ha&#x0364;ngendem Sohne Scribonius auff den<lb/>
Todesfall gegenwa&#x0364;rtiges Zeugnu&#x0364;ß/ daß Scri-<lb/>
bonia &#x017F;eine Gemahlin/ und diß Kind &#x017F;ein Sohn<lb/>
wa&#x0364;re/ ertheilet. Die&#x017F;er ausfu&#x0364;hrliche Brief hat-<lb/>
te einen gro&#x017F;&#x017F;en Schein/ und wie Ka&#x0364;y&#x017F;er Augu-<lb/>
&#x017F;tus &#x017F;ich vorher hierdurch betho&#x0364;ren la&#x017F;&#x017F;en/ al&#x017F;o<lb/>
war keiner unter den Reichs-Ra&#x0364;then/ der nicht<lb/>
die&#x017F;em Scribonius Glauben beymaß. Der<lb/>
Ko&#x0364;nigin Dynamis aber alleine wolte diß nicht<lb/>
in Kopf. Dahero nahm diß &#x017F;chlauhe Weib den<lb/>
Brief &#x017F;elb&#x017F;t in ihre Ha&#x0364;nde/ und nach dem &#x017F;ie alle<lb/>
Buch&#x017F;taben aufs genaue&#x017F;te betrachtet/ fing &#x017F;ie in<lb/>
einem Augenblicke u&#x0364;ber laut an zu ruffen: Es<lb/>
glaube niemand die&#x017F;em Verfa&#x0364;l&#x017F;cher/ de&#x017F;&#x017F;en Be-<lb/>
trug numehr am Tage liegt. Als nun alle<lb/>
Augen und Ohren auf &#x017F;ie richteten/ redete &#x017F;ie<lb/>
ferner: Sehet/ die&#x017F;er Brief &#x017F;oll nach der ver-<lb/>
lohrnen Schlacht bey dem Berge Scotius/<lb/>
und als der Ka&#x0364;y&#x017F;er mit dem P. Servilius J&#x017F;au-<lb/>
ricus Bu&#x0364;rgermei&#x017F;ter in Rom gewe&#x017F;t/ ge&#x017F;chrieben<lb/>
&#x017F;eyn; Da doch der Jnhalt die&#x017F;es Brieffes &#x017F;ich<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;en Theils etliche Jahr hernach/ und wie<lb/>
Qvintus Fufius/ und Q. Calenus die Bu&#x0364;r ger-<lb/>
mei&#x017F;ter-Wu&#x0364;rde vertreten hat/ zugetragen.<lb/>
Die Anwe&#x017F;enden erinnerten &#x017F;ich de&#x017F;&#x017F;en al&#x017F;ofort/<lb/>
&#x017F;ahen aber mehrer Gewißheit halber in den<lb/>
Zeit-Regi&#x017F;tern nach/ welche mit der Ko&#x0364;nigin<lb/>
Einwurffe u&#x0364;berein traffen. Hingegen ver-<lb/>
&#x017F;tummete Scribonius bey &#x017F;o unverhoft entdeck-<lb/>
ter Fal&#x017F;chheit/ wu&#x017F;te auch/ wie &#x017F;ehr er &#x017F;ich be-<lb/>
mu&#x0364;hete/ nichts/ welches den Stich halten kon-<lb/>
te/ aufzubringen. Endlich erbot er &#x017F;ich die&#x017F;en<lb/>
in dem blo&#x017F;&#x017F;en Um&#x017F;tande der Zeit be&#x017F;tehenden<lb/>
Jrrthum durch andere Uhrkunden zu verbe&#x017F;-<lb/><cb/>
&#x017F;e&#xA75B;n/ und e&#xA75B;langte damit U&#xA75B;laub aus dem Reichs-<lb/>
Rathe zu gehen. Er aber verwandelte &#x017F;eine Be-<lb/>
weiß-Fu&#x0364;hrung in eine offenbare Flucht aus der<lb/>
Stadt Panticapeum/ zohe &#x017F;ein im Lande ver-<lb/>
legtes Kriegs-Volck zu&#x017F;ammen/ und meinte<lb/>
&#x017F;eine Gewalt und Heyrath mit den Waffen zu<lb/>
rechtfertigen/ weil &#x017F;eine Rechts-Gru&#x0364;nde nicht<lb/>
den Stich halten konten. Die Reichs-Sta&#x0364;n-<lb/>
de griffen durch Aufmunterung zur Gegen-<lb/>
wehr/ machten auch die gantze Begebenheit<lb/>
dem Vip&#x017F;anius Agrippa/ der damals gleich zu<lb/>
Chalcedon &#x017F;ich befand/ zu wi&#x017F;&#x017F;en/ und baten die-<lb/>
