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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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[Spaltenumbruch] nicht ohne Ursache von Disteln geflochten ist/
auffzusetzen kein Bedencken hat. Erato/ und
alles andere Frauen-Zimmer hätten Asblasten
gern länger zugehöret/ wenn nicht der Feldherr
sie ins gesamt zu dem in einem köstlichen Gezelt
bereiteten Früh-Mahle hätte beruffen lassen/
welches mit denen allervergnüglichsten Unter-
redungen/ wormit sie Thußnelden öffters die
von Asblasten so sehr vertheidigte Schamröthe
heraus trieben/ vollbracht ward.

Hierauff kehrten sie insgesamt wieder nach
Deutschburg. Denn Hertzog Herrmann hatte
verlassen noch selbigen Tag Krieges-Rath zu
halten; in dem dieser ruhmwürdigste Liebhaber
auch zu der Zeit/ da die Regungen bey solcher
Neuigkeit pflegen am hefftigsten zu seyn; sein
Gemüthe und die Zeit derogestalt vernünfftig
abtheilte: daß weder die Liebe Thußneldens/
noch des gemeinen Wesens sich über einige Un-
gleichheit zu beschweren Ursach hatte. Wiewol
nun der Feldherr seiner Mutter Asblasten eine
absondere Senffte bestellet hatte; brachte doch
die Königin Erato und das andere Frauen zim-
mer durch ihre Bitte zu wege: daß sie in ihrer
Gesellschafft zurücke fuhr; und sich ihre nie-
manden sonst bekandte Ebentheuer zu eröffnen
bewegen ließ. Diesemnach sie denn mit einer
besondern Anmuth anfieng: Die Göttliche
Versehung/ welche die Unwissenden für den
blinden Abgott des Glückes halten/ lachet aus
ihrer verborgenen Ewigkeit der irrdischen An-
schläge/ wenn sie als die einige Königin aller
Mittel-Ursachen/ und als eine Schiedes-Rich-
terin aller Begebenheiten den Glücks-Topff
der Menschen nach ihrem Wolgefallen durch
einander rühret; und ob sie gleich unserm albe-
ren Vorsatze zuweilen den Zügel schüssen/ doch
uns zuletzt auf ein gantz anders Ziel abkommen
läst/ als wir das Absehen haben/ und die ersten
Begebenheiten gezeuget hatten. Dieses habe
ich sonderlich damahls erfahren/ als ich
statt des Eylandes Caprasia an das Jberische
[Spaltenumbruch] Ufer getrieben/ und durch einen Schiffbruch
aus der Dienstbarkeit der Römer erlöset ward.
Denn da unser Schiff an einem hohen weit ü-
ber das Meer hervorragenden Felsen zerschmet-
tert ward/ und in kleine darvon schwimmenden
Stücke zerbrach/ derer eines der Gräfin von
der Lippe zu einem Kahne gedienet/ erwischte
ich in der Angst eine Wurtzel des an solchen Fel-
sen gewachsenen Kräutichts/ durch welcher und
der mich hebenden Wellen Hülffe ich auff der
Klippe feste zu stehen kam/ und mich endlich biß
auf dessen Gipffel empor arbeitete. Es war
sonst keine Seele um mich. Die barmhertzigen
Wellen hatten mich zwar leben lassen; weil a-
ber dieser unfruchtbare Felß mir weder Speise
noch Geträncke zu reichen vermochte/ schiene
mir der Tod nicht geschenckt/ sondern nur zu
einer mehrern Verbitterung geborgt zu seyn.
Nichts desto weniger verzweiffelte ich nicht gar
an der Errettung. Denn diese Kleinmuth ist
ein gewisses Zeichen der Unwissenheit: daß in
der Welt nichts ungefähr geschehe; und daß das
Verhängnüs noch Vorsorge für uns trage;
wenn wir schon den letzten Athem auszuhauchen
scheinen. Zwey Tage lebte ich in dieser Ein-
samkeit; der raue Felß speisete mich mit weni-
gen Wurtzeln/ beschattete mich durch einen U-
berhang für der Sonnen-Hitze; der Himmel a-
ber tränckte mich des Nachts mit kräfftigem
Thaue/ und einmahl auch mit einem sanfften
Regen. Den dritten Tag aber striech ein Se-
gel so nahe bey dieser Klippe vorbey: daß mein
Wincken konte erkieset werden; welches denn
bey denen Schiffenden ein solches Mitleiden
mich durch einen Nachen abholen zu lassen er-
weckte. Jch wuste der Göttlichen Barmher-
tzigkeit für diese wundersame Errettung nicht
genungsam zu dancken; insonderheit als ich auf
dem Schiffe eitel Deutsche antraff/ und von
ihnen um so viel freundlicher bewillkommt ward;
weil ich ihnen in ihrer Sprache zu antworten
wuste. Die Gebieterin dieses Schiffes war

ein

Neuntes Buch
[Spaltenumbruch] nicht ohne Urſache von Diſteln geflochten iſt/
auffzuſetzen kein Bedencken hat. Erato/ und
alles andere Frauen-Zimmer haͤtten Asblaſten
gern laͤnger zugehoͤret/ wenn nicht der Feldherꝛ
ſie ins geſamt zu dem in einem koͤſtlichen Gezelt
bereiteten Fruͤh-Mahle haͤtte beruffen laſſen/
welches mit denen allervergnuͤglichſten Unter-
redungen/ wormit ſie Thußnelden oͤffters die
von Asblaſten ſo ſehr vertheidigte Schamroͤthe
heraus trieben/ vollbracht ward.

