Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Neuntes Buch
[Spaltenumbruch] Haare abgeschnitten/ und aus dem Lande ge-
peitscht werden solte. Der Tag war schon zu
Ausübung des Urthels bestimmt/ als ein Fen-
nisches Weib für dem Richter-Stule erschien;
und daß diese zwey Unschuldigen nicht mit so
grausamer Straffe belegt werden möchte/ fuß-
fällig anhielt. Die Richter fragten: aus was
für Grunde ein Ehbruch vertheidigt/ und die/
welche ihr Laster selbst zugestünden/ für unschul-
dig erkennt werden möchten? Jn alle Wege
antwortete diese Fennin/ wo nicht der willkühr-
liche Vorsatz/ sondern ein unvermeidlicher
Nothzwang der Uhrheber des Verbrechens
wäre. Denn die Noth gäbe das grausamste
Gesetze unter allen ab/ und züge nach sich eine
Botmäßigkeit; welche alle andere Gesetze zer-
malmete/ und alle Gerechtigkeit in Unrecht ver-
kehrte. Die Richter forschten ferner von ihr:
Was für eine Noth denen Ehbrechern ihre
Missethat auf gehalset hätte? Diese meine Zau-
ber-Gärthe/ antwortete sie; welche nicht nur die
Hertzen/ sondern den Schnee und das Eyß der
eussersten Nord Spitze entzünden kan. Die
Richter erschracken für so frechem Bekäntnüsse;
und wusten nicht: Ob sie diß Weib für wahn-
sinnig; oder ihre Rede für wahrhafft halten sol-
ten; fragten aber: wie sie ihre Zauberey bewerck-
stelligt; und was sie hierzu bewegt hätte? Sie zo-
he hierauf zwey Wachsbilder heraus; derer das
eine der Königin; das andere dem Cimbrischen
Fürsten gantz gleich sahe. Diese/ sagte sie/ habe
ich durch gewisse Kräuter und meine Kunst de-
rogestalt zubereitet: daß wenn ich selbte mit mei-
nem Schwefel überziehe/ selbte brennend ma-
che/ und gewisse Segen darzu spreche/ alle Ein-
flüsse der Gestirne/ alle Regungen der Keusch-
heit viel zu ohnmächtig sind die von mir in ih-
ren Seelen entzündete Brunst/ welche mit ih-
rem auffsteigenden Rauche alle Vernunfft zu
Bodem schlägt/ zu dämpffen. Diese meine
Hand würcket auch in den Häuptern der Wei-
sen: daß sie das heßlichste Laster für einen Aus-
[Spaltenumbruch] bund der Tugend annehmen; sie erleuchtet mit
der Finsternüs des Abgrunds die Unzucht: daß
sie wie der des Nachts leuchtende Wurm für
ein himmlisches Licht angesehen wird. Massen
diese Zauberin denn auch alsofort solches be-
werckstelligte/ und zu wege brachte: daß die auf
der Seite stehende Verdammten/ welche vor-
her gantz ausser sich/ und als todte Marmel-
Bilder unbewegt gestanden/ auf einander wie
ein Blitz zurennten/ und einander umhalseten.
Die Richter alle erzitterten über dieser Zaube-
rey; sie aber fuhr fort und sagte: Wisset aber
auch die Ursache dieses meines Beginnens; und
daß diese Liebes-Flamme aus dem feurigen Ra-
chen der Rache angezündet worden sey. Denn
nach dem Frotho in dem Kriege wieder die
Slaven meinen Bräutigam den Fürsten des
Eylandes Latris gefangen bekommen/ selbten
aber tödten lassen/ und mich also meiner Liebe
beraubet/ habe ich durch keine andere Vergel-
tung mich zu sättigen gewüst/ als daß ich ihm
seine tugendhaffte Gemahlin/ als den Zweck
seiner einigen Vergnügung/ hinweg nähme.
