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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Neuntes Buch
[Spaltenumbruch] etliche Kräuter oder Worte Drachen einschläff-
ten/ und Schlangen zertheilten/ gewisse Stei-
ne Nester der Vögel für allem Ungeziefer ver-
sicherten. Nun aber wäre ja der Mensch ein
Begrieff der gantzen Welt. Wie solte er denn
nicht mehr Kräfte in sich haben als etliche Kräu-
ter und Steine/ oder gar als die gegen ihm un-
e dlen Gestirne? Daher sie all zuwol wüste/ und
überflüßig bezeugen könte: daß alle Geschöpffe
einer wol aufgeräumten Seele gehorsamen
müsten. Hierdurch/ sagte die Hertzogin As-
blaste/ ward endlich König Frotho bewegt: daß
er sein Gemüthe besänfftigte; und/ als die Zau-
berin bey der ihr zuerkennten Verbrennung auf
ihrem Bekäntnüße standhafft verharrete/ gab
er nach: daß dieser Cimbrische Fürst die Königin
nicht nur heyrathen/ sondern sie auch in seinem
Gebiete die erblichen Güter ruhig besitzen
möchten. Die Beruhigung dieser Schuldi-
gen/ die ihre so übel angefangene Liebe durch
ein tugendhafftes Leben verbesserten/ zohe die
Unruh der Unschuld nach sich; weil König
Frotho/ ich weiß nicht aus was für Triebe/ ein
Auge auf mich warff; und mich zur Eh ver-
langte. Allein ich hatte mich schon zu der Tir-
chanis in das Alironische Heiligthum verlobet;
welches ein mit hohen Mauern verschlossenes
Gebäue an dem Strande der Nord-See war;
darein ausser den König keim Mann niemahls/
auch kein Weibs-Bild ohne Vorbewust der
obersten Priester in/ die alle Schlüssel selbst ver-
wahrte/ setzen darff. Gleich wol werden hier-
ein auch die/ welche gleich ein mahl verehlicht ge-
west/ angenommen; und die/ welche ihr Leben
darinnen nicht zu beschlüssen vermeinen/ wer-
den wieder Willen nicht darein ein gekerckert.
Wiewol die Ausziehenden die Helffte ihres
Vermögens/ welches sonst gar dem Heiligthu-
me zuwächst/ zurück lassen müssen. Jhre Tracht
ist durch gehends/ wie ihr sie an mir sehet; ihre
Speise auskommentlich/ aber sonder Uberfluß;
welcher aber niemand genüssen darff/ ehe er
[Spaltenumbruch] seines Thuns/ und was er selbigen Tag gutes
begrieffen/ Rechenschafft gegeben habe; wiewol
anfangs ein Jahr lang die Neukömmlinge mit
einem strengen Still schweigen beschrenckt sind.
Ausser dem wird unter Adel und Unadel in die-
ser Versamlung kein Unterscheid gemacht/ noch
ein Vorzug beobachtet. Denn weil alle sich für
Mägde Gottes erkennen; und alle ihr Thun
nach den Gesetzen der Natur einrichten/ ma-
chen sie auf den Stand/ als eine Erfindung des
Bürgerlichen Lebens/ kein Absehen; und ge-
horsamen mehrmahls Fürstinnen eines Gärt-
ners Tochter; wormit sie sich dem Himmel ähn-
lich machen/ der sein Saphirenes Antlitz eben so
schön daselbst entdecket/ wo er nur Sand und
Disteln/ als wo er Gold und Edelgesteine zeu-
get; oder der Sonne/ welche nichts minder die in
der Milch-Strasse verborgenen/ als denen be-
rühmten Jrrsternen ihr Licht mittheilet. Jhre
Weißheit ist/ wie das Gebäue/ in drey Theile
unterschieden; dem ersten drey/ dem andern
fünff Jahre/ dem letztern die übrige gantze Le-
bensfrist zugeeignet. Worinnen sie von der Art
der Vestalischen Jungfrauen zu Rom abweichen/
wolche zehn Jahr lernen/ zehn Jahr opffern/
zehn Jahr lehren/ und hernach ihres Gelüb des
loß sind. Jm erstern Theile werden nur die
Geheimnüße der Natur gelehret/ iedoch zu kei-
nem andern Ende/ als die Wahrheit eines
Göttlichen Wesens/ und seine allerweiseste
Fürsehung/ als den Grundstein aller Weiß-
heiten daraus zu begreiffen. Alldieweil sie ihr
Unvermögen willig gestehen: daß sie noch we-
niger Gott in ihm selbst durch ihre blinde Ver-
nunfft/ als das Wesen der Sonne in derselben
gerader Anschauung mit den blöden Augen/
welche bey übrigem Lichte weniger als bey kei-
nem sehen/ erkennen; am allermeisten aber die
Weißheit Gottes in den engen Kreiß unsers
Hauptes einschrencken können. Diesemnach
sie denn/ wie ich den ersten Tag aus ihrem Un-
terrichte erlernet habe/ festiglich glauben: daß

