Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Neuntes Buch
[Spaltenumbruch] kommen hätte; aber die männlichen Seelen
hätten für den weiblichen keinen Vorzug. Die-
se allein/ als der Sitz des Nachsinnens und der
Tugend/ hätten eigentlich nur mit der Weiß-
heit zu schaffen. Jene wären nicht mit meh-
rerm Geiste geflügelt; diesen klebte nicht mehr
Erde und Schlacke an; beyde rührten von ei-
nem Uhrsprung her. Jhre Feuchtigkeit hin-
derte ihr Geschlechte an nichts/ ja sie wäre als
ein denen Wissenschafften zu Einpregung der
Bilder in das Gedächtnüs dienender Talg
vielmehr beförderlich. Der Mohnde wäre
so schön und nutzbar als die feurigen Gestirne/
wiewol auch die feurigsten und die Sonne selbst
guten theils aus einem flüssenden Wesen/ und
nichts minder/ als die Erdkugel aus einem
Meere bestünden. Jhr wäre zwar nicht un-
bekandt: daß man sie beschuldigte: sie flatterten
mit ihren Gedancken all zu leicht und verän-
derlich; aber der Männer ihre wären auch an
keinen Nagel gehefftet; und den tieffsinnigen
Wissenschafften dienten mehr die Adlers-Flü-
gel/ als Schildkröten-Füsse. Ja da sie auch in
ein- oder dem andern einigen Gebrechen hät-
ten/ thäte ihnen die Weißheit/ als welche der
Vernunfft zu Hülffe kommt/ die Finsternüße
des Geistes erleuchtet/ und die Gemüther voll-
kommen macht/ so viel mehr von nöthen. Uber
diß dörffte man zu derselben Weißheit/ welche
eine Wegweiserin des Lebens/ und eine Mut-
ter der Tugend ist/ weder die Tieffsinnigkeit
hohen Verstandes/ noch das Vermögen aus-
bündiger Gliedmassen. Man träffe sie mehr-
mahls in Vollkommenheit bey der Einfalt/ und
in einem kriplichten Leibe an. Denn sie ver-
trüge sich mit beyderley Glücke/ und gäbe den
beyden Geschlechten so nöthigen Unterricht/
wie gute Begebungen ohne Schwindel; und
schlimme Zufälle wären sonder Ohnmacht zu
vertragen. Sie hätte zu ihrem Zwecke das
mangelhaffte zu verbessern/ die Unvergnügten
glückselig zu machen; und durch Dämpffung
hefftiger Regungen den Menschen vom Pöfel
[Spaltenumbruch] so weit zu entfernen/ als er an sich selbst vom
Vieh unterschieden zu seyn scheinet. König
Frotho begegnete seiner Schwester mit einer
besondern Höfligkeit; und entschuldigte: daß
er dem Frauenzimmer ihre Fähigkeit die Weiß-
heit zu begreiffen/ und den ihm daraus qvellen-
den Nutzen strittig gemacht; sondern nur: daß
sie nicht wie die Männer sich darinnen zu ver-
tieffen verbunden wären; verließ uns also beyde
in unser annehmlichen Einsamkeit/ fand auch
wie ich in der Unterweisung der Alironischen
Frauen/ also er durch Ehlichung Alvildens ei-
ner Sitonischen Fürstin seine gewünschte Ver-
gnügung.

Jch muste in dieser Schule die natürlichen
Dinge zu erforschen drey Jahr zubringen; aber
die Anmuth der Gesellschafft und die Lehrart/
welche einem alles gleichsam spielende bey-
brachte/ verkürtzte mir sie so sehr: daß sie mir we-
niger/ als drey Monate schienen; Denn ob ich
zwar vorher mich auch auf diese Geheimnüße
gelegt hatte; ward ich doch nunmehr inne: daß
meine Lehrmeister mir zwar viel gutes unter die
Hände gegeben/ aber nicht recht aus gearbeitet
hatten; und war zwischen beyden ein solcher
Unterscheid/ wie zwischen dem Marmel/ den
die Werck-Leute aus seinen Adern hauen/ und
dem/ der bereit durch die Hand des Bildhauers
gegangen. Allhier ward nichts gewiesen oder
iemand dessen überredet; was man nicht aus
den Eigenschafften der Dinge her nahm;
und dessen man gleichsam mit seinen fühlenden
Händen und sehenden Augen überwiesen ward.
