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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Drittes Buch
[Spaltenumbruch] an den Faden ihrer Erzehlung: Artafernes ha-
be den König Artaxias durch obige und mehr
Gründe in seiner Meinung bestärckt/ daß er das
Reich auf seine Tochter Erato zu bringen Anstalt
machen solte; iedoch weil alle Neuerung verdäch-
tig wäre/ und einige ehrsüchtige Unterthanen ih-
re Herrschaft zu unterbrechen sich erkühnen dörf-
ten/ solte er den Schiffbruch seines Sohnes ver-
drücken/ und das Fräulein Erato an des Ver-
storbenen Stelle aufferziehen. Artaxias lies ihm
diesen Anschlag belieben/ von welchem niemand
als der König Artafernes/ und ich als Hoffmei-
sterin des Königlichen Frauenzimmers wuste. Al-
so glaubete gantz Armenien und Persien/ daß
Erato todt/ und Artaxias lebendig wäre. Die
Lebhafftigkeit/ und die ansehnliche Gestalt dieses
Fräuleins halff diese Blendung nicht wenig
verhüllen. Artaxias gab ihr den aus der Stadt
Susiana am rothen Meer bürtigen Dionysi-
us Periegetes/ welchen Käyser Augustus/ um sich
der Morgenländer Beschaffenheit zu erkundi-
gen/ mit Fleiß in Armenien zu wohnen befehli-
chet hatte/ zum Lehrmeister. Denn es verstand
Artaxias wohl: daß alle Schönheit ohne Auff-
putzung unvollkommen/ und alle Vollkommen-
heit ohne Beyhülffe rauh sey/ ja das Gold selbst
müsse gefärbt/ die Diamanten geschliffen wer-
den. Dahero eine kluge Erziehung das Böse
verbessere/ dem Guten seine noch ermangelnde
Helffte der Vollkommenheit beysetze. Also un-
terwieß Dionysius sie nicht alleine in allerhand
Sprachen/ und der Platonischen Weltweiß-
heit; sondern sie ward auch in allen Ritter spielen
auffs fleißigste ausgemustert; also daß an ihr kei-
ne Eigenschafft ihres Geschlechtes zu sehen war/
als die Schamhafftigkeit und Anmuth. Jn
dieser Lehre blieb Erato biß ins zwölffte Jahr/
und Artaxias in ruhigem Besitz beyder Kö-
nigreiche. Denn nach dem Augustus den
Antonius bey Actium überwunden hatte/ war
er mit Behauptung Egyptens/ und mit Demü-
thigung der Dacier/ Mysier und Bastarnen be-
[Spaltenumbruch] schäfftigt/ welche mit Hülffe des Getischen Kö-
nigs Rotes geschlagen/ ja der Bastarnen König
Deldo selbsthändig von des Crassus jüngstem
Sohne getödtet ward. Dieser kriegte auch mit
den Meden und Serden/ und dem Getischen
Könige Dapyx und Zyraxes zu schaffen/ allwo
er das Gebürge Ceyra und die Haupt-Festung
Genucla nebst denen dem Cajus Antonius vor-
hin abgenommenen Fahnen wieder eroberte.
So hat auch Augustus mit Einrichtung seines
einhäuptigen Reichs/ und mit Besetzung der
Aemter genung zu thun. Uberdiß dräuten die
Britannier in Gallien einzufallen/ die Canta-
brer und Asturier wurden auffrührisch; also daß
Augustus wider jene in Gallien/ wider diese
nach Tarracon ziehen/ und nachdem sein Feld-
häuptmann Elius Largus wider den König
des glückseligen Arabiens Sabos einen un-
glückseligen Zug gethan/ und in der Wasser-
mangelnden Sandwüsten für Hitze und Durst
sein gantzes Heer verschmachtet war/ daselbst die
Grentzen besetzen muste. Zu geschweigen sei-
ner vielfältigen Haus-Bekümmernisse/ welche
ihn an alle Ecken des so grossen Reichs die Rö-
mischen Heerspitzen zusenden/ und den bey ihm
in schlechter Gewogenhiet stehenden Artaxias
mit Kriegs-Macht zu überziehen hinderte; also
gegen ihm seine Unhold nicht anders auslas-
sen konte/ als daß er ihm seine vom Antonius aus
Armenien gefangen mit weggeführte Brüder
frey zu lassen weigerte; da er doch den Meden die
dem jungen Alexander verlobte Jotapen willig
abfolgen ließ. Wie aber das Glücke entweder
müde wird einen lange mit unverwendetem Au-
ge anzuschauen/ oder ihm verkleinerlich hält/ daß
es allezeit mit einerley Winde in ein Segel bla-
sen müsse; also konte auch der Wohlstand des
Königs Artaxias weder für sich selbst unverän-
derlich bleiben/ noch seine Klugheit das sich stets
umwältzende Rad des Verhängnißes hemmen.
