Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Anderes Buch
[Spaltenumbruch] entfernte Völcker/ welche nur seine Thaten er-
zehlen hören/ und darunter auch unsere Deut-
schen und Gallier/ haben ihn durch Gesandten
zu Babylon dafür verehret; Und der weltbe-
rühmte Hannibal hat ihm die erste Stelle unter
allen Helden eingeräumt. Zeno fiel ein: ja/
und nach dem Pyrrhus hat Hannibal ihm den
dritten Platz zugeeignet. Alleine als ihn Sci-
pio gefragt: wo er sich hinstellen wolte/ wenn er
den Scipio überwunden/ hätte Hannibal sich
über alle zu setzen vermeinet. Da nun aber
Julius dem Scipio vorginge/ könte nach Han-
nibals Urthel Alexander nicht dem Julius vor-
gezogen werden. Marcomir nahm wahr/ daß
dieser Einwurf eine Gelegenheit zu einem
neuen Zwiste geben würde; daher er/ um selb-
ten zu unterbrechen/ anfing: Es würde Ma-
lovend seines Marcomirs drüber vergessen/
welcher Alexandern und dem Julius den Lor-
berkrantz nicht wenig zweiffelhaft machen wür-
de/ wenn die Zeit und die ihm als einem Deut-
schen dißfalls gebührende Bescheidenheit ihn
von einer umständlichen Vergleichung nicht
zurücke hielte; die aber aus Malovends Erzeh-
lung unschwer zu machen wäre. Es hätte ied-
wedes Volck und eine iegliche Zeit Beyspiele
der Tugend/ welche Frembden und der Nach-
welt ein Licht zu geben würdig wären. Er
wüste aber nicht/ ob die Mißgunst oder das Ver-
hängnüß Schuld daran wäre/ daß man neue
und einheimische Sachen mit unachtsamen Au-
gen übersehe/ und nur alte und frembde hoch
hielte. Er stellte dem Zeno und Rhemetalces
alleine zu bedencken anheim: daß Marcomir
viertzig Schlachten gewonnen/ und siebentzig
Kriege geendigt habe; daß er sechs mahl in Bri-
tannien/ sieben mahl in Sarmatien/ zwey mahl
in Colchis/ vier mahl in Gallien/ zehn mahl in
Pannonien gewesen/ und eilf mahl übers
Meer gefahren sey. Wo aber für etwas son-
derlichs zu schätzen wäre; wenn ein Fürst durch
Gemüths-Mäßigung seiner Herrschafft ehe/
[Spaltenumbruch] als das Verhängnüß/ ein Ziel steckte/ so würde
Marcomirs Beschluß/ welcher alle Wercke
krönete/ dem Alexander und Julius auser zweif-
fel den Vortheil abrennen. Denn jener wäre
von seinen Freunden durch Gifft/ dieser durch
das kalte Eisen aufgerieben worden/ als beyder
unersättliches Gemüthe noch nach grössern
Dingen dürstete/ und ihr Kopff mit vielen Chi-
mären schwanger ging. Der Feldherr Mar-
comir aber hätte für die höchste Glückseligkeit ge-
priesen/ wenn einer als ein Fürst gebohren wür-
de/ als ein Held lebte/ und als ein Weiser stürbe.
Dannenhero hätte er nach Besiegung aller sei-
ner Feinde sich selbst überwunden; und nach
dem er so gelebt/ daß es niemanden/ als die Fein-
de des Vaterlands/ gereuen dorfte; auch so lan-
ge/ daß er zu Verewigung seines Nahmens den
minsten Beysatz der Zeit bedorfte/ bey noch hur-
tigen Leibes- und Gemüths-Kräfften Würde
und Herrschafft nieder gelegt. Seine Siegs-
Gepränge verwechselte er mit einer andächtigen
Einsamkeit/ seine Reichs-Sorgen mit einer
Betrachtung irrdischer Vergängligkeit. Die
Nachsinnung über der Unsterbligkeit der See-
len/ war zugleich seine Erlustigung und Ehr-
sucht.

