Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Neuntes Buch [Spaltenumbruch]
Allein diese hierdurch angestochene Riesin reck-te über alle Blumen ihr Haupt empor/ und meinte den königlichen Krantz keiner andern zu gönnen. Sintemal sie/ bey der zwar lang- samen/ aber es reichlich-einbringenden Geburt ihres Blumen-Stengels/ an geschwindem Wachsthum die Zedern übereilte/ und an Men- ge der wolrüchenden Blumen es allen in der Welt zuvor thäte/ ja ihre Kinder zu hunderten zehlte. Gegen dieser aber lehnte sich der grosse Hyacinth mit den knollichten Wurtzeln auf/ und stellte ihr zum Gebrechen aus: daß sie alsdenn erst Blumen brächte/ wenn sie ein funfzig- oder hundert-[j]ährig altes Weib würde; also ihren wolthätigen Pflantzer ins gemein mit vergebener Hoffnung speisete/ und meist ehe ihn sterben ließe/ ehe sie schwanger würde; ja mit threr ersten Geburt auch alsofort untergienge und verdorrete. Sie hingegen trüge alle Herbste nicht viel weniger Blumen/ als die Aloe; also: daß ihr mit Gewalt und schier sichtbar emporstossender Stengel den Nahmen eines gantzen Blumen-Gartens verdiente. Seiner Blumen Geruch überträffen den der Aloe und der Jasminen. Er vergleichte sich der kräfftigsten Pomerantz-Blüte/ ja wenn die un- tergehende Sonne andern Gewächsen fast allen ihren Geist entzüge/ vergrösserten seine Blumen ihre Balsam-Krafft/ umb die gleichsam ohn- mächtige Welt die Nacht über zu erquicken. Nach diesem stellte sich auch der Saffran zur Schaue; anziehende: daß mit seinen güldenen Haaren die Liebes-Göttin ihre untermengte; seine güldene Eeren noch die Fruchtbarkeit der güldenen Zeit abbildeten/ und die Welt in ihn noch so verliebt wäre/ als jemahls das Epheu gewesen. Er hätte die Krafft die Trunckenheit/ ja die grausamen Krokodile zu vertreiben; die Ehre die Schauplätze einzubisamen; und die niedlichsten Speisen anzuwürtzen; die Wun- den zu heilen/ oder auch gar der Traurigkeit ab- zuhelffen. Westwegen nichts minder die Eu- [Spaltenumbruch] menides/ als Ceres den Saffran ihnen zu einem Heiligthume zugeeignet hätten. Dem Saff- ran fiel die Aland-Blume in die Haare/ und zohe an: Sie wäre der schönsten Frauen in der Welt schönste Geburt/ und milterte nicht nur die Traurigkeit/ sondern sie vergrübe alles Leid in das Nichts der Vergessenheit. Aber alle diese wolte die Sonnen-Krone verdringen; welche ins gemein sechs und zwantzig/ offt auch gar vier- tzig Schuch hoch ihr Haupt empor thürmete/ und also nicht nur alle Blumen in gebückter Demuth unter sich sähe/ sondern auch hohen Bäumen zu Kopfe wüchse. Diese ungeheure Blume verhöhnete das Sonnen-Auge; weil sie eine Schale ohne Kern; hingegen dis ein Kern ohne Schale/ ja ein recht heilsames Marck der kräfftigsten Artzneyen wäre. West- wegen diese Blume die Minerva ihren vom Tempel gefallenen Pericles im Traume als sein einiges Genesungs-Mittel gewiesen; die Königin Artemisia auch als ein Labsal ihres Traurens für allen andern Blumen verehr[e]t