Jch habe meiner Fürstlichen Würde mich ent-
eussert; ich bin ein Lehrling der allerschlimmsten
Zauberin worden; ich habe durch verborgene
Ungedult mir mein Hertz abgenaget/ nur die
Süßigkeit der Rache zu genüssen. Ja/ weil
ich wol gewüst: daß dräuende sich ver gnügen
ihre Zunge an statt des Rach-Schwerdts zu ge-
brauchen/ und der durch den Mund ausrau-
chende Zorn die Glieder krafftloß lasse/ die Be-
leidigung mit Worten auch eine fruchtlose
Boßheit/ in der That aber sich rächen eine Hel-
den-Eigenschafft sey/ habe ich schon zehen Jahr
bey den Cimbern als eine Dienst-Magd zu-
bracht/ nur daß ich der Königin und dieses Für-
sten Haar/ als den Werckzeug meiner Zaube-
rey/ zur Rache erlangte; welche mir biß auff
diese Stunde kein Mensch angemerckt hat/
nimmermehr auch würde ergründer haben/ wenn
ich zugleich die Barmhertzigkeit gegen die Tu-

gend

Neuntes Buch
[Spaltenumbruch] Haare abgeſchnitten/ und aus dem Lande ge-
peitſcht werden ſolte. Der Tag war ſchon zu
Ausuͤbung des Urthels beſtimmt/ als ein Fen-
niſches Weib fuͤr dem Richter-Stule erſchien;
und daß dieſe zwey Unſchuldigen nicht mit ſo
grauſamer Straffe belegt werden moͤchte/ fuß-
faͤllig anhielt. Die Richter fragten: aus was
fuͤr Grunde ein Ehbruch vertheidigt/ und die/
welche ihr Laſter ſelbſt zugeſtuͤnden/ fuͤr unſchul-
dig erkennt werden moͤchten? Jn alle Wege
antwortete dieſe Feñin/ wo nicht der willkuͤhr-
liche Vorſatz/ ſondern ein unvermeidlicher
Nothzwang der Uhrheber des Verbrechens
waͤre. Denn die Noth gaͤbe das grauſamſte
Geſetze unter allen ab/ und zuͤge nach ſich eine
Botmaͤßigkeit; welche alle andere Geſetze zer-
malmete/ und alle Gerechtigkeit in Unrecht ver-
kehrte. Die Richter forſchten ferner von ihr:
Was fuͤr eine Noth denen Ehbrechern ihre
Miſſethat auf gehalſet haͤtte? Dieſe meine Zau-
ber-Gaͤrthe/ antwortete ſie; welche nicht nur die
Hertzen/ ſondern den Schnee und das Eyß der
euſſerſten Nord Spitze entzuͤnden kan. Die
Richter erſchracken fuͤr ſo frechem Bekaͤntnuͤſſe;
und wuſten nicht: Ob ſie diß Weib fuͤr wahn-
ſinnig; oder ihre Rede fuͤr wahrhafft halten ſol-
ten; fragten aber: wie ſie ihre Zauberey bewerck-
ſtelligt; und was ſie hierzu bewegt haͤtte? Sie zo-
he hierauf zwey Wachsbilder heraus; derer das
eine der Koͤnigin; das andere dem Cimbriſchen
Fuͤrſten gantz gleich ſahe. Dieſe/ ſagte ſie/ habe
ich durch gewiſſe Kraͤuter und meine Kunſt de-
rogeſtalt zubereitet: daß wenn ich ſelbte mit mei-
nem Schwefel uͤberziehe/ ſelbte brennend ma-
che/ und gewiſſe Segen darzu ſpreche/ alle Ein-
fluͤſſe der Geſtirne/ alle Regungen der Keuſch-
heit viel zu ohnmaͤchtig ſind die von mir in ih-
ren Seelen entzuͤndete Brunſt/ welche mit ih-
rem auffſteigenden Rauche alle Vernunfft zu
Bodem ſchlaͤgt/ zu daͤmpffen. Dieſe meine
Hand wuͤrcket auch in den Haͤuptern der Wei-
ſen: daß ſie das heßlichſte Laſter fuͤr einen Aus-
[Spaltenumbruch] bund der Tugend annehmen; ſie erleuchtet mit
der Finſternuͤs des Abgrunds die Unzucht: daß
ſie wie der des Nachts leuchtende Wurm fuͤr
ein himmliſches Licht angeſehen wird. Maſſen
dieſe Zauberin denn auch alſofort ſolches be-
werckſtelligte/ und zu wege brachte: daß die auf
der Seite ſtehende Verdammten/ welche vor-
her gantz auſſer ſich/ und als todte Marmel-
Bilder unbewegt geſtanden/ auf einander wie
ein Blitz zurennten/ und einander umhalſeten.