Diese letztere Entschlüssung/ fing Zeno an/
halte ich für eine grössere Hertzhafftigkeit/ als
seine vorgehende. Denn ob schon kein Ort o-
der Stand zu finden/ darinnen ein tugendhaff-
ter Geist nicht eben so wohl als Diogenes in sei-
nem Fasse seine Vergnügung antreffen/ und
ihm eine annehmliche Einsamkeit bauen könte;
so erfoderte doch die Kunst wohl zu sterben nichts
minder Zeit und Sorgfalt/ als das Leben. Die-
se aber so lange an sich kommen lassen/ biß die
Ohnmacht des Alters und das Gespenste des
Todes uns überfalle/ wäre die schädlichste
Schlaff-Sucht. Sintemahl beydes den Men-
schen in einem Augenblicke/ wie die Nächte die
Nachbarn beyder Angelsterne mit einer kohl-
schwartzen Finsternüß überfiele; Niemand a-

ber

Anderes Buch
[Spaltenumbruch] entfernte Voͤlcker/ welche nur ſeine Thaten er-
zehlen hoͤren/ und darunter auch unſere Deut-
ſchen und Gallier/ haben ihn durch Geſandten
zu Babylon dafuͤr verehret; Und der weltbe-
ruͤhmte Hannibal hat ihm die erſte Stelle unter
allen Helden eingeraͤumt. Zeno fiel ein: ja/
und nach dem Pyrrhus hat Hannibal ihm den
dritten Platz zugeeignet. Alleine als ihn Sci-
pio gefragt: wo er ſich hinſtellen wolte/ wenn er
den Scipio uͤberwunden/ haͤtte Hannibal ſich
uͤber alle zu ſetzen vermeinet. Da nun aber
Julius dem Scipio vorginge/ koͤnte nach Han-
nibals Urthel Alexander nicht dem Julius vor-
gezogen werden. Marcomir nahm wahr/ daß
dieſer Einwurf eine Gelegenheit zu einem
neuen Zwiſte geben wuͤrde; daher er/ um ſelb-
ten zu unterbrechen/ anfing: Es wuͤrde Ma-
lovend ſeines Marcomirs druͤber vergeſſen/
welcher Alexandern und dem Julius den Lor-
berkrantz nicht wenig zweiffelhaft machen wuͤr-
de/ wenn die Zeit und die ihm als einem Deut-
ſchen dißfalls gebuͤhrende Beſcheidenheit ihn
von einer umſtaͤndlichen Vergleichung nicht
zuruͤcke hielte; die aber aus Malovends Erzeh-
lung unſchwer zu machen waͤre. Es haͤtte ied-
wedes Volck und eine iegliche Zeit Beyſpiele
der Tugend/ welche Frembden und der Nach-
welt ein Licht zu geben wuͤrdig waͤren. Er
wuͤſte aber nicht/ ob die Mißgunſt oder das Ver-
haͤngnuͤß Schuld daran waͤre/ daß man neue
und einheimiſche Sachen mit unachtſamen Au-
gen uͤberſehe/ und nur alte und frembde hoch
hielte. Er ſtellte dem Zeno und Rhemetalces
alleine zu bedencken anheim: daß Marcomir
viertzig Schlachten gewonnen/ und ſiebentzig
Kriege geendigt habe; daß er ſechs mahl in Bri-
tannien/ ſieben mahl in Sarmatien/ zwey mahl
in Colchis/ vier mahl in Gallien/ zehn mahl in
Pannonien geweſen/ und eilf mahl uͤbers
Meer gefahren ſey. Wo aber fuͤr etwas ſon-
derlichs zu ſchaͤtzen waͤre; wenn ein Fuͤrſt durch
Gemuͤths-Maͤßigung ſeiner Herrſchafft ehe/
[Spaltenumbruch] als das Verhaͤngnuͤß/ ein Ziel ſteckte/ ſo wuͤrde
Marcomirs Beſchluß/ welcher alle Wercke
kroͤnete/ dem Alexander und Julius auſer zweif-
fel den Vortheil abrennen. Denn jener waͤre
von ſeinen Freunden durch Gifft/ dieſer durch
das kalte Eiſen aufgerieben worden/ als beyder
unerſaͤttliches Gemuͤthe noch nach groͤſſern
Dingen duͤrſtete/ und ihr Kopff mit vielen Chi-
maͤren ſchwanger ging. Der Feldherr Mar-
comir aber haͤtte fuͤr die hoͤchſte Gluͤckſeligkeit ge-
prieſen/ wenn einer als ein Fuͤrſt gebohren wuͤr-
de/ als ein Held lebte/ und als ein Weiſer ſtuͤrbe.
