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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Neuntes Buch
[Spaltenumbruch] nem Orte die wolrüchenden/ am andern die
vollblättrigen/ am dritten die heilsamen sich zu-
sammen schlagen wolten; ihrer viel aber mit
ihnen selbst nicht eins waren/ zu welchem Hauf-
fen sie gehöreten; schwermten sie wie die Bie-
nen auf einer Klee-reichen Wiese durch einan-
der. Wiewol die Rache die meisten nunmehr
ihre Kräntze zu Waffen zu ergreiffen nöthigte/
nach dem sie bereit ihre Schürtzen ausgeleeret
hatten. Welches die Blumen-Göttin ver-
anlaßte/ ihnen einen neuen Einhalt zu thun:
der Geruch alleine wäre auch zu wenig zu
Entscheidung ihres streitigen Vorzugs. Denn
dieser wäre der Veränderung der Jahres-Zei-
ten unter worffen/ im Winter und gegen Mit-
ternacht schwächer als im Sommer/ oder in
denen Morgen-Ländern. Die Menschen/
welche der Blumen zu genüßen auch allein wür-
dig wären/ hätten unter allen Thieren ihres
feuchten Gehirnes halber den schwächsten
Geruch. Jhr Urthel wäre auch so unter schie-
den: daß einige lieber Knoblauch/ als Musch
rüchen. Perlen/ Diamanten/ ja das edle Gold
und viel andere Dinge hätten keinen Geruch;
dis aber benähme nichts ihrer Würde und
Schätzbarkeit. Die den Blumen so holde
Bienen könten weder Zibeth noch Ambra ver-
tragen; ja wenn eine diesen Geruch mit in ihr
Behältnüs brächte/ strafften es die andern als
ein Laster an ihr. Uber dis wüste die Kunst
auch durch Einbalsamung des Tingers/ oder
durch Einwässerung des Blumen-Gesämes/
ihnen den angebohrnen Geruch gäntzlich zu be-
nehmen; der widrig-rüchenden Ringel Blu-
me die Anmuth des Musches/ denen Nelcken
durch gewisse Bebisamung ihrer Wurtzel den
Geruch des Zibeths einzupfropffen; ja die
Sammet-Blume durch die Nachbarschafft ei-
ner stinckenden Staude/ welche gleichsam das
Gifft magnetisch an sich zeucht/ ihres Gestan-
ckes zu befreyen. Nichts minder verstünde sie durch
Versetzung bey gewisser Monden-Zeit/ durch
[Spaltenumbruch] Abbrechung übriger Blüte-Knospen/ durch ge-
wisse Ting- und Anfeuchtung aus holen Nel-
cken volle/ und aus schlechten Anemonen viel-
blättrige; ja durch Windung der Zwiebeln aus
glatten krause Blumen zu machen. Uber dis
unterwindete sie sich durch warme Anfeuchtung
und sorgbare Verwahrung der Blumen-Ge-
fäße für Frost und Winde sie für der Zeit zu ge-
behren; oder auch durch Versetz- oder Vertief-
fung der Zwiebeln/ und oftere Annetz- oder Ver-
brechung der Knospen ihre Geburt zu verlän-
gern/ also Frühling und Herbst/ Sommer und
Winter durch einander zu mischen; und die
flüchtigsten Mertz-Blumen gleichsam das gan-
tze Jahr in unsterbliche Amaranthen zu ver-
wandeln. Ja es wäre/ wiewol ohne Beschä-
mung der Natur/ nicht zu verschweigen: daß
die Kunst aus dem Saltze eingeäscherter Blu-
men durch eine daraus bereitete Lauge und ver-
möge eines linden Feuers durch die in einem
gläsernen Gefäße verursachte Jährung/ her-
nach geschehende Vermischung mit reiner Erde
die todten Leichen der verbrennten Blumen wie-
der lebend gemacht/ und derogestalt aus ihrer
Asche ohne neuen Saamen junge Blumen-
Fenixe gezeuget habe.

