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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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[Spaltenumbruch] seiner Abdörrung Merckmaale seiner Unsterb-
ligkeit behielte; und daher wäre er allein des
lebenswürdigen Achilles Grab zu begräntzen
gewürdigt worden. Die Blumen-Göttin
hätte ihm den Nahmen Tausendschön zugeeig-
net/ und also ihm das Besitzthum tausendfacher
Schönheit zugesprochen. Schönheit aber wä-
re nichts minder das erste Kleinod der Blumen/
als der Zunder der Liebe; und mehrmahls in
der Welt eine Werberin und Braut königli-
cher Würde gewest. Diesemnach seine niemals
verwelckende Gestalt derselben ihn unzweifel-
bar versicherte. Und könte niemand als die
Eitelkeit einer flüchtigen Blume den Königs-
Krantz aufsetzen.

Dieser letzten Meinung fielen alle dieselbi-
gen Blumen bey/ welche das gantze Jahr wo
nicht blüheten/ doch an ihren Stengeln ihre
grünen Blätter behielten; in Hoffnung: daß
wegen ihrer wenigen Anzahl jede so viel ehe zur
Königs-Würde kommen/ oder nach der Königin
doch eine ansehnliche Fürsten-Stelle erlangen
würde. Alleine die grosse Menge der ver-
gänglichen Blumen umbringte jene wenigen
durch einen zierlichen Kreiß-Tantz; dardurch
sie nach und nach/ wie künstlich sie sich auszuwin-
den vermeinten/ je mehr und mehr ins Gedran-
ge gebracht wurden. Dieselben/ welcher Alter
nach der Länge eines Tages abgemässen ist/ hiel-
ten denen andern singende ein: Sie verstünden
so wenig was das beste in den Blumen/ als der
Kern in der Wollust wäre. Die Länge der
Zeit müste zwar vielen Dingen zur Vollkom-
menheit/ und vielen Gewächsen/ daß sie reiff
würden/ dienen. Alleine das Alter beraubte
die meisten Sachen ihrer Güte/ und vergerin-
gerte auch die besten. Die von denen alten Zim-
met-Bäumen abgebrochene Casia reichte der
von jüngern geschälten Zimmet-Rinde nicht
das Wasser. Die Runtzeln wären nicht nur
Frembden/ sondern auch den Runtzlichten selbst
verhaßt. Wie möchte denn die veralternden
[Spaltenumbruch] Blumen ein annehmliches Augen-Ziel abge-
ben; welche gerne sterben wolten/ wenn sie sich
nur wie die Flüchtigen verjüngen könten. Das
Marck der Vollkommenheit wäre die Ver-
gnügung ohne Sättigung. Denn allzu lan-
ger Genüß auch der niedlichsten Süßigkeit ver-
ursacht einen Eckel. Was aber einem/ wenn
es am besten schmeckt/ aus den Zähnen gerissen
wird/ verlieret niemals seinen Geschmack; und
die vergängliche Wolust veraltert nicht/ sondern
das Verlangen mehrer Genüßung verzuckerte
so viel mehr dis/ was denen bitter geschienen/ die
das erste mal nicht wären satt worden. Diese
Vergängligkeit wäre so gar die Würtze der Lie-
bes-Wercke/ welche doch der Ausbruch aller
Wollüste seyn solten. Die Natur hätte durch
ihre Sparsamkeit so gar dem Golde/ als dem
Marcke der Erden/ den Diamanten als den
edelsten der Edelgesteine ihre Köstligkeit erhal-
ten müssen. Nicht anders erhielte die Flüch-
tigkeit den vollkommensten Wunder-Blumen
ihr Ansehen/ welche man so wenig/ als Nesseln
einigen Anblicks würdigen würde/ wenn sie ein
gantz Jahr lang blüheten. Uberdis hätten die
unverwelckenden Blumen-Stengel auch keine
andere/ als nur eine grüne Zierde/ welches ohne
dis die todte Erd-Farbe/ hingegen die gelben/
weissen/ rothen und blauen Sternen- und Him-
mels-Farben der Vergängligkeit und Abwech-
selung/ besonders im Geblüme am meisten un-
terworffen wäre.