Die Richter alle erzitterten uͤber dieſer Zaube-
rey; ſie aber fuhr fort und ſagte: Wiſſet aber
auch die Urſache dieſes meines Beginnens; und
daß dieſe Liebes-Flamme aus dem feurigen Ra-
chen der Rache angezuͤndet worden ſey. Denn
nach dem Frotho in dem Kriege wieder die
Slaven meinen Braͤutigam den Fuͤrſten des
Eylandes Latris gefangen bekommen/ ſelbten
aber toͤdten laſſen/ und mich alſo meiner Liebe
beraubet/ habe ich durch keine andere Vergel-
tung mich zu ſaͤttigen gewuͤſt/ als daß ich ihm
ſeine tugendhaffte Gemahlin/ als den Zweck
ſeiner einigen Vergnuͤgung/ hinweg naͤhme.
Jch habe meiner Fuͤrſtlichen Wuͤrde mich ent-
euſſert; ich bin ein Lehrling der allerſchlim̃ſten
Zauberin worden; ich habe durch verborgene
Ungedult mir mein Hertz abgenaget/ nur die
Suͤßigkeit der Rache zu genuͤſſen. Ja/ weil
ich wol gewuͤſt: daß draͤuende ſich ver gnuͤgen
ihre Zunge an ſtatt des Rach-Schwerdts zu ge-
brauchen/ und der durch den Mund ausrau-
chende Zorn die Glieder krafftloß laſſe/ die Be-
leidigung mit Worten auch eine fruchtloſe
Boßheit/ in der That aber ſich raͤchen eine Hel-
den-Eigenſchafft ſey/ habe ich ſchon zehen Jahr
bey den Cimbern als eine Dienſt-Magd zu-
bracht/ nur daß ich der Koͤnigin und dieſes Fuͤr-
ſten Haar/ als den Werckzeug meiner Zaube-
rey/ zur Rache erlangte; welche mir biß auff
dieſe Stunde kein Menſch angemerckt hat/
nimmermehr auch wuͤrde ergruͤnder haben/ weñ
ich zugleich die Barmhertzigkeit gegen die Tu-

gend
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1404" n="1336[1338]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Neuntes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
Haare abge&#x017F;chnitten/ und aus dem Lande ge-<lb/>
peit&#x017F;cht werden &#x017F;olte. Der Tag war &#x017F;chon zu<lb/>
Ausu&#x0364;bung des Urthels be&#x017F;timmt/ als ein Fen-<lb/>
ni&#x017F;ches Weib fu&#x0364;r dem Richter-Stule er&#x017F;chien;<lb/>
und daß die&#x017F;e zwey Un&#x017F;chuldigen nicht mit &#x017F;o<lb/>
grau&#x017F;amer Straffe belegt werden mo&#x0364;chte/ fuß-<lb/>
fa&#x0364;llig anhielt. Die Richter fragten: aus was<lb/>
fu&#x0364;r Grunde ein Ehbruch vertheidigt/ und die/<lb/>
welche ihr La&#x017F;ter &#x017F;elb&#x017F;t zuge&#x017F;tu&#x0364;nden/ fu&#x0364;r un&#x017F;chul-<lb/>
dig erkennt werden mo&#x0364;chten? Jn alle Wege<lb/>
antwortete die&#x017F;e Fen&#x0303;in/ wo nicht der willku&#x0364;hr-<lb/>
liche Vor&#x017F;atz/ &#x017F;ondern ein unvermeidlicher<lb/>
Nothzwang der Uhrheber des Verbrechens<lb/>
wa&#x0364;re. Denn die Noth ga&#x0364;be das grau&#x017F;am&#x017F;te<lb/>
Ge&#x017F;etze unter allen ab/ und zu&#x0364;ge nach &#x017F;ich eine<lb/>
Botma&#x0364;ßigkeit; welche alle andere Ge&#x017F;etze zer-<lb/>
malmete/ und alle Gerechtigkeit in Unrecht ver-<lb/>
kehrte. Die Richter for&#x017F;chten ferner von ihr:<lb/>
Was fu&#x0364;r eine Noth denen Ehbrechern ihre<lb/>
