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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Wolle/ und das Gespinste der Seiden-Wür-
mer übertreffende Zärtligkeit. Alleine alle an-
dere Blumen redeten der Rose ihr Wort; und
schalten diese drey Zwerge: daß sie dieser Riesin
der Blumen/ ja der Sonne selbst/ als ihrem
Blumen-Vater/ sich Krieg anzukündigen wag-
ten; dessen Urthel nach die Rosen nicht nur Ster-
nen/ sondern Sonnen des Erdreichs wären;
und/ weil sie an der Sonne selbst ihr wahres Eben-
bild im Himmel hätten/ nicht allererst unter die
geringeren Nacht-Gestirne versetzt zu werden
verlangten; auch wo nicht alle/ doch die meisten
Blumen mit ihrem Geruche/ ja gar Weyrauch/
Ambra und Musch wegstächen. Den Abgang
aber des Geruchs der Sinischen Rose ersetzte reich-
lich ihre Stärcke und Tauerhaftigkeit; indem sie
auf keinem schwachen Stengel aus einer unge-
stalten Zwiebel nicht einzelich/ sondern auf einem
rechten Baume in der Menge wüchse; und
nach Art der den Winter und Frost verhöhnen-
den Damascener-Rose schier das gantze Jahr
durch/ biß die Sonne selbst im Winter einen
Stillestand hält/ blühete; ja zu noch grösserer
Verwunderung auch/ wenn sie schon
von ihrem mütterlichen Stiele abgebrochen
wäre; doch in einem angewässerten Gefässe
nach dem Auf-Fort- und Untergange
der Sonne eben so richtig ihre Farben verwan-
delt; als die verliebte Sonnenwende ihr Haupt
diesem ihrem Buhler nachwendet; gleich als
wenn sie gegen dem Anaxagoras behaupten wol-
te: daß die Blumen nichts minder als die Men-
schen umb das grosse Welt-Auge nur anzuschau-
en gebohren wären. Sintemal sie auch allein
mit dem Sonnen-Lichte den Geist/ und von ih-
rer Wärmde die Seele bekämen. Die Dor-
nen der Rosen aber wären theils ihre Waffen/
welche den Vorwitz abhielte: daß er ein so himm-
lisch Geschöpfe nicht verunehrte/ theils Anrei-
tzungen der Augen umb diese Königin desto ge-
nauer zu betrachten/ weil sich die Hände sonder
Verwundung ihnen schwerlich nähern dörften.
[Spaltenumbruch] Die es allgemeine Urthel nöthigte nunmehr
auch die obige widersinnige Blumen: daß sie
ihre Ehrsucht in einen ehrerbietigen Beyfall
verkehreten; und würden sie die Rose mit meh-
rern Ruhm-Sprüchen verehret haben/ wenn
sie nicht wahrgenommen hätten: daß ihre Blät-
ter eitel Zungen abbildeten; gleich als wenn sie
nur selbst/ keine andere Zunge aber sie anständi-
ger zu rühmen fähig wären. Zumal über diß
ihr sich in die Lüffte zertheilender Geruch ein an-
nehmlicher Ausruff und Ausbreitung ihres Lo-
bes; ihre Purper-Farbe nichts minder eine
Erinnerung der schamhaften Verschwiegenheit/
als ein Kennzeichen ihres Königreichs ist.

Diesemnach denn die Blumen abermals um
den neugebohrnen Rosen-Strauch einen zierli-
chen Tantz hegten/ aller ihrer Feindseligkeit ver-
gassen; also: daß der sonst alle benachbarte
Blumen/ insonderheit die Anemonen versäu-
gende Hahnen-Fuß/ und die aus Ehr-Geitz
schier keine Gemeinschafft vertragende Tulipa-
nen sich mit allen andern friedlich gatteten/
beym Anfange und Beschlusse iedes Reyen für
der neuen Blumen-Königin demüthig bückten/
und ihre vorhin abgenommene Kräntze zum
Zeichen des Friedens wieder aufs Haupt setz-
ten; endlich aber selbte/ als ein ihnen unanstän-
diges Kennzeichen des Sieges zerrissen/ und die
zerstreuten Blumen davon ihrer Königin
opferten.

Bey diesem währenden Tantze rührete die
Sonne mit ihrem kräfftigen Griffel abermals
den Rosen-Strauch an; worvon er sich denn
nach und nach in ein den Geist der Rose fürbil-
dendes Frauenzimmer verwandelte; gleich als
wenn hierdurch die Scharte ausgewetzt werden
solte: daß die für der verliebten Sonne fliehen-
de Dafne zu einem Lorberbaume worden. Die
vor die Geschwindigkeit des Windes gleichsam
übereilende Blumen blieben wie steinerne Bil-
der stehen; nicht zwar für Verwunderung über
der Verwandelung; sintemal sie aus ihrem