Als der Amaranth sich und seine Gespielen
derogestalt übermannet sahe; muste er durch
Fürwerffung eines neuen Zanck-Apfels sich
aus dem Gedränge/ und seine Feinde in Tren-
nung zu bringen trachten. Daher er den Hy-
acinth/ den Jasmin/ und Saffran verhöhnete:
daß sie mit so viel weiblichen Blumen wider ihn
und ihr eigenes Geschlechte in Bündnüs getre-
ten wären; Die Weiber aber so wenig unter
den Blumen/ als unter den Thieren der Herr-
schafft fähig wären. Dieser Einwurff erregte

bey

Neuntes Buch
[Spaltenumbruch] ſeiner Abdoͤrrung Merckmaale ſeiner Unſterb-
ligkeit behielte; und daher waͤre er allein des
lebenswuͤrdigen Achilles Grab zu begraͤntzen
gewuͤrdigt worden. Die Blumen-Goͤttin
haͤtte ihm den Nahmen Tauſendſchoͤn zugeeig-
net/ und alſo ihm das Beſitzthum tauſendfacher
Schoͤnheit zugeſprochen. Schoͤnheit aber waͤ-
re nichts minder das erſte Kleinod der Blumen/
als der Zunder der Liebe; und mehrmahls in
der Welt eine Werberin und Braut koͤnigli-
cher Wuͤrde geweſt. Dieſemnach ſeine niemals
verwelckende Geſtalt derſelben ihn unzweifel-
bar verſicherte. Und koͤnte niemand als die
Eitelkeit einer fluͤchtigen Blume den Koͤnigs-
Krantz aufſetzen.

Dieſer letzten Meinung fielen alle dieſelbi-
gen Blumen bey/ welche das gantze Jahr wo
nicht bluͤheten/ doch an ihren Stengeln ihre
gruͤnen Blaͤtter behielten; in Hoffnung: daß
wegen ihrer wenigen Anzahl jede ſo viel ehe zur
Koͤnigs-Wuͤrde kommen/ oder nach der Koͤnigin
doch eine anſehnliche Fuͤrſten-Stelle erlangen
wuͤrde. Alleine die groſſe Menge der ver-
gaͤnglichen Blumen umbringte jene wenigen
durch einen zierlichen Kreiß-Tantz; dardurch
ſie nach und nach/ wie kuͤnſtlich ſie ſich auszuwin-
den vermeinten/ je mehr und mehr ins Gedran-
ge gebracht wurden. Dieſelben/ welcher Alter
nach der Laͤnge eines Tages abgemaͤſſen iſt/ hiel-
ten denen andern ſingende ein: Sie verſtuͤnden
ſo wenig was das beſte in den Blumen/ als der
Kern in der Wolluſt waͤre. Die Laͤnge der
Zeit muͤſte zwar vielen Dingen zur Vollkom-
menheit/ und vielen Gewaͤchſen/ daß ſie reiff
wuͤrden/ dienen. Alleine das Alter beraubte
die meiſten Sachen ihrer Guͤte/ und vergerin-
gerte auch die beſten. Die von denen alten Zim-
met-Baͤumen abgebrochene Caſia reichte der
von juͤngern geſchaͤlten Zimmet-Rinde nicht
das Waſſer. Die Runtzeln waͤren nicht nur
Frembden/ ſondern auch den Runtzlichten ſelbſt
verhaßt. Wie moͤchte denn die veralternden
[Spaltenumbruch] Blumen ein annehmliches Augen-Ziel abge-
ben; welche gerne ſterben wolten/ wenn ſie ſich
nur wie die Fluͤchtigen verjuͤngen koͤnten. Das
Marck der Vollkommenheit waͤre die Ver-
gnuͤgung ohne Saͤttigung. Denn allzu lan-
ger Genuͤß auch der niedlichſten Suͤßigkeit ver-
urſacht einen Eckel. Was aber einem/ wenn
es am beſten ſchmeckt/ aus den Zaͤhnen geriſſen
wird/ verlieret niemals ſeinen Geſchmack; und
die vergaͤngliche Woluſt veraltert nicht/ ſondern
das Verlangen mehrer Genuͤßung verzuckerte
ſo viel mehr dis/ was denen bitter geſchienen/ die
das erſte mal nicht waͤren ſatt worden. Dieſe
Vergaͤngligkeit waͤre ſo gar die Wuͤrtze der Lie-
bes-Wercke/ welche doch der Ausbruch aller
Wolluͤſte ſeyn ſolten. Die Natur haͤtte durch
ihre Sparſamkeit ſo gar dem Golde/ als dem
Marcke der Erden/ den Diamanten als den
edelſten der Edelgeſteine ihre Koͤſtligkeit erhal-
ten muͤſſen. Nicht anders erhielte die Fluͤch-
tigkeit den vollkommenſten Wunder-Blumen
ihr Anſehen/ welche man ſo wenig/ als Neſſeln
einigen Anblicks wuͤrdigen wuͤrde/ wenn ſie ein
gantz Jahr lang bluͤheten. Uberdis haͤtten die
unverwelckenden Blumen-Stengel auch keine
andere/ als nur eine gruͤne Zierde/ welches ohne
dis die todte Erd-Farbe/ hingegen die gelben/
weiſſen/ rothen und blauen Sternen- und Him-
mels-Farben der Vergaͤngligkeit und Abwech-
ſelung/ beſonders im Gebluͤme am meiſten un-
terworffen waͤre.