Bey Vernehmung dieses Wunders er-
starreten alle Blumen wie die steinerne Niobe;
also: daß sie nicht nur ihres Kampfes/ sondern
ihrer selbst vergaßen. Sie wurden aber bald
durch ein allersüssestes Gethöne wieder beseelet.
Denn es kam die Sonne auf einem güldenen und
mit unzehlbaren Blumen bestreuten von vier
weissen Pferden gezogenen Wagen in die Schran-
cken gefahren. Die Pferde waren nichts min-
der/ als die Sonne selbst mit Blumen gekräntzet.
Für dem Wagen giengen die sieben Plejaden/
welche den Boden mit wolrüchenden Wassern
netzten. Auf der Spitze des Wagens saß
Ariadne/ welche den Weg mit Blumen be-
streute. Auf beyden Seiten des Wagens
zohen die übrigen sechs Jrr-Sternen her.

Der

Neuntes Buch
[Spaltenumbruch] nem Orte die wolruͤchenden/ am andern die
vollblaͤttrigen/ am dritten die heilſamen ſich zu-
ſammen ſchlagen wolten; ihrer viel aber mit
ihnen ſelbſt nicht eins waren/ zu welchem Hauf-
fen ſie gehoͤreten; ſchwermten ſie wie die Bie-
nen auf einer Klee-reichen Wieſe durch einan-
der. Wiewol die Rache die meiſten nunmehr
ihre Kraͤntze zu Waffen zu ergreiffen noͤthigte/
nach dem ſie bereit ihre Schuͤrtzen ausgeleeret
hatten. Welches die Blumen-Goͤttin ver-
anlaßte/ ihnen einen neuen Einhalt zu thun:
der Geruch alleine waͤre auch zu wenig zu
Entſcheidung ihres ſtreitigen Vorzugs. Denn
dieſer waͤre der Veraͤnderung der Jahres-Zei-
ten unter worffen/ im Winter und gegen Mit-
ternacht ſchwaͤcher als im Sommer/ oder in
denen Morgen-Laͤndern. Die Menſchen/
welche der Blumen zu genuͤßen auch allein wuͤꝛ-
dig waͤren/ haͤtten unter allen Thieren ihres
feuchten Gehirnes halber den ſchwaͤchſten
Geruch. Jhr Urthel waͤre auch ſo unter ſchie-
den: daß einige lieber Knoblauch/ als Muſch
ruͤchen. Perlen/ Diamanten/ ja das edle Gold
und viel andere Dinge haͤtten keinen Geruch;
dis aber benaͤhme nichts ihrer Wuͤrde und
Schaͤtzbarkeit. Die den Blumen ſo holde
Bienen koͤnten weder Zibeth noch Ambra veꝛ-
tragen; ja wenn eine dieſen Geruch mit in ihr
Behaͤltnuͤs braͤchte/ ſtrafften es die andern als
ein Laſter an ihr. Uber dis wuͤſte die Kunſt
auch durch Einbalſamung des Tingers/ oder
durch Einwaͤſſerung des Blumen-Geſaͤmes/
ihnen den angebohrnen Geruch gaͤntzlich zu be-
nehmen; der widrig-ruͤchenden Ringel Blu-
me die Anmuth des Muſches/ denen Nelcken
durch gewiſſe Bebiſamung ihrer Wurtzel den
Geruch des Zibeths einzupfropffen; ja die
Sammet-Blume durch die Nachbarſchafft ei-
ner ſtinckenden Staude/ welche gleichſam das
Gifft magnetiſch an ſich zeucht/ ihres Geſtan-
ckes zu befꝛeyẽ. Nichts mindeꝛ veꝛſtuͤnde ſie duꝛch
Verſetzung bey gewiſſer Monden-Zeit/ durch
[Spaltenumbruch] Abbrechung uͤbriger Bluͤte-Knoſpen/ durch ge-
wiſſe Ting- und Anfeuchtung aus holen Nel-
cken volle/ und aus ſchlechten Anemonen viel-
blaͤttrige; ja durch Windung der Zwiebeln aus
