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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Wagen/ war mit einem gelben seidenen Unter-
Kleide/ und einem blauen Ober-Rocke belegt;
welcher nichts minder/ als seine Haupt-Decke
mit einer gewissen Art weicher/ und für den
Wind guter Mäuse- oder Marder-Felle ge-
füttert waren. Sein auf der fördersten Spi-
tze des Wagens sitzender Knecht jagte für ihm
vier flüchtige Walachen her; welche Art der
verschnittenen Pferde die Scythen zum ersten
erfunden haben. Er führte eine blancke Se-
bel in der Hand. Für ihm ritten etliche Scy-
thische mit Köcher und Bogen gerüstete Scy-
then. Sein Anbringen begehrete: daß Her-
tzog Herrmann dem Scythischen Könige Thuß-
nelden abtreten/ oder solche diesen Tag mit den
Waffen behaupten/ vorher aber erwegen solte:
daß die Scythen unüberwindlich; von keiner
euserlichen Gewalt noch bemächtigt worden
wären. Hingegen hätten sie den König Dari-
us/ und des grossen Alexanders Feldhauptmann
Zopyrion aufs Haupt erlegt/ ihn selbst erschre-
cket/ und Käyser August sich mit ihnen zu verbin-
den bemühet. Jhr König hätte auf eines ge-
opferten Ochsen ausgebreiteter Haut bey ent-
blöster heiligen Sebel geschworen: daß er de-
nen Uberwundenen nach ihrer Landes-Art die
Nasen abschneiden/ und die Haut mit sammt den
Haaren von den Köpfen abschinden wolte.
Er pflegte kein Pferd zu beschreiten/ welches
nicht täglich fünff und zwantzig deutsche Mei-
len lauffen/ und derogestalt zehn Tage austau-
ern könte. Also würde Herrmann durch keine
Flüchtigkeit seinen Händen entrinnen. Wenn
sich aber Herrmann entschlüsse/ ihm Thußnel-
den gutwillig abzutreten; wolte er selbte mit
ihm auf Scythische Weise gemein haben.
Auser dieser Erklärung wartete er mit seinen
Pfeilen ihm auf den Dienst/ welche alle in zu-
sammen verfaultem Nattern-Gifte und Men-
schen-Blute eingetaucht/ und dahero im Augen-
blicke tödtlich wären. Diesem Herolde folgte
ein ander auf einem Parthischen Zelter/ wel-
cher mit seinen geschwinden und sanften Schrit-
[Spaltenumbruch] ten gleichsam herein drabte. Sein Haar war
ihm über die Achseln lang ausgebreitet/ das
Haupt mit einem vielfärbichten Bunde bedeckt.
Er war mit einem weiten geblümten Rocke be-
kleidet. Mit der Hand streckte er einen lichten
loh brennenden Topf empor. Sein im Nah-
men des Parthischen Königs geschehender Vor-
trag war vorigen Jnnhalts; seine Dräuung
aber: daß er bey nicht erfolgter Gewehrung
diesen Feuer-Topf würde in das Wasser werf-
fen/ die Uberwundenen aber bey dem güldenen
Dreyfusse vom Könige ein scharffes Urthel/
entweder: daß ihnen über den gantzen Leib die
Haut abgezogen werden/ oder sie in einem ver-
schlossenen Nachen verfaulen solten/ erwarten
müssen. Hierauf erschien in den Schloß-Hof
auf einem mit Gold-Stück überdecktem Ele-
fanten ein Jndianischer Herold/ in einem din-
nen schneeweissen seidenen Rocke. Die kurtz-
krausen Haare umbhüllete ein mit goldenen Fä-
demen durchwürcktes Tuch. An den Ohren
hiengen perlene Ohrgehencke. Das Antlitz
war mit allerhand Farben geschmückt; die
Armen mit güldenen Ringen gezieret; an de-
nen Fingern aber hatte er Nägel wie Adlers-
Klauen; als welche viel Jndianer ihr Lebtage
nicht abzuschneiden gewohnt sind. Jn der
rechten Hand führte er einen Pfeil dreyer Ellen-
bogen lang. Für diesem Herolde giengen her
etliche halbnackte Jndianer/ welche/ als sie die
gleich aufgehende Sonne erblickten/ selbte mit
einem zierlichen Tantze verehreten. Des He-
rolds Anbringen war: daß der König in Jn-
dien durch Thußneldens Schönheits-Ruhm
gereitzet das heilige Ganges-Wasser zu trincken
sich entschlagen hätte/ und in der Nähe sich be-
findete. Er trüge dem Fürsten Herrmann an
gegen sie einen weissen Elefanten zu verwech-
seln; welcher kostbarer/ als kein Königreich wäre.
