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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Neuntes Buch
[Spaltenumbruch] eigenen Ursprunge wohl wusten: daß die Sonne
als die Seele der Welt/ der Brunn des Lebens/
der Vater der Fruchtbarkeit/ der Fürst der Na-
tur/ das Hertze des Himmels/ der Geist des Erd-
reichs/ ein Gott der Geburt nicht nur aus
Schlamme allerhand Gewürme/ aus dem Ge-
säme alle Pflantzen machte; sondern auch als
der rechte Prometheus der Uhrheber menschli-
cher Zeugung wäre; aber wohl über der unver-
gleichlichen Schönheit dieses neuen Bildes ;
welches mit den krausen Haaren die durcheinan-
der geflochtenen Blätter der Rose/ mit dem Ant-
litze und denen Augen zugleich ihre Rundte und
Liebreitz/ mit den Lippen/ Wangen und Spi-
tzen der Brüste ihre Purper-Farbe/ mit ihrem
Athemeden Geruch/ ja in allen Gliedern etwas
von der anmuthigen Eigenschafft ihrer mütter li-
chen Blume abbildete. Diese Verwunderung
erwieß allhier ein merckwürdig Beyspiel: daß
sie stärcker wäre als der Mutter-Schmertz/ wel-
che die Kinderlose Niobe in einen Thränen-rin-
nenden Steinfels verkehret hat; als die Furcht;
wordurch die vom Pan gejagte Syrinx zum
Schilff-Rohre/ und des Alpheus Buhlschafft
Arethusa zu einem Brunnen worden; als das
Schrecken/ welches alle/ die der Medusen
Schlangen-Haar ansahen/ in Steine verwan-
delte; als die Liebe/ durch die Alpheus in einen
Fluß zerran; als die Eiversucht/ die die Cal-
listo zum Bären machte; als die Mißgunst/ die
die Seiden-Weberin Arachne zur Spinne wer-
den ließ; ja als die Zauberey/ wordurch Circe
die Menschen in wildes Vieh verstellte. Denn
die Lilge fieng an allen Gliedern an so weich/ als
geronnene Milch zu werden. Aus ihren Brü-
sten sprützte/ und von Fingern und Zeen troff
Milch; endlich zerran ihr gantzer Leib in diese
süsse Feuchtigkeit/ wor aus sie anfangs entspros-
sen war. Die Narcisse ließ auch helle Tropfen
von ihren Wangen abschüssen/ welche man an-
fangs für Mitleidungs-Thränen über ihre
Schwester der Lilge hielt; sie zerfloß aber her-
[Spaltenumbruch] nach gantz und gar in Wasser/ als den ersten
Ursprung der Verwandelung. Aus dem Mun-
de der Melisse kamen anfangs/ wie weiland aus
dem Zucker-Munde des noch in Windeln lie-
genden Plato Bienen geflogen; welches an-
fangs darfür aufgenommen war/ als wenn sie
von ihren süssen Lippen Honig geholet hätten.
Her nach aber fiengen alle euserste Glieder an
diese Thierlein zu gebehren/ biß en dlich der gan-
tze Leib in einen Bienen-Schwarm verflog.
Gleich darauf ward die Acanthus- oder Bä-
renklau-Blume wie Wachs weich/ fieng an vom
Oele zu trieffen/ gleich als wenn sie mit diesem
denen Bienen so widrigen Safte das aus Me-
lissen entsprossene Gewürme tödten/ und ihr zu
vorigem Wesen verhelffen wolte. Alleine sie
zerfloß endlich in eitel Oel. Der Jasmin fiel
zugleich ohnmächtig zur Erde; denn sein Leib
ward zu einem Nebel/ welcher sich hernach wie
ein dinner Rauch in eitel Geruch zertheilte.
Der Nelcke Antlitz fieng an wie ein Stern/ her-
nach wie der Blitz zu schimmern/ endlich ihr gan-
tzer Leib lichten Loh zu brennen; und also ihr gan-
tzes Wesen zu einer sich verzehrenden Flamme
zu werden. Gleicher gestalt zerfloß der Klee
in Honig/ die Königs-Krone in Thränen/ die
Anemone in Blut/ die Thal-Lilge in Thau/ das
Frauen-Haar in Wein/ vielleicht weil dieser
für der Venus Milch gehalten wird; die Feil-
ge in Zucker/ der Hyacinth in eine Himmel-
Farbe/ die Tulipane verschwand in einen Wind/
die Schwerdt-Lilge ward zu einem Regen-Bo-
gen/ der Tausendschön zu einem Sterne/ und
mit einem Worte: alle in Gestalt der frischesten
Jünglinge und der schönsten Jungfrauen in
dem Schau-Platze erschienenen Blumen ver-
rauchten oder wurden zu Wasser. Die sechs
der Sonnen aufwartende Jrr-Gestirne wusten
nicht: ob sie sich über Verschwindung so vieler
Blumen/ welche ihrem Glantze wohl ehe Kampf
angeboten hatten/ erfreuen/ oder über dem
Siegs-Gepränge der Rose betrüben solten.

