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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] hundert in wilde Katzen gleichsam eingenehete/
und mit zwey Bey-Pferden gerüstete Sarma-
ter diesen Aufzug. Der Scythen König stell-
te sich alsofort in eine vorwerts zugespitzte/ rück-
werts aber sich immer mehr und mehr ausbrei-
tende Schlachtordnung. Unterdessen hielt Her-
tzog Herrmann durch das gegenüber stehende
Thor des Schau-Platzes einen fast gleichmässi-
gen Aufzug; nur: daß die Deutschen ihre
Haare zusammen gebunden/ keinen andern
Schmuck/ als Agstein; und nur Luchsen-Bä-
ren-Wolff- und Fuchs-Häute zu Kleidern hat-
ten; weil der Feldherr die uhralte Art der Deut-
schen fürstellen/ nicht aber die falsche Meynung/
als wenn sie von Scythen entsprossen wären/
behaupten wolte. Nach beyderseits gleichge-
stellter Schlacht-Ordnung/ für welcher der
Scythen König und Hertzog Herrmann an der
Spitze hielten; neigte jener sich für dem in der
Mitte des Schau-Platzes stehenden Bilde der
Fürstin Thußnelda. Auf beyden Seiten
ward ein blutfärbichter Rock/ als ein Zeichen
des Kampfes auf einen langen Spieß aufge-
steckt/ und es hatten beyde Theile schon die Pfeile
auf ihre gespannte Bogen gelegt; als das
Quer-Thor des Schau-Platzes sich mit einem
grossen Sturme öffnete; welcher zugleich die
von vielen schon abgeschossenen Pfeile auf die
Seite schleuderte. Durch das aufgeschlagene
Thor kam ein mit Sternen über und über be-
mahlter aber an den Rädern gantz gefrorner
Siegs-Wagen gefahren/ welchen vier schnee-
weisse Bären zohen; die der von eitel Eyß und
Schnee raschelnde Nordwind leitete. Auff
dem Wagen aber saß das Nord-Kind die Tap-
ferkeit nicht anders als die gewaffnete Pallas/
oder vielmehr als Perseus/ wie er gegen die
Gorgonen gezogen/ ausgerüstet/ in dem sie mit
einem krystallenen Schilde und Helme/ dero-
gleichen Minerva dem Perseus geschenckt ha-
ben soll/ gewaffnet war. Diese begleiteten auch
noch sechs andere Winde; welche aus künstlich
bereiteten Blase-Bälgen in dem Schau-Platze
[Spaltenumbruch] einen empfindlichen Wind erregten; alle aber
sich eilfertig zwischen die Deutschen und Scythen
eindrangen/ und ihren fürgesetzten Kampf hin-
derten. Die Tapferkeit aber bestillte alsofort
die rauschenden Winde mit einem Wincke/ und
fieng mit einer durchdringenden Stimme fol-
gende Reymen an zu singen:

Wer hat euch diesen Wahn/ Einfältige/ bracht bey:
Jhr die ihr nicht so wohl in Norden Nachbarn seyd/
Als Brüder von Geblüt'/ und in der Tapfferkeit;
Daß Fried' ein Kind der Furcht und Krieg der Tugend sey/
Meynt ihr: weil Mitternacht der Erden Ausbund ist/
Das höchste Theil der Welt/ die meisten Sternen zehlt/
Ja weil ein zweyfach Bär dem Himmel sich vermählt:
Daß ihr auff euch nur selbst die Waffen schärffen müßt.
Nein sicher! zwar der Streit erhält so Stärck' und Preiß
Als wie der Wind die Glut/ und Sturm das bittre Meer.
Doch kämpfft nie mit ihm selbst mein zweygestirnter Bär;
Der kalte Nord-Wind weht nach Sud sein hartes Eyß.
Ein Luchs spielt mit dem Luchs/ auch wenn er grimmig scheint.
Der Wolff hegt mit dem Wolff ein nur anmuthig Spiel.
Diß Beyspiel lehr' euch nun/ was mein Gesetze wil.
Schertzt unter euch/ und seyd den Mittags-Ländern feind.
Der Himmel hat das Reich der Welt für Mitternacht/
Für der Cherusker Held Thußnelden längst bestimm't;
Jch dem/ der über Jud' und Persen heute klimm't/
Der sieben Sternen Krantz zum Lohne zugedacht.