hätte. Gegen dieser streckte auch ihr zehn Füsse hohes Haupt die Egyptische Colocasia herfür/ rühmte nicht nur die Grösse ihrer Blät- ter/ und ihre mit einer süssen Frucht trächtige Häupter oder Kelche/ welche nach abgezinseten Bohnen Trinck-Geschirre abgäben; sondern auch ihre süsse Zwiebeln/ welche nichts minder zu einem kräfftigen Liebes-Zunder/ als einer köstlichen Speise dienten; und sie daher als ein Wunderwerck/ ja als eine die Glückseelig- keit gleichsam mit sich führende Pflantze in den Römischen Gärten sorgfältig unterhalten wür- de. Endlich beruffte sich der Serische Blu- men-König auf seine unvergleichliche Schön- heit/ für welcher Glantze alle weisse Blumen schamroth würden/ alle gefärbte wie die Ster- nen für der Morgenröthe erblaßten. Er grün- dete sich auf das für ihn schon gefällete Urthel der klugen/ und allein zwey Augen habenden Serer; welchem kein ander ein-äugichtes Volck wider-
Neuntes Buch [Spaltenumbruch]
Allein dieſe hierdurch angeſtochene Rieſin reck-te uͤber alle Blumen ihr Haupt empor/ und meinte den koͤniglichen Krantz keiner andern zu goͤnnen. Sintemal ſie/ bey der zwar lang- ſamen/ aber es reichlich-einbringenden Geburt ihres Blumen-Stengels/ an geſchwindem Wachsthum die Zedern uͤbereilte/ und an Men- ge der wolruͤchenden Blumen es allen in der Welt zuvor thaͤte/ ja ihre Kinder zu hunderten zehlte. Gegen dieſer aber lehnte ſich der groſſe Hyacinth mit den knollichten Wurtzeln auf/ und ſtellte ihr zum Gebrechen aus: daß ſie alsdenn erſt Blumen braͤchte/ wenn ſie ein funfzig- oder hundert-[j]aͤhrig altes Weib wuͤꝛde; alſo ihren wolthaͤtigen Pflantzer ins gemein mit vergebener Hoffnung ſpeiſete/ und meiſt ehe ihn ſterben ließe/ ehe ſie ſchwanger wuͤrde; ja mit threr erſten Geburt auch alſofort untergienge und verdorrete. Sie hingegen truͤge alle Herbſte nicht viel weniger Blumen/ als die Aloe; alſo: daß ihr mit Gewalt und ſchier ſichtbar emporſtoſſender Stengel den Nahmen eines gantzen Blumen-Gartens verdiente. Seiner Blumẽ Geruch uͤbertraͤffen dẽ der Aloe und der Jaſminen. Er vergleichte ſich der kraͤfftigſten Pomerantz-Bluͤte/ ja wenn die un- tergehende Soñe andern Gewaͤchſen faſt allen ihren Geiſt entzuͤge/ vergroͤſſeꝛten ſeine Blumen ihre Balſam-Krafft/ umb die gleichſam ohn- maͤchtige Welt die Nacht uͤber zu erquicken. Nach dieſem ſtellte ſich auch der Saffran zur Schaue; anziehende: daß mit ſeinen guͤldenen Haaren die Liebes-Goͤttin ihre untermengte; ſeine guͤldene Eeren noch die Fruchtbarkeit der guͤldenen Zeit abbildeten/ und die Welt in ihn noch ſo verliebt waͤre/ als jemahls das Epheu geweſen. Er haͤtte die Krafft die Trunckenheit/ ja die grauſamen Krokodile zu vertreiben; die Ehre die Schauplaͤtze einzubiſamen; und die niedlichſten Speiſen anzuwuͤrtzen; die Wun- den zu heilen/ oder auch gar der Traurigkeit ab- zuhelffen. Weſtwegen nichts minder die Eu- [Spaltenumbruch] menides/ als Ceres den Saffran ihnen zu einem Heiligthume zugeeignet haͤtten. Dem