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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] schöner/ als der Paradies-Vogel/ welcher um
sich nicht zu beflecken/ niemahls die Erde berüh-
ret/ und so wol als der einsame Fenix seine ewi-
ge Jungfrauschafft in der reinesten Lufft unver-
sehrlich erhält? Verdienet der/ welcher sich nie-
mahls iemanden hat überwinden lassen/ mehr
einen Siegs-Krantz als der/ welcher einen ihm
hat zum Meister werden lassen? Oder ist es
schwerer in dem Genüß der Liebe Maaß zu bal-
ten/ als sich derselben gar enteussern? Asblaste
fiel der Königin Erato ein: Es ist in alle wege
die keusche Jungfrauschafft ein Stern ohne Fle-
cken/ und weil sie nicht nur Netze aus Gold und
Seide der Wollust und Heucheley; sondern
mehrmahls die Stricke des Todes/ und die
Ketten der Schande zu überwinden hat/ ist sie
würdig herrlichere Siegs-Kräntze zu tragen/
als die/ welche nur eusserliche Feinde geschla-
gen haben. Verdienet die Tapfferkeit Lorber-
Blätter/ so ist diese unverwelcklicher Amaran-
then werth. Alleine/ nach dem iede Tugend
selbst eine gewisse Liebe/ ja diese die Krone und
Vollkommenheit aller Tugenden ist; bleibet
unlaugbar: daß auch die Keuschheit mit ihr
nichts minder/ als Schnee und Feuer sich auff
denen Rosen füglich vermählen lasse; sondern
auch jener Reinigkeit von den Flammen der
Liebe einen herrlichen Glantz bekomme. Solte
die Glut der Hochzeit-Fackeln einen schwär-
tzenden Dampff von sich rauchen; würde man
die Natur selbst für eine Feindin der Keuschheit
erklären; weil sie das Band der Liebe zum eini-
gen Mittel erkieset hat ihre sonst vergänglichen
Geschöpffe zu verewigen. Diesemnach ist aus-
ser allem Zweiffel: daß zwey keusche Seelen
nichts minder ohne Befleckung einander lieben/
als zwey reine Sternen ohne Verfinsterung
einander anscheinen können. Ja weil die Verein-
barungs-Macht der Liebe dem/ was sie liebet/
alle ihre Eigenschafften mittheilet; müsten die
zwey Vereinbarten durch ihren Gegenschein
den Glantz der Schönheit eben so wie die Son-
[Spaltenumbruch] ne mit ihren Strahlen das Licht der andern
Sonnen vergrössern. Und benimmet diß der
Reinigkeit nichts: daß die Verehlichten von ih-
rer Liebe so viel Früchte der Vergnügung ein-
erndten. Denn die Ergetzligkeit kan mit der
Tugend eine so unschädliche Gemeinschafft/ als
die Süßigkeit mit dem Thaue haben. Ja die
Tugend selbst/ ob ihre Rinde zwar herber/ als
Schleen schmeckt/ ist im Kerne süsser als Zu-
cker-Rohr; der liebliche Geschmack der Wollust
aber verwandelt sich in die bitterste Wermuth.
Diese Vergnügung nun/ weil sie einen so gros-
sen Hang zur Ubermaaß hat/ und leichter als
die reissenden Flüsse über ihr Ufer schläget/ eig-
net der sie in Schrancken haltenden Tugend ei-
ne so viel herrlichere Güte zu. Nach dem auch
die einmahl geschmeckten Süßigkeiten verges-
sen/ und statt selbter sich mit denen bittern Thrä-
nen einer gelobten Einsamkeit speisen/ vielen
ein großmüthiger Werck zu seyn scheinet/ als
das weibliche Geschlechte auszuüben fähig ist;
schätzte ich diese/ welche sich und so viel empfind-
liche Regungen durch Verzeihung der andern
Eh überwünden/ und dardurch erhärten: daß sie
nicht so wol die Eh/ als ihren Ehmann lieben/
eines absonderen Krantzes der Keuschheit wür-
dig. Diesen erlangen/ und zwar bey andern
Völckern/ die Wittiben so denn allererst; wenn
sie nach ihres Eh-Manns Tode eine gute Zeit
ihre Prüfung ausgestanden/ und ihr schweres
Gelübde würcklich bewehret haben. Alldie-
weil aber in Deutschland ohne diß nicht
bräuchlich ist aus den Lastern ein Geläch-
ter/ und aus Unehre Sitten zu machen;
sondern man vielmehr bey uns nur von
Heyrathen der Jungfrauen höret/ die mit
ihrem Eh-Manne einen Leib erkiesen/ ihm
aber ihre gantze Seele und Leben wiedmen;
so verdienet auch das Gelübde derer/ die
gleich nur das erste mahl aus ihrem Eh-
Bette schreiten/ einen so festen Glauben: daß
man ihnen diesen Keuschheits-Krantz/ welcher

nicht
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ſchoͤner/ als der Paradies-Vogel/ welcher um
ſich nicht zu beflecken/ niemahls die Erde beruͤh-
ret/ und ſo wol als der einſame Fenix ſeine ewi-
ge Jungfrauſchafft in der reineſten Lufft unver-
ſehrlich erhaͤlt? Verdienet der/ welcher ſich nie-
mahls iemanden hat uͤberwinden laſſen/ mehr
einen Siegs-Krantz als der/ welcher einen ihm
hat zum Meiſter werden laſſen? Oder iſt es
ſchwereꝛ in dem Genuͤß der Liebe Maaß zu bal-
ten/ als ſich derſelben gar enteuſſern? Asblaſte
fiel der Koͤnigin Erato ein: Es iſt in alle wege
die keuſche Jungfrauſchafft ein Stern ohne Fle-
cken/ und weil ſie nicht nur Netze aus Gold und
Seide der Wolluſt und Heucheley; ſondern
mehrmahls die Stricke des Todes/ und die
Ketten der Schande zu uͤberwinden hat/ iſt ſie
wuͤrdig herrlichere Siegs-Kraͤntze zu tragen/
als die/ welche nur euſſerliche Feinde geſchla-
gen haben. Verdienet die Tapfferkeit Lorber-
Blaͤtter/ ſo iſt dieſe unverwelcklicher Amaran-
then werth. Alleine/ nach dem iede Tugend
ſelbſt eine gewiſſe Liebe/ ja dieſe die Krone und
Vollkommenheit aller Tugenden iſt; bleibet
unlaugbar: daß auch die Keuſchheit mit ihr
nichts minder/ als Schnee und Feuer ſich auff
denen Roſen fuͤglich vermaͤhlen laſſe; ſondern
auch jener Reinigkeit von den Flammen der
Liebe einen herꝛlichen Glantz bekomme. Solte
die Glut der Hochzeit-Fackeln einen ſchwaͤr-
tzenden Dampff von ſich rauchen; wuͤrde man
die Natur ſelbſt fuͤr eine Feindin der Keuſchheit
erklaͤren; weil ſie das Band der Liebe zum eini-
gen Mittel erkieſet hat ihre ſonſt vergaͤnglichen
Geſchoͤpffe zu verewigen. Dieſemnach iſt auſ-
ſer allem Zweiffel: daß zwey keuſche Seelen
nichts minder ohne Befