Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Neuntes Buch [Spaltenumbruch]
sie wol aus/ fieng aber hierauf an: Meineliebste Erato/ ihre Weisen kommen mir für/ wie jener neue Gärtner/ welcher/ als er im Früh- linge seine Nachbarn ihre Weinberge behau- en/ ihre Bäume beschnöteln sahe/ solches durch derselben gäntzliche Ausrottung noch zu ver- bessern vermeinte. Aber warumb schleiffen die Steinschneider von denen rauen Diaman- ten nicht alle Flecken weg? Lassen sie nicht mehrmals einer unreinen Ader Uberbleibung daran; ehe sie diesen köstlichen Stein gar zer- malmen? Oder warumb zöpfet sie nicht viel- mehr das Blut gar aus ihren Adern; wenn seine übermäßige Hitze Feber- und Seiten- Weh erreget; sondern nur den Uberfluß? Warumb schneiden die Sitten-Lehrer nicht der Keuschheit zu gefallen/ wie die Elevsini- schen Priester ihnen nicht gar die Geburts- Glieder ab? Warumb haben die Aertzte so gar aus Lämmern und Kälbern den Mangel unsers Geblütes zu erstatten durch eine in sil- bernen Röhren geschehende Eingießung er- funden? So gut und nöthig nun in dem Leibe das Blut ist; so gut und unentpehrlich sind auch in dem Gemüthe die Regungen; welche ohne dis mit dem Geblüte so sehr vermählet sind: daß sie selbtes wie der Monde das Meer bewegen/ und darinnen ihre Siegs-Fahn an- stecken/ wenn Liebe/ Zorn/ Scham und Freude selbtes mit Gewalt ins Antlitz treibt; die Furcht es aber dem Hertzen zu Hülffe rufft. Die Regungen haben zwar keine vollkommene Güte/ wie die Tugend; eben so wenig/ als die andern Glieder dem Hertzen zu vergleichen sind. Sie haben aber ein so nöthig Ampt/ als Hände und Füsse; und sind offtmahls so nützlich/ als die Uberströmung des Nil und Nigers. Denn sie machen alle Kräfften der Vernunfft rege und lebhafft; also: daß die Menschen ohne die Gemüths-Regungen ein marmelnes Volck; und nicht viel leb- [Spaltenumbruch] haffter/ als die aus der Welt nach Rom ver- sammleten Bilder; Unsere Seele aber ohne sie eine Fürstin ohne Befehlhaber und Diener seyn würde; welche aber weit über die Glieder und Sinnen gesötzt sind/ und diesen zu gebie- ten haben: daß beym Verlangen des Guten/ bey Abwendung des Bösen/ das Gehöre und das Gesichte solche ausspüren/ die euserlichen Glieder allenthalben handlangen müsten/ wenn der verwegene Zorn auf die Feinde und Laster einen Ausfall thut/ oder die Furcht die Pfor- ten verschleußt; die von dem Verlangen und der Hoffnung wieder eröfnet werden; wormit Liebe und Freude in das Gemüthe ihren Ein- zug halte; in welchen letztern Regungen der Genüß der Tugend bestehet/ als die in sich selbst ihre frohe Vergnügung findet/ und in sich inbrünstiger/ als ein Bräutigam in der ersten Hochzeit-Nacht in seine Braut verliebt ist. Diese Tugend hat selbst ihre Abfälle/ wie die Sonne ihre Finsternüsse/ die Freygebig- keit verfällt in Verschwendung/ die Tapfer- keit wird verwegen; ja die meisten Laster sind die Mißgeburten der lebhafftesten Tugenden. Solten diese destwegen verwerflich seyn? Sol- ten die Tugenden destwegen durch die Ver- nunfft nicht in den Schrancken ihrer Mittel- Bahn erhalten werden können? Wir können ins gemein etwas nicht; weil wir uns desselb- ten Unmögligkeit frühzeitig einbilden? Nach dem wir uns in unsere Schwachheiten verlie- ben/ reden wir ihnen das Wort; und wormit wir uns derselben nicht entschütten können/ entschuldigen wir sie. Denn wie keine Kranck- heit gefunden wird/ für welche die Natur nicht habe eine Artzney wachsen lassen; also ist kein Gemüths-Gebrechen/ welchen zu überwün- den sie uns nicht Kräfften genung gegeben hätte. Die tugendhaffte Thußnelde brach all- hier mit einer ehrerbietigen Bescheidenheit derogestalt ein: Sie wäre zwar in der Weiß- heit
Neuntes Buch [Spaltenumbruch]
