Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
ein in einem schneeweißen leinen Kittel geklei-detes Frauenzimmer; welche alsbald eine solche Gewogenheit auf mich warff: daß ich bey ihr in ihrem Gemache mich auf halten/ und an ihrer Seite schlaffen muste. Diese wuchs noch mehr/ als ich sie versicherte: daß ich eine deutsche Für- stin wäre; und/ nach dem ich in Gallien zu schif- fen vermeinet/ an diesem Felsen Schiffbruch gelitten hätte. Diesemnach sie mir denn ihre sonderbare Freude zu verstehen gab; weil sie/ welche ebenfalls von Rom absegelnde durch das Ungewitter auf diese Küste getrieben/ und das beschädigte Schiff auszubessern wäre genöthigt worden/ hierdurch das Glück erlangte mich in Deutschland zu führen; da sie mich denn/ wo- hin ich nur verlangte/ sicher lieffern wolte; weil sie noch zur Zeit vernünfftig zurück stünde mei- ne Beschaffenheit vorwitzig auszuforschen. Die- se Bescheidenheit nahm ich nichts minder für ein Merckmahl ihrer Klugheit/ als ihre Gü- tigkeit für eine Würckung seltzamer Tugenden an. Jhre Geberden bildeten auch eine absondere Frömmigkeit; und/ daß sie stets den halben Tag und die halbe Nacht sich in ein kleines Gemach einsperrete/ darinnen sie auf dem Antlitze liegende betete/ eine ungemeine Gottesfurcht ab; Ja ihr übriges Gespräche war meistentheils nur von der Göttlichen Liebe und der süssen Ergetzlig- keit einer andächtigen Seele. Denn ihrer Leh- re nach/ wären alle andere Erquickungen giff- tig und vergänglich; alle andere Regungen kalt und unrein. Gottes Liebe aber hätte nichts un- reines oder irrdisches an sich; Sie wäre eitel Geist und Licht/ gegen welcher die Sternen fle- ckicht und die Sonne finster wäre. Sie er- leuchtete die Seelen; und erwärmte die Her- tzen. Jhre Flamme gäbe keinen Rauch von sich; ihr Feuer machte seine Liebe niemahls schamroth. Kein Unglück der Welt vermöchte die Freude ihres Gemüthes zu vermindern; und das abscheulichste Gespenste der Tod könte ihr kein Schrecken einjagen/ wenn er ihm schon [Spaltenumbruch] die grausamste Larve fürmachte. Wenn ihre Andacht GOtt ein einig Körnlein Weyrauch anzündete/ wäre sie vergnügter/ als die ohn- mächtigen Welt-Götter; wenn ihnen der heu- chelnde Aberglaube tausend Ochsen opfferte. Wiewol auch das Schiff mit einem Uberfluße köstlicher Speisen und Erquickungen erfüllet war/ und sie mich reichlich versorgen ließ; mäs- sigte sie doch ihren Unterhalt so sehr: daß sie nur einmahl des Tages und zwar das geringste spei- sete; Jhre Demuth hätte auch die ihr zustehen- de Herrschafft über dieses Schiff zweiffelhafft gemacht; wenn nicht alle andere sie mit tieffer Ehrerbietung für ihre Frau erkennet hätten. Von ihrem Volcke erfuhr ich zwar: daß sie eine Cimbrische Fürstin wäre; ein mehrers aber aus- zugrübeln verbot mir ihre eigene Mäßigung: daß sie nicht/ wer ich wäre/ zu fragen sich erküh- nete. Wir hatten schon zehn Tage gesegelt/ und waren biß an die Gaditanische Meer-En- ge gediegen; allwo wir einem Römischen Ge- sandten zu Liebe/ der auf diesem