Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Neuntes Buch [Spaltenumbruch]
beliebter machen; endlich durch ihr purpernesBegräbnüß doch die Hoheit ihrer Königlichen Würde behaupten wolte. Alle vorhin be- schämte Blumen fielen als geringer Pöfel für diesem edlen Rosen-Proteus gleichsam in Ohn- macht; und die Gestirne verwendeten kein Au- ge von dieser Wunder-Blume; welche deroge- stalt mehr vornehmere Buhler/ als für Zeiten die schöne Helena hatte. Denn ob zwar die Wärmde bey Durchkochung des wäßrichten Saftes in dem Obste/ in Trauben/ und im Koh- le nach und nach ebenfalls die ersten Farben ver- ändert; die schweflichte Tingung auch eine Ur- sache vielfältiger Blumen ist; das Kraut der dreyfachen Poley auch täglich dreymal seine Farbe verwandelt; so kan doch der ersten lang- same und kaum wahrnehmliche der letztern kaum sichtbare Veränderung dieser schnellen Umfär- bung der Sinischen Rosen nicht vergliechen wer- den. Es erholete sich zwar aus einer Eiversucht dieselbe Tulipane/ welche ihre schneeweisse Klei- dung behält/ so lange sie die Mutter-Milch aus den Brüsten der Erde zu ihrer Sättigung aus- saugt; wenn sie aber durch Ubermasse trun- cken/ zugleich schamroth wird. Diese meynte ihrer Verwandelung halber dieser Rose nichts nachzugeben; und erinnerte die andern Blu- men nicht zu vergessen: daß auch die geringste unter ihnen ein Wunder werck wäre. Alle Neu- igkeit legte mittelmässigen Dingen einen hohen Werth bey; die köstlichsten aber würden nicht geachtet/ wenn sie gemein wären. Also püchte man in Arabien mit dem Weyrauch die Schif- fe; den man anderwerts nur Körner-weise in die heiligen Opfer-Feuer streuete. Hingegen trete man in Deutschland Sauer-Ampf und Holderbäume mit Füssen/ die die Jndianer mit grosser Sorgfalt in ihren Gärten zeugeten. Die Sonne selbst und der Frühling würde nicht halb so schön zu seyn scheinen/ wenn es mehr als eine Sonne gäbe/ und der Frühling das gantze Jahr durch blühete. Also bäte sie nach dem [Spaltenumbruch] Werthe ihrer Tugend; die fremde Blume nicht nach ihrer unnützen Seltzamkeit zu urthei- len; und die Rose für eine falsche Neben-Son- ne zu halten/ welcher Schönheit nicht so wohl in einem selbständigen Wesen/ sondern nur in ei- nem bey- und baufälligen Dinge bestünde/ und daher auch so geschwinde als eine Wasser-Galle verginge/ oder in ihrem Aufgange schon zugleich ihren Untergang erreichte. Nichts minder that sich die Jndianische Narcisse herfür/ welche mit mehr Häuptern als die Lernische Wasser- Schlange prangete; und sich so viel lebhaffter als diese zu seyn rühmete. Sintemaldes Her- cules Keulen ihr keine Furcht einjagten/ sondern ihre Blumen Häupter noch unterstützten; sie auch nicht/ wie jene/ von der Hitze entseelet wür- de; sondern sich nur für dem Froste als dem ge- meinen Todten-Gräber der Blumen zu ver- wahren hätte. Wenn sie aber auch schon ihre Blätter einbüssete/ vergrösserten sich doch ihre dreyeckichten Häupter/ und ihre Stänglichen breiteten sich in einen zierlichen Sternen-Kreiß aus; also daß ihre/ als der schönsten Blume Lei- che/ nichts geringers/ als ein Gestirne/ und nichts weniger/ als die in Himmel erhobene Lernische Wasser-Schlange werden könte. Welche wesentliche Verwandelung