ſie wol aus/ fieng aber hierauf an: Meineliebſte Erato/ ihre Weiſen kommen mir fuͤr/ wie jener neue Gaͤrtner/ welcher/ als er im Fruͤh- linge ſeine Nachbarn ihre Weinberge behau- en/ ihre Baͤume beſchnoͤteln ſahe/ ſolches durch derſelben gaͤntzliche Ausrottung noch zu ver- beſſern vermeinte. Aber warumb ſchleiffen die Steinſchneider von denen rauen Diaman- ten nicht alle Flecken weg? Laſſen ſie nicht mehrmals einer unreinen Ader Uberbleibung daran; ehe ſie dieſen koͤſtlichen Stein gar zer- malmen? Oder warumb zoͤpfet ſie nicht viel- mehr das Blut gar aus ihren Adern; wenn ſeine uͤbermaͤßige Hitze Feber- und Seiten- Weh erreget; ſondern nur den Uberfluß? Warumb ſchneiden die Sitten-Lehrer nicht der Keuſchheit zu gefallen/ wie die Elevſini- ſchen Prieſter ihnen nicht gar die Geburts- Glieder ab? Warumb haben die Aertzte ſo gar aus Laͤmmern und Kaͤlbern den Mangel unſers Gebluͤtes zu erſtatten durch eine in ſil- bernen Roͤhren geſchehende Eingießung er- funden? So gut und noͤthig nun in dem Leibe das Blut iſt; ſo gut und unentpehrlich ſind auch in dem Gemuͤthe die Regungen; welche ohne dis mit dem Gebluͤte ſo ſehr vermaͤhlet ſind: daß ſie ſelbtes wie der Monde das Meer bewegen/ und darinnen ihre Siegs-Fahn an- ſtecken/ wenn Liebe/ Zorn/ Scham und Freude ſelbtes mit Gewalt ins Antlitz treibt; die Furcht es aber dem Hertzen zu Huͤlffe rufft. Die Regungen haben zwar keine vollkommene Guͤte/ wie die Tugend; eben ſo wenig/ als die andern Glieder dem Hertzen zu vergleichen ſind. Sie haben aber ein ſo noͤthig Ampt/ als Haͤnde und Fuͤſſe; und ſind offtmahls ſo nuͤtzlich/ als die Uberſtroͤmung des Nil und Nigers. Denn ſie machen alle Kraͤfften der Vernunfft rege und lebhafft; alſo: daß die Menſchen ohne die Gemuͤths-Regungen ein marmelnes Volck; und nicht viel leb- [Spaltenumbruch] haffter/ als die aus der Welt nach Rom ver- ſammleten Bilder; Unſere Seele aber ohne ſie eine Fuͤrſtin ohne Befehlhaber und Diener ſeyn wuͤrde; welche aber weit uͤber die Glieder und Sinnen geſoͤtzt ſind/ und dieſen zu gebie- ten haben: daß beym Verlangen des Guten/ bey Abwendung des Boͤſen/ das Gehoͤre und das Geſichte ſolche ausſpuͤren/ die euſerlichen Glieder allenthalben handlangen muͤſten/ weñ der verwegene Zorn auf die Feinde und Laſter einen Ausfall thut/ oder die Furcht die Pfor- ten verſchleußt; die von dem Verlangen und der Hoffnung wieder eroͤfnet werden; wormit Liebe und Freude in das Gemuͤthe ihren Ein- zug halte; in welchen letztern Regungen der Genuͤß der Tugend beſtehet/ als die in ſich ſelbſt ihre frohe Vergnuͤgung findet/ und in ſich inbruͤnſtiger/ als ein Braͤutigam in der erſten Hochzeit-Nacht in ſeine Braut verliebt iſt. Dieſe Tugend hat ſelbſt ihre Abfaͤlle/ wie die Sonne ihre Finſternuͤſſe/ die Freygebig- keit verfaͤllt in Verſchwendung/ die Tapfer- keit wird verwegen; ja die meiſten Laſter ſind die Mißgeburten der lebhaffteſten Tugenden. Solten dieſe deſtwegen verwerflich ſeyn? Sol- ten die Tugenden deſtwegen durch die Ver- nunfft nicht in den Schrancken ihrer Mittel- Bahn erhalten werden koͤnnen? Wir koͤnnen ins gemein etwas nicht; weil wir uns deſſelb- ten Unmoͤgligkeit fruͤhzeitig einbilden? Nach dem wir uns in unſere Schwachheiten verlie- ben/ reden wir ihnen das Wort; und wormit wir uns derſelben nicht entſchuͤtten koͤnnen/ entſchuldigen wir ſie. Denn wie keine Kranck- heit gefunden wird/ fuͤr welche die Natur nicht habe eine Artzney wachſen laſſen; alſo iſt kein Gemuͤths-Gebrechen/ welchen zu uͤberwuͤn- den ſie uns nicht Kraͤfften genung gegeben haͤtte. Die tugendhaffte Thußnelde brach all- hier mit einer ehrerbietigen Beſcheidenheit derogeſtalt ein: Sie waͤre zwar in der Weiß- heit
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Neuntes Buch
ſie wol aus/ fieng aber hierauf an: Meine
liebſte Erato/ ihre Weiſen kommen mir fuͤr/ wie
jener neue Gaͤrtner/ welcher/ als er im Fruͤh-
linge ſeine Nachbarn ihre Weinberge behau-
en/ ihre Baͤume beſchnoͤteln ſahe/ ſolches durch
derſelben gaͤntzliche Ausrottung noch zu ver-
beſſern vermeinte. Aber warumb ſchleiffen
die Steinſchneider von denen rauen Diaman-
ten nicht alle Flecken weg? Laſſen ſie nicht
mehrmals einer unreinen Ader Uberbleibung
daran; ehe ſie dieſen koͤſtlichen Stein gar zer-
malmen? Oder warumb zoͤpfet ſie nicht viel-
mehr das Blut gar aus ihren Adern; wenn
ſeine uͤbermaͤßige Hitze Feber- und Seiten-
Weh erreget; ſondern nur den Uberfluß?
