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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] süssete mir alle Verdrüßligkeiten. Endlich
kamen wir an dem Cimbrischen Vorgebürge
an/ und wurden vom Könige Frotho/ nebst dem
Römischen Gesandten Lucius Arnutius/ wel-
cher vom Kayser kostbare Geschencke überbrach-
te/ um selbten von denen andern Deutschen ab-
zuziehen/ auffs freundlichste angenommen; mir
auch/ als er mein en Stand vernahm/ alle Fürst-
liche Bedienung verschaffet. Sintemahl das
Cheruskische und Cimbrische Hauß vielfältig
durch Heyrathen und andere Bündnüße an
einander verknüpfft war. Wiewol ich nun nach
meinem Segimer hertzlich seuffzete/ wolte mich
doch König Frotho nicht von sich lassen; in dem
es dazumahl in Deutschland/ besonders in dem
Chauzischen und Cheruskischen Gebiete bund
über Ecke gieng. Gleichwol ließ er den Feld-
Herrn Segimern durch den Ritter Buch wald
wissen: daß ich bey ihm mit seiner Schwester
glücklich ankommen wäre. Dieser mein Eh-
Herr drückte in einem Schreiben seine über-
mäßige Freude über meine Erlösung und seine
Begierde mich zu sehen auffs beweglichste aus;
iedoch wiederrieth er selbst meine Anheimkunft.
Nach dem ich nun drey Monat nach unserer
Umarmung geseuffzet hatte/ kriegte ich die trau-
rige Nachricht: daß Segimer durch Römisches
Gifft sein Leben; Deutschland aber an ihm
den Beschirmer seiner Freyheit eingebüst hätte.
Dieses war ein solcher Donnerschlag in meiner
Seele; welcher mein gantzes Wesen einzuä-
schern vermocht hätte/ wenn ich nicht von dem
Unglücke geraume Zeit wäre abgehärtet/ und
von der Tirchanis/ welche sich nun in das Ali-
ronische Heiligthum eingeschlossen hatte/ zu
großmüthiger Gedult aufgemuntert worden.
Denn ob zwar einige in dem Wahn stecken:
daß wie die Biene an niedrigem Rosen-Gepü-
sche und an denen sich zur Erde bückenden Blu-
men erquickte/ aus diesen ihre Seele/ und den
reinen Geist des Gestirnes/ nehmlich den süs-
sen Thau saugte/ und die Spitzen der Cedern
[Spaltenumbruch] den Adlern und andern Raub - Vögeln ein-
räumte; also die Liebe vollkommener in den
Schäfer-Hütten/ als in Königlichen Schlös-
sern befindlich/ und die Hoheit der Fürsten für
sie all zu aufgeblasen wäre; So weiß ich doch ge-
wiß: daß die Vereinbarung des Hertzens mit
des Segimers/ als worinnen alleine das ei-
gentliche Wesen und die Süßigkeit der Liebe
bestehet; ein so festes Verbindnüs/ als iemahls
ein menschliches Hertze zu beschlüssen fähig ist/
gewesen sey; und daß der Tod diese Kette in mir
zu zergliedern niemahls vermocht habe; in dem
ich/ wenn es möglich wäre/ seine Seele eben so
in einen andern Leib zu güssen/ als sich das Bild
eines geliebten Leibes in die Taffel unsers Ge-
müthes eingepreget/ auch noch die erblaste Lei-
che meines Segimers zu beseelen/ und mich in
sein Grab zu verscharren begierig wäre. Wie