Mi&#x017F;&#x017F;ethat auf gehal&#x017F;et ha&#x0364;tte? Die&#x017F;e meine Zau-<lb/>
ber-Ga&#x0364;rthe/ antwortete &#x017F;ie; welche nicht nur die<lb/>
Hertzen/ &#x017F;ondern den Schnee und das Eyß der<lb/>
eu&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ten Nord Spitze entzu&#x0364;nden kan. Die<lb/>
Richter er&#x017F;chracken fu&#x0364;r &#x017F;o frechem Beka&#x0364;ntnu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e;<lb/>
und wu&#x017F;ten nicht: Ob &#x017F;ie diß Weib fu&#x0364;r wahn-<lb/>
&#x017F;innig; oder ihre Rede fu&#x0364;r wahrhafft halten &#x017F;ol-<lb/>
ten; fragten aber: wie &#x017F;ie ihre Zauberey bewerck-<lb/>
&#x017F;telligt; und was &#x017F;ie hierzu bewegt ha&#x0364;tte? Sie zo-<lb/>
he hierauf zwey Wachsbilder heraus; derer das<lb/>
eine der Ko&#x0364;nigin; das andere dem Cimbri&#x017F;chen<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;ten gantz gleich &#x017F;ahe. Die&#x017F;e/ &#x017F;agte &#x017F;ie/ habe<lb/>
ich durch gewi&#x017F;&#x017F;e Kra&#x0364;uter und meine Kun&#x017F;t de-<lb/>
roge&#x017F;talt zubereitet: daß wenn ich &#x017F;elbte mit mei-<lb/>
nem Schwefel u&#x0364;berziehe/ &#x017F;elbte brennend ma-<lb/>
che/ und gewi&#x017F;&#x017F;e Segen darzu &#x017F;preche/ alle Ein-<lb/>
flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e der Ge&#x017F;tirne/ alle Regungen der Keu&#x017F;ch-<lb/>
heit viel zu ohnma&#x0364;chtig &#x017F;ind die von mir in ih-<lb/>
ren Seelen entzu&#x0364;ndete Brun&#x017F;t/ welche mit ih-<lb/>
rem auff&#x017F;teigenden Rauche alle Vernunfft zu<lb/>
Bodem &#x017F;chla&#x0364;gt/ zu da&#x0364;mpffen. Die&#x017F;e meine<lb/>
Hand wu&#x0364;rcket auch in den Ha&#x0364;uptern der Wei-<lb/>
&#x017F;en: daß &#x017F;ie das heßlich&#x017F;te La&#x017F;ter fu&#x0364;r einen Aus-<lb/><cb/>
bund der Tugend annehmen; &#x017F;ie erleuchtet mit<lb/>
der Fin&#x017F;ternu&#x0364;s des Abgrunds die Unzucht: daß<lb/>
&#x017F;ie wie der des Nachts leuchtende Wurm fu&#x0364;r<lb/>
ein himmli&#x017F;ches Licht ange&#x017F;ehen wird. Ma&#x017F;&#x017F;en<lb/>
die&#x017F;e Zauberin denn auch al&#x017F;ofort &#x017F;olches be-<lb/>
werck&#x017F;telligte/ und zu wege brachte: daß die auf<lb/>
der Seite &#x017F;tehende Verdammten/ welche vor-<lb/>
her gantz au&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ich/ und als todte Marmel-<lb/>
Bilder unbewegt ge&#x017F;tanden/ auf einander wie<lb/>
ein Blitz zurennten/ und einander umhal&#x017F;eten.<lb/>
Die Richter alle erzitterten u&#x0364;ber die&#x017F;er Zaube-<lb/>
rey; &#x017F;ie aber fuhr fort und &#x017F;agte: Wi&#x017F;&#x017F;et aber<lb/>
auch die Ur&#x017F;ache die&#x017F;es meines Beginnens; und<lb/>
daß die&#x017F;e Liebes-Flamme aus dem feurigen Ra-<lb/>
chen der Rache angezu&#x0364;ndet worden &#x017F;ey. Denn<lb/>
nach dem Frotho in dem Kriege wieder die<lb/>
Slaven meinen Bra&#x0364;utigam den Fu&#x0364;r&#x017F;ten des<lb/>