Welches bey denen Lehrlingen nicht nur mehr
Beyfall erweckte/ sondern auch in ihrem Thun
mehr Nachdruck hatte. Denn die/ welche ihre
vermeinte Weißheit nur hinter das Alterthum
und ihrer Vor-Eltern Meinung verbergen/
sind wenig besser als die jenigen Priester/ die sich
in die holen Bilder ihrer Götter versteckten/
um den Wahn ihrer Wahrsagungen so viel
glaubhaffter zu machen.

Nach dieser Zeit kam ich zu der andern Staf-

fel/

Neuntes Buch
[Spaltenumbruch] kommen haͤtte; aber die maͤnnlichen Seelen
haͤtten fuͤr den weiblichen keinen Vorzug. Die-
ſe allein/ als der Sitz des Nachſinnens und der
Tugend/ haͤtten eigentlich nur mit der Weiß-
heit zu ſchaffen. Jene waͤren nicht mit meh-
rerm Geiſte gefluͤgelt; dieſen klebte nicht mehr
Erde und Schlacke an; beyde ruͤhrten von ei-
nem Uhrſprung her. Jhre Feuchtigkeit hin-
derte ihr Geſchlechte an nichts/ ja ſie waͤre als
ein denen Wiſſenſchafften zu Einpregung der
Bilder in das Gedaͤchtnuͤs dienender Talg
vielmehr befoͤrderlich. Der Mohnde waͤre
ſo ſchoͤn und nutzbar als die feurigen Geſtirne/
wiewol auch die feurigſten und die Sonne ſelbſt
guten theils aus einem fluͤſſenden Weſen/ und
nichts minder/ als die Erdkugel aus einem
Meere beſtuͤnden. Jhr waͤre zwar nicht un-
bekandt: daß man ſie beſchuldigte: ſie flatterten
mit ihren Gedancken all zu leicht und veraͤn-
derlich; aber der Maͤnner ihre waͤren auch an
keinen Nagel gehefftet; und den tieffſinnigen
Wiſſenſchafften dienten mehr die Adlers-Fluͤ-
gel/ als Schildkroͤten-Fuͤſſe. Ja da ſie auch in
ein- oder dem andern einigen Gebrechen haͤt-
ten/ thaͤte ihnen die Weißheit/ als welche der
Vernunfft zu Huͤlffe kommt/ die Finſternuͤße
des Geiſtes erleuchtet/ und die Gemuͤther voll-
kommen macht/ ſo viel mehr von noͤthen. Uber
diß doͤrffte man zu derſelben Weißheit/ welche
eine Wegweiſerin des Lebens/ und eine Mut-
ter der Tugend iſt/ weder die Tieffſinnigkeit
hohen Verſtandes/ noch das Vermoͤgen aus-
buͤndiger Gliedmaſſen. Man traͤffe ſie mehr-
mahls in Vollkommenheit bey der Einfalt/ und
in einem kriplichten Leibe an. Denn ſie ver-
truͤge ſich mit beyderley Gluͤcke/ und gaͤbe den
beyden Geſchlechten ſo noͤthigen Unterricht/
wie gute Begebungen ohne Schwindel; und
ſchlimme Zufaͤlle waͤren ſonder Ohnmacht zu
vertragen. Sie haͤtte zu ihrem Zwecke das
mangelhaffte zu verbeſſern/ die Unvergnuͤgten
gluͤckſelig zu machen; und durch Daͤmpffung
hefftiger Regungen den Menſchen vom Poͤfel
[Spaltenumbruch] ſo weit zu entfernen/ als er an ſich ſelbſt vom
Vieh unterſchieden zu ſeyn ſcheinet. Koͤnig
Frotho begegnete ſeiner Schweſter mit einer
beſondern Hoͤfligkeit; und entſchuldigte: daß
er dem Frauenzim̃er ihre Faͤhigkeit die Weiß-
heit zu begreiffen/ und den ihm daraus qvellen-
den Nutzen ſtrittig gemacht; ſondern nur: daß
ſie nicht wie die Maͤnner ſich darinnen zu ver-
tieffen verbunden waͤren; verließ uns alſo beyde
in unſer annehmlichen Einſamkeit/ fand auch
wie ich in der Unterweiſung der Alironiſchen
Frauen/ alſo er durch Ehlichung Alvildens ei-
ner Sitoniſchen Fuͤrſtin ſeine gewuͤnſchte Ver-
gnuͤgung.