ich denn auch keine Ursache finde/ oder begreif-
fen kan; warum diese mächtige Gemüths-Re-
gung/ welche aller Grösse der Welt überlegen
ist/ sich nicht auch des Glücks bemeistern/ und
die Hertzen der Herrschenden vollkommentlich
zu besitzen mächtig seyn solte? Dieser meiner
Betrübnüs folgte auf dem Fuße ein den König
Frotho auffs eusserste bestürtzender Zufall; in
dem seine Gemahlin/ welcher Königlichen Uhr-
sprung ich billich verschweige/ mit einem der
fürnehmsten Cimbrischen Fürsten im Ehbruche
begrieffen ward. Je ungemeiner nun dieses
Laster bey den Deutschen ist/ und ie mehr Fro-
tho sie geliebt hatte; ie hefftiger war seine Ver-
bitterung; als welche in einem Augenblicke die
Geister seiner so heissen Liebe ersteckte. Denn
die Rache der Beleidigten hat eine viel hefftigere
Regung/ als die Liebe; nach dem das Geblüte
in den Puls-Adern viel thätiger/ als in andern
ist. Daher er sie den Richtern/ sie nach der
Schärffe ihres Rechtes anzusehen übergab;
welche sie auch beyde verdammten; den Fürsten
zwar: daß ein Stein ihm an Hals gehenckt/ und
er ins Meer gestürtzt; der Königin aber die

Haare

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ſuͤſſete mir alle Verdruͤßligkeiten. Endlich
kamen wir an dem Cimbriſchen Vorgebuͤrge
an/ und wurden vom Koͤnige Frotho/ nebſt dem
Roͤmiſchen Geſandten Lucius Arnutius/ wel-
cher vom Kayſer koſtbare Geſchencke uͤberbrach-
te/ um ſelbten von denen andern Deutſchen ab-
zuziehen/ auffs freundlichſte angenommen; mir
auch/ als er mein en Stand vernahm/ alle Fuͤrſt-
liche Bedienung verſchaffet. Sintemahl das
Cheruskiſche und Cimbriſche Hauß vielfaͤltig
durch Heyrathen und andere Buͤndnuͤße an
einander verknuͤpfft war. Wiewol ich nun nach
meinem Segimer hertzlich ſeuffzete/ wolte mich
doch Koͤnig Frotho nicht von ſich laſſen; in dem
es dazumahl in Deutſchland/ beſonders in dem
Chauziſchen und Cheruskiſchen Gebiete bund
uͤber Ecke gieng. Gleichwol ließ er den Feld-
Herrn Segimern durch den Ritter Buch wald
wiſſen: daß ich bey ihm mit ſeiner Schweſter
gluͤcklich ankommen waͤre. Dieſer mein Eh-
Herr druͤckte in einem Schreiben ſeine uͤber-
maͤßige Freude uͤber meine Erloͤſung und ſeine
Begierde mich zu ſehen auffs beweglichſte aus;
iedoch wiederrieth er ſelbſt meine Anheimkunft.
Nach dem ich nun drey Monat nach unſerer
Umarmung geſeuffzet hatte/ kriegte ich die trau-
rige Nachricht: daß Segimer durch Roͤmiſches
Gifft ſein Leben; Deutſchland aber an ihm
den Beſchirmer ſeiner Freyheit eingebuͤſt haͤtte.
Dieſes war ein ſolcher Donnerſchlag in meiner
Seele; welcher mein gantzes Weſen einzuaͤ-
ſchern vermocht haͤtte/ wenn ich nicht von dem
Ungluͤcke geraume Zeit waͤre abgehaͤrtet/ und
von der Tirchanis/ welche ſich nun in das Ali-
roniſche Heiligthum eingeſchloſſen hatte/ zu
großmuͤthiger Gedult aufgemuntert worden.