wunder- würdiger wäre; als der blossen Farbe leicht ab- schüssender Camelion. Der wohlrüchende Jes- min/ als er wahrnahm: daß diese Sinische Ro- sen keinen Geruch hätten/ schalt sie für eine nur den Augen liebkosende Schmincke; und meyn- te ihr Ansehn zweifelhaft zu machen; weil der Geruch der scheinbarste Nutzen einer Blume wäre/ und durch selbten das Gehirne gestärckt würde/ westwegen ein Weltweiser die nicht un- billich verlacht zu haben schiene: welche Blu- men auf dem Haupte trügen. Hingegen ver- möchte auch nach des Jasmins Verwesung sei- ne Asche Wasser/ Lufft und Menschen einzubi- samen. Die Lilge tadelte an den Rosen ihre Dor- nen; und rühmte an ihr selbst die alle Baum- Wolle/
Neuntes Buch [Spaltenumbruch]
beliebter machen; endlich durch ihr purpernesBegraͤbnuͤß doch die Hoheit ihrer Koͤniglichen Wuͤrde behaupten wolte. Alle vorhin be- ſchaͤmte Blumen fielen als geringer Poͤfel fuͤr dieſem edlen Roſen-Proteus gleichſam in Ohn- macht; und die Geſtirne verwendeten kein Au- ge von dieſer Wunder-Blume; welche deroge- ſtalt mehr vornehmere Buhler/ als fuͤr Zeiten die ſchoͤne Helena hatte. Denn ob zwar die Waͤrmde bey Durchkochung des waͤßrichten Saftes in dem Obſte/ in Trauben/ und im Koh- le nach und nach ebenfalls die erſten Farben ver- aͤndert; die ſchweflichte Tingung auch eine Ur- ſache vielfaͤltiger Blumen iſt; das Kraut der dreyfachen Poley auch taͤglich dreymal ſeine Farbe verwandelt; ſo kan doch der erſten lang- ſame und kaum wahꝛnehmliche deꝛ letzteꝛn kaum ſichtbare Veraͤnderung dieſer ſchnellen Umfaͤr- bung der Siniſchen Roſen nicht vergliechen wer- den. Es erholete ſich zwar aus einer Eiverſucht dieſelbe Tulipane/ welche ihre ſchneeweiſſe Klei- dung behaͤlt/ ſo lange ſie die Mutter-Milch aus den Bruͤſten der Erde zu ihrer Saͤttigung aus- ſaugt; wenn ſie aber durch Ubermaſſe trun- cken/ zugleich ſchamroth wird. Dieſe meynte ihrer Verwandelung halber dieſer Roſe nichts nachzugeben; und erinnerte die andern Blu- men nicht zu vergeſſen: daß auch die geringſte unter ihnen ein Wunder werck waͤre. Alle Neu- igkeit legte mittelmaͤſſigen Dingen einen hohen Werth bey; die koͤſtlichſten aber wuͤrden nicht geachtet/ wenn ſie gemein waͤren. Alſo puͤchte man in Arabien mit dem Weyrauch die Schif- fe; den man anderwerts nur Koͤrner-weiſe in die heiligen Opfer-Feuer ſtreuete. Hingegen trete man in Deutſchland Sauer-Ampf und Holderbaͤume mit Fuͤſſen/ die die Jndianer mit groſſer Sorgfalt in ihren Gaͤrten zeugeten. Die Sonne ſelbſt und der Fruͤhling wuͤrde nicht halb ſo ſchoͤn zu ſeyn ſcheinen/ wenn es mehr als eine Sonne gaͤbe/ und der Fruͤhling das gantze Jahr durch bluͤhete. Alſo baͤte ſie nach dem [Spaltenumbruch] Werthe ihrer Tugend; die fremde Blume nicht nach ihrer unnuͤtzen Seltzamkeit zu urthei- len; und die Roſe fuͤr eine falſche Neben-Son- ne zu halten/ welcher Schoͤnheit nicht ſo wohl in einem ſelbſtaͤndigen Weſen/ ſondern nur in ei- nem bey- und baufaͤlligen Dinge beſtuͤnde/ und daher auch ſo geſchwinde als eine Waſſer-Galle verginge/ oder in ihrem Aufgange ſchon zugleich ihren Untergang erreichte. Nichts minder that ſich die Jndianiſche Narciſſe herfuͤr/ welche mit mehr Haͤuptern als die Lerniſche Waſſer- Schlange prangete; und ſich ſo