Eylandes Latris gefangen bekommen/ &#x017F;elbten<lb/>
aber to&#x0364;dten la&#x017F;&#x017F;en/ und mich al&#x017F;o meiner Liebe<lb/>
beraubet/ habe ich durch keine andere Vergel-<lb/>
tung mich zu &#x017F;a&#x0364;ttigen gewu&#x0364;&#x017F;t/ als daß ich ihm<lb/>
&#x017F;eine tugendhaffte Gemahlin/ als den Zweck<lb/>
&#x017F;einer einigen Vergnu&#x0364;gung/ hinweg na&#x0364;hme.<lb/>
Jch habe meiner Fu&#x0364;r&#x017F;tlichen Wu&#x0364;rde mich ent-<lb/>
eu&#x017F;&#x017F;ert; ich bin ein Lehrling der aller&#x017F;chlim&#x0303;&#x017F;ten<lb/>
Zauberin worden; ich habe durch verborgene<lb/>
Ungedult mir mein Hertz abgenaget/ nur die<lb/>
Su&#x0364;ßigkeit der Rache zu genu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Ja/ weil<lb/>
ich wol gewu&#x0364;&#x017F;t: daß dra&#x0364;uende &#x017F;ich ver gnu&#x0364;gen<lb/>
ihre Zunge an &#x017F;tatt des Rach-Schwerdts zu ge-<lb/>
brauchen/ und der durch den Mund ausrau-<lb/>
chende Zorn die Glieder krafftloß la&#x017F;&#x017F;e/ die Be-<lb/>
leidigung mit Worten auch eine fruchtlo&#x017F;e<lb/>
Boßheit/ in der That aber &#x017F;ich ra&#x0364;chen eine Hel-<lb/>
den-Eigen&#x017F;chafft &#x017F;ey/ habe ich &#x017F;chon zehen Jahr<lb/>
bey den Cimbern als eine Dien&#x017F;t-Magd zu-<lb/>
bracht/ nur daß ich der Ko&#x0364;nigin und die&#x017F;es Fu&#x0364;r-<lb/>
&#x017F;ten Haar/ als den Werckzeug meiner Zaube-<lb/>
rey/ zur Rache erlangte; welche mir biß auff<lb/>
die&#x017F;e Stunde kein Men&#x017F;ch angemerckt hat/<lb/>
nimmermehr auch wu&#x0364;rde ergru&#x0364;nder haben/ wen&#x0303;<lb/>
ich zugleich die Barmhertzigkeit gegen die Tu-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gend</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1336[1338]/1404] Neuntes Buch Haare abgeſchnitten/ und aus dem Lande ge- peitſcht werden ſolte. Der Tag war ſchon zu Ausuͤbung des Urthels beſtimmt/ als ein Fen- niſches Weib fuͤr dem Richter-Stule erſchien; und daß dieſe zwey Unſchuldigen nicht mit ſo grauſamer Straffe belegt werden moͤchte/ fuß- faͤllig anhielt. Die Richter fragten: aus was fuͤr Grunde ein Ehbruch vertheidigt/ und die/ welche ihr Laſter ſelbſt zugeſtuͤnden/ fuͤr unſchul- dig erkennt werden moͤchten? Jn alle Wege antwortete dieſe Feñin/ wo nicht der willkuͤhr- liche Vorſatz/ ſondern ein unvermeidlicher Nothzwang der Uhrheber des Verbrechens waͤre. Denn die Noth gaͤbe das grauſamſte Geſetze unter allen ab/ und zuͤge nach ſich eine Botmaͤßigkeit; welche alle andere Geſetze zer- malmete/ und alle Gerechtigkeit in Unrecht ver- kehrte. Die Richter forſchten ferner von ihr: Was fuͤr eine Noth denen Ehbrechern ihre Miſſethat auf gehalſet haͤtte? Dieſe meine Zau- ber-Gaͤrthe/ antwortete ſie; welche nicht nur die Hertzen/ ſondern den Schnee und das Eyß der euſſerſten Nord Spitze entzuͤnden kan. Die Richter erſchracken fuͤr ſo frechem Bekaͤntnuͤſſe; und wuſten nicht: Ob ſie diß Weib fuͤr wahn- ſinnig; oder ihre