Dannenhero haͤtte er nach Beſiegung aller ſei-
ner Feinde ſich ſelbſt uͤberwunden; und nach
dem er ſo gelebt/ daß es niemanden/ als die Fein-
de des Vaterlands/ gereuen dorfte; auch ſo lan-
ge/ daß er zu Verewigung ſeines Nahmens den
minſten Beyſatz der Zeit bedorfte/ bey noch hur-
tigen Leibes- und Gemuͤths-Kraͤfften Wuͤrde
und Herrſchafft nieder gelegt. Seine Siegs-
Gepraͤnge verwechſelte er mit einer andaͤchtigen
Einſamkeit/ ſeine Reichs-Sorgen mit einer
Betrachtung irrdiſcher Vergaͤngligkeit. Die
Nachſinnung uͤber der Unſterbligkeit der See-
len/ war zugleich ſeine Erluſtigung und Ehr-
ſucht.

Dieſe letztere Entſchluͤſſung/ fing Zeno an/
halte ich fuͤr eine groͤſſere Hertzhafftigkeit/ als
ſeine vorgehende. Denn ob ſchon kein Ort o-
der Stand zu finden/ darinnen ein tugendhaff-
ter Geiſt nicht eben ſo wohl als Diogenes in ſei-
nem Faſſe ſeine Vergnuͤgung antreffen/ und
ihm eine annehmliche Einſamkeit bauen koͤnte;
ſo erfoderte doch die Kunſt wohl zu ſterben nichts
minder Zeit und Sorgfalt/ als das Leben. Die-
ſe aber ſo lange an ſich kommen laſſen/ biß die
Ohnmacht des Alters und das Geſpenſte des
Todes uns uͤberfalle/ waͤre die ſchaͤdlichſte
Schlaff-Sucht. Sintemahl beydes den Men-
ſchen in einem Augenblicke/ wie die Naͤchte die
Nachbarn beyder Angelſterne mit einer kohl-
ſchwartzen Finſternuͤß uͤberfiele; Niemand a-

ber
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0188" n="138"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Anderes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
entfernte Vo&#x0364;lcker/ welche nur &#x017F;eine Thaten er-<lb/>
zehlen ho&#x0364;ren/ und darunter auch un&#x017F;ere Deut-<lb/>
&#x017F;chen und Gallier/ haben ihn durch Ge&#x017F;andten<lb/>
zu Babylon dafu&#x0364;r verehret; Und der weltbe-<lb/>
ru&#x0364;hmte Hannibal hat ihm die er&#x017F;te Stelle unter<lb/>
allen Helden eingera&#x0364;umt. Zeno fiel ein: ja/<lb/>
und nach dem Pyrrhus hat Hannibal ihm den<lb/>
dritten Platz zugeeignet. Alleine als ihn Sci-<lb/>
pio gefragt: wo er &#x017F;ich hin&#x017F;tellen wolte/ wenn er<lb/>
den Scipio u&#x0364;berwunden/ ha&#x0364;tte Hannibal &#x017F;ich<lb/>
u&#x0364;ber alle zu &#x017F;etzen vermeinet. Da nun aber<lb/>
Julius dem Scipio vorginge/ ko&#x0364;nte nach Han-<lb/>
nibals Urthel Alexander nicht dem Julius vor-<lb/>
gezogen werden. Marcomir nahm wahr/ daß<lb/>
die&#x017F;er Einwurf eine Gelegenheit zu einem<lb/>
neuen Zwi&#x017F;te geben wu&#x0364;rde; daher er/ um &#x017F;elb-<lb/>
ten zu unterbrechen/ anfing: Es wu&#x0364;rde Ma-<lb/>
lovend &#x017F;eines Marcomirs dru&#x0364;ber verge&#x017F;&#x017F;en/<lb/>
welcher Alexandern und dem Julius den Lor-<lb/>
berkrantz nicht wenig zweiffelhaft machen wu&#x0364;r-<lb/>
de/ wenn die Zeit und die ihm als einem Deut-<lb/>