viel lebhaffter als dieſe zu ſeyn ruͤhmete. Sintemaldes Her- cules Keulen ihr keine Furcht einjagten/ ſondern ihre Blumen Haͤupter noch unterſtuͤtzten; ſie auch nicht/ wie jene/ von der Hitze entſeelet wuͤr- de; ſondern ſich nur fuͤr dem Froſte als dem ge- meinen Todten-Graͤber der Blumen zu ver- wahren haͤtte. Wenn ſie aber auch ſchon ihre Blaͤtter einbuͤſſete/ vergroͤſſerten ſich doch ihre dreyeckichten Haͤupter/ und ihre Staͤnglichen breiteten ſich in einen zierlichen Sternen-Kreiß aus; alſo daß ihre/ als der ſchoͤnſten Blume Lei- che/ nichts geringers/ als ein Geſtirne/ und nichts weniger/ als die in Himmel erhobene Lerniſche Waſſer-Schlange werden koͤnte. Welche weſentliche Verwandelung wunder- wuͤrdiger waͤre; als der bloſſen Farbe leicht ab- ſchuͤſſender Camelion. Der wohlruͤchende Jeſ- min/ als er wahrnahm: daß dieſe Siniſche Ro- ſen keinen Geruch haͤtten/ ſchalt ſie fuͤr eine nur den Augen liebkoſende Schmincke; und meyn- te ihr Anſehn zweifelhaft zu machen; weil der Geruch der ſcheinbarſte Nutzen einer Blume waͤre/ und durch ſelbten das Gehirne geſtaͤrckt wuͤrde/ weſtwegen ein Weltweiſer die nicht un- billich verlacht zu haben ſchiene: welche Blu- men auf dem Haupte truͤgen. Hingegen ver- moͤchte auch nach des Jaſmins Verweſung ſei- ne Aſche Waſſer/ Lufft und Menſchen einzubi- ſamen. Die Lilge tadelte an den Roſen ihre Dor- nen; und ruͤhmte an ihr ſelbſt die alle Baum- Wolle/
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Neuntes Buch
beliebter machen; endlich durch ihr purpernes
Begraͤbnuͤß doch die Hoheit ihrer Koͤniglichen
Wuͤrde behaupten wolte. Alle vorhin be-
ſchaͤmte Blumen fielen als geringer Poͤfel fuͤr
dieſem edlen Roſen-Proteus gleichſam in Ohn-
macht; und die Geſtirne verwendeten kein Au-
ge von dieſer Wunder-Blume; welche deroge-
ſtalt mehr vornehmere Buhler/ als fuͤr Zeiten
die ſchoͤne Helena hatte. Denn ob zwar die
Waͤrmde bey Durchkochung des waͤßrichten
Saftes in dem Obſte/ in Trauben/ und im Koh-
le nach und nach ebenfalls die erſten Farben ver-
aͤndert; die ſchweflichte Tingung auch eine Ur-
ſache vielfaͤltiger Blumen iſt; das Kraut der
dreyfachen Poley auch taͤglich dreymal ſeine
Farbe verwandelt; ſo kan doch der erſten lang-
ſame und kaum wahꝛnehmliche deꝛ letzteꝛn kaum
ſichtbare Veraͤnderung dieſer ſchnellen Umfaͤr-
bung der Siniſchen Roſen nicht vergliechen wer-
den. Es erholete ſich zwar aus einer Eiverſucht
dieſelbe Tulipane/ welche ihre ſchneeweiſſe Klei-
dung behaͤlt/ ſo lange ſie die Mutter-Milch aus
den Bruͤſten der Erde zu ihrer Saͤttigung aus-
ſaugt; wenn ſie aber durch Ubermaſſe trun-
cken/ zugleich ſchamroth wird. Dieſe meynte
ihrer Verwandelung halber dieſer Roſe nichts
nachzugeben; und erinnerte die andern Blu-
men nicht zu vergeſſen: daß auch die geringſte
unter ihnen ein Wunder werck waͤre. Alle Neu-
igkeit legte mittelmaͤſſigen Dingen einen hohen
Werth bey; die koͤſtlichſten aber wuͤrden nicht
geachtet/ wenn ſie gemein waͤren. Alſo puͤchte
man in Arabien mit dem Weyrauch die Schif-
fe; den man anderwerts nur Koͤrner-weiſe in
die heiligen Opfer-Feuer ſtreuete. Hingegen
trete man in Deutſchland Sauer-Ampf und
Holderbaͤume mit Fuͤſſen/ die die Jndianer mit
groſſer Sorgfalt in ihren Gaͤrten zeugeten.