die

Neuntes Buch
[Spaltenumbruch] etliche Kraͤuter oder Worte Drachen einſchlaͤff-
ten/ und Schlangen zertheilten/ gewiſſe Stei-
ne Neſter der Voͤgel fuͤr allem Ungeziefer ver-
ſicherten. Nun aber waͤre ja der Menſch ein
Begrieff der gantzen Welt. Wie ſolte er denn
nicht mehr Kraͤfte in ſich haben als etliche Kraͤu-
ter und Steine/ oder gar als die gegen ihm un-
e dlen Geſtirne? Daher ſie all zuwol wuͤſte/ und
uͤberfluͤßig bezeugen koͤnte: daß alle Geſchoͤpffe
einer wol aufgeraͤumten Seele gehorſamen
muͤſten. Hierdurch/ ſagte die Hertzogin As-
blaſte/ ward endlich Koͤnig Frotho bewegt: daß
er ſein Gemuͤthe beſaͤnfftigte; und/ als die Zau-
berin bey der ihr zuerkennten Verbrennung auf
ihrem Bekaͤntnuͤße ſtandhafft verharrete/ gab
er nach: daß dieſer Cimbriſche Fuͤrſt die Koͤnigin
nicht nur heyrathen/ ſondern ſie auch in ſeinem
Gebiete die erblichen Guͤter ruhig beſitzen
moͤchten. Die Beruhigung dieſer Schuldi-
gen/ die ihre ſo uͤbel angefangene Liebe durch
ein tugendhafftes Leben verbeſſerten/ zohe die
Unruh der Unſchuld nach ſich; weil Koͤnig
Frotho/ ich weiß nicht aus was fuͤr Triebe/ ein
Auge auf mich warff; und mich zur Eh ver-
langte. Allein ich hatte mich ſchon zu der Tir-
chanis in das Alironiſche Heiligthum verlobet;
welches ein mit hohen Mauern verſchloſſenes
Gebaͤue an dem Strande der Nord-See war;
darein auſſer den Koͤnig keim Mann niemahls/
auch kein Weibs-Bild ohne Vorbewuſt der
oberſten Prieſter in/ die alle Schluͤſſel ſelbſt ver-
wahrte/ ſetzen darff. Gleich wol werden hier-
ein auch die/ welche gleich ein mahl verehlicht ge-
weſt/ angenommen; und die/ welche ihr Leben
darinnen nicht zu beſchluͤſſen vermeinen/ wer-
den wieder Willen nicht darein ein gekerckert.
Wiewol die Ausziehenden die Helffte ihres
Vermoͤgens/ welches ſonſt gar dem Heiligthu-
me zuwaͤchſt/ zuruͤck laſſen muͤſſen. Jhre Tracht
iſt durch gehends/ wie ihr ſie an mir ſehet; ihre
Speiſe auskommentlich/ aber ſonder Uberfluß;
welcher aber niemand genuͤſſen darff/ ehe er
[Spaltenumbruch] ſeines Thuns/ und was er ſelbigen Tag gutes
begrieffen/ Rechenſchafft gegeben habe; wiewol
anfangs ein Jahr lang die Neukoͤmmlinge mit
einem ſtrengen Still ſchweigen beſchrenckt ſind.
Auſſer dem wird unter Adel und Unadel in die-
ſer Verſamlung kein Unterſcheid gemacht/ noch
ein Vorzug beobachtet. Denn weil alle ſich fuͤr
Maͤgde Gottes erkennen; und alle ihr Thun
nach den Geſetzen der Natur einrichten/ ma-
chen ſie auf den Stand/ als eine Erfindung des
Buͤrgerlichen Lebens/ kein Abſehen; und ge-
horſamen mehrmahls Fuͤrſtinnen eines Gaͤrt-
ners Tochter; wormit ſie ſich dem Himmel aͤhn-
lich machen/ der ſein Saphirenes Antlitz eben ſo
ſchoͤn daſelbſt entdecket/ wo er nur Sand und
Diſteln/ als wo er Gold und Edelgeſteine zeu-
get; oder der Soñe/ welche nichts minder die in
der Milch-Straſſe verborgenen/ als denen be-
ruͤhmten Jrrſternen ihr Licht mittheilet. Jhre
Weißheit iſt/ wie das Gebaͤue/ in drey Theile
unterſchieden; dem erſten drey/ dem andern
fuͤnff Jahre/ dem letztern die uͤbrige gantze Le-
bensfriſt zugeeignet. Worinnen ſie von der Art
der Veſtaliſchen Jungfrauen zu Rom abweichẽ/
wolche zehn Jahr lernen/ zehn Jahr opffern/
zehn Jahr lehren/ und hernach ihres Geluͤb des
loß ſind. Jm erſtern Theile werden nur die
Geheimnuͤße der Natur gelehret/ iedoch zu kei-
nem andern Ende/ als die Wahrheit eines
Goͤttlichen Weſens/ und ſeine allerweiſeſte
Fuͤrſehung/ als den Grundſtein aller Weiß-
heiten daraus zu begreiffen. Alldieweil ſie ihr
Unvermoͤgen willig geſtehen: daß ſie noch we-
niger Gott in ihm ſelbſt durch ihre blinde Ver-
nunfft/ als das Weſen der Sonne in derſelben
gerader Anſchauung mit den bloͤden Augen/
welche bey uͤbrigem Lichte weniger als bey kei-
nem ſehen/ erkennen; am allermeiſten aber die
Weißheit Gottes in den engen Kreiß unſers
Hauptes einſchrencken koͤnnen. Dieſemnach
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terrichte erlernet habe/ feſtiglich glauben: daß

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1338[1340]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1406>, abgerufen am 27.11.2024.