Nach-

Neuntes Buch
[Spaltenumbruch] eigenen Urſprunge wohl wuſten: daß die Sonne
als die Seele der Welt/ der Brunn des Lebens/
der Vater der Fruchtbarkeit/ der Fuͤrſt der Na-
tur/ das Hertze des Himmels/ der Geiſt des Erd-
reichs/ ein Gott der Geburt nicht nur aus
Schlamme allerhand Gewuͤrme/ aus dem Ge-
ſaͤme alle Pflantzen machte; ſondern auch als
der rechte Prometheus der Uhrheber menſchli-
cher Zeugung waͤre; aber wohl uͤber der unver-
gleichlichen Schoͤnheit dieſes neuen Bildes ;
welches mit den krauſen Haaren die durcheinan-
der geflochtenen Blaͤtter der Roſe/ mit dem Ant-
litze und denen Augen zugleich ihre Rundte und
Liebreitz/ mit den Lippen/ Wangen und Spi-
tzen der Bruͤſte ihre Purper-Farbe/ mit ihrem
Athemeden Geruch/ ja in allen Gliedern etwas
von der anmuthigen Eigenſchafft ihreꝛ muͤtter li-
chen Blume abbildete. Dieſe Verwunderung
erwieß allhier ein merckwuͤrdig Beyſpiel: daß
ſie ſtaͤrcker waͤre als der Mutter-Schmertz/ wel-
che die Kinderloſe Niobe in einen Thraͤnen-rin-
nenden Steinfels verkehret hat; als die Furcht;
wordurch die vom Pan gejagte Syrinx zum
Schilff-Rohre/ und des Alpheus Buhlſchafft
Arethuſa zu einem Brunnen worden; als das
Schrecken/ welches alle/ die der Meduſen
Schlangen-Haar anſahen/ in Steine verwan-
delte; als die Liebe/ durch die Alpheus in einen
Fluß zerran; als die Eiverſucht/ die die Cal-
liſto zum Baͤren machte; als die Mißgunſt/ die
die Seiden-Weberin Arachne zur Spinne wer-
den ließ; ja als die Zauberey/ wordurch Circe
die Menſchen in wildes Vieh verſtellte. Denn
die Lilge fieng an allen Gliedern an ſo weich/ als
geronnene Milch zu werden. Aus ihren Bruͤ-
ſten ſpruͤtzte/ und von Fingern und Zeen troff
Milch; endlich zerran ihr gantzer Leib in dieſe
ſuͤſſe Feuchtigkeit/ wor aus ſie anfangs entſproſ-
ſen war. Die Naꝛciſſe ließ auch helle Tropfen
von ihren Wangen abſchuͤſſen/ welche man an-
fangs fuͤr Mitleidungs-Thraͤnen uͤber ihre
Schweſter der Lilge hielt; ſie zerfloß aber her-
[Spaltenumbruch] nach gantz und gar in Waſſer/ als den erſten
Urſprung der Verwandelung. Aus dem Mun-
de der Meliſſe kamen anfangs/ wie weiland aus
dem Zucker-Munde des noch in Windeln lie-
genden Plato Bienen geflogen; welches an-
fangs darfuͤr aufgenommen war/ als wenn ſie
von ihren ſuͤſſen Lippen Honig geholet haͤtten.
Her nach aber fiengen alle euſerſte Glieder an
dieſe Thierlein zu gebehren/ biß en dlich der gan-
tze Leib in einen Bienen-Schwarm verflog.
Gleich darauf ward die Acanthus- oder Baͤ-
renklau-Blume wie Wachs weich/ fieng an vom
Oele zu trieffen/ gleich als wenn ſie mit dieſem
denen Bienen ſo widrigen Safte das aus Me-
liſſen entſproſſene Gewuͤrme toͤdten/ und ihr zu
vorigem Weſen verhelffen wolte. Alleine ſie
zerfloß endlich in eitel Oel. Der Jaſmin fiel
zugleich ohnmaͤchtig zur Erde; denn ſein Leib
ward zu einem Nebel/ welcher ſich hernach wie
ein dinner Rauch in eitel Geruch zertheilte.
Der Nelcke Antlitz fieng an wie ein Stern/ her-
nach wie der Blitz zu ſchimmern/ endlich ihr gan-
tzeꝛ Leib lichten Loh zu brennen; und alſo ihr gan-
tzes Weſen zu einer ſich verzehrenden Flamme
zu werden. Gleicher geſtalt zerfloß der Klee
in Honig/ die Koͤnigs-Krone in Thraͤnen/ die
Anemone in Blut/ die Thal-Lilge in Thau/ das
Frauen-Haar in Wein/ vielleicht weil dieſer
fuͤr der Venus Milch gehalten wird; die Feil-
ge in Zucker/ der Hyacinth in eine Himmel-
Farbe/ die Tulipane verſchwand in einen Wind/
die Schwerdt-Lilge ward zu einem Regen-Bo-
gen/ der Tauſendſchoͤn zu einem Sterne/ und
mit einem Worte: alle in Geſtalt der friſcheſten
Juͤnglinge und der ſchoͤnſten Jungfrauen in
dem Schau-Platze erſchienenen Blumen ver-
rauchten oder wurden zu Waſſer. Die ſechs
der Sonnen aufwartende Jrr-Geſtirne wuſten
nicht: ob ſie ſich uͤber Verſchwindung ſo vieler
Blumen/ welche ihrem Glantze wohl ehe Kampf
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Siegs-Gepraͤnge der Roſe betruͤben ſolten.

Nach-
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1400[1402]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1468>, abgerufen am 23.11.2024.