Die Sonne ſelbſt und der Fruͤhling wuͤrde nicht
halb ſo ſchoͤn zu ſeyn ſcheinen/ wenn es mehr als
eine Sonne gaͤbe/ und der Fruͤhling das gantze
Jahr durch bluͤhete. Alſo baͤte ſie nach dem
Werthe ihrer Tugend; die fremde Blume
nicht nach ihrer unnuͤtzen Seltzamkeit zu urthei-
len; und die Roſe fuͤr eine falſche Neben-Son-
ne zu halten/ welcher Schoͤnheit nicht ſo wohl in
einem ſelbſtaͤndigen Weſen/ ſondern nur in ei-
nem bey- und baufaͤlligen Dinge beſtuͤnde/ und
daher auch ſo geſchwinde als eine Waſſer-Galle
verginge/ oder in ihrem Aufgange ſchon zugleich
ihren Untergang erreichte. Nichts minder
that ſich die Jndianiſche Narciſſe herfuͤr/ welche
mit mehr Haͤuptern als die Lerniſche Waſſer-
Schlange prangete; und ſich ſo viel lebhaffter
als dieſe zu ſeyn ruͤhmete. Sintemaldes Her-
cules Keulen ihr keine Furcht einjagten/ ſondern
ihre Blumen Haͤupter noch unterſtuͤtzten; ſie
auch nicht/ wie jene/ von der Hitze entſeelet wuͤr-
de; ſondern ſich nur fuͤr dem Froſte als dem ge-
meinen Todten-Graͤber der Blumen zu ver-
wahren haͤtte. Wenn ſie aber auch ſchon ihre
Blaͤtter einbuͤſſete/ vergroͤſſerten ſich doch ihre
dreyeckichten Haͤupter/ und ihre Staͤnglichen
breiteten ſich in einen zierlichen Sternen-Kreiß
aus; alſo daß ihre/ als der ſchoͤnſten Blume Lei-
che/ nichts geringers/ als ein Geſtirne/ und
nichts weniger/ als die in Himmel erhobene
Lerniſche Waſſer-Schlange werden koͤnte.
Welche weſentliche Verwandelung wunder-
wuͤrdiger waͤre; als der bloſſen Farbe leicht ab-
ſchuͤſſender Camelion. Der wohlruͤchende Jeſ-
min/ als er wahrnahm: daß dieſe Siniſche Ro-
ſen keinen Geruch haͤtten/ ſchalt ſie fuͤr eine nur
den Augen liebkoſende Schmincke; und meyn-
te ihr Anſehn zweifelhaft zu machen; weil der
Geruch der ſcheinbarſte Nutzen einer Blume
waͤre/ und durch ſelbten das Gehirne geſtaͤrckt
wuͤrde/ weſtwegen ein Weltweiſer die nicht un-
billich verlacht zu haben ſchiene: welche Blu-
men auf dem Haupte truͤgen. Hingegen ver-
moͤchte auch nach des Jaſmins Verweſung ſei-
ne Aſche Waſſer/ Lufft und Menſchen einzubi-
ſamen. Die Lilge tadelte an den Roſen ihre Dor-
nen; und ruͤhmte an ihr ſelbſt die alle Baum-
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1398[1400]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1466>, abgerufen am 18.07.2024. |