&#x017F;es unwu&#x0364;rdigen Ko&#x0364;nigs entu&#x0364;brigt zu &#x017F;eyn. A-<lb/>
grippa trug al&#x017F;ofort dem anwe&#x017F;enden Ko&#x0364;nige<lb/>
Polemon/ der &#x017F;einem Vater Mithridates in-<lb/>
zwi&#x017F;chen im Ponti&#x017F;chen Reiche gefolget war/<lb/>
auf/ wider den Scribonius den Bo&#x017F;phorern<lb/>
Hu&#x0364;lffe zu lei&#x017F;ten. Wie aber Polemon in &#x017F;olches<lb/>
Land ankam/ hatten &#x017F;ie &#x017F;chon &#x017F;elb&#x017F;t den Scribo-<lb/>
nius an dem Flu&#x017F;&#x017F;e P&#x017F;ychrus zwi&#x017F;chen dem Co-<lb/>
raxi&#x017F;chen Gebu&#x0364;rge gefangen bekommen/ und<lb/>
von ihm diß Beka&#x0364;ntnu&#x0364;ß ausgepre&#x017F;&#x017F;et: Er &#x017F;ey<lb/>
ein Freygela&#x017F;&#x017F;ener des Vedius Pollio gewe&#x017F;t/<lb/>
und habe Bekandt&#x017F;chafft gehabt mit dem&#x017F;elben/<lb/>
welcher &#x017F;ich zu Rom des Antonius und der<lb/>
Octavia Sohn zu &#x017F;eyn geru&#x0364;hmt/ Augu&#x017F;tus a-<lb/>
ber zur Ruderbanck ha&#x0364;tte &#x017F;chmieden la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Nach der Zeit wa&#x0364;re er in A&#x017F;ien kommen/ und<lb/>
ha&#x0364;tte ge&#x017F;ehen/ wie glu&#x0364;ck&#x017F;elig ein &#x017F;einem Be-<lb/>
du&#x0364;ncken nach wenig ver&#x017F;chmitzter Cappadocier<lb/>
die Per&#x017F;on des Ko&#x0364;nigs Ariarathes ge&#x017F;pielet/<lb/>
und mit &#x017F;einer blo&#x017F;&#x017F;en Aehnligkeit de&#x017F;&#x017F;en fa&#x017F;t al-<lb/>
le Morgenla&#x0364;nder u&#x0364;berredet ha&#x0364;tte/ da doch mehr<lb/>
als zu gewiß war/ daß Marcus Antonius bey<lb/>
Ein&#x017F;etzung des Ko&#x0364;nigs Archelaus den Aria-<lb/>
rathes hingerichtet hatte. Die&#x017F;e zwey Ver-<lb/>
fa&#x0364;l&#x017F;cher ha&#x0364;tten ihm die Bahn gebrochen/ und<lb/>
das Bildnu&#x0364;ß des Mithridates/ dem er a&#x0364;hn-<lb/>
lich zu &#x017F;eyn vermeinet/ zu &#x017F;einer Erfindung<lb/>
&#x017F;ich fu&#x0364;r des Pharnaces Sohn auszugeben/ An-<lb/>
laß gegeben. Worauf &#x017F;ie denn die&#x017F;em Scri-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">bonius</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[252/0304] Drittes Buch Als er nun zu den Scythen ferner zu fliehen fuͤr gehabt/ waͤre ihm Scribonia mit heiſſen Thraͤnen zu Fuſſe gefallen/ und ihn beweglichſt erſuchet/ daß er entweder ihre Eh offenbar ma- chen/ oder ſie und ihr Kind toͤdten moͤchte. Al- leine er waͤre darzu nicht zu bereden geweſt/ ſon- dern er habe ihr/ und ihrem noch an ihren Bruͤ- ſten haͤngendem Sohne Scribonius auff den Todesfall gegenwaͤrtiges Zeugnuͤß/ daß Scri- bonia ſeine Gemahlin/ und diß Kind ſein Sohn waͤre/ ertheilet. Dieſer ausfuͤhrliche Brief hat- te einen groſſen Schein/ und wie Kaͤyſer Augu- ſtus ſich vorher hierdurch bethoͤren laſſen/ alſo war keiner unter den Reichs-Raͤthen/ der nicht dieſem Scribonius Glauben beymaß. Der Koͤnigin Dynamis aber alleine wolte diß nicht in Kopf. Dahero nahm diß ſchlauhe Weib den Brief ſelbſt in ihre Haͤnde/ und nach dem ſie alle Buchſtaben aufs genaueſte