Als der Amaranth ſich und ſeine Geſpielen
derogeſtalt uͤbermannet ſahe; muſte er durch
Fuͤrwerffung eines neuen Zanck-Apfels ſich
aus dem Gedraͤnge/ und ſeine Feinde in Tren-
nung zu bringen trachten. Daher er den Hy-
acinth/ den Jaſmin/ und Saffran verhoͤhnete:
daß ſie mit ſo viel weiblichen Blumen wider ihn
und ihr eigenes Geſchlechte in Buͤndnuͤs getre-
ten waͤren; Die Weiber aber ſo wenig unter
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ſchafft faͤhig waͤren. Dieſer Einwurff erregte

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[1392[1394]/1460] Neuntes Buch ſeiner Abdoͤrrung Merckmaale ſeiner Unſterb- ligkeit behielte; und daher waͤre er allein des lebenswuͤrdigen Achilles Grab zu begraͤntzen gewuͤrdigt worden. Die Blumen-Goͤttin haͤtte ihm den Nahmen Tauſendſchoͤn zugeeig- net/ und alſo ihm das Beſitzthum tauſendfacher Schoͤnheit zugeſprochen. Schoͤnheit aber waͤ- re nichts minder das erſte Kleinod der Blumen/ als der Zunder der Liebe; und mehrmahls in der Welt eine Werberin und Braut koͤnigli- cher Wuͤrde geweſt. Dieſemnach ſeine niemals verwelckende Geſtalt derſelben ihn unzweifel- bar verſicherte. Und koͤnte niemand als die Eitelkeit einer fluͤchtigen Blume den Koͤnigs- Krantz aufſetzen. Dieſer letzten Meinung fielen alle dieſelbi- gen Blumen bey/ welche das gantze Jahr wo nicht bluͤheten/ doch an ihren Stengeln ihre gruͤnen Blaͤtter behielten; in Hoffnung: daß wegen ihrer wenigen Anzahl jede ſo viel ehe zur Koͤnigs-Wuͤrde kommen/ oder nach der Koͤnigin doch eine anſehnliche Fuͤrſten-Stelle erlangen wuͤrde. Alleine die groſſe Menge der ver- gaͤnglichen Blumen umbringte jene wenigen durch einen zierlichen Kreiß-Tantz; dardurch ſie nach und nach/ wie kuͤnſtlich ſie ſich auszuwin- den vermeinten/ je mehr und mehr ins Gedran- ge gebracht wurden. Dieſelben/ welcher Alter nach der Laͤnge eines Tages abgemaͤſſen iſt/ hiel- ten denen andern ſingende ein: Sie verſtuͤnden ſo wenig was das beſte in den Blumen/ als der Kern in der Wolluſt waͤre. Die Laͤnge der Zeit muͤſte zwar vielen Dingen zur Vollkom- menheit/ und vielen Gewaͤchſen/ daß ſie reiff wuͤrden/ dienen. Alleine das Alter beraubte die meiſten Sachen ihrer Guͤte/ und vergerin- gerte auch die beſten. Die von denen alten Zim- met-Baͤumen