Saff- ran fiel die Aland-Blume in die Haare/ und zohe an: Sie waͤre der ſchoͤnſten Frauen in der Welt ſchoͤnſte Geburt/ und milterte nicht nur die Traurigkeit/ ſondern ſie vergruͤbe alles Leid in das Nichts der Veꝛgeſſenheit. Aber alle dieſe wolte die Sonnen-Krone verdringen; welche ins gemein ſechs und zwantzig/ offt auch gar vieꝛ- tzig Schuch hoch ihr Haupt empor thuͤrmete/ und alſo nicht nur alle Blumen in gebuͤckter Demuth unter ſich ſaͤhe/ ſondern auch hohen Baͤumen zu Kopfe wuͤchſe. Dieſe ungeheure Blume verhoͤhnete das Sonnen-Auge; weil ſie eine Schale ohne Kern; hingegen dis ein Kern ohne Schale/ ja ein recht heilſames Marck der kraͤfftigſten Artzneyen waͤre. Weſt- wegen dieſe Blume die Minerva ihren vom Tempel gefallenen Pericles im Traume als ſein einiges Geneſungs-Mittel gewieſen; die Koͤnigin Artemiſia auch als ein Labſal ihres Traurens fuͤr allen andern Blumen verehr[e]t haͤtte. Gegen dieſer ſtreckte auch ihr zehn Fuͤſſe hohes Haupt die Egyptiſche Colocaſia herfuͤr/ ruͤhmte nicht nur die Groͤſſe ihrer Blaͤt- ter/ und ihre mit einer ſuͤſſen Frucht traͤchtige Haͤupter oder Kelche/ welche nach abgezinſeten Bohnen Trinck-Geſchirre abgaͤben; ſondern auch ihre ſuͤſſe Zwiebeln/ welche nichts minder zu einem kraͤfftigen Liebes-Zunder/ als einer koͤſtlichen Speiſe dienten; und ſie daher als ein Wunderwerck/ ja als eine die Gluͤckſeelig- keit gleichſam mit ſich fuͤhrende Pflantze in den Roͤmiſchen Gaͤrten ſorgfaͤltig unterhalten wuͤr- de. Endlich beruffte ſich der Seriſche Blu- men-Koͤnig auf ſeine unvergleichliche Schoͤn- heit/ fuͤr welcher Glantze alle weiſſe Blumen ſchamroth wuͤrden/ alle gefaͤrbte wie die Ster- nen fuͤr der Morgenroͤthe erblaßten. Er gruͤn- dete ſich auf das fuͤr ihn ſchon gefaͤllete Urthel der klugen/ und allein zwey Augen habenden Seꝛer; welchem kein ander ein-aͤugichtes Volck wider-
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Neuntes Buch
Allein dieſe hierdurch angeſtochene Rieſin reck-
te uͤber alle Blumen ihr Haupt empor/ und
meinte den koͤniglichen Krantz keiner andern
zu goͤnnen. Sintemal ſie/ bey der zwar lang-
ſamen/ aber es reichlich-einbringenden Geburt
ihres Blumen-Stengels/ an geſchwindem
Wachsthum die Zedern uͤbereilte/ und an Men-
ge der wolruͤchenden Blumen es allen in der
Welt zuvor thaͤte/ ja ihre Kinder zu hunderten
zehlte. Gegen dieſer aber lehnte ſich der groſſe
Hyacinth mit den knollichten Wurtzeln auf/
und ſtellte ihr zum Gebrechen aus: daß ſie
alsdenn erſt Blumen braͤchte/ wenn ſie ein
funfzig- oder hundert-jaͤhrig altes Weib wuͤꝛde;
alſo ihren wolthaͤtigen Pflantzer ins gemein mit
vergebener Hoffnung ſpeiſete/ und meiſt ehe ihn
ſterben ließe/ ehe ſie ſchwanger wuͤrde; ja mit
threr erſten Geburt auch alſofort untergienge
und verdorrete. Sie hingegen truͤge alle
Herbſte nicht viel weniger Blumen/ als die
Aloe; alſo: daß ihr mit Gewalt und ſchier
ſichtbar emporſtoſſender Stengel den Nahmen
eines gantzen Blumen-Gartens verdiente.