betrachtet/ fing ſie in einem Augenblicke uͤber laut an zu ruffen: Es glaube niemand dieſem Verfaͤlſcher/ deſſen Be- trug numehr am Tage liegt. Als nun alle Augen und Ohren auf ſie richteten/ redete ſie ferner: Sehet/ dieſer Brief ſoll nach der ver- lohrnen Schlacht bey dem Berge Scotius/ und als der Kaͤyſer mit dem P. Servilius Jſau- ricus Buͤrgermeiſter in Rom geweſt/ geſchrieben ſeyn; Da doch der Jnhalt dieſes Brieffes ſich groſſen Theils etliche Jahr hernach/ und wie Qvintus Fufius/ und Q. Calenus die Buͤr ger- meiſter-Wuͤrde vertreten hat/ zugetragen. Die Anweſenden erinnerten ſich deſſen alſofort/ ſahen aber mehrer Gewißheit halber in den Zeit-Regiſtern nach/ welche mit der Koͤnigin Einwurffe uͤberein traffen. Hingegen ver- ſtummete Scribonius bey ſo unverhoft entdeck- ter Falſchheit/ wuſte auch/ wie ſehr er ſich be- muͤhete/ nichts/ welches den Stich halten kon- te/ aufzubringen. Endlich erbot er ſich dieſen in dem bloſſen Umſtande der Zeit beſtehenden Jrrthum durch andere Uhrkunden zu verbeſ- ſeꝛn/ und eꝛlangte damit Uꝛlaub aus dem Reichs- Rathe zu gehen. Er aber verwandelte ſeine Be- weiß-Fuͤhrung in eine offenbare Flucht aus der Stadt Panticapeum/ zohe ſein im Lande ver- legtes Kriegs-Volck zuſammen/ und meinte ſeine Gewalt und Heyrath mit den Waffen zu rechtfertigen/ weil ſeine Rechts-Gruͤnde nicht den Stich halten konten. Die Reichs-Staͤn- de griffen durch Aufmunterung zur Gegen- wehr/ machten auch die gantze Begebenheit dem Vipſanius Agrippa/ der damals gleich zu Chalcedon ſich befand/ zu wiſſen/ und baten die- ſes unwuͤrdigen Koͤnigs entuͤbrigt zu ſeyn. A- grippa trug alſofort dem anweſenden Koͤnige Polemon/ der ſeinem Vater Mithridates in- zwiſchen im Pontiſchen Reiche gefolget war/ auf/ wider den Scribonius den Boſphorern Huͤlffe zu leiſten. Wie aber Polemon in ſolches Land ankam/ hatten ſie ſchon ſelbſt den Scribo- nius an dem Fluſſe Pſychrus zwiſchen dem Co- raxiſchen Gebuͤrge gefangen bekommen/ und von ihm diß Bekaͤntnuͤß ausgepreſſet: Er ſey ein Freygelaſſener des Vedius Pollio geweſt/ und habe Bekandtſchafft gehabt mit demſelben/ welcher ſich zu Rom des Antonius und der Octavia Sohn zu ſeyn geruͤhmt/ Auguſtus a- ber zur Ruderbanck haͤtte ſchmieden laſſen. Nach der Zeit waͤre er in Aſien kommen/ und haͤtte geſehen/ wie gluͤckſelig ein ſeinem Be- duͤncken nach wenig verſchmitzter Cappadocier die Perſon des Koͤnigs Ariarathes geſpielet/ und mit ſeiner bloſſen Aehnligkeit deſſen faſt al- le Morgenlaͤnder uͤberredet haͤtte/ da doch mehr als zu gewiß war/ daß Marcus Antonius bey Einſetzung des Koͤnigs Archelaus den Aria- rathes hingerichtet hatte. Dieſe zwey Ver- faͤlſcher haͤtten ihm die Bahn gebrochen/ und das Bildnuͤß des Mithridates/ dem er aͤhn- lich zu ſeyn vermeinet/ zu ſeiner Erfindung ſich fuͤr des Pharnaces Sohn auszugeben/ An- laß gegeben. Worauf ſie denn dieſem Scri- bonius

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/304
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/304>, abgerufen am 22.11.2024.