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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Drittes Buch
[Spaltenumbruch] er seinem Sohne ein Ehren-Amt versagt/ der
Pöfel aber/ daß die Liebe der Freyheit und des
alten numehr unter gedrückten Gottesdiensts
ihn zum Kriege bewogen hätte. Die Arme-
nische Königin setzte bey: Dieses wären noch
gar wichtige Ursachen eines mittelmäßigen
Krieges. Den weltberühmten Zug des gros-
sen Xerxes in Griechenland/ da er drey mahl
hundert tausend Menschen ausgerüstet/ Ber-
ge abgetragen/ Flüsse ausgetrocknet/ Meere
ausgefüllet/ hätte ein Griechischer Artzt der
Persischen Königin durch ihr Einblasen erre-
get/ weil er gerne noch einst den Pyreischen
Hafen gesehen/ und zu Athen gewachsene Fei-
gen gegessen hätte/ da doch dieser Qvecksalber
seine Reise mit geringern Kosten verrichten
können; Hingegen Xerxes zu Ursachen seines
Krieges anführte: Er käme die Griechen aus
einer so magern Dienstbarkeit/ die sie von so viel
kleinen Wüterichen erduldeten/ in eine reiche
Freyheit zu versetzen/ ja die unsterblichen Göt-
ter hätten ihn zu seiner Entschlüssung gebracht/
und die Sonne wäre der erste Urheber seines
Krieges. Freylich wol/ fing Thufnelda an/
auch unser Deutschland hat mit seinem Scha-
den erfahren/ daß aus einem kleinen Qvelle
grosse Flüsse/ aus einem Funcken unausleschli-
che Brände/ aus einem übel-aufgenommenem
Worte lange Kriege entstanden/ daß eine
Tracht einer gewissen Farbe den Adel eines
gantzen Volckes zergliedert/ eine auffgerichte-
te Säule/ ein Sinnenbild/ das andere auf sich
gezogen/ viel Aufrühre gestifftet/ und daß die
heimliche Verschneidung eines Cammerdie-
ners manchen grossen Reichs-Colossen von fei-
nem Ehrenstande gestürtzt. Also haben so wol
die grossen Schauplätze der Königreiche/ als
die Gaucklerbühnen mehrmahls euserlich ein
prächtiges Ansehen/ wenn man aber hinter ih-
re Schirme gucket/ ist ihr gantzes Gebäue la-
chens werth. Die Königin pflichtete ihr bey/
und fing an: Nachdem selten ie mand aus blos-
[Spaltenumbruch] ser Liebe der Gefahr/ wie von Deutschen ins-
gemein geglaubet wird/ oder aus blossem Dur-
ste nach Menschen-Blute/ wie die wilden Thie-
re/ seinen Nachbar überzeucht/ sondern Geitz
und Ehrsucht die älteste und gemeinste Ursache
des Krieges ist/ so hat man sich nicht zu ver-
wundern/ daß fast alle mahl von den Herrsch-
süchtigen die wahre Ursache und das Absehen
ihrer blutbegierigen Entschlüssungen versteckt/
und fast iederzeit die scheinbaren Nahmen des
Gottesdienstes/ der Gerechten Rache/ und der
Freyheit zum Vorwandt gebraucht werden.
Es ist unnöthig in das Alterthum zurück zu se-
hen. August verdeckte seine Herrschenssucht
in dem Bürgerlichen Kriege meisterlich mit
der Frömmigkeit/ welche ihn nöthigte den
Todt seines Vatern Julius wider den Bru-
tus zurächen. Antonius gebrauchte sich auch
dieser Farbe wider den Decimus/ welcher ihm
Gallien anzuvertrauen verhindert hatte;
Gleichwohl aber bin ich in denen Gedancken/
daß es nicht allemahl rathsam sey auch in ge-
rechten Kriegen/ weder die wahre Ursache/
noch das eigentliche Absehen kund zu machen.