glatten krauſe Blumen zu machen. Uber dis
unterwindete ſie ſich durch warme Anfeuchtung
und ſorgbare Verwahrung der Blumen-Ge-
faͤße fuͤr Froſt und Winde ſie fuͤr der Zeit zu ge-
behren; oder auch durch Verſetz- oder Vertief-
fung der Zwiebeln/ und oftere Annetz- oder Veꝛ-
brechung der Knoſpen ihre Geburt zu verlaͤn-
gern/ alſo Fruͤhling und Herbſt/ Sommer und
Winter durch einander zu miſchen; und die
fluͤchtigſten Mertz-Blumen gleichſam das gan-
tze Jahr in unſterbliche Amaranthen zu ver-
wandeln. Ja es waͤre/ wiewol ohne Beſchaͤ-
mung der Natur/ nicht zu verſchweigen: daß
die Kunſt aus dem Saltze eingeaͤſcherter Blu-
men durch eine daraus bereitete Lauge und ver-
moͤge eines linden Feuers durch die in einem
glaͤſernen Gefaͤße verurſachte Jaͤhrung/ her-
nach geſchehende Vermiſchung mit reiner Erde
die todten Leichen der verbreñten Blumen wie-
der lebend gemacht/ und derogeſtalt aus ihrer
Aſche ohne neuen Saamen junge Blumen-
Fenixe gezeuget habe.

Bey Vernehmung dieſes Wunders er-
ſtarreten alle Blumen wie die ſteinerne Niobe;
alſo: daß ſie nicht nur ihres Kampfes/ ſondern
ihrer ſelbſt vergaßen. Sie wurden aber bald
durch ein allerſuͤſſeſtes Gethoͤne wieder beſeelet.
Deñ es kam die Soñe auf einem guͤldenen und
mit unzehlbaren Blumen beſtreuten von vier
weiſſen Pferdẽ gezogenen Wagẽ in die Schran-
cken gefahren. Die Pferde waren nichts min-
der/ als die Soñe ſelbſt mit Blumen gekraͤntzet.
Fuͤr dem Wagen giengen die ſieben Plejaden/
welche den Boden mit wolruͤchenden Waſſern
netzten. Auf der Spitze des Wagens ſaß
Ariadne/ welche den Weg mit Blumen be-
ſtreute. Auf beyden Seiten des Wagens
zohen die uͤbrigen ſechs Jrr-Sternen her.

Der
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[1396[1398]/1464] Neuntes Buch nem Orte die wolruͤchenden/ am andern die vollblaͤttrigen/ am dritten die heilſamen ſich zu- ſammen ſchlagen wolten; ihrer viel aber mit ihnen ſelbſt nicht eins waren/ zu welchem Hauf- fen ſie gehoͤreten; ſchwermten ſie wie die Bie- nen auf einer Klee-reichen Wieſe durch einan- der. Wiewol die Rache die meiſten nunmehr ihre Kraͤntze zu Waffen zu ergreiffen noͤthigte/ nach dem ſie bereit ihre Schuͤrtzen ausgeleeret hatten. Welches die Blumen-Goͤttin ver- anlaßte/ ihnen einen neuen Einhalt zu thun: der Geruch alleine waͤre auch zu wenig zu Entſcheidung ihres ſtreitigen Vorzugs. Denn dieſer waͤre der Veraͤnderung der Jahres-Zei- ten unter worffen/ im Winter und gegen Mit- ternacht ſchwaͤcher als im Sommer/ oder in denen Morgen-Laͤndern. Die Menſchen/ welche der Blumen zu genuͤßen auch allein wuͤꝛ- dig waͤren/ haͤtten unter allen Thieren ihres feuchten Gehirnes halber den ſchwaͤchſten Geruch. Jhr Urthel waͤre auch ſo unter ſchie- den: daß einige lieber Knoblauch/ als Muſch ruͤchen. Perlen/ Diamanten/ ja das edle Gold und viel andere Dinge haͤtten