Warumb ſchneiden die Sitten-Lehrer nicht
der Keuſchheit zu gefallen/ wie die Elevſini-
ſchen Prieſter ihnen nicht gar die Geburts-
Glieder ab? Warumb haben die Aertzte ſo
gar aus Laͤmmern und Kaͤlbern den Mangel
unſers Gebluͤtes zu erſtatten durch eine in ſil-
bernen Roͤhren geſchehende Eingießung er-
funden? So gut und noͤthig nun in dem Leibe
das Blut iſt; ſo gut und unentpehrlich ſind
auch in dem Gemuͤthe die Regungen; welche
ohne dis mit dem Gebluͤte ſo ſehr vermaͤhlet
ſind: daß ſie ſelbtes wie der Monde das Meer
bewegen/ und darinnen ihre Siegs-Fahn an-
ſtecken/ wenn Liebe/ Zorn/ Scham und Freude
ſelbtes mit Gewalt ins Antlitz treibt; die Furcht
es aber dem Hertzen zu Huͤlffe rufft. Die
Regungen haben zwar keine vollkommene
Guͤte/ wie die Tugend; eben ſo wenig/ als die
andern Glieder dem Hertzen zu vergleichen
ſind. Sie haben aber ein ſo noͤthig Ampt/
als Haͤnde und Fuͤſſe; und ſind offtmahls ſo
nuͤtzlich/ als die Uberſtroͤmung des Nil und
Nigers. Denn ſie machen alle Kraͤfften
der Vernunfft rege und lebhafft; alſo: daß
die Menſchen ohne die Gemuͤths-Regungen
ein marmelnes Volck; und nicht viel leb-
haffter/ als die aus der Welt nach Rom ver-
ſammleten Bilder; Unſere Seele aber ohne
ſie eine Fuͤrſtin ohne Befehlhaber und Diener
ſeyn wuͤrde; welche aber weit uͤber die Glieder
und Sinnen geſoͤtzt ſind/ und dieſen zu gebie-
ten haben: daß beym Verlangen des Guten/
bey Abwendung des Boͤſen/ das Gehoͤre und
das Geſichte ſolche ausſpuͤren/ die euſerlichen
Glieder allenthalben handlangen muͤſten/ weñ
der verwegene Zorn auf die Feinde und Laſter
einen Ausfall thut/ oder die Furcht die Pfor-
ten verſchleußt; die von dem Verlangen und
der Hoffnung wieder eroͤfnet werden; wormit
Liebe und Freude in das Gemuͤthe ihren Ein-
zug halte; in welchen letztern Regungen der
Genuͤß der Tugend beſtehet/ als die in ſich
ſelbſt ihre frohe Vergnuͤgung findet/ und in
ſich inbruͤnſtiger/ als ein Braͤutigam in der
erſten Hochzeit-Nacht in ſeine Braut verliebt
iſt. Dieſe Tugend hat ſelbſt ihre Abfaͤlle/ wie
die Sonne ihre Finſternuͤſſe/ die Freygebig-
keit verfaͤllt in Verſchwendung/ die Tapfer-
keit wird verwegen; ja die meiſten Laſter ſind
die Mißgeburten der lebhaffteſten Tugenden.
Solten dieſe deſtwegen verwerflich ſeyn? Sol-
ten die Tugenden deſtwegen durch die Ver-
nunfft nicht in den Schrancken ihrer Mittel-
Bahn erhalten werden koͤnnen? Wir koͤnnen
ins gemein etwas nicht; weil wir uns deſſelb-
ten Unmoͤgligkeit fruͤhzeitig einbilden? Nach
dem wir uns in unſere Schwachheiten verlie-
ben/ reden wir ihnen das Wort; und wormit
wir uns derſelben nicht entſchuͤtten koͤnnen/
entſchuldigen wir ſie. Denn wie keine Kranck-
heit gefunden wird/ fuͤr welche die Natur nicht
habe eine Artzney wachſen laſſen; alſo iſt kein
Gemuͤths-Gebrechen/ welchen zu uͤberwuͤn-
den ſie uns nicht Kraͤfften genung gegeben
haͤtte. Die tugendhaffte Thußnelde brach all-
hier mit einer ehrerbietigen Beſcheidenheit
derogeſtalt ein: Sie waͤre zwar in der Weiß-
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