Sintemahl der Kern aller kluger Entschlüs-
sungen in derselben Heimligkeit bestehet. Auch
der/ welcher die beste Karte hat/ muß insge-
mein verspielen/ der ihm darein sehen läst. So
begreifft auch Volck und Pöfel nicht allezeit
die Gerechtigkeit eines Fürnehmens/ sondern
man muß selbten an dem Fademe seines Ei-
gennutzes an sich ziehen/ und/ wenn selbter
durch widrige Verleitung wilde gemacht wor-
den/ ihm selbsten zum besten/ selbten wie die kol-
lernden Pferde bländen. Salonine brach ein/
um in ihre Erzehlung wieder einzufallen: Ar-
tanes wuste seinen Krieg so klüglich nicht
auszuführen/ sondern seine Eyversucht blickte
bald für/ seiner Unterthanen Abneigung brach
mit seinem Unglücke bald aus. Denn der
großmüthige Tigranes erlegte ihn in der ersten
Schlacht biß aufs Haupt/ und er leschte mit sei-

ner

Drittes Buch
[Spaltenumbruch] er ſeinem Sohne ein Ehren-Amt verſagt/ der
Poͤfel aber/ daß die Liebe der Freyheit und des
alten numehr unter gedruͤckten Gottesdienſts
ihn zum Kriege bewogen haͤtte. Die Arme-
niſche Koͤnigin ſetzte bey: Dieſes waͤren noch
gar wichtige Urſachen eines mittelmaͤßigen
Krieges. Den weltberuͤhmten Zug des groſ-
ſen Xerxes in Griechenland/ da er drey mahl
hundert tauſend Menſchen ausgeruͤſtet/ Ber-
ge abgetragen/ Fluͤſſe ausgetrocknet/ Meere
ausgefuͤllet/ haͤtte ein Griechiſcher Artzt der
Perſiſchen Koͤnigin durch ihr Einblaſen erre-
get/ weil er gerne noch einſt den Pyreiſchen
Hafen geſehen/ und zu Athen gewachſene Fei-
gen gegeſſen haͤtte/ da doch dieſer Qveckſalber
ſeine Reiſe mit geringern Koſten verrichten
koͤnnen; Hingegen Xerxes zu Urſachen ſeines
Krieges anfuͤhrte: Er kaͤme die Griechen aus
einer ſo magern Dienſtbarkeit/ die ſie von ſo viel
kleinen Wuͤterichen erduldeten/ in eine reiche
Freyheit zu verſetzen/ ja die unſterblichen Goͤt-
ter haͤtten ihn zu ſeiner Entſchluͤſſung gebracht/
und die Sonne waͤre der erſte Urheber ſeines
Krieges. Freylich wol/ fing Thufnelda an/
auch unſer Deutſchland hat mit ſeinem Scha-
den erfahren/ daß aus einem kleinen Qvelle
groſſe Fluͤſſe/ aus einem Funcken unausleſchli-
che Braͤnde/ aus einem uͤbel-aufgenommenem
Worte lange Kriege entſtanden/ daß eine
Tracht einer gewiſſen Farbe den Adel eines
gantzen Volckes zergliedert/ eine auffgerichte-
te Saͤule/ ein Sinnenbild/ das andere auf ſich
gezogen/ viel Aufruͤhre geſtifftet/ und daß die
heimliche Verſchneidung eines Cammerdie-
ners manchen groſſen Reichs-Coloſſen von fei-
nem Ehrenſtande geſtuͤrtzt. Alſo haben ſo wol
die groſſen Schauplaͤtze der Koͤnigreiche/ als
die Gaucklerbuͤhnen mehrmahls euſerlich ein
praͤchtiges Anſehen/ wenn man aber hinter ih-
re Schirme gucket/ iſt ihr gantzes Gebaͤue la-
chens werth. Die Koͤnigin pflichtete ihr bey/
und fing an: Nachdem ſelten ie mand aus bloſ-
[Spaltenumbruch] ſer Liebe der Gefahr/ wie von Deutſchen ins-
gemein geglaubet wird/ oder aus bloſſem Dur-
ſte nach Menſchen-Blute/ wie die wilden Thie-
re/ ſeinen Nachbar uͤberzeucht/ ſondern Geitz
und Ehrſucht die aͤlteſte und gemeinſte Urſache
des Krieges iſt/ ſo hat man ſich nicht zu ver-
wundern/ daß faſt alle mahl von den Herrſch-
ſuͤchtigen die wahre Urſache und das Abſehen
ihrer blutbegierigen Entſchluͤſſungen verſteckt/
und faſt iederzeit die ſcheinbaren Nahmen des
Gottesdienſtes/ der Gerechten Rache/ und der
Freyheit zum Vorwandt gebraucht werden.
Es iſt unnoͤthig in das Alterthum zuruͤck zu ſe-
hen. Auguſt verdeckte ſeine Herrſchensſucht
in dem Buͤrgerlichen Kriege meiſterlich mit
der Froͤmmigkeit/ welche ihn noͤthigte den
Todt ſeines Vatern Julius wider den Bru-
tus zuraͤchen. Antonius gebrauchte ſich auch
dieſer Farbe wider den Decimus/ welcher ihm
Gallien anzuvertrauen verhindert hatte;
Gleichwohl aber bin ich in denen Gedancken/
daß es nicht allemahl rathſam ſey auch in ge-
rechten Kriegen/ weder die wahre Urſache/
noch das eigentliche Abſehen kund zu machen.
Sintemahl der Kern aller kluger Entſchluͤſ-
ſungen in derſelben Heimligkeit beſtehet. Auch
der/ welcher die beſte Karte hat/ muß insge-
mein verſpielen/ der ihm darein ſehen laͤſt. So
begreifft auch Volck und Poͤfel nicht allezeit
die Gerechtigkeit eines Fuͤrnehmens/ ſondern
man muß ſelbten an dem Fademe ſeines Ei-
gennutzes an ſich ziehen/ und/ wenn ſelbter
durch widrige Verleitung wilde gemacht wor-
den/ ihm ſelbſten zum beſten/ ſelbten wie die kol-
leꝛnden Pferde blaͤnden. Salonine brach ein/
um in ihre Erzehlung wieder einzufallen: Ar-
tanes wuſte ſeinen Krieg ſo kluͤglich nicht
auszufuͤhren/ ſondern ſeine Eyverſucht blickte
bald fuͤr/ ſeiner Unterthanen Abneigung brach
mit ſeinem Ungluͤcke bald aus. Denn der
großmuͤthige Tigranes erlegte ihn in der erſten
Schlacht biß aufs Haupt/ und er leſchte mit ſei-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/262>, abgerufen am 22.11.2024.