Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Neuntes Buch [Spaltenumbruch]
seiner Abdörrung Merckmaale seiner Unsterb-ligkeit behielte; und daher wäre er allein des lebenswürdigen Achilles Grab zu begräntzen gewürdigt worden. Die Blumen-Göttin hätte ihm den Nahmen Tausendschön zugeeig- net/ und also ihm das Besitzthum tausendfacher Schönheit zugesprochen. Schönheit aber wä- re nichts minder das erste Kleinod der Blumen/ als der Zunder der Liebe; und mehrmahls in der Welt eine Werberin und Braut königli- cher Würde gewest. Diesemnach seine niemals verwelckende Gestalt derselben ihn unzweifel- bar versicherte. Und könte niemand als die Eitelkeit einer flüchtigen Blume den Königs- Krantz aufsetzen. Dieser letzten Meinung fielen alle dieselbi- Als der Amaranth sich und seine Gespielen bey
Neuntes Buch [Spaltenumbruch]
ſeiner Abdoͤrrung Merckmaale ſeiner Unſterb-ligkeit behielte; und daher waͤre er allein des lebenswuͤrdigen Achilles Grab zu begraͤntzen gewuͤrdigt worden. Die Blumen-Goͤttin haͤtte ihm den Nahmen Tauſendſchoͤn zugeeig- net/ und alſo ihm das Beſitzthum tauſendfacher Schoͤnheit zugeſprochen. Schoͤnheit aber waͤ- re nichts minder das erſte Kleinod der Blumen/ als der Zunder der Liebe; und mehrmahls in der Welt eine Werberin und Braut koͤnigli- cher Wuͤrde geweſt. Dieſemnach ſeine niemals verwelckende Geſtalt derſelben ihn unzweifel- bar verſicherte. Und koͤnte niemand als die Eitelkeit einer fluͤchtigen Blume den Koͤnigs- Krantz aufſetzen. Dieſer letzten Meinung fielen alle dieſelbi- Als der Amaranth ſich und ſeine Geſpielen bey
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Neuntes Buch
ſeiner Abdoͤrrung Merckmaale ſeiner Unſterb-
ligkeit behielte; und daher waͤre er allein des
lebenswuͤrdigen Achilles Grab zu begraͤntzen
gewuͤrdigt worden. Die Blumen-Goͤttin
haͤtte ihm den Nahmen Tauſendſchoͤn zugeeig-
net/ und alſo ihm das Beſitzthum tauſendfacher
Schoͤnheit zugeſprochen. Schoͤnheit aber waͤ-
re nichts minder das erſte Kleinod der Blumen/
als der Zunder der Liebe; und mehrmahls in
der Welt eine Werberin und Braut koͤnigli-
cher Wuͤrde geweſt. Dieſemnach ſeine niemals
verwelckende Geſtalt derſelben ihn unzweifel-
bar verſicherte. Und koͤnte niemand als die
Eitelkeit einer fluͤchtigen Blume den Koͤnigs-
Krantz aufſetzen.
Dieſer letzten Meinung fielen alle dieſelbi-
gen Blumen bey/ welche das gantze Jahr wo
nicht bluͤheten/ doch an ihren Stengeln ihre
gruͤnen Blaͤtter behielten; in Hoffnung: daß
wegen ihrer wenigen Anzahl jede ſo viel ehe zur
Koͤnigs-Wuͤrde kommen/ oder nach der Koͤnigin
doch eine anſehnliche Fuͤrſten-Stelle erlangen
wuͤrde. Alleine die groſſe Menge der ver-
gaͤnglichen Blumen umbringte jene wenigen
durch einen zierlichen Kreiß-Tantz; dardurch
ſie nach und nach/ wie kuͤnſtlich ſie ſich auszuwin-
den vermeinten/ je mehr und mehr ins Gedran-
ge gebracht wurden. Dieſelben/ welcher Alter
nach der Laͤnge eines Tages abgemaͤſſen iſt/ hiel-
ten denen andern ſingende ein: Sie verſtuͤnden
ſo wenig was das beſte in den Blumen/ als der
Kern in der Wolluſt waͤre. Die Laͤnge der
Zeit muͤſte zwar vielen Dingen zur Vollkom-
menheit/ und vielen Gewaͤchſen/ daß ſie reiff
wuͤrden/ dienen. Alleine das Alter beraubte
die meiſten Sachen ihrer Guͤte/ und vergerin-
gerte auch die beſten. Die von denen alten Zim-
met-Baͤumen abgebrochene Caſia reichte der
von juͤngern geſchaͤlten Zimmet-Rinde nicht
das Waſſer. Die Runtzeln waͤren nicht nur
Frembden/ ſondern auch den Runtzlichten ſelbſt
verhaßt. Wie moͤchte denn die veralternden
Blumen ein annehmliches Augen-Ziel abge-
ben; welche gerne ſterben wolten/ wenn ſie ſich
nur wie die Fluͤchtigen verjuͤngen koͤnten. Das
Marck der Vollkommenheit waͤre die Ver-
gnuͤgung ohne Saͤttigung. Denn allzu lan-
ger Genuͤß auch der niedlichſten Suͤßigkeit ver-
urſacht einen Eckel. Was aber einem/ wenn
es am beſten ſchmeckt/ aus den Zaͤhnen geriſſen
wird/ verlieret niemals ſeinen Geſchmack; und
die vergaͤngliche Woluſt veraltert nicht/ ſondern
das Verlangen mehrer Genuͤßung verzuckerte
ſo viel mehr dis/ was denen bitter geſchienen/ die
das erſte mal nicht waͤren ſatt worden. Dieſe
Vergaͤngligkeit waͤre ſo gar die Wuͤrtze der Lie-
bes-Wercke/ welche doch der Ausbruch aller
Wolluͤſte ſeyn ſolten. Die Natur haͤtte durch
ihre Sparſamkeit ſo gar dem Golde/ als dem
Marcke der Erden/ den Diamanten als den
edelſten der Edelgeſteine ihre Koͤſtligkeit erhal-
ten muͤſſen. Nicht anders erhielte die Fluͤch-
tigkeit den vollkommenſten Wunder-Blumen
ihr Anſehen/ welche man ſo wenig/ als Neſſeln
einigen Anblicks wuͤrdigen wuͤrde/ wenn ſie ein
gantz Jahr lang bluͤheten. Uberdis haͤtten die
unverwelckenden Blumen-Stengel auch keine
andere/ als nur eine gruͤne Zierde/ welches ohne
dis die todte Erd-Farbe/ hingegen die gelben/
weiſſen/ rothen und blauen Sternen- und Him-
mels-Farben der Vergaͤngligkeit und Abwech-
ſelung/ beſonders im Gebluͤme am meiſten un-
terworffen waͤre.
Als der Amaranth ſich und ſeine Geſpielen
derogeſtalt uͤbermannet ſahe; muſte er durch
Fuͤrwerffung eines neuen Zanck-Apfels ſich
aus dem Gedraͤnge/ und ſeine Feinde in Tren-
nung zu bringen trachten. Daher er den Hy-
acinth/ den Jaſmin/ und Saffran verhoͤhnete:
daß ſie mit ſo viel weiblichen Blumen wider ihn
und ihr eigenes Geſchlechte in Buͤndnuͤs getre-
ten waͤren; Die Weiber aber ſo wenig unter
den Blumen/ als unter den Thieren der Herr-
ſchafft faͤhig waͤren. Dieſer Einwurff erregte
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