Das Geschencke eines gemeinen Elefanten wä-
re in Jndien so hoch geschätzt: daß die keuscheste
Jungfrau dafür ihre Jungfrauschaft aufzuopfern
sich nicht weigerte/ und dieser theure Verlust ihr

die

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Wagen/ war mit einem gelben ſeidenen Unter-
Kleide/ und einem blauen Ober-Rocke belegt;
welcher nichts minder/ als ſeine Haupt-Decke
mit einer gewiſſen Art weicher/ und fuͤr den
Wind guter Maͤuſe- oder Marder-Felle ge-
fuͤttert waren. Sein auf der foͤrderſten Spi-
tze des Wagens ſitzender Knecht jagte fuͤr ihm
vier fluͤchtige Walachen her; welche Art der
verſchnittenen Pferde die Scythen zum erſten
erfunden haben. Er fuͤhrte eine blancke Se-
bel in der Hand. Fuͤr ihm ritten etliche Scy-
thiſche mit Koͤcher und Bogen geruͤſtete Scy-
then. Sein Anbringen begehrete: daß Her-
tzog Herrmann dem Scythiſchen Koͤnige Thuß-
nelden abtreten/ oder ſolche dieſen Tag mit den
Waffen behaupten/ vorher aber erwegen ſolte:
daß die Scythen unuͤberwindlich; von keiner
euſerlichen Gewalt noch bemaͤchtigt worden
waͤren. Hingegen haͤtten ſie den Koͤnig Dari-
us/ und des groſſen Alexanders Feldhauptmann
Zopyrion aufs Haupt erlegt/ ihn ſelbſt erſchre-
cket/ und Kaͤyſer Auguſt ſich mit ihnen zu verbin-
den bemuͤhet. Jhr Koͤnig haͤtte auf eines ge-
opferten Ochſen ausgebreiteter Haut bey ent-
bloͤſter heiligen Sebel geſchworen: daß er de-
nen Uberwundenen nach ihrer Landes-Art die
Naſen abſchneiden/ und die Haut mit ſam̃t den
Haaren von den Koͤpfen abſchinden wolte.
Er pflegte kein Pferd zu beſchreiten/ welches
nicht taͤglich fuͤnff und zwantzig deutſche Mei-
len lauffen/ und derogeſtalt zehn Tage austau-
ern koͤnte. Alſo wuͤrde Herrmann durch keine
Fluͤchtigkeit ſeinen Haͤnden entrinnen. Wenn
ſich aber Herrmann entſchluͤſſe/ ihm Thußnel-
den gutwillig abzutreten; wolte er ſelbte mit
ihm auf Scythiſche Weiſe gemein haben.
Auſer dieſer Erklaͤrung wartete er mit ſeinen
Pfeilen ihm auf den Dienſt/ welche alle in zu-
ſammen verfaultem Nattern-Gifte und Men-
ſchen-Blute eingetaucht/ und dahero im Augen-
blicke toͤdtlich waͤren. Dieſem Herolde folgte
ein ander auf einem Parthiſchen Zelter/ wel-
cheꝛ mit ſeinen geſchwinden und ſanften Schrit-
[Spaltenumbruch] ten gleichſam herein drabte. Sein Haar war
ihm uͤber die Achſeln lang ausgebreitet/ das
Haupt mit einem vielfaͤrbichten Bunde bedeckt.