Denn ob zwar einige in dem Wahn ſtecken:
daß wie die Biene an niedrigem Roſen-Gepuͤ-
ſche und an denen ſich zur Erde buͤckenden Blu-
men erquickte/ aus dieſen ihre Seele/ und den
reinen Geiſt des Geſtirnes/ nehmlich den ſuͤſ-
ſen Thau ſaugte/ und die Spitzen der Cedern
[Spaltenumbruch] den Adlern und andern Raub - Voͤgeln ein-
raͤumte; alſo die Liebe vollkommener in den
Schaͤfer-Huͤtten/ als in Koͤniglichen Schloͤſ-
ſern befindlich/ und die Hoheit der Fuͤrſten fuͤr
ſie all zu aufgeblaſen waͤre; So weiß ich doch ge-
wiß: daß die Vereinbarung des Hertzens mit
des Segimers/ als worinnen alleine das ei-
gentliche Weſen und die Suͤßigkeit der Liebe
beſtehet; ein ſo feſtes Verbindnuͤs/ als iemahls
ein menſchliches Hertze zu beſchluͤſſen faͤhig iſt/
geweſen ſey; und daß der Tod dieſe Kette in mir
zu zergliedern niemahls vermocht habe; in dem
ich/ wenn es moͤglich waͤre/ ſeine Seele eben ſo
in einen andern Leib zu guͤſſen/ als ſich das Bild
eines geliebten Leibes in die Taffel unſers Ge-
muͤthes eingepreget/ auch noch die erblaſte Lei-
che meines Segimers zu beſeelen/ und mich in
ſein Grab zu verſcharren begierig waͤre. Wie
ich denn auch keine Urſache finde/ oder begreif-
fen kan; warum dieſe maͤchtige Gemuͤths-Re-
gung/ welche aller Groͤſſe der Welt uͤberlegen
iſt/ ſich nicht auch des Gluͤcks bemeiſtern/ und
die Hertzen der Herrſchenden vollkommentlich
zu beſitzen maͤchtig ſeyn ſolte? Dieſer meiner
Betruͤbnuͤs folgte auf dem Fuße ein den Koͤnig
Frotho auffs euſſerſte beſtuͤrtzender Zufall; in
dem ſeine Gemahlin/ welcher Koͤniglichen Uhr-
ſprung ich billich verſchweige/ mit einem der
fuͤrnehmſten Cimbriſchen Fuͤrſten im Ehbruche
begrieffen ward. Je ungemeiner nun dieſes
Laſter bey den Deutſchen iſt/ und ie mehr Fro-
tho ſie geliebt hatte; ie hefftiger war ſeine Ver-
bitterung; als welche in einem Augenblicke die
Geiſter ſeiner ſo heiſſen Liebe erſteckte. Denn
die Rache der Beleidigten hat eine viel hefftigere
Regung/ als die Liebe; nach dem das Gebluͤte
in den Puls-Adern viel thaͤtiger/ als in andern
iſt. Daher er ſie den Richtern/ ſie nach der
Schaͤrffe ihres Rechtes anzuſehen uͤbergab;
welche ſie auch beyde verdammten; den Fuͤrſten
zwar: daß ein Stein ihm an Hals gehenckt/ und
er ins Meer geſtuͤrtzt; der Koͤnigin aber die

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[1335[1337]/1403] Arminius und Thußnelda. ſuͤſſete mir alle Verdruͤßligkeiten. Endlich kamen wir an dem Cimbriſchen Vorgebuͤrge an/ und wurden vom Koͤnige Frotho/ nebſt dem Roͤmiſchen Geſandten Lucius Arnutius/ wel- cher vom Kayſer koſtbare Geſchencke uͤberbrach- te/ um ſelbten von denen andern Deutſchen ab- zuziehen/ auffs freundlichſte angenommen; mir auch/ als er mein en Stand vernahm/ alle Fuͤrſt- liche Bedienung verſchaffet. Sintemahl das Cheruskiſche und Cimbriſche Hauß vielfaͤltig durch Heyrathen und andere Buͤndnuͤße an einander verknuͤpfft war. Wiewol ich nun nach meinem Segimer hertzlich ſeuffzete/ wolte mich doch Koͤnig Frotho nicht von ſich laſſen; in dem es dazumahl in Deutſchland/ beſonders in dem Chauziſchen und Cheruskiſchen Gebiete bund uͤber Ecke gieng. Gleichwol ließ er den Feld- Herrn Segimern durch den Ritter Buch wald wiſſen: daß ich bey ihm