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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Hertzen der Frauen gelegen. Suchen wir a-
ber das Gestirne dieser unbegreifflichen Tugend
in seinem eigenthümlichen Himmels-Zirckel/
und diese Blume so wohl unsers/ als euren Ge-
schlechtes auff ihren eigenen Stengel/ müssen
wir nicht die Asche des stinckenden Leibes/ noch
den Schimmel der faulenden Glieder durch-
scharren/ sondern/ weil die Großmüthigkeit ei-
ne Lebhafftigkeit des Geistes ist/ und ihren Ur-
sprung und Sitz in dem Hertzen hat/ müssen wir
sie nach der Eigenschafft ihrer himmlischen W[o]hn-
statt urtheilen/ und ihr ein Ziel nach dem Maß-
stabe der unumschräncklichen Seele ausstecken.
Diese erscheint zum ersten auff den Kampffplatz/
und zeucht am letzten davon ab. Diese verwen-
det kein Auge/ wenn schon der Blitz mit Don-
nerkeilen um ihr Haupt spielet/ oder ihr der
Himmel auff den Hals fällt. Diese sieget auch
mit zerschmetterten Gliedern/ und in dem Stau-
be des Todes. Jst aber wohl das Hertze der
Männer von anderm Talg als das unsrige? Hat
eure Seele einen andern Schöpffer/ als wir?
Sind alle großmüthige Helden aus dem Ge-
schlecht der Riesen entsprossen? Haben sie alle
Armen aus Stahl/ und Schenckel aus Mar-
mel gehabt? Bestehet die Tapfferkeit am Aus-
reissen der Bäume/ und Versetzen der Ber-
ge? Nein sicher! Junius Valens/ welchen ich
Pferd und Wagen mit einer Hand anhalten ge-
sehen; Rusticellus/ der seinen Maulesel mit ei-
ner Hand empor hob; Milo/ dem kein Mensch
einen Finger beugen konte/ werden von mir
nicht in die Schau-Bühne der Helden gesetzt.
Hingegen sind die/ welche die Welt bemeistert/
keine ertztene Colossen gewest. Den itzigen Kay-
ser würde niemand seine Thaten an der Grös-
se/ welcher nach des Julius Marathus genom-
menem Maaße nicht länger/ als fünff Füße
und ein drittel ist/ anschauen. Die auch itzt
die Römer geschlagen/ den Varus erlegt/ die
deutsche Freyheit erhalten/ sind keine Cyclo-
pen/ deren Daumen von Satyren mit Sten-
[Spaltenumbruch] geln ausgemessen werden könten. Jm Fall
aber ja unsere Leibes-Schwäche und Zärt-
ligkeit der Glieder eine Hinderniß der Tapffer-
keit/ und ein Fehler unsers Geschlechts seyn
soll/ wird man uns zuversichtlich das Recht zu
den Waffen nicht gar absprechen/ sondern viel-
mehr nicht ausser Augen setzen können: Daß
auch die Sonne nicht ohne Finsterniß/ kein
Demant ohne Mangel/ keine Rose ohne Dor-
nen sey. Die Königin fiel Thußnelden mit ei-
ner ernsthafften Anmuth in die Rede/ und mein-
te: Sie hätte ihrem Geschlechte zum Nachtheil
allzuviel nachgegeben; sintemahl es dem Frau-
enzimmer mehr zum Ruhm als zur Schande
gereichte/ daß es mit so schwachen Gliedern Hel-
den- und Riesenwercke ausübte. Wäre also ih-
re Schwachheit denselben Maalen zu verglei-
chen/ welche durch ihren schwartzen Gegensatz
den Glantz einer schneeweissen Schönheit er-
höheten. Oder es hätte die Natur ihnen die-
sen Gebrechen mit sonderbarem Fleiß/ und zu
ihrem Besten angehengt/ wormit nehmlich der
Neid hieran etwas zu käuen/ das männliche
Geschlechte aber mit ihnen zu eyvern nicht noch
grössere Ursach habe. Der Feldherr konte sich
länger des Lachens nicht enthalten/ sagende:
Er sehe wohl/ daß er auff eine so tieffsinnige Be-
redsamkeit verfallen wäre/ welche auch der War-
heit abgewinnen könte/ und wäre er nur zu ver-
nehmen begierig: Ob sie auch die durch Miß-
bräuche angenommene Zärtligkeiten des Frau-
enzimmers heraus zu streichen/ und ihr Wort
zu reden auff sich nehmen würde. Die Köni-
gin verwechselte diesen Schertz mit einem an-
dern/ und fing an: So wenig die Heßligkeit
schön/ und der Jrrthum zur Warheit würde/
wenn man jene schon in Güldenstücke kleidete/
dieser aber eitel Centner-Worte zulegte/ so we-
nig traute sie des Feldherrn Höffligkeit zu/ daß
er zwischen des Frauenzimmers Rein- und Ge-
mächligkeit/ und den Waffen keine Gemein-
schafft dulden könte. Die Tugend sey der Wol-