Jch muſte in dieſer Schule die natuͤrlichen
Dinge zu erforſchen drey Jahr zubringen; aber
die Anmuth der Geſellſchafft und die Lehrart/
welche einem alles gleichſam ſpielende bey-
brachte/ verkuͤrtzte mir ſie ſo ſehr: daß ſie mir we-
niger/ als drey Monate ſchienen; Denn ob ich
zwar vorher mich auch auf dieſe Geheimnuͤße
gelegt hatte; ward ich doch nunmehr inne: daß
meine Lehrmeiſter mir zwar viel gutes unter die
Haͤnde gegeben/ aber nicht recht aus gearbeitet
hatten; und war zwiſchen beyden ein ſolcher
Unterſcheid/ wie zwiſchen dem Marmel/ den
die Werck-Leute aus ſeinen Adern hauen/ und
dem/ der bereit durch die Hand des Bildhauers
gegangen. Allhier ward nichts gewieſen oder
iemand deſſen uͤberredet; was man nicht aus
den Eigenſchafften der Dinge her nahm;
und deſſen man gleichſam mit ſeinen fuͤhlenden
Haͤnden und ſehenden Augen uͤberwieſen ward.
Welches bey denen Lehrlingen nicht nur mehr
Beyfall erweckte/ ſondern auch in ihrem Thun
mehr Nachdruck hatte. Denn die/ welche ihre
vermeinte Weißheit nur hinter das Alterthum
und ihrer Vor-Eltern Meinung verbergen/
ſind wenig beſſer als die jenigen Prieſter/ die ſich
in die holen Bilder ihrer Goͤtter verſteckten/
um den Wahn ihrer Wahrſagungen ſo viel
glaubhaffter zu machen.

Nach dieſer Zeit kam ich zu der andern Staf-

fel/
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1410" n="1342[1344]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Neuntes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
kommen ha&#x0364;tte; aber die ma&#x0364;nnlichen Seelen<lb/>
ha&#x0364;tten fu&#x0364;r den weiblichen keinen Vorzug. Die-<lb/>
&#x017F;e allein/ als der Sitz des Nach&#x017F;innens und der<lb/>
Tugend/ ha&#x0364;tten eigentlich nur mit der Weiß-<lb/>
heit zu &#x017F;chaffen. Jene wa&#x0364;ren nicht mit meh-<lb/>
rerm Gei&#x017F;te geflu&#x0364;gelt; die&#x017F;en klebte nicht mehr<lb/>
Erde und Schlacke an; beyde ru&#x0364;hrten von ei-<lb/>
nem Uhr&#x017F;prung her. Jhre Feuchtigkeit hin-<lb/>
derte ihr Ge&#x017F;chlechte an nichts/ ja &#x017F;ie wa&#x0364;re als<lb/>
ein denen Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafften zu Einpregung der<lb/>
Bilder in das Geda&#x0364;chtnu&#x0364;s dienender Talg<lb/>
vielmehr befo&#x0364;rderlich. Der Mohnde wa&#x0364;re<lb/>
&#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n und nutzbar als die feurigen Ge&#x017F;tirne/<lb/>
wiewol auch die feurig&#x017F;ten und die Sonne &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
guten theils aus einem flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;enden We&#x017F;en/ und<lb/>
nichts minder/ als die Erdkugel aus einem<lb/>
Meere be&#x017F;tu&#x0364;nden. Jhr wa&#x0364;re zwar nicht un-<lb/>
bekandt: daß man &#x017F;ie be&#x017F;chuldigte: &#x017F;ie flatterten<lb/>
mit ihren Gedancken all zu leicht und vera&#x0364;n-<lb/>