&#x017F;chen dißfalls gebu&#x0364;hrende Be&#x017F;cheidenheit ihn<lb/>
von einer um&#x017F;ta&#x0364;ndlichen Vergleichung nicht<lb/>
zuru&#x0364;cke hielte; die aber aus Malovends Erzeh-<lb/>
lung un&#x017F;chwer zu machen wa&#x0364;re. Es ha&#x0364;tte ied-<lb/>
wedes Volck und eine iegliche Zeit Bey&#x017F;piele<lb/>
der Tugend/ welche Frembden und der Nach-<lb/>
welt ein Licht zu geben wu&#x0364;rdig wa&#x0364;ren. Er<lb/>
wu&#x0364;&#x017F;te aber nicht/ ob die Mißgun&#x017F;t oder das Ver-<lb/>
ha&#x0364;ngnu&#x0364;ß Schuld daran wa&#x0364;re/ daß man neue<lb/>
und einheimi&#x017F;che Sachen mit unacht&#x017F;amen Au-<lb/>
gen u&#x0364;ber&#x017F;ehe/ und nur alte und frembde hoch<lb/>
hielte. Er &#x017F;tellte dem Zeno und Rhemetalces<lb/>
alleine zu bedencken anheim: daß Marcomir<lb/>
viertzig Schlachten gewonnen/ und &#x017F;iebentzig<lb/>
Kriege geendigt habe; daß er &#x017F;echs mahl in Bri-<lb/>
tannien/ &#x017F;ieben mahl in Sarmatien/ zwey mahl<lb/>
in Colchis/ vier mahl in Gallien/ zehn mahl in<lb/>
Pannonien gewe&#x017F;en/ und eilf mahl u&#x0364;bers<lb/>
Meer gefahren &#x017F;ey. Wo aber fu&#x0364;r etwas &#x017F;on-<lb/>
derlichs zu &#x017F;cha&#x0364;tzen wa&#x0364;re; wenn ein Fu&#x0364;r&#x017F;t durch<lb/>
Gemu&#x0364;ths-Ma&#x0364;ßigung &#x017F;einer Herr&#x017F;chafft ehe/<lb/><cb/>
als das Verha&#x0364;ngnu&#x0364;ß/ ein Ziel &#x017F;teckte/ &#x017F;o wu&#x0364;rde<lb/>
Marcomirs Be&#x017F;chluß/ welcher alle Wercke<lb/>
kro&#x0364;nete/ dem Alexander und Julius au&#x017F;er zweif-<lb/>
fel den Vortheil abrennen. Denn jener wa&#x0364;re<lb/>
von &#x017F;einen Freunden durch Gifft/ die&#x017F;er durch<lb/>
das kalte Ei&#x017F;en aufgerieben worden/ als beyder<lb/>
uner&#x017F;a&#x0364;ttliches Gemu&#x0364;the noch nach gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern<lb/>
Dingen du&#x0364;r&#x017F;tete/ und ihr Kopff mit vielen Chi-<lb/>
ma&#x0364;ren &#x017F;chwanger ging. Der Feldherr Mar-<lb/>
comir aber ha&#x0364;tte fu&#x0364;r die ho&#x0364;ch&#x017F;te Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit ge-<lb/>
prie&#x017F;en/ wenn einer als ein Fu&#x0364;r&#x017F;t gebohren wu&#x0364;r-<lb/>
de/ als ein Held lebte/ und als ein Wei&#x017F;er &#x017F;tu&#x0364;rbe.<lb/>
Dannenhero ha&#x0364;tte er nach Be&#x017F;iegung aller &#x017F;ei-<lb/>
ner Feinde &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t u&#x0364;berwunden; und nach<lb/>
dem er &#x017F;o gelebt/ daß es niemanden/ als die Fein-<lb/>
de des Vaterlands/ gereuen dorfte; auch &#x017F;o lan-<lb/>
ge/ daß er zu Verewigung &#x017F;eines Nahmens den<lb/>
min&#x017F;ten Bey&#x017F;atz der Zeit bedorfte/ bey noch hur-<lb/>
tigen Leibes- und Gemu&#x0364;ths-Kra&#x0364;fften Wu&#x0364;rde<lb/>
und Herr&#x017F;chafft nieder gelegt. Seine Siegs-<lb/>