mit ſeiner Schweſter gluͤcklich ankommen waͤre. Dieſer mein Eh- Herr druͤckte in einem Schreiben ſeine uͤber- maͤßige Freude uͤber meine Erloͤſung und ſeine Begierde mich zu ſehen auffs beweglichſte aus; iedoch wiederrieth er ſelbſt meine Anheimkunft. Nach dem ich nun drey Monat nach unſerer Umarmung geſeuffzet hatte/ kriegte ich die trau- rige Nachricht: daß Segimer durch Roͤmiſches Gifft ſein Leben; Deutſchland aber an ihm den Beſchirmer ſeiner Freyheit eingebuͤſt haͤtte. Dieſes war ein ſolcher Donnerſchlag in meiner Seele; welcher mein gantzes Weſen einzuaͤ- ſchern vermocht haͤtte/ wenn ich nicht von dem Ungluͤcke geraume Zeit waͤre abgehaͤrtet/ und von der Tirchanis/ welche ſich nun in das Ali- roniſche Heiligthum eingeſchloſſen hatte/ zu großmuͤthiger Gedult aufgemuntert worden. Denn ob zwar einige in dem Wahn ſtecken: daß wie die Biene an niedrigem Roſen-Gepuͤ- ſche und an denen ſich zur Erde buͤckenden Blu- men erquickte/ aus dieſen ihre Seele/ und den reinen Geiſt des Geſtirnes/ nehmlich den ſuͤſ- ſen Thau ſaugte/ und die Spitzen der Cedern den Adlern und andern Raub - Voͤgeln ein- raͤumte; alſo die Liebe vollkommener in den Schaͤfer-Huͤtten/ als in Koͤniglichen Schloͤſ- ſern befindlich/ und die Hoheit der Fuͤrſten fuͤr ſie all zu aufgeblaſen waͤre; So weiß ich doch ge- wiß: daß die Vereinbarung des Hertzens mit des Segimers/ als worinnen alleine das ei- gentliche Weſen und die Suͤßigkeit der Liebe beſtehet; ein ſo feſtes Verbindnuͤs/ als iemahls ein menſchliches Hertze zu beſchluͤſſen faͤhig iſt/ geweſen ſey; und daß der Tod dieſe Kette in mir zu zergliedern niemahls vermocht habe; in dem ich/ wenn es moͤglich waͤre/ ſeine Seele eben ſo in einen andern Leib zu guͤſſen/ als ſich das Bild eines geliebten Leibes in die Taffel unſers Ge- muͤthes eingepreget/ auch noch die erblaſte Lei- che meines Segimers zu beſeelen/ und mich in ſein Grab zu verſcharren begierig waͤre. Wie ich denn auch keine Urſache finde/ oder begreif- fen kan; warum dieſe maͤchtige Gemuͤths-Re- gung/ welche aller Groͤſſe der Welt uͤberlegen iſt/ ſich nicht auch des Gluͤcks bemeiſtern/ und die Hertzen der Herrſchenden vollkommentlich zu beſitzen maͤchtig ſeyn ſolte? Dieſer meiner Betruͤbnuͤs folgte auf dem Fuße ein den Koͤnig Frotho auffs euſſerſte beſtuͤrtzender Zufall; in dem ſeine Gemahlin/ welcher Koͤniglichen Uhr- ſprung ich billich verſchweige/ mit einem der fuͤrnehmſten Cimbriſchen Fuͤrſten im Ehbruche begrieffen ward. Je ungemeiner nun dieſes Laſter bey den Deutſchen iſt/ und ie mehr Fro- tho ſie geliebt hatte; ie hefftiger war ſeine Ver- bitterung; als welche in einem Augenblicke die Geiſter ſeiner ſo heiſſen Liebe erſteckte. Denn die Rache der Beleidigten hat eine viel hefftigere Regung/ als die Liebe; nach dem das Gebluͤte in den Puls-Adern viel thaͤtiger/ als in andern iſt. Daher er ſie den Richtern/ ſie nach der Schaͤrffe ihres Rechtes anzuſehen uͤbergab; welche ſie auch beyde verdammten; den Fuͤrſten zwar: daß ein Stein ihm an Hals gehenckt/ und er ins Meer geſtuͤrtzt; der Koͤnigin aber die Haare

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1335[1337]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1403>, abgerufen am 06.05.2024.