Seiner Blumẽ Geruch uͤbertraͤffen dẽ der Aloe
und der Jaſminen. Er vergleichte ſich der
kraͤfftigſten Pomerantz-Bluͤte/ ja wenn die un-
tergehende Soñe andern Gewaͤchſen faſt allen
ihren Geiſt entzuͤge/ vergroͤſſeꝛten ſeine Blumen
ihre Balſam-Krafft/ umb die gleichſam ohn-
maͤchtige Welt die Nacht uͤber zu erquicken.
Nach dieſem ſtellte ſich auch der Saffran zur
Schaue; anziehende: daß mit ſeinen guͤldenen
Haaren die Liebes-Goͤttin ihre untermengte;
ſeine guͤldene Eeren noch die Fruchtbarkeit der
guͤldenen Zeit abbildeten/ und die Welt in ihn
noch ſo verliebt waͤre/ als jemahls das Epheu
geweſen. Er haͤtte die Krafft die Trunckenheit/
ja die grauſamen Krokodile zu vertreiben; die
Ehre die Schauplaͤtze einzubiſamen; und die
niedlichſten Speiſen anzuwuͤrtzen; die Wun-
den zu heilen/ oder auch gar der Traurigkeit ab-
zuhelffen. Weſtwegen nichts minder die Eu-
menides/ als Ceres den Saffran ihnen zu einem
Heiligthume zugeeignet haͤtten. Dem Saff-
ran fiel die Aland-Blume in die Haare/ und
zohe an: Sie waͤre der ſchoͤnſten Frauen in der
Welt ſchoͤnſte Geburt/ und milterte nicht nur
die Traurigkeit/ ſondern ſie vergruͤbe alles Leid
in das Nichts der Veꝛgeſſenheit. Aber alle dieſe
wolte die Sonnen-Krone verdringen; welche
ins gemein ſechs und zwantzig/ offt auch gar vieꝛ-
tzig Schuch hoch ihr Haupt empor thuͤrmete/
und alſo nicht nur alle Blumen in gebuͤckter
Demuth unter ſich ſaͤhe/ ſondern auch hohen
Baͤumen zu Kopfe wuͤchſe. Dieſe ungeheure
Blume verhoͤhnete das Sonnen-Auge; weil
ſie eine Schale ohne Kern; hingegen dis ein
Kern ohne Schale/ ja ein recht heilſames
Marck der kraͤfftigſten Artzneyen waͤre. Weſt-
wegen dieſe Blume die Minerva ihren vom
Tempel gefallenen Pericles im Traume als
ſein einiges Geneſungs-Mittel gewieſen; die
Koͤnigin Artemiſia auch als ein Labſal ihres
Traurens fuͤr allen andern Blumen verehret
haͤtte. Gegen dieſer ſtreckte auch ihr zehn
Fuͤſſe hohes Haupt die Egyptiſche Colocaſia
herfuͤr/ ruͤhmte nicht nur die Groͤſſe ihrer Blaͤt-
ter/ und ihre mit einer ſuͤſſen Frucht traͤchtige
Haͤupter oder Kelche/ welche nach abgezinſeten
Bohnen Trinck-Geſchirre abgaͤben; ſondern
auch ihre ſuͤſſe Zwiebeln/ welche nichts minder
zu einem kraͤfftigen Liebes-Zunder/ als einer
koͤſtlichen Speiſe dienten; und ſie daher als
ein Wunderwerck/ ja als eine die Gluͤckſeelig-
keit gleichſam mit ſich fuͤhrende Pflantze in den
Roͤmiſchen Gaͤrten ſorgfaͤltig unterhalten wuͤr-
de. Endlich beruffte ſich der Seriſche Blu-
men-Koͤnig auf ſeine unvergleichliche Schoͤn-
heit/ fuͤr welcher Glantze alle weiſſe Blumen
ſchamroth wuͤrden/ alle gefaͤrbte wie die Ster-
nen fuͤr der Morgenroͤthe erblaßten. Er gruͤn-
dete ſich auf das fuͤr ihn ſchon gefaͤllete Urthel
der klugen/ und allein zwey Augen habenden
Seꝛer; welchem kein ander ein-aͤugichtes Volck
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1390[1392]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1458>, abgerufen am 17.07.2024. |