Er war mit einem weiten gebluͤmten Rocke be-
kleidet. Mit der Hand ſtreckte er einen lichten
loh brennenden Topf empor. Sein im Nah-
men des Parthiſchen Koͤnigs geſchehender Vor-
trag war vorigen Jnnhalts; ſeine Draͤuung
aber: daß er bey nicht erfolgter Gewehrung
dieſen Feuer-Topf wuͤrde in das Waſſer werf-
fen/ die Uberwundenen aber bey dem guͤldenen
Dreyfuſſe vom Koͤnige ein ſcharffes Urthel/
entweder: daß ihnen uͤber den gantzen Leib die
Haut abgezogen werden/ oder ſie in einem ver-
ſchloſſenen Nachen verfaulen ſolten/ erwarten
muͤſſen. Hierauf erſchien in den Schloß-Hof
auf einem mit Gold-Stuͤck uͤberdecktem Ele-
fanten ein Jndianiſcher Herold/ in einem din-
nen ſchneeweiſſen ſeidenen Rocke. Die kurtz-
krauſen Haare umbhuͤllete ein mit goldenen Faͤ-
demen durchwuͤrcktes Tuch. An den Ohren
hiengen perlene Ohrgehencke. Das Antlitz
war mit allerhand Farben geſchmuͤckt; die
Armen mit guͤldenen Ringen gezieret; an de-
nen Fingern aber hatte er Naͤgel wie Adlers-
Klauen; als welche viel Jndianer ihr Lebtage
nicht abzuſchneiden gewohnt ſind. Jn der
rechten Hand fuͤhrte er einen Pfeil dreyer Ellen-
bogen lang. Fuͤr dieſem Herolde giengen her
etliche halbnackte Jndianer/ welche/ als ſie die
gleich aufgehende Sonne erblickten/ ſelbte mit
einem zierlichen Tantze verehreten. Des He-
rolds Anbringen war: daß der Koͤnig in Jn-
dien durch Thußneldens Schoͤnheits-Ruhm
gereitzet das heilige Ganges-Waſſer zu trincken
ſich entſchlagen haͤtte/ und in der Naͤhe ſich be-
findete. Er truͤge dem Fuͤrſten Herrmann an
gegen ſie einen weiſſen Elefanten zu verwech-
ſeln; welcher koſtbarer/ als kein Koͤnigreich waͤre.
Das Geſchencke eines gemeinen Elefanten waͤ-
re in Jndien ſo hoch geſchaͤtzt: daß die keuſcheſte
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die
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[1367[1369]/1435] Arminius und Thußnelda. Wagen/ war mit einem gelben ſeidenen Unter- Kleide/ und einem blauen Ober-Rocke belegt; welcher nichts minder/ als ſeine Haupt-Decke mit einer gewiſſen Art weicher/ und fuͤr den Wind guter Maͤuſe- oder Marder-Felle ge- fuͤttert waren. Sein auf der foͤrderſten Spi- tze des Wagens ſitzender Knecht jagte fuͤr ihm vier fluͤchtige Walachen her; welche Art der verſchnittenen Pferde die Scythen zum erſten erfunden haben. Er fuͤhrte eine blancke Se- bel in der Hand. Fuͤr ihm ritten etliche Scy- thiſche mit Koͤcher und Bogen geruͤſtete Scy- then. Sein Anbringen begehrete: daß Her- tzog Herrmann dem Scythiſchen Koͤnige Thuß- nelden abtreten/ oder ſolche dieſen Tag mit den Waffen behaupten/ vorher aber erwegen ſolte: daß die Scythen unuͤberwindlich; von keiner euſerlichen Gewalt noch bemaͤchtigt worden waͤren. Hingegen haͤtten ſie den Koͤnig Dari- us/ und des groſſen Alexanders Feldhauptmann Zopyrion aufs Haupt erlegt/ ihn ſelbſt erſchre- cket/ und Kaͤyſer Auguſt ſich mit ihnen zu verbin- den bemuͤhet. Jhr Koͤnig haͤtte auf eines ge- opferten Ochſen ausgebreiteter Haut bey ent- bloͤſter