keinen Geruch; dis aber benaͤhme nichts ihrer Wuͤrde und Schaͤtzbarkeit. Die den Blumen ſo holde Bienen koͤnten weder Zibeth noch Ambra veꝛ- tragen; ja wenn eine dieſen Geruch mit in ihr Behaͤltnuͤs braͤchte/ ſtrafften es die andern als ein Laſter an ihr. Uber dis wuͤſte die Kunſt auch durch Einbalſamung des Tingers/ oder durch Einwaͤſſerung des Blumen-Geſaͤmes/ ihnen den angebohrnen Geruch gaͤntzlich zu be- nehmen; der widrig-ruͤchenden Ringel Blu- me die Anmuth des Muſches/ denen Nelcken durch gewiſſe Bebiſamung ihrer Wurtzel den Geruch des Zibeths einzupfropffen; ja die Sammet-Blume durch die Nachbarſchafft ei- ner ſtinckenden Staude/ welche gleichſam das Gifft magnetiſch an ſich zeucht/ ihres Geſtan- ckes zu befꝛeyẽ. Nichts mindeꝛ veꝛſtuͤnde ſie duꝛch Verſetzung bey gewiſſer Monden-Zeit/ durch Abbrechung uͤbriger Bluͤte-Knoſpen/ durch ge- wiſſe Ting- und Anfeuchtung aus holen Nel- cken volle/ und aus ſchlechten Anemonen viel- blaͤttrige; ja durch Windung der Zwiebeln aus glatten krauſe Blumen zu machen. Uber dis unterwindete ſie ſich durch warme Anfeuchtung und ſorgbare Verwahrung der Blumen-Ge- faͤße fuͤr Froſt und Winde ſie fuͤr der Zeit zu ge- behren; oder auch durch Verſetz- oder Vertief- fung der Zwiebeln/ und oftere Annetz- oder Veꝛ- brechung der Knoſpen ihre Geburt zu verlaͤn- gern/ alſo Fruͤhling und Herbſt/ Sommer und Winter durch einander zu miſchen; und die fluͤchtigſten Mertz-Blumen gleichſam das gan- tze Jahr in unſterbliche Amaranthen zu ver- wandeln. Ja es waͤre/ wiewol ohne Beſchaͤ- mung der Natur/ nicht zu verſchweigen: daß die Kunſt aus dem Saltze eingeaͤſcherter Blu- men durch eine daraus bereitete Lauge und ver- moͤge eines linden Feuers durch die in einem glaͤſernen Gefaͤße verurſachte Jaͤhrung/ her- nach geſchehende Vermiſchung mit reiner Erde die todten Leichen der verbreñten Blumen wie- der lebend gemacht/ und derogeſtalt aus ihrer Aſche ohne neuen Saamen junge Blumen- Fenixe gezeuget habe. Bey Vernehmung dieſes Wunders er- ſtarreten alle Blumen wie die ſteinerne Niobe; alſo: daß ſie nicht nur ihres Kampfes/ ſondern ihrer ſelbſt vergaßen. Sie wurden aber bald durch ein allerſuͤſſeſtes Gethoͤne wieder beſeelet. Deñ es kam die Soñe auf einem guͤldenen und mit unzehlbaren Blumen beſtreuten von vier weiſſen Pferdẽ gezogenen Wagẽ in die Schran- cken gefahren. Die Pferde waren nichts min- der/ als die Soñe ſelbſt mit Blumen gekraͤntzet. Fuͤr dem Wagen giengen die ſieben Plejaden/ welche den Boden mit wolruͤchenden Waſſern netzten. Auf der Spitze des Wagens ſaß Ariadne/ welche den Weg mit Blumen be- ſtreute. Auf beyden Seiten des Wagens zohen die uͤbrigen ſechs Jrr-Sternen her. Der

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1396[1398]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1464>, abgerufen am 23.11.2024.