abgebrochene Caſia reichte der von juͤngern geſchaͤlten Zimmet-Rinde nicht das Waſſer. Die Runtzeln waͤren nicht nur Frembden/ ſondern auch den Runtzlichten ſelbſt verhaßt. Wie moͤchte denn die veralternden Blumen ein annehmliches Augen-Ziel abge- ben; welche gerne ſterben wolten/ wenn ſie ſich nur wie die Fluͤchtigen verjuͤngen koͤnten. Das Marck der Vollkommenheit waͤre die Ver- gnuͤgung ohne Saͤttigung. Denn allzu lan- ger Genuͤß auch der niedlichſten Suͤßigkeit ver- urſacht einen Eckel. Was aber einem/ wenn es am beſten ſchmeckt/ aus den Zaͤhnen geriſſen wird/ verlieret niemals ſeinen Geſchmack; und die vergaͤngliche Woluſt veraltert nicht/ ſondern das Verlangen mehrer Genuͤßung verzuckerte ſo viel mehr dis/ was denen bitter geſchienen/ die das erſte mal nicht waͤren ſatt worden. Dieſe Vergaͤngligkeit waͤre ſo gar die Wuͤrtze der Lie- bes-Wercke/ welche doch der Ausbruch aller Wolluͤſte ſeyn ſolten. Die Natur haͤtte durch ihre Sparſamkeit ſo gar dem Golde/ als dem Marcke der Erden/ den Diamanten als den edelſten der Edelgeſteine ihre Koͤſtligkeit erhal- ten muͤſſen. Nicht anders erhielte die Fluͤch- tigkeit den vollkommenſten Wunder-Blumen ihr Anſehen/ welche man ſo wenig/ als Neſſeln einigen Anblicks wuͤrdigen wuͤrde/ wenn ſie ein gantz Jahr lang bluͤheten. Uberdis haͤtten die unverwelckenden Blumen-Stengel auch keine andere/ als nur eine gruͤne Zierde/ welches ohne dis die todte Erd-Farbe/ hingegen die gelben/ weiſſen/ rothen und blauen Sternen- und Him- mels-Farben der Vergaͤngligkeit und Abwech- ſelung/ beſonders im Gebluͤme am meiſten un- terworffen waͤre. Als der Amaranth ſich und ſeine Geſpielen derogeſtalt uͤbermannet ſahe; muſte er durch Fuͤrwerffung eines neuen Zanck-Apfels ſich aus dem Gedraͤnge/ und ſeine Feinde in Tren- nung zu bringen trachten. Daher er den Hy- acinth/ den Jaſmin/ und Saffran verhoͤhnete: daß ſie mit ſo viel weiblichen Blumen wider ihn und ihr eigenes Geſchlechte in Buͤndnuͤs getre- ten waͤren; Die Weiber aber ſo wenig unter den Blumen/ als unter den Thieren der Herr- ſchafft faͤhig waͤren. Dieſer Einwurff erregte bey

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1392[1394]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1460>, abgerufen am 18.05.2024.