Gepra&#x0364;nge verwech&#x017F;elte er mit einer anda&#x0364;chtigen<lb/>
Ein&#x017F;amkeit/ &#x017F;eine Reichs-Sorgen mit einer<lb/>
Betrachtung irrdi&#x017F;cher Verga&#x0364;ngligkeit. Die<lb/>
Nach&#x017F;innung u&#x0364;ber der Un&#x017F;terbligkeit der See-<lb/>
len/ war zugleich &#x017F;eine Erlu&#x017F;tigung und Ehr-<lb/>
&#x017F;ucht.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;e letztere Ent&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ung/ fing Zeno an/<lb/>
halte ich fu&#x0364;r eine gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ere Hertzhafftigkeit/ als<lb/>
&#x017F;eine vorgehende. Denn ob &#x017F;chon kein Ort o-<lb/>
der Stand zu finden/ darinnen ein tugendhaff-<lb/>
ter Gei&#x017F;t nicht eben &#x017F;o wohl als Diogenes in &#x017F;ei-<lb/>
nem Fa&#x017F;&#x017F;e &#x017F;eine Vergnu&#x0364;gung antreffen/ und<lb/>
ihm eine annehmliche Ein&#x017F;amkeit bauen ko&#x0364;nte;<lb/>
&#x017F;o erfoderte doch die Kun&#x017F;t wohl zu &#x017F;terben nichts<lb/>
minder Zeit und Sorgfalt/ als das Leben. Die-<lb/>
&#x017F;e aber &#x017F;o lange an &#x017F;ich kommen la&#x017F;&#x017F;en/ biß die<lb/>
Ohnmacht des Alters und das Ge&#x017F;pen&#x017F;te des<lb/>
Todes uns u&#x0364;berfalle/ wa&#x0364;re die &#x017F;cha&#x0364;dlich&#x017F;te<lb/>
Schlaff-Sucht. Sintemahl beydes den Men-<lb/>
&#x017F;chen in einem Augenblicke/ wie die Na&#x0364;chte die<lb/>
Nachbarn beyder Angel&#x017F;terne mit einer kohl-<lb/>
&#x017F;chwartzen Fin&#x017F;ternu&#x0364;ß u&#x0364;berfiele; Niemand a-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ber</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[138/0188] Anderes Buch entfernte Voͤlcker/ welche nur ſeine Thaten er- zehlen hoͤren/ und darunter auch unſere Deut- ſchen und Gallier/ haben ihn durch Geſandten zu Babylon dafuͤr verehret; Und der weltbe- ruͤhmte Hannibal hat ihm die erſte Stelle unter allen Helden eingeraͤumt. Zeno fiel ein: ja/ und nach dem Pyrrhus hat Hannibal ihm den dritten Platz zugeeignet. Alleine als ihn Sci- pio gefragt: wo er ſich hinſtellen wolte/ wenn er den Scipio uͤberwunden/ haͤtte Hannibal ſich uͤber alle zu ſetzen vermeinet. Da nun aber Julius dem Scipio vorginge/ koͤnte nach Han- nibals Urthel Alexander nicht dem Julius vor- gezogen werden. Marcomir nahm wahr/ daß dieſer Einwurf eine Gelegenheit zu einem neuen Zwiſte geben wuͤrde; daher er/ um ſelb- ten zu unterbrechen/ anfing: Es wuͤrde Ma- lovend ſeines Marcomirs druͤber vergeſſen/ welcher Alexandern und dem Julius den Lor- berkrantz nicht wenig zweiffelhaft machen wuͤr- de/ wenn die Zeit und die ihm als einem Deut- ſchen dißfalls gebuͤhrende Beſcheidenheit ihn von einer umſtaͤndlichen Vergleichung nicht zuruͤcke hielte; die aber aus Malovends Erzeh- lung unſchwer zu machen waͤre. Es haͤtte ied- wedes Volck und