Schiffe mit zum Cimbrischen Könige Frothe reisete/ anlen- den musten; wormit dieser dem Hercules auff seiner Seule oder dem Berge Calpe opffern konte. Die Gebieterin des Schiffes und ich stiegen gleichfalls ans Land/ um uns durch die Land-Lufft zu erfrischen/ und die von denen Tyriern gebaute uhralte Stadt Gades zu be- schauen. Wir kamen alldar in den Tempel des Hercules/ und wormit wir den heiligen Brund/ welcher bey dem durch die Fluth wachsenden Meere ab bey der Eppe aber zunimmt/ so viel besser betrachten möchten/ hielten wir uns da- selbst zwey Tage auf. Wie wir nun zusammen diese wundersame Abwechselung betrachteten/ konte ich mich/ ich weiß nicht/ aus was für einer verborgenen Regung/ nicht enthalten/ in diese Worte auszubrechen: Wer wolte nicht gegen GOtt durch inbrünstige Andacht entzündet werden/ nach dem er mit einer solchen Ubermaß seine Güte/ als den Anfang seiner Liebe/ und einen
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
ein in einem ſchneeweißen leinen Kittel geklei-detes Frauenzimmer; welche alsbald eine ſolche Gewogenheit auf mich warff: daß ich bey ihr in ihrem Gemache mich auf halten/ und an ihrer Seite ſchlaffen muſte. Dieſe wuchs noch mehr/ als ich ſie verſicherte: daß ich eine deutſche Fuͤr- ſtin waͤre; und/ nach dem ich in Gallien zu ſchif- fen vermeinet/ an dieſem Felſen Schiffbruch gelitten haͤtte. Dieſemnach ſie mir denn ihre ſonderbare Freude zu verſtehen gab; weil ſie/ welche ebenfalls von Rom abſegelnde durch das Ungewitter auf dieſe Kuͤſte getrieben/ und das beſchaͤdigte Schiff auszubeſſern waͤre genoͤthigt worden/ hierdurch das Gluͤck erlangte mich in Deutſchland zu fuͤhren; da ſie mich denn/ wo- hin ich nur verlangte/ ſicher lieffern wolte; weil ſie noch zur Zeit vernuͤnfftig zuruͤck ſtuͤnde mei- ne Beſchaffenheit vorwitzig auszuforſchen. Die- ſe Beſcheidenheit nahm ich nichts minder fuͤr ein Merckmahl ihrer Klugheit/ als ihre Guͤ- tigkeit fuͤr eine Wuͤrckung ſeltzamer Tugenden an. Jhre Geberden bildeten auch eine abſondeꝛe Froͤmmigkeit; und/ daß ſie ſtets den halben Tag und die halbe Nacht ſich in ein kleines Gemach einſperꝛete/ daꝛiñen ſie auf dem Antlitze liegende betete/ eine ungemeine Gottesfurcht ab; Ja ihr uͤbriges Geſpraͤche war meiſtentheils nur von der Goͤttlichen Liebe und der ſuͤſſen Ergetzlig- keit einer andaͤchtigen Seele. Denn ihrer Leh- re nach/ waͤren alle andere Erquickungen giff- tig und vergaͤnglich; alle andere Regungen kalt und unrein. Gottes Liebe aber haͤtte nichts un- reines oder irrdiſches an ſich; Sie waͤre eitel Geiſt und Licht/ gegen welcher die Sternen fle- ckicht und die Sonne finſter waͤre. Sie er- leuchtete die Seelen; und erwaͤrmte die Her- tzen. Jhre Flamme gaͤbe keinen Rauch von ſich; ihr Feuer machte ſeine Liebe niemahls ſchamroth. Kein Ungluͤck der Welt vermoͤchte die Freude ihres Gemuͤthes zu vermindern; und das abſcheulichſte Geſpenſte der Tod koͤnte ihr kein Schrecken einjagen/ wenn er ihm ſchon [Spaltenumbruch] die grauſamſte Larve fuͤrmachte. Wenn ihre