Hierauff kehrten ſie insgeſamt wieder nach
Deutſchburg. Denn Hertzog Herꝛmann hatte
verlaſſen noch ſelbigen Tag Krieges-Rath zu
halten; in dem dieſer ruhmwuͤrdigſte Liebhaber
auch zu der Zeit/ da die Regungen bey ſolcher
Neuigkeit pflegen am hefftigſten zu ſeyn; ſein
Gemuͤthe und die Zeit derogeſtalt vernuͤnfftig
abtheilte: daß weder die Liebe Thußneldens/
noch des gemeinen Weſens ſich uͤber einige Un-
gleichheit zu beſchweren Urſach hatte. Wiewol
nun der Feldherꝛ ſeiner Mutter Asblaſten eine
abſondere Senffte beſtellet hatte; brachte doch
die Koͤnigin Erato und das andere Frauen zim-
mer durch ihre Bitte zu wege: daß ſie in ihrer
Geſellſchafft zuruͤcke fuhr; und ſich ihre nie-
manden ſonſt bekandte Ebentheuer zu eroͤffnen
bewegen ließ. Dieſemnach ſie denn mit einer
beſondern Anmuth anfieng: Die Goͤttliche
Verſehung/ welche die Unwiſſenden fuͤr den
blinden Abgott des Gluͤckes halten/ lachet aus
ihrer verborgenen Ewigkeit der irrdiſchen An-
ſchlaͤge/ wenn ſie als die einige Koͤnigin aller
Mittel-Urſachen/ und als eine Schiedes-Rich-
terin aller Begebenheiten den Gluͤcks-Topff
der Menſchen nach ihrem Wolgefallen durch
einander ruͤhret; und ob ſie gleich unſerm albe-
ren Vorſatze zuweilen den Zuͤgel ſchuͤſſen/ doch
uns zuletzt auf ein gantz anders Ziel abkommen
laͤſt/ als wir das Abſehen haben/ und die erſten
Begebenheiten gezeuget hatten. Dieſes habe
ich ſonderlich damahls erfahren/ als ich
ſtatt des Eylandes Capraſia an das Jberiſche
[Spaltenumbruch] Ufer getrieben/ und durch einen Schiffbruch
aus der Dienſtbarkeit der Roͤmer erloͤſet ward.
Denn da unſer Schiff an einem hohen weit uͤ-
ber das Meer hervorragenden Felſen zerſchmet-
tert ward/ und in kleine darvon ſchwimmenden
Stuͤcke zerbrach/ derer eines der Graͤfin von
der Lippe zu einem Kahne gedienet/ erwiſchte
ich in der Angſt eine Wurtzel des an ſolchen Fel-
ſen gewachſenen Kraͤutichts/ durch welcher und
der mich hebenden Wellen Huͤlffe ich auff der
Klippe feſte zu ſtehen kam/ und mich endlich biß
auf deſſen Gipffel empor arbeitete. Es war
ſonſt keine Seele um mich. Die barmhertzigen
Wellen hatten mich zwar leben laſſen; weil a-
ber dieſer unfruchtbare Felß mir weder Speiſe
noch Getraͤncke zu reichen vermochte/ ſchiene
mir der Tod nicht geſchenckt/ ſondern nur zu
einer mehrern Verbitterung geborgt zu ſeyn.
Nichts deſto weniger verzweiffelte ich nicht gar
an der Errettung. Denn dieſe Kleinmuth iſt
ein gewiſſes Zeichen der Unwiſſenheit: daß in
der Welt nichts ungefaͤhr geſchehe; und daß das
Verhaͤngnuͤs noch Vorſorge fuͤr uns trage;
weñ wir ſchon den letzten Athem auszuhauchen
ſcheinen. Zwey Tage lebte ich in dieſer Ein-
ſamkeit; der raue Felß ſpeiſete mich mit weni-
gen Wurtzeln/ beſchattete mich durch einen U-
berhang fuͤr der Sonnen-Hitze; der Himmel a-
ber traͤnckte mich des Nachts mit kraͤfftigem
Thaue/ und einmahl auch mit einem ſanfften
Regen. Den dritten Tag aber ſtriech ein Se-
gel ſo nahe bey dieſer Klippe vorbey: daß mein
Wincken konte erkieſet werden; welches denn
bey denen Schiffenden ein ſolches Mitleiden
mich durch einen Nachen abholen zu laſſen er-
weckte. Jch wuſte der Goͤttlichen Barmher-
tzigkeit fuͤr dieſe wunderſame Errettung nicht
genungſam zu dancken; inſonderheit als ich auf
dem Schiffe eitel Deutſche antraff/ und von
ihnen um ſo viel freundlicher bewillkom̃t ward;
weil ich ihnen in ihrer Sprache zu antworten
wuſte. Die Gebieterin dieſes Schiffes war

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1326[1328]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1394>, abgerufen am 23.11.2024.