eigenen

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Wolle/ und das Geſpinſte der Seiden-Wuͤr-
mer uͤbertreffende Zaͤrtligkeit. Alleine alle an-
dere Blumen redeten der Roſe ihr Wort; und
ſchalten dieſe drey Zwerge: daß ſie dieſer Rieſin
der Blumen/ ja der Sonne ſelbſt/ als ihrem
Blumen-Vater/ ſich Krieg anzukuͤndigen wag-
ten; deſſen Urthel nach die Roſẽ nicht nur Ster-
nen/ ſondern Sonnen des Erdreichs waͤren;
und/ weil ſie an der Soñe ſelbſt ihr wahres Eben-
bild im Himmel haͤtten/ nicht allererſt unter die
geringeren Nacht-Geſtirne verſetzt zu werden
verlangten; auch wo nicht alle/ doch die meiſten
Blumen mit ihrem Geruche/ ja gar Weyrauch/
Ambra und Muſch wegſtaͤchen. Den Abgang
aber des Geruchs deꝛ Siniſchẽ Roſe eꝛſetzte reich-
lich ihre Staͤrcke und Tauerhaftigkeit; indem ſie
auf keinem ſchwachen Stengel aus einer unge-
ſtalten Zwiebel nicht einzelich/ ſondeꝛn auf einem
rechten Baume in der Menge wuͤchſe; und
nach Art der den Winter und Froſt verhoͤhnen-
den Damaſcener-Roſe ſchier das gantze Jahr
durch/ biß die Sonne ſelbſt im Winter einen
Stilleſtand haͤlt/ bluͤhete; ja zu noch groͤſſerer
Verwunderung auch/ wenn ſie ſchon
von ihrem muͤtterlichen Stiele abgebrochen
waͤre; doch in einem angewaͤſſerten Gefaͤſſe
nach dem Auf-Fort- und Untergange
der Sonne eben ſo richtig ihre Farben verwan-
delt; als die verliebte Sonnenwende ihr Haupt
dieſem ihrem Buhler nachwendet; gleich als
wenn ſie gegen dem Anaxagoꝛas behaupten wol-
te: daß die Blumen nichts minder als die Men-
ſchen umb das gꝛoſſe Welt-Auge nuꝛ anzuſchau-
en gebohren waͤren. Sintemal ſie auch allein
mit dem Sonnen-Lichte den Geiſt/ und von ih-
rer Waͤrmde die Seele bekaͤmen. Die Dor-
nen der Roſen aber waͤren theils ihre Waffen/
welche den Vorwitz abhielte: daß er ein ſo him̃-
liſch Geſchoͤpfe nicht verunehrte/ theils Anrei-
tzungen der Augen umb dieſe Koͤnigin deſto ge-
nauer zu betrachten/ weil ſich die Haͤnde ſonder
Verwundung ihnen ſchwerlich naͤhern doͤrften.
[Spaltenumbruch] Die es allgemeine Urthel noͤthigte nunmehr
auch die obige widerſinnige Blumen: daß ſie
ihre Ehrſucht in einen ehrerbietigen Beyfall
verkehreten; und wuͤrden ſie die Roſe mit meh-
rern Ruhm-Spruͤchen verehret haben/ wenn
ſie nicht wahꝛgenommen haͤtten: daß ihre Blaͤt-
ter eitel Zungen abbildeten; gleich als wenn ſie
nur ſelbſt/ keine andere Zunge aber ſie anſtaͤndi-
ger zu ruͤhmen faͤhig waͤren. Zumal uͤber diß
ihr ſich in die Luͤffte zertheilender Geruch ein an-
nehmlicher Ausruff und Ausbreitung ihres Lo-
bes; ihre Purper-Farbe nichts minder eine
Erinneꝛung deꝛ ſchamhaften Veꝛſchwiegenheit/
als ein Kennzeichen ihres Koͤnigreichs iſt.

Dieſemnach denn die Blumen abermals um
den neugebohrnen Roſen-Strauch einen zierli-
chen Tantz hegten/ aller ihrer Feindſeligkeit ver-
gaſſen; alſo: daß der ſonſt alle benachbarte
Blumen/ inſonderheit die Anemonen verſaͤu-
gende Hahnen-Fuß/ und die aus Ehr-Geitz
ſchier keine Gemeinſchafft vertragende Tulipa-
nen ſich mit allen andern friedlich gatteten/
beym Anfange und Beſchluſſe iedes Reyen fuͤr
der neuen Blumen-Koͤnigin demuͤthig buͤckten/
und ihre vorhin abgenommene Kraͤntze zum
Zeichen des Friedens wieder aufs Haupt ſetz-
ten; endlich aber ſelbte/ als ein ihnen unanſtaͤn-
diges Kennzeichen des Sieges zerriſſen/ und die
zerſtreuten Blumen davon ihrer Koͤnigin
opferten.

Bey dieſem waͤhrenden Tantze ruͤhrete die
Sonne mit ihrem kraͤfftigen Griffel abermals
den Roſen-Strauch an; worvon er ſich denn
nach und nach in ein den Geiſt der Roſe fuͤrbil-
dendes Frauenzimmer verwandelte; gleich als
wenn hierdurch die Scharte ausgewetzt werden
ſolte: daß die fuͤr der verliebten Sonne fliehen-
de Dafne zu einem Lorberbaume worden. Die
vor die Geſchwindigkeit des Windes gleichſam
uͤbereilende Blumen blieben wie ſteinerne Bil-
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1399[1401]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1467>, abgerufen am 23.11.2024.