Andacht GOtt ein einig Koͤrnlein Weyrauch anzuͤndete/ waͤre ſie vergnuͤgter/ als die ohn- maͤchtigen Welt-Goͤtter; wenn ihnen der heu- chelnde Aberglaube tauſend Ochſen opfferte. Wiewol auch das Schiff mit einem Uberfluße koͤſtlicher Speiſen und Erquickungen erfuͤllet war/ und ſie mich reichlich verſorgen ließ; maͤſ- ſigte ſie doch ihren Unterhalt ſo ſehr: daß ſie nur einmahl des Tages und zwar das geringſte ſpei- ſete; Jhre Demuth haͤtte auch die ihr zuſtehen- de Herꝛſchafft uͤber dieſes Schiff zweiffelhafft gemacht; wenn nicht alle andere ſie mit tieffer Ehrerbietung fuͤr ihre Frau erkennet haͤtten. Von ihrem Volcke erfuhr ich zwar: daß ſie eine Cimbriſche Fuͤrſtin waͤre; ein mehrers aber aus- zugruͤbeln verbot mir ihre eigene Maͤßigung: daß ſie nicht/ wer ich waͤre/ zu fragen ſich erkuͤh- nete. Wir hatten ſchon zehn Tage geſegelt/ und waren biß an die Gaditaniſche Meer-En- ge gediegen; allwo wir einem Roͤmiſchen Ge- ſandten zu Liebe/ der auf dieſem Schiffe mit zum Cimbriſchen Koͤnige Frothe reiſete/ anlen- den muſten; wormit dieſer dem Hercules auff ſeiner Seule oder dem Berge Calpe opffern konte. Die Gebieterin des Schiffes und ich ſtiegen gleichfalls ans Land/ um uns durch die Land-Lufft zu erfriſchen/ und die von denen Tyriern gebaute uhralte Stadt Gades zu be- ſchauen. Wir kamen alldar in den Tempel des Hercules/ und wormit wir den heiligen Bruñ/ welcher bey dem durch die Fluth wachſenden Meere ab bey der Eppe aber zunimmt/ ſo viel beſſer betrachten moͤchten/ hielten wir uns da- ſelbſt zwey Tage auf. Wie wir nun zuſammen dieſe wunderſame Abwechſelung betrachteten/ konte ich mich/ ich weiß nicht/ aus was fuͤr einer verborgenen Regung/ nicht enthalten/ in dieſe Worte auszubrechen: Wer wolte nicht gegen GOtt durch inbruͤnſtige Andacht entzuͤndet werden/ nach dem er mit einer ſolchen Ubermaß ſeine Guͤte/ als den Anfang ſeiner Liebe/ und einen
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Arminius und Thußnelda.
ein in einem ſchneeweißen leinen Kittel geklei-
detes Frauenzimmer; welche alsbald eine ſolche
Gewogenheit auf mich warff: daß ich bey ihr in
ihrem Gemache mich auf halten/ und an ihrer
Seite ſchlaffen muſte. Dieſe wuchs noch mehr/
als ich ſie verſicherte: daß ich eine deutſche Fuͤr-
ſtin waͤre; und/ nach dem ich in Gallien zu ſchif-
fen vermeinet/ an dieſem Felſen Schiffbruch
gelitten haͤtte. Dieſemnach ſie mir denn ihre
ſonderbare Freude zu verſtehen gab; weil ſie/
welche ebenfalls von Rom abſegelnde durch das
Ungewitter auf dieſe Kuͤſte getrieben/ und das
beſchaͤdigte Schiff auszubeſſern waͤre genoͤthigt
worden/ hierdurch das Gluͤck erlangte mich in
Deutſchland zu fuͤhren; da ſie mich denn/ wo-
hin ich nur verlangte/ ſicher lieffern wolte; weil
ſie noch zur Zeit vernuͤnfftig zuruͤck ſtuͤnde mei-
ne Beſchaffenheit vorwitzig auszuforſchen. Die-
ſe Beſcheidenheit nahm ich nichts minder fuͤr
ein Merckmahl ihrer Klugheit/ als ihre Guͤ-
tigkeit fuͤr eine Wuͤrckung ſeltzamer Tugenden
an. Jhre Geberden bildeten auch eine abſondeꝛe