Mit dem Beschlusse dieses Gesanges fuhr
die Tapferkeit harte unter das Bild der Fürstin
Thußnelda/ und legte in ihre ausgestreckte Hand
einen das Sieben-Gestirne künstlich abbilden-
den Krantz. Das vorhin zum Kampfe anrei-
tzende Pauckenschlagen verwandelte sich in ein
annehmliches Gethöne; der angezielte Streit
in das Sarmatische Ritter-Spiel; welches
nichts minder bey allen Völckern/ als zu Rom
für das allerannehmlichste gehalten ward.
Thußneldens Seule blieb das Ziel des von de-
nen Deutschen und Scythen bald die Quere
bald die Länge geschehenden Rennens. Den
Anfang machten die/ welche nur mit drey Pfer-
den versehen waren; welche für erreichtem Zwe-
cke mit einer artlichen Geschwindigkeit alle
Pferde bespringen/ und doch fädem-gleiche
neben oberwehntem Bildnüsse anhalten musten.
Den Preiß unter diesen etlichen hundert Ren-
nern erhielt der Ritter von Reißen; welcher
war ein mit Agstein versetzter Bogen. Hierauf

kamen
Erster Theil. L l l l l l l l

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] hundert in wilde Katzen gleichſam eingenehete/
und mit zwey Bey-Pferden geruͤſtete Sarma-
ter dieſen Aufzug. Der Scythen Koͤnig ſtell-
te ſich alſofort in eine vorwerts zugeſpitzte/ ruͤck-
werts aber ſich immer mehr und mehr ausbrei-
tende Schlachtordnung. Unterdeſſen hielt Her-
tzog Herrmann durch das gegenuͤber ſtehende
Thor des Schau-Platzes einen faſt gleichmaͤſſi-
gen Aufzug; nur: daß die Deutſchen ihre
Haare zuſammen gebunden/ keinen andern
Schmuck/ als Agſtein; und nur Luchſen-Baͤ-
ren-Wolff- und Fuchs-Haͤute zu Kleidern hat-
ten; weil der Feldherr die uhralte Art der Deut-
ſchen fuͤrſtellen/ nicht aber die falſche Meynung/
als wenn ſie von Scythen entſproſſen waͤren/
behaupten wolte. Nach beyderſeits gleichge-
ſtellter Schlacht-Ordnung/ fuͤr welcher der
Scythen Koͤnig und Hertzog Herrmann an deꝛ
Spitze hielten; neigte jener ſich fuͤr dem in der
Mitte des Schau-Platzes ſtehenden Bilde der
Fuͤrſtin Thußnelda. Auf beyden Seiten
ward ein blutfaͤrbichter Rock/ als ein Zeichen
des Kampfes auf einen langen Spieß aufge-
ſteckt/ und es hatten beyde Theile ſchon die Pfeile
auf ihre geſpannte Bogen gelegt; als das
Quer-Thor des Schau-Platzes ſich mit einem
groſſen Sturme oͤffnete; welcher zugleich die
von vielen ſchon abgeſchoſſenen Pfeile auf die
Seite ſchleuderte. Durch das aufgeſchlagene
Thor kam ein mit Sternen uͤber und uͤber be-
mahlter aber an den Raͤdern gantz gefrorner
Siegs-Wagen gefahren/ welchen vier ſchnee-
weiſſe Baͤren zohen; die der von eitel Eyß und
Schnee raſchelnde Nordwind leitete. Auff
dem Wagen aber ſaß das Nord-Kind die Tap-
ferkeit nicht anders als die gewaffnete Pallas/
oder vielmehr als Perſeus/ wie er gegen die
Gorgonen gezogen/ ausgeruͤſtet/ in dem ſie mit
einem kryſtallenen Schilde und Helme/ dero-
gleichen Minerva dem Perſeus geſchenckt ha-
ben ſoll/ gewaffnet war. Dieſe begleiteten auch
noch ſechs andere Winde; welche aus kuͤnſtlich
beꝛeiteten Blaſe-Baͤlgen in dem Schau-Platze
[Spaltenumbruch] einen empfindlichen Wind erregten; alle aber
ſich eilfeꝛtig zwiſchen die Deutſchen und Scythen
eindrangen/ und ihren fuͤrgeſetzten Kampf hin-
derten. Die Tapferkeit aber beſtillte alſofort
die rauſchenden Winde mit einem Wincke/ und
fieng mit einer durchdringenden Stimme fol-
gende Reymen an zu ſingen:

Wer hat euch dieſen Wahn/ Einfaͤltige/ bracht bey:
Jhr die ihr nicht ſo wohl in Norden Nachbarn ſeyd/
Als Bruͤder von Gebluͤt’/ und in der Tapfferkeit;
Daß Fried’ ein Kind der Furcht und Krieg der Tugend ſey/
Meynt ihr: weil Mitternacht der Erden Ausbund iſt/
Das hoͤchſte Theil der Welt/ die meiſten Sternen zehlt/
Ja weil ein zweyfach Baͤr dem Himmel ſich vermaͤhlt:
Daß ihr auff euch nur ſelbſt die Waffen ſchaͤrffen muͤßt.
Nein ſicher! zwar der Streit erhaͤlt ſo Staͤrck’ und Preiß
Als wie der Wind die Glut/ und Sturm das bittre Meer.
Doch kaͤmpfft nie mit ihm ſelbſt mein zweygeſtirnter Baͤr;
Der kalte Nord-Wind weht nach Sud ſein hartes Eyß.
Ein Luchs ſpielt mit dem Luchs/ auch wenn er grimmig ſcheint.
Der Wolff hegt mit dem Wolff ein nur anmuthig Spiel.
Diß Beyſpiel lehr’ euch nun/ was mein Geſetze wil.
Schertzt unter euch/ und ſeyd den Mittags-Laͤndern feind.
Der Himmel hat das Reich der Welt fuͤr Mitternacht/
Fuͤr der Cherusker Held Thußnelden laͤngſt beſtimm’t;
Jch dem/ der uͤber Jud’ und Perſen heute klimm’t/
Der ſieben Sternen Krantz zum Lohne zugedacht.

Mit dem Beſchluſſe dieſes Geſanges fuhr
die Tapferkeit harte unter das Bild der Fuͤrſtin
Thußnelda/ und legte in ihre ausgeſtꝛeckte Hand
einen das Sieben-Geſtirne kuͤnſtlich abbilden-
den Krantz. Das vorhin zum Kampfe anrei-
tzende Pauckenſchlagen verwandelte ſich in ein
annehmliches Gethoͤne; der angezielte Streit
in das Sarmatiſche Ritter-Spiel; welches
nichts minder bey allen Voͤlckern/ als zu Rom
fuͤr das allerannehmlichſte gehalten ward.
Thußneldens Seule blieb das Ziel des von de-
nen Deutſchen und Scythen bald die Quere
bald die Laͤnge geſchehenden Rennens. Den
Anfang machten die/ welche nur mit drey Pfer-
den verſehen waren; welche fuͤr erreichtem Zwe-
cke mit einer artlichen Geſchwindigkeit alle
Pferde beſpringen/ und doch faͤdem-gleiche
neben obeꝛwehntem Bildnuͤſſe anhalten muſten.
Den Preiß unter dieſen etlichen hundert Ren-
nern erhielt der Ritter von Reißen; welcher
war ein mit Agſtein verſetzter Bogen. Hierauf