eine iegliche Zeit Beyſpiele der Tugend/ welche Frembden und der Nach- welt ein Licht zu geben wuͤrdig waͤren. Er wuͤſte aber nicht/ ob die Mißgunſt oder das Ver- haͤngnuͤß Schuld daran waͤre/ daß man neue und einheimiſche Sachen mit unachtſamen Au- gen uͤberſehe/ und nur alte und frembde hoch hielte. Er ſtellte dem Zeno und Rhemetalces alleine zu bedencken anheim: daß Marcomir viertzig Schlachten gewonnen/ und ſiebentzig Kriege geendigt habe; daß er ſechs mahl in Bri- tannien/ ſieben mahl in Sarmatien/ zwey mahl in Colchis/ vier mahl in Gallien/ zehn mahl in Pannonien geweſen/ und eilf mahl uͤbers Meer gefahren ſey. Wo aber fuͤr etwas ſon- derlichs zu ſchaͤtzen waͤre; wenn ein Fuͤrſt durch Gemuͤths-Maͤßigung ſeiner Herrſchafft ehe/ als das Verhaͤngnuͤß/ ein Ziel ſteckte/ ſo wuͤrde Marcomirs Beſchluß/ welcher alle Wercke kroͤnete/ dem Alexander und Julius auſer zweif- fel den Vortheil abrennen. Denn jener waͤre von ſeinen Freunden durch Gifft/ dieſer durch das kalte Eiſen aufgerieben worden/ als beyder unerſaͤttliches Gemuͤthe noch nach groͤſſern Dingen duͤrſtete/ und ihr Kopff mit vielen Chi- maͤren ſchwanger ging. Der Feldherr Mar- comir aber haͤtte fuͤr die hoͤchſte Gluͤckſeligkeit ge- prieſen/ wenn einer als ein Fuͤrſt gebohren wuͤr- de/ als ein Held lebte/ und als ein Weiſer ſtuͤrbe. Dannenhero haͤtte er nach Beſiegung aller ſei- ner Feinde ſich ſelbſt uͤberwunden; und nach dem er ſo gelebt/ daß es niemanden/ als die Fein- de des Vaterlands/ gereuen dorfte; auch ſo lan- ge/ daß er zu Verewigung ſeines Nahmens den minſten Beyſatz der Zeit bedorfte/ bey noch hur- tigen Leibes- und Gemuͤths-Kraͤfften Wuͤrde und Herrſchafft nieder gelegt. Seine Siegs- Gepraͤnge verwechſelte er mit einer andaͤchtigen Einſamkeit/ ſeine Reichs-Sorgen mit einer Betrachtung irrdiſcher Vergaͤngligkeit. Die Nachſinnung uͤber der Unſterbligkeit der See- len/ war zugleich ſeine Erluſtigung und Ehr- ſucht. Dieſe letztere Entſchluͤſſung/ fing Zeno an/ halte ich fuͤr eine groͤſſere Hertzhafftigkeit/ als ſeine vorgehende. Denn ob ſchon kein Ort o- der Stand zu finden/ darinnen ein tugendhaff- ter Geiſt nicht eben ſo wohl als Diogenes in ſei- nem Faſſe ſeine Vergnuͤgung antreffen/ und ihm eine annehmliche Einſamkeit bauen koͤnte; ſo erfoderte doch die Kunſt wohl zu ſterben nichts minder Zeit und Sorgfalt/ als das Leben. Die- ſe aber ſo lange an ſich kommen laſſen/ biß die Ohnmacht des Alters und das Geſpenſte des Todes uns uͤberfalle/ waͤre die ſchaͤdlichſte Schlaff-Sucht. Sintemahl beydes den Men- ſchen in einem Augenblicke/ wie die Naͤchte die Nachbarn beyder Angelſterne mit einer kohl- ſchwartzen Finſternuͤß uͤberfiele; Niemand a- ber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/188
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/188>, abgerufen am 22.11.2024.