Sehet aber/ wie das Wetter/ so von weitem her
über Armenien auffzog! Der Comagenische Kö-

nig

Drittes Buch
[Spaltenumbruch] an den Faden ihrer Erzehlung: Artafernes ha-
be den Koͤnig Artaxias durch obige und mehr
Gruͤnde in ſeiner Meinung beſtaͤrckt/ daß er das
Reich auf ſeine Tochteꝛ Erato zu bringen Anſtalt
machen ſolte; iedoch weil alle Neuerung verdaͤch-
tig waͤre/ und einige ehrſuͤchtige Unterthanen ih-
re Herꝛſchaft zu unterbrechen ſich erkuͤhnen doͤrf-
ten/ ſolte er den Schiffbruch ſeines Sohnes ver-
druͤcken/ und das Fraͤulein Erato an des Ver-
ſtorbenen Stelle aufferziehen. Artaxias lies ihm
dieſen Anſchlag belieben/ von welchem niemand
als der Koͤnig Artafernes/ und ich als Hoffmei-
ſterin des Koͤniglichen Frauenzim̃ers wuſte. Al-
ſo glaubete gantz Armenien und Perſien/ daß
Erato todt/ und Artaxias lebendig waͤre. Die
Lebhafftigkeit/ und die anſehnliche Geſtalt dieſes
Fraͤuleins halff dieſe Blendung nicht wenig
verhuͤllen. Artaxias gab ihr den aus der Stadt
Suſiana am rothen Meer buͤrtigen Dionyſi-
us Periegetes/ welchen Kaͤyſer Auguſtus/ um ſich
der Morgenlaͤnder Beſchaffenheit zu erkundi-
gen/ mit Fleiß in Armenien zu wohnen befehli-
chet hatte/ zum Lehrmeiſter. Denn es verſtand
Artaxias wohl: daß alle Schoͤnheit ohne Auff-
putzung unvollkommen/ und alle Vollkommen-
heit ohne Beyhuͤlffe rauh ſey/ ja das Gold ſelbſt
muͤſſe gefaͤrbt/ die Diamanten geſchliffen wer-
den. Dahero eine kluge Erziehung das Boͤſe
verbeſſere/ dem Guten ſeine noch ermangelnde
Helffte der Vollkommenheit beyſetze. Alſo un-
terwieß Dionyſius ſie nicht alleine in allerhand
Sprachen/ und der Platoniſchen Weltweiß-
heit; ſondern ſie ward auch in allen Ritter ſpielen
auffs fleißigſte ausgemuſtert; alſo daß an ihr kei-
ne Eigenſchafft ihres Geſchlechtes zu ſehen war/
als die Schamhafftigkeit und Anmuth. Jn
dieſer Lehre blieb Erato biß ins zwoͤlffte Jahr/
und Artaxias in ruhigem Beſitz beyder Koͤ-
nigreiche. Denn nach dem Auguſtus den
Antonius bey Actium uͤberwunden hatte/ war
er mit Behauptung Egyptens/ und mit Demuͤ-
thigung der Dacier/ Myſier und Baſtarnen be-
[Spaltenumbruch] ſchaͤfftigt/ welche mit Huͤlffe des Getiſchen Koͤ-
nigs Rotes geſchlagen/ ja der Baſtarnen Koͤnig
Deldo ſelbſthaͤndig von des Craſſus juͤngſtem
Sohne getoͤdtet ward. Dieſer kriegte auch mit
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Koͤnige Dapyx und Zyraxes zu ſchaffen/ allwo
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Genucla nebſt denen dem Cajus Antonius vor-
hin abgenommenen Fahnen wieder eroberte.
So hat auch Auguſtus mit Einrichtung ſeines
einhaͤuptigen Reichs/ und mit Beſetzung der
Aemter genung zu thun. Uberdiß draͤuten die
Britannier in Gallien einzufallen/ die Canta-
brer und Aſturier wurden auffruͤhriſch; alſo daß
Auguſtus wider jene in Gallien/ wider dieſe
nach Tarracon ziehen/ und nachdem ſein Feld-
haͤuptmann Elius Largus wider den Koͤnig
des gluͤckſeligen Arabiens Sabos einen un-
gluͤckſeligen Zug gethan/ und in der Waſſer-
mangelnden Sandwuͤſten fuͤr Hitze und Durſt
ſein gantzes Heer verſchmachtet war/ daſelbſt die
Grentzen beſetzen muſte. Zu geſchweigen ſei-
ner vielfaͤltigen Haus-Bekuͤmmerniſſe/ welche
ihn an alle Ecken des ſo groſſen Reichs die Roͤ-
miſchen Heerſpitzen zuſenden/ und den bey ihm
in ſchlechter Gewogenhiet ſtehenden Artaxias
mit Kriegs-Macht zu uͤberziehen hinderte; alſo
gegen ihm ſeine Unhold nicht anders auslaſ-
ſen konte/ als daß er ihm ſeine vom Antonius aus
Armenien gefangen mit weggefuͤhrte Bruͤder
frey zu laſſen weigerte; da er doch den Meden die
dem jungen Alexander verlobte Jotapen willig
abfolgen ließ. Wie aber das Gluͤcke entweder
muͤde wiꝛd einen lange mit unverwendetem Au-
ge anzuſchauen/ oder ihm verkleinerlich haͤlt/ daß
es allezeit mit einerley Winde in ein Segel bla-
ſen muͤſſe; alſo konte auch der Wohlſtand des
Koͤnigs Artaxias weder fuͤr ſich ſelbſt unveraͤn-
derlich bleiben/ noch ſeine Klugheit das ſich ſtets
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Sehet aber/ wie das Wetter/ ſo von weitem her
uͤber Armenien auffzog! Der Comageniſche Koͤ-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/282>, abgerufen am 12.05.2024.