Froͤmmigkeit; und/ daß ſie ſtets den halben Tag
und die halbe Nacht ſich in ein kleines Gemach
einſperꝛete/ daꝛiñen ſie auf dem Antlitze liegende
betete/ eine ungemeine Gottesfurcht ab; Ja ihr
uͤbriges Geſpraͤche war meiſtentheils nur von
der Goͤttlichen Liebe und der ſuͤſſen Ergetzlig-
keit einer andaͤchtigen Seele. Denn ihrer Leh-
re nach/ waͤren alle andere Erquickungen giff-
tig und vergaͤnglich; alle andere Regungen kalt
und unrein. Gottes Liebe aber haͤtte nichts un-
reines oder irrdiſches an ſich; Sie waͤre eitel
Geiſt und Licht/ gegen welcher die Sternen fle-
ckicht und die Sonne finſter waͤre. Sie er-
leuchtete die Seelen; und erwaͤrmte die Her-
tzen. Jhre Flamme gaͤbe keinen Rauch von
ſich; ihr Feuer machte ſeine Liebe niemahls
ſchamroth. Kein Ungluͤck der Welt vermoͤchte
die Freude ihres Gemuͤthes zu vermindern;
und das abſcheulichſte Geſpenſte der Tod koͤnte
ihr kein Schrecken einjagen/ wenn er ihm ſchon
die grauſamſte Larve fuͤrmachte. Wenn ihre
Andacht GOtt ein einig Koͤrnlein Weyrauch
anzuͤndete/ waͤre ſie vergnuͤgter/ als die ohn-
maͤchtigen Welt-Goͤtter; wenn ihnen der heu-
chelnde Aberglaube tauſend Ochſen opfferte.
Wiewol auch das Schiff mit einem Uberfluße
koͤſtlicher Speiſen und Erquickungen erfuͤllet
war/ und ſie mich reichlich verſorgen ließ; maͤſ-
ſigte ſie doch ihren Unterhalt ſo ſehr: daß ſie nur
einmahl des Tages und zwar das geringſte ſpei-
ſete; Jhre Demuth haͤtte auch die ihr zuſtehen-
de Herꝛſchafft uͤber dieſes Schiff zweiffelhafft
gemacht; wenn nicht alle andere ſie mit tieffer
Ehrerbietung fuͤr ihre Frau erkennet haͤtten.
Von ihrem Volcke erfuhr ich zwar: daß ſie eine
Cimbriſche Fuͤrſtin waͤre; ein mehrers aber aus-
zugruͤbeln verbot mir ihre eigene Maͤßigung:
daß ſie nicht/ wer ich waͤre/ zu fragen ſich erkuͤh-
nete. Wir hatten ſchon zehn Tage geſegelt/
und waren biß an die Gaditaniſche Meer-En-
ge gediegen; allwo wir einem Roͤmiſchen Ge-
ſandten zu Liebe/ der auf dieſem Schiffe mit
zum Cimbriſchen Koͤnige Frothe reiſete/ anlen-
den muſten; wormit dieſer dem Hercules auff
ſeiner Seule oder dem Berge Calpe opffern
konte. Die Gebieterin des Schiffes und ich
ſtiegen gleichfalls ans Land/ um uns durch die
Land-Lufft zu erfriſchen/ und die von denen
Tyriern gebaute uhralte Stadt Gades zu be-
ſchauen. Wir kamen alldar in den Tempel des
Hercules/ und wormit wir den heiligen Bruñ/
welcher bey dem durch die Fluth wachſenden
Meere ab bey der Eppe aber zunimmt/ ſo viel
beſſer betrachten moͤchten/ hielten wir uns da-
ſelbſt zwey Tage auf. Wie wir nun zuſammen
dieſe wunderſame Abwechſelung betrachteten/
konte ich mich/ ich weiß nicht/ aus was fuͤr einer
verborgenen Regung/ nicht enthalten/ in dieſe
Worte auszubrechen: Wer wolte nicht gegen
GOtt durch inbruͤnſtige Andacht entzuͤndet
werden/ nach dem er mit einer ſolchen Ubermaß
ſeine Guͤte/ als den Anfang ſeiner Liebe/ und
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1327[1329]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1395>, abgerufen am 17.07.2024. |