heiligen Sebel geſchworen: daß er de- nen Uberwundenen nach ihrer Landes-Art die Naſen abſchneiden/ und die Haut mit ſam̃t den Haaren von den Koͤpfen abſchinden wolte. Er pflegte kein Pferd zu beſchreiten/ welches nicht taͤglich fuͤnff und zwantzig deutſche Mei- len lauffen/ und derogeſtalt zehn Tage austau- ern koͤnte. Alſo wuͤrde Herrmann durch keine Fluͤchtigkeit ſeinen Haͤnden entrinnen. Wenn ſich aber Herrmann entſchluͤſſe/ ihm Thußnel- den gutwillig abzutreten; wolte er ſelbte mit ihm auf Scythiſche Weiſe gemein haben. Auſer dieſer Erklaͤrung wartete er mit ſeinen Pfeilen ihm auf den Dienſt/ welche alle in zu- ſammen verfaultem Nattern-Gifte und Men- ſchen-Blute eingetaucht/ und dahero im Augen- blicke toͤdtlich waͤren. Dieſem Herolde folgte ein ander auf einem Parthiſchen Zelter/ wel- cheꝛ mit ſeinen geſchwinden und ſanften Schrit- ten gleichſam herein drabte. Sein Haar war ihm uͤber die Achſeln lang ausgebreitet/ das Haupt mit einem vielfaͤrbichten Bunde bedeckt. Er war mit einem weiten gebluͤmten Rocke be- kleidet. Mit der Hand ſtreckte er einen lichten loh brennenden Topf empor. Sein im Nah- men des Parthiſchen Koͤnigs geſchehender Vor- trag war vorigen Jnnhalts; ſeine Draͤuung aber: daß er bey nicht erfolgter Gewehrung dieſen Feuer-Topf wuͤrde in das Waſſer werf- fen/ die Uberwundenen aber bey dem guͤldenen Dreyfuſſe vom Koͤnige ein ſcharffes Urthel/ entweder: daß ihnen uͤber den gantzen Leib die Haut abgezogen werden/ oder ſie in einem ver- ſchloſſenen Nachen verfaulen ſolten/ erwarten muͤſſen. Hierauf erſchien in den Schloß-Hof auf einem mit Gold-Stuͤck uͤberdecktem Ele- fanten ein Jndianiſcher Herold/ in einem din- nen ſchneeweiſſen ſeidenen Rocke. Die kurtz- krauſen Haare umbhuͤllete ein mit goldenen Faͤ- demen durchwuͤrcktes Tuch. An den Ohren hiengen perlene Ohrgehencke. Das Antlitz war mit allerhand Farben geſchmuͤckt; die Armen mit guͤldenen Ringen gezieret; an de- nen Fingern aber hatte er Naͤgel wie Adlers- Klauen; als welche viel Jndianer ihr Lebtage nicht abzuſchneiden gewohnt ſind. Jn der rechten Hand fuͤhrte er einen Pfeil dreyer Ellen- bogen lang. Fuͤr dieſem Herolde giengen her etliche halbnackte Jndianer/ welche/ als ſie die gleich aufgehende Sonne erblickten/ ſelbte mit einem zierlichen Tantze verehreten. Des He- rolds Anbringen war: daß der Koͤnig in Jn- dien durch Thußneldens Schoͤnheits-Ruhm gereitzet das heilige Ganges-Waſſer zu trincken ſich entſchlagen haͤtte/ und in der Naͤhe ſich be- findete. Er truͤge dem Fuͤrſten Herrmann an gegen ſie einen weiſſen Elefanten zu verwech- ſeln; welcher koſtbarer/ als kein Koͤnigreich waͤre. Das Geſchencke eines gemeinen Elefanten waͤ- re in Jndien ſo hoch geſchaͤtzt: daß die keuſcheſte Jungfꝛau dafuͤꝛ ihꝛe Jungfꝛauſchaft aufzuopfeꝛn ſich nicht weigerte/ und dieſer theure Verluſt ihr die

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1367[1369]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1435>, abgerufen am 23.11.2024.