derlich; aber der Ma&#x0364;nner ihre wa&#x0364;ren auch an<lb/>
keinen Nagel gehefftet; und den tieff&#x017F;innigen<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafften dienten mehr die Adlers-Flu&#x0364;-<lb/>
gel/ als Schildkro&#x0364;ten-Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Ja da &#x017F;ie auch in<lb/>
ein- oder dem andern einigen Gebrechen ha&#x0364;t-<lb/>
ten/ tha&#x0364;te ihnen die Weißheit/ als welche der<lb/>
Vernunfft zu Hu&#x0364;lffe kommt/ die Fin&#x017F;ternu&#x0364;ße<lb/>
des Gei&#x017F;tes erleuchtet/ und die Gemu&#x0364;ther voll-<lb/>
kommen macht/ &#x017F;o viel mehr von no&#x0364;then. Uber<lb/>
diß do&#x0364;rffte man zu der&#x017F;elben Weißheit/ welche<lb/>
eine Wegwei&#x017F;erin des Lebens/ und eine Mut-<lb/>
ter der Tugend i&#x017F;t/ weder die Tieff&#x017F;innigkeit<lb/>
hohen Ver&#x017F;tandes/ noch das Vermo&#x0364;gen aus-<lb/>
bu&#x0364;ndiger Gliedma&#x017F;&#x017F;en. Man tra&#x0364;ffe &#x017F;ie mehr-<lb/>
mahls in Vollkommenheit bey der Einfalt/ und<lb/>
in einem kriplichten Leibe an. Denn &#x017F;ie ver-<lb/>
tru&#x0364;ge &#x017F;ich mit beyderley Glu&#x0364;cke/ und ga&#x0364;be den<lb/>
beyden Ge&#x017F;chlechten &#x017F;o no&#x0364;thigen Unterricht/<lb/>
wie gute Begebungen ohne Schwindel; und<lb/>
&#x017F;chlimme Zufa&#x0364;lle wa&#x0364;ren &#x017F;onder Ohnmacht zu<lb/>
vertragen. Sie ha&#x0364;tte zu ihrem Zwecke das<lb/>
mangelhaffte zu verbe&#x017F;&#x017F;ern/ die Unvergnu&#x0364;gten<lb/>
glu&#x0364;ck&#x017F;elig zu machen; und durch Da&#x0364;mpffung<lb/>
hefftiger Regungen den Men&#x017F;chen vom Po&#x0364;fel<lb/><cb/>
&#x017F;o weit zu entfernen/ als er an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t vom<lb/>
Vieh unter&#x017F;chieden zu &#x017F;eyn &#x017F;cheinet. Ko&#x0364;nig<lb/>
Frotho begegnete &#x017F;einer Schwe&#x017F;ter mit einer<lb/>
be&#x017F;ondern Ho&#x0364;fligkeit; und ent&#x017F;chuldigte: daß<lb/>
er dem Frauenzim&#x0303;er ihre Fa&#x0364;higkeit die Weiß-<lb/>
heit zu begreiffen/ und den ihm daraus qvellen-<lb/>
den Nutzen &#x017F;trittig gemacht; &#x017F;ondern nur: daß<lb/>
&#x017F;ie nicht wie die Ma&#x0364;nner &#x017F;ich darinnen zu ver-<lb/>
tieffen verbunden wa&#x0364;ren; verließ uns al&#x017F;o beyde<lb/>
in un&#x017F;er annehmlichen Ein&#x017F;amkeit/ fand auch<lb/>
wie ich in der Unterwei&#x017F;ung der Alironi&#x017F;chen<lb/>
Frauen/ al&#x017F;o er durch Ehlichung Alvildens ei-<lb/>
ner Sitoni&#x017F;chen Fu&#x0364;r&#x017F;tin &#x017F;eine gewu&#x0364;n&#x017F;chte Ver-<lb/>
gnu&#x0364;gung.</p><lb/>
          <p>Jch mu&#x017F;te in die&#x017F;er Schule die natu&#x0364;rlichen<lb/>
Dinge zu erfor&#x017F;chen drey Jahr zubringen; aber<lb/>
die Anmuth der Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft und die Lehrart/<lb/>
welche einem alles gleich&#x017F;am &#x017F;pielende bey-<lb/>
