Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
widersprechen könte. Der Colchische Herbst-Stengel brach ein: Seine Lands-Leute die Thibier wären scharfsichtiger als die Serer; denn sie hätten Zwey-Aepfel in Augen; diese aber erkennten ihn für den Fürsten aller Blu- men. Denn weil er mit allen Farben in der Welt prangte/ könte man in seiner Anwesenheit aller andern entpehren. Das Haar der Ve- nus aber wolte noch schöner und kräfftiger seyn. Denn das Haar wäre der Löwen und Menschen schönster Schmuck/ ein Kennzeichen der edlen Freyheit; ja die Strahlen der Gestirne wären nichts anders als ihre Haare/ und seine Blume der Strahl der Blumen. Zuletzt war der stürmische Winter in keiner seiner
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
widerſprechen koͤnte. Der Colchiſche Herbſt-Stengel brach ein: Seine Lands-Leute die Thibier waͤren ſcharfſichtiger als die Serer; denn ſie haͤtten Zwey-Aepfel in Augen; dieſe aber erkennten ihn fuͤr den Fuͤrſten aller Blu- men. Denn weil er mit allen Farben in der Welt prangte/ koͤnte man in ſeiner Anweſenheit aller andern entpehren. Das Haar der Ve- nus aber wolte noch ſchoͤner und kraͤfftiger ſeyn. Denn das Haar waͤre der Loͤwen und Menſchen ſchoͤnſter Schmuck/ ein Kennzeichen der edlen Freyheit; ja die Strahlen der Geſtirne waͤꝛen nichts anders als ihre Haare/ und ſeine Blume der Strahl der Blumen. Zuletzt war der ſtuͤrmiſche Winter in keiner ſeiner
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Arminius und Thußnelda.
widerſprechen koͤnte. Der Colchiſche Herbſt-
Stengel brach ein: Seine Lands-Leute die
Thibier waͤren ſcharfſichtiger als die Serer;
denn ſie haͤtten Zwey-Aepfel in Augen; dieſe
aber erkennten ihn fuͤr den Fuͤrſten aller Blu-
men. Denn weil er mit allen Farben in der
Welt prangte/ koͤnte man in ſeiner Anweſenheit
aller andern entpehren. Das Haar der Ve-
nus aber wolte noch ſchoͤner und kraͤfftiger ſeyn.
Denn das Haar waͤre der Loͤwen und Menſchen
ſchoͤnſter Schmuck/ ein Kennzeichen der edlen
Freyheit; ja die Strahlen der Geſtirne waͤꝛen
nichts anders als ihre Haare/ und ſeine Blume
der Strahl der Blumen.
Zuletzt war der ſtuͤrmiſche Winter in keiner
friedſamern Beſchaffenheit. Denn die Erd-
Aepfel-Blume oder der Nabel der Erde
machte ſich ſo krauß/ als ſeine fleckichten Blaͤtter
gekraͤuſelt ſind. Jnſonderheit ſtriech dieſe
Blume ihre Wuͤrckung wider Gifft und
Schlangen/ und die unſchaͤtzbare Erleichterung
der menſchlichen Geburten heraus. Dieſem
begegnete das Nabel-Kraut: Es wuͤꝛden zwar
die ſchoͤnſten Geſchoͤpfe mit dem Nahmen des
Nabels oder der Augen betheilt. Die wun-
derlichſten Steine hieße man Augen/ und die
ſeltzamſten Muſcheln Nabel der Nymphen.
Seine Blaͤtter aber waͤren der Nabel der Ve-
nus/ und die Blumen Augen der Liebe. Ja
uͤber viel andere heilſame Kraͤfften diente es zu
Liebes- Traͤncken. Hingegen ruͤhmete die
Wolffs-Wurtzel ſich viel groͤſſerer Kraͤffte;
als welche zwar von dem Schaume des Cer-
berus entſprungen waͤre/ und die Panther-
Thiere toͤdtete; im Menſchen aber entſeelte
ſie das verhandene Gifft/ und ihr bloßes An-
ruͤhren waͤre der Tod der Scorpionen. Ubri-
gens erinnerte ihre gifftige Eigenſchafft die
Menſchen: daß/ weil unter deren ſchoͤnſten
Blumen doch Schlangen verborgen laͤgen/ ſie
niemals die Vorſicht außer Augen ſetzen/ und
den Mißbrauch ihnen gefallen laſſen ſolten.
Die blaue Hornungs-Feilge fuhr mit einer
empfindlichen Ungedult heraus: Unterſtehet
ihr gifftigen Spinnen euch wol nicht nur unter
ſo nuͤtzliche Bienen zu miſchen/ ſondern gar ih-
nen zu Kopfe zu wachſen? Hebet euch von hier
ihr Unholden! entfaͤrbet eure geſchminckte Ant-
litze fuͤr der nichts minder heilſamen als ſchoͤnen
Feilge; welche mit ihrer Farbe dem Himmel/
mit ihrem Geruche dem Zimmet am nechſten
kommet; welcher Saame nicht nur die Scor-
pionen toͤdtet/ ſondern hunderterley Kranckhei-
ten abhilfft. Aber auch dieſer meinte der Win-
ter-Hyacinth die Oberſtelle nicht zu entꝛaͤumen/
deſſen Feuer mit nicht geringerm Wunder mit-
ten aus dem Schnee/ als ſiedende Quellen aus
kaͤlteſten Baͤchen herfuͤr braͤchen; und den fro-
ſtigen Winter in einen annehmlichen Lentz ver-
wandelten. Die fruͤhe Zeit-loſe gebꝛauchte fuͤr
ſich faſt eben die Gruͤnde; und daß ſie weſentlich
die Schoͤnheit aller Farben in ſich haͤtte; wor-
mit der Schatten der Sonne und die Unwahr-
heit des woͤlckichten Himmels nemlich der Re-
genbogen die Augen blaͤndete. Alleine der
Majoran behauptete: daß nicht die Farbe/ ſon-
dern die kraͤfftigen Eigenſchafften der Blumen
den Koͤnigs-Krantz verdienten. Raupen und
Weſpen haͤtten die Farben der Regenbogen/
die Roßkaͤfer des Goldes/ das gifftige Napel
des Purpers. Solten deſtwegen dieſe Ge-
ſchwuͤre der Erde/ dieſe Mißgeburten der Na-
tur einen beſondern Vorzug verdienen? Er
waͤre zwar nicht die ſchoͤnſte Blume/ aber ſo
viel kraͤfftiger; ja er haͤtte alleine die herrliche
Eigenſchafft des Jndiſchen Gewuͤrtzes: daß
ſein bloßer Safft ein unverterbliches Oel und
Salbe abgaͤbe. Endlich wunderte ſich der
Amaranth: daß noch nicht alle Blumen ſich
fuͤr ihm/ als einem unſterblichen Wunder-
wercke unter denen vergaͤnglichen Gewaͤchſen
buͤcketen. Er waͤre ſo lebhafft: daß er nicht
nur wie etliche Baͤume im Winter gruͤnete/
ſondern auch nach ſeiner Abbrechung/ ja nach
ſeiner
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1391[1393]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1459>, abgerufen am 17.07.2024. |