kamen
Erſter Theil. L l l l l l l l
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[1369[1371]/1437] Arminius und Thußnelda. hundert in wilde Katzen gleichſam eingenehete/ und mit zwey Bey-Pferden geruͤſtete Sarma- ter dieſen Aufzug. Der Scythen Koͤnig ſtell- te ſich alſofort in eine vorwerts zugeſpitzte/ ruͤck- werts aber ſich immer mehr und mehr ausbrei- tende Schlachtordnung. Unterdeſſen hielt Her- tzog Herrmann durch das gegenuͤber ſtehende Thor des Schau-Platzes einen faſt gleichmaͤſſi- gen Aufzug; nur: daß die Deutſchen ihre Haare zuſammen gebunden/ keinen andern Schmuck/ als Agſtein; und nur Luchſen-Baͤ- ren-Wolff- und Fuchs-Haͤute zu Kleidern hat- ten; weil der Feldherr die uhralte Art der Deut- ſchen fuͤrſtellen/ nicht aber die falſche Meynung/ als wenn ſie von Scythen entſproſſen waͤren/ behaupten wolte. Nach beyderſeits gleichge- ſtellter Schlacht-Ordnung/ fuͤr welcher der Scythen Koͤnig und Hertzog Herrmann an deꝛ Spitze hielten; neigte jener ſich fuͤr dem in der Mitte des Schau-Platzes ſtehenden Bilde der Fuͤrſtin Thußnelda. Auf beyden Seiten ward ein blutfaͤrbichter Rock/ als ein Zeichen des Kampfes auf einen langen Spieß aufge- ſteckt/ und es hatten beyde Theile ſchon die Pfeile auf ihre geſpannte Bogen gelegt; als das Quer-Thor des Schau-Platzes ſich mit einem groſſen Sturme oͤffnete; welcher zugleich die von vielen ſchon abgeſchoſſenen Pfeile auf die Seite ſchleuderte. Durch das aufgeſchlagene Thor kam ein mit Sternen uͤber und uͤber be- mahlter aber an den Raͤdern gantz gefrorner Siegs-Wagen gefahren/ welchen vier ſchnee- weiſſe Baͤren zohen; die der von eitel Eyß und Schnee raſchelnde Nordwind leitete. Auff dem Wagen aber ſaß das Nord-Kind die Tap- ferkeit nicht anders als die gewaffnete Pallas/ oder vielmehr als Perſeus/ wie er gegen die Gorgonen gezogen/ ausgeruͤſtet/ in dem ſie mit einem kryſtallenen Schilde und Helme/ dero- gleichen Minerva dem Perſeus geſchenckt ha- ben ſoll/ gewaffnet war. Dieſe begleiteten auch noch ſechs andere Winde; welche aus kuͤnſtlich beꝛeiteten Blaſe-Baͤlgen in dem Schau-Platze einen empfindlichen Wind erregten; alle aber ſich eilfeꝛtig zwiſchen die Deutſchen und Scythen eindrangen/ und ihren fuͤrgeſetzten Kampf hin- derten. Die Tapferkeit aber beſtillte alſofort die rauſchenden Winde mit einem Wincke/ und fieng mit einer durchdringenden Stimme fol- gende Reymen an zu ſingen: Wer hat euch dieſen Wahn/ Einfaͤltige/ bracht bey: Jhr die ihr nicht ſo wohl in Norden Nachbarn ſeyd/ Als Bruͤder von Gebluͤt’/ und in der Tapfferkeit; Daß Fried’ ein Kind der Furcht und Krieg der Tugend ſey/ Meynt ihr: weil Mitternacht der Erden Ausbund iſt/ Das hoͤchſte Theil der Welt/ die meiſten Sternen zehlt/ Ja weil ein zweyfach Baͤr dem Himmel ſich vermaͤhlt: Daß ihr auff euch nur ſelbſt die Waffen ſchaͤrffen muͤßt. Nein ſicher! zwar der Streit erhaͤlt ſo Staͤrck’ und Preiß Als wie der Wind die Glut/ und Sturm das bittre Meer. Doch kaͤmpfft nie mit ihm ſelbſt mein zweygeſtirnter Baͤr; Der kalte Nord-Wind weht nach Sud ſein hartes Eyß. Ein Luchs ſpielt mit dem Luchs/ auch wenn er grimmig ſcheint. Der Wolff hegt mit dem Wolff ein nur anmuthig Spiel. Diß Beyſpiel lehr’ euch nun/ was mein Geſetze wil. Schertzt unter euch/ und ſeyd den Mittags-Laͤndern feind. Der Himmel hat das Reich der Welt fuͤr Mitternacht/ Fuͤr der Cherusker Held Thußnelden laͤngſt beſtimm’t; Jch dem/ der uͤber Jud’ und Perſen heute klimm’t/ Der ſieben Sternen Krantz zum Lohne zugedacht. Mit dem Beſchluſſe dieſes Geſanges fuhr die Tapferkeit harte unter das Bild der Fuͤrſtin Thußnelda/ und legte in ihre ausgeſtꝛeckte Hand einen das Sieben-Geſtirne kuͤnſtlich abbilden- den Krantz. Das vorhin zum Kampfe anrei- tzende Pauckenſchlagen verwandelte ſich in ein annehmliches Gethoͤne; der angezielte Streit in das Sarmatiſche Ritter-Spiel; welches nichts minder bey allen Voͤlckern/ als zu Rom fuͤr das allerannehmlichſte gehalten ward. Thußneldens Seule blieb das Ziel des von de- nen Deutſchen und Scythen bald die Quere bald die Laͤnge geſchehenden Rennens. Den Anfang machten die/ welche nur mit drey Pfer- den verſehen waren; welche fuͤr erreichtem Zwe- cke mit einer artlichen Geſchwindigkeit alle Pferde beſpringen/ und doch faͤdem-gleiche neben obeꝛwehntem Bildnuͤſſe anhalten muſten. Den Preiß unter dieſen etlichen hundert Ren- nern erhielt der Ritter von Reißen; welcher war ein mit Agſtein verſetzter Bogen. Hierauf kamen Erſter Theil. L l l l l l l l

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1369[1371]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1437>, abgerufen am 23.11.2024.