brachte/ verku&#x0364;rtzte mir &#x017F;ie &#x017F;o &#x017F;ehr: daß &#x017F;ie mir we-<lb/>
niger/ als drey Monate &#x017F;chienen; Denn ob ich<lb/>
zwar vorher mich auch auf die&#x017F;e Geheimnu&#x0364;ße<lb/>
gelegt hatte; ward ich doch nunmehr inne: daß<lb/>
meine Lehrmei&#x017F;ter mir zwar viel gutes unter die<lb/>
Ha&#x0364;nde gegeben/ aber nicht recht aus gearbeitet<lb/>
hatten; und war zwi&#x017F;chen beyden ein &#x017F;olcher<lb/>
Unter&#x017F;cheid/ wie zwi&#x017F;chen dem Marmel/ den<lb/>
die Werck-Leute aus &#x017F;einen Adern hauen/ und<lb/>
dem/ der bereit durch die Hand des Bildhauers<lb/>
gegangen. Allhier ward nichts gewie&#x017F;en oder<lb/>
iemand de&#x017F;&#x017F;en u&#x0364;berredet; was man nicht aus<lb/>
den Eigen&#x017F;chafften der Dinge her nahm;<lb/>
und de&#x017F;&#x017F;en man gleich&#x017F;am mit &#x017F;einen fu&#x0364;hlenden<lb/>
Ha&#x0364;nden und &#x017F;ehenden Augen u&#x0364;berwie&#x017F;en ward.<lb/>
Welches bey denen Lehrlingen nicht nur mehr<lb/>
Beyfall erweckte/ &#x017F;ondern auch in ihrem Thun<lb/>
mehr Nachdruck hatte. Denn die/ welche ihre<lb/>
vermeinte Weißheit nur hinter das Alterthum<lb/>
und ihrer Vor-Eltern Meinung verbergen/<lb/>
&#x017F;ind wenig be&#x017F;&#x017F;er als die jenigen Prie&#x017F;ter/ die &#x017F;ich<lb/>
in die holen Bilder ihrer Go&#x0364;tter ver&#x017F;teckten/<lb/>
um den Wahn ihrer Wahr&#x017F;agungen &#x017F;o viel<lb/>
glaubhaffter zu machen.</p><lb/>
          <p>Nach die&#x017F;er Zeit kam ich zu der andern Staf-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">fel/</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1342[1344]/1410] Neuntes Buch kommen haͤtte; aber die maͤnnlichen Seelen haͤtten fuͤr den weiblichen keinen Vorzug. Die- ſe allein/ als der Sitz des Nachſinnens und der Tugend/ haͤtten eigentlich nur mit der Weiß- heit zu ſchaffen. Jene waͤren nicht mit meh- rerm Geiſte gefluͤgelt; dieſen klebte nicht mehr Erde und Schlacke an; beyde ruͤhrten von ei- nem Uhrſprung her. Jhre Feuchtigkeit hin- derte ihr Geſchlechte an nichts/ ja ſie waͤre als ein denen Wiſſenſchafften zu Einpregung der Bilder in das Gedaͤchtnuͤs dienender Talg vielmehr befoͤrderlich. Der Mohnde waͤre ſo ſchoͤn und nutzbar als die feurigen Geſtirne/ wiewol auch die feurigſten und die Sonne ſelbſt guten theils aus einem fluͤſſenden Weſen/ und nichts minder/ als die Erdkugel aus einem Meere beſtuͤnden. Jhr waͤre zwar nicht un- bekandt: daß man ſie beſchuldigte: ſie flatterten mit ihren Gedancken all zu leicht und veraͤn- derlich; aber der Maͤnner ihre waͤren auch an keinen Nagel gehefftet; und den tieffſinnigen Wiſſenſchafften dienten mehr die Adlers-Fluͤ- gel/ als Schildkroͤten-Fuͤſſe. Ja da ſie auch in ein- oder dem andern einigen Gebrechen haͤt- ten/ thaͤte ihnen die Weißheit/ als welche der Vernunfft zu Huͤlffe kommt/ die Finſternuͤße des Geiſtes