lust
C c 2

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Hertzen der Frauen gelegen. Suchen wir a-
ber das Geſtirne dieſer unbegreifflichen Tugend
in ſeinem eigenthuͤmlichen Himmels-Zirckel/
und dieſe Blume ſo wohl unſers/ als euren Ge-
ſchlechtes auff ihren eigenen Stengel/ muͤſſen
wir nicht die Aſche des ſtinckenden Leibes/ noch
den Schimmel der faulenden Glieder durch-
ſcharren/ ſondern/ weil die Großmuͤthigkeit ei-
ne Lebhafftigkeit des Geiſtes iſt/ und ihren Ur-
ſprung und Sitz in dem Hertzen hat/ muͤſſen wir
ſie nach der Eigenſchafft ihrer him̃liſchen W[o]hn-
ſtatt urtheilen/ und ihr ein Ziel nach dem Maß-
ſtabe der unumſchraͤncklichen Seele ausſtecken.
Dieſe erſcheint zum erſten auff den Kampffplatz/
und zeucht am letzten davon ab. Dieſe verwen-
det kein Auge/ wenn ſchon der Blitz mit Don-
nerkeilen um ihr Haupt ſpielet/ oder ihr der
Himmel auff den Hals faͤllt. Dieſe ſieget auch
mit zerſchmetteꝛten Gliedern/ und in dem Stau-
be des Todes. Jſt aber wohl das Hertze der
Maͤñer von anderm Talg als das unſrige? Hat
eure Seele einen andern Schoͤpffer/ als wir?
Sind alle großmuͤthige Helden aus dem Ge-
ſchlecht der Rieſen entſproſſen? Haben ſie alle
Armen aus Stahl/ und Schenckel aus Mar-
mel gehabt? Beſtehet die Tapfferkeit am Aus-
reiſſen der Baͤume/ und Verſetzen der Ber-
ge? Nein ſicher! Junius Valens/ welchen ich
Pferd und Wagen mit einer Hand anhalten ge-
ſehen; Ruſticellus/ der ſeinen Mauleſel mit ei-
ner Hand empor hob; Milo/ dem kein Menſch
einen Finger beugen konte/ werden von mir
nicht in die Schau-Buͤhne der Helden geſetzt.
Hingegen ſind die/ welche die Welt bemeiſtert/
keine ertztene Coloſſen geweſt. Den itzigen Kay-
ſer wuͤrde niemand ſeine Thaten an der Groͤſ-
ſe/ welcher nach des Julius Marathus genom-
menem Maaße nicht laͤnger/ als fuͤnff Fuͤße
und ein drittel iſt/ anſchauen. Die auch itzt
die Roͤmer geſchlagen/ den Varus erlegt/ die
deutſche Freyheit erhalten/ ſind keine Cyclo-
pen/ deren Daumen von Satyren mit Sten-
[Spaltenumbruch] geln ausgemeſſen werden koͤnten. Jm Fall
aber ja unſere Leibes-Schwaͤche und Zaͤrt-
ligkeit der Glieder eine Hinderniß der Tapffer-
keit/ und ein Fehler unſers Geſchlechts ſeyn
ſoll/ wird man uns zuverſichtlich das Recht zu
den Waffen nicht gar abſprechen/ ſondern viel-
mehr nicht auſſer Augen ſetzen koͤnnen: Daß
auch die Sonne nicht ohne Finſterniß/ kein
Demant ohne Mangel/ keine Roſe ohne Dor-
nen ſey. Die Koͤnigin fiel Thußnelden mit ei-
ner ernſthafften Anmuth in die Rede/ und mein-
te: Sie haͤtte ihrem Geſchlechte zum Nachtheil
allzuviel nachgegeben; ſintemahl es dem Frau-
enzimmer mehr zum Ruhm als zur Schande
gereichte/ daß es mit ſo ſchwachen Gliedern Hel-
den- und Rieſenwercke ausuͤbte. Waͤre alſo ih-
re Schwachheit denſelben Maalen zu verglei-
chen/ welche durch ihren ſchwartzen Gegenſatz
den Glantz einer ſchneeweiſſen Schoͤnheit er-
hoͤheten. Oder es haͤtte die Natur ihnen die-
ſen Gebrechen mit ſonderbarem Fleiß/ und zu
ihrem Beſten angehengt/ wormit nehmlich der
Neid hieran etwas zu kaͤuen/ das maͤnnliche
Geſchlechte aber mit ihnen zu eyvern nicht noch
groͤſſere Urſach habe. Der Feldherr konte ſich
laͤnger des Lachens nicht enthalten/ ſagende:
Er ſehe wohl/ daß er auff eine ſo tieffſinnige Be-
redſamkeit verfallen waͤre/ welche auch der Waꝛ-
heit abgewinnen koͤnte/ und waͤre er nur zu ver-
nehmen begierig: Ob ſie auch die durch Miß-
braͤuche angenommene Zaͤrtligkeiten des Frau-
enzimmers heraus zu ſtreichen/ und ihr Wort
zu reden auff ſich nehmen wuͤrde. Die Koͤni-
gin verwechſelte dieſen Schertz mit einem an-
dern/ und fing an: So wenig die Heßligkeit
ſchoͤn/ und der Jrrthum zur Warheit wuͤrde/
wenn man jene ſchon in Guͤldenſtuͤcke kleidete/
dieſer aber eitel Centner-Worte zulegte/ ſo we-
nig traute ſie des Feldherrn Hoͤffligkeit zu/ daß
er zwiſchen des Frauenzimmers Rein- und Ge-
maͤchligkeit/ und den Waffen keine Gemein-
ſchafft dulden koͤnte. Die Tugend ſey der Wol-

luſt
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/255>, abgerufen am 22.11.2024.