Rede fuͤr wahrhafft halten ſol- ten; fragten aber: wie ſie ihre Zauberey bewerck- ſtelligt; und was ſie hierzu bewegt haͤtte? Sie zo- he hierauf zwey Wachsbilder heraus; derer das eine der Koͤnigin; das andere dem Cimbriſchen Fuͤrſten gantz gleich ſahe. Dieſe/ ſagte ſie/ habe ich durch gewiſſe Kraͤuter und meine Kunſt de- rogeſtalt zubereitet: daß wenn ich ſelbte mit mei- nem Schwefel uͤberziehe/ ſelbte brennend ma- che/ und gewiſſe Segen darzu ſpreche/ alle Ein- fluͤſſe der Geſtirne/ alle Regungen der Keuſch- heit viel zu ohnmaͤchtig ſind die von mir in ih- ren Seelen entzuͤndete Brunſt/ welche mit ih- rem auffſteigenden Rauche alle Vernunfft zu Bodem ſchlaͤgt/ zu daͤmpffen. Dieſe meine Hand wuͤrcket auch in den Haͤuptern der Wei- ſen: daß ſie das heßlichſte Laſter fuͤr einen Aus- bund der Tugend annehmen; ſie erleuchtet mit der Finſternuͤs des Abgrunds die Unzucht: daß ſie wie der des Nachts leuchtende Wurm fuͤr ein himmliſches Licht angeſehen wird. Maſſen dieſe Zauberin denn auch alſofort ſolches be- werckſtelligte/ und zu wege brachte: daß die auf der Seite ſtehende Verdammten/ welche vor- her gantz auſſer ſich/ und als todte Marmel- Bilder unbewegt geſtanden/ auf einander wie ein Blitz zurennten/ und einander umhalſeten. Die Richter alle erzitterten uͤber dieſer Zaube- rey; ſie aber fuhr fort und ſagte: Wiſſet aber auch die Urſache dieſes meines Beginnens; und daß dieſe Liebes-Flamme aus dem feurigen Ra- chen der Rache angezuͤndet worden ſey. Denn nach dem Frotho in dem Kriege wieder die Slaven meinen Braͤutigam den Fuͤrſten des Eylandes Latris gefangen bekommen/ ſelbten aber toͤdten laſſen/ und mich alſo meiner Liebe beraubet/ habe ich durch keine andere Vergel- tung mich zu ſaͤttigen gewuͤſt/ als daß ich ihm ſeine tugendhaffte Gemahlin/ als den Zweck ſeiner einigen Vergnuͤgung/ hinweg naͤhme. Jch habe meiner Fuͤrſtlichen Wuͤrde mich ent- euſſert; ich bin ein Lehrling der allerſchlim̃ſten Zauberin worden; ich habe durch verborgene Ungedult mir mein Hertz abgenaget/ nur die Suͤßigkeit der Rache zu genuͤſſen. Ja/ weil ich wol gewuͤſt: daß draͤuende ſich ver gnuͤgen ihre Zunge an ſtatt des Rach-Schwerdts zu ge- brauchen/ und der durch den Mund ausrau- chende Zorn die Glieder krafftloß laſſe/ die Be- leidigung mit Worten auch eine fruchtloſe Boßheit/ in der That aber ſich raͤchen eine Hel- den-Eigenſchafft ſey/ habe ich ſchon zehen Jahr bey den Cimbern als eine Dienſt-Magd zu- bracht/ nur daß ich der Koͤnigin und dieſes Fuͤr- ſten Haar/ als den Werckzeug meiner Zaube- rey/ zur Rache erlangte; welche mir biß auff dieſe Stunde kein Menſch angemerckt hat/ nimmermehr auch wuͤrde ergruͤnder haben/ weñ ich zugleich die Barmhertzigkeit gegen die Tu- gend

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1404
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1336[1338]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1404>, abgerufen am 06.05.2024.