erleuchtet/ und die Gemuͤther voll- kommen macht/ ſo viel mehr von noͤthen. Uber diß doͤrffte man zu derſelben Weißheit/ welche eine Wegweiſerin des Lebens/ und eine Mut- ter der Tugend iſt/ weder die Tieffſinnigkeit hohen Verſtandes/ noch das Vermoͤgen aus- buͤndiger Gliedmaſſen. Man traͤffe ſie mehr- mahls in Vollkommenheit bey der Einfalt/ und in einem kriplichten Leibe an. Denn ſie ver- truͤge ſich mit beyderley Gluͤcke/ und gaͤbe den beyden Geſchlechten ſo noͤthigen Unterricht/ wie gute Begebungen ohne Schwindel; und ſchlimme Zufaͤlle waͤren ſonder Ohnmacht zu vertragen. Sie haͤtte zu ihrem Zwecke das mangelhaffte zu verbeſſern/ die Unvergnuͤgten gluͤckſelig zu machen; und durch Daͤmpffung hefftiger Regungen den Menſchen vom Poͤfel ſo weit zu entfernen/ als er an ſich ſelbſt vom Vieh unterſchieden zu ſeyn ſcheinet. Koͤnig Frotho begegnete ſeiner Schweſter mit einer beſondern Hoͤfligkeit; und entſchuldigte: daß er dem Frauenzim̃er ihre Faͤhigkeit die Weiß- heit zu begreiffen/ und den ihm daraus qvellen- den Nutzen ſtrittig gemacht; ſondern nur: daß ſie nicht wie die Maͤnner ſich darinnen zu ver- tieffen verbunden waͤren; verließ uns alſo beyde in unſer annehmlichen Einſamkeit/ fand auch wie ich in der Unterweiſung der Alironiſchen Frauen/ alſo er durch Ehlichung Alvildens ei- ner Sitoniſchen Fuͤrſtin ſeine gewuͤnſchte Ver- gnuͤgung. Jch muſte in dieſer Schule die natuͤrlichen Dinge zu erforſchen drey Jahr zubringen; aber die Anmuth der Geſellſchafft und die Lehrart/ welche einem alles gleichſam ſpielende bey- brachte/ verkuͤrtzte mir ſie ſo ſehr: daß ſie mir we- niger/ als drey Monate ſchienen; Denn ob ich zwar vorher mich auch auf dieſe Geheimnuͤße gelegt hatte; ward ich doch nunmehr inne: daß meine Lehrmeiſter mir zwar viel gutes unter die Haͤnde gegeben/ aber nicht recht aus gearbeitet hatten; und war zwiſchen beyden ein ſolcher Unterſcheid/ wie zwiſchen dem Marmel/ den die Werck-Leute aus ſeinen Adern hauen/ und dem/ der bereit durch die Hand des Bildhauers gegangen. Allhier ward nichts gewieſen oder iemand deſſen uͤberredet; was man nicht aus den Eigenſchafften der Dinge her nahm; und deſſen man gleichſam mit ſeinen fuͤhlenden Haͤnden und ſehenden Augen uͤberwieſen ward. Welches bey denen Lehrlingen nicht nur mehr Beyfall erweckte/ ſondern auch in ihrem Thun mehr Nachdruck hatte. Denn die/ welche ihre vermeinte Weißheit nur hinter das Alterthum und ihrer Vor-Eltern Meinung verbergen/ ſind wenig beſſer als die jenigen Prieſter/ die ſich in die holen Bilder ihrer Goͤtter verſteckten/ um den Wahn ihrer Wahrſagungen ſo viel glaubhaffter zu machen. Nach dieſer Zeit kam ich zu der andern Staf- fel/

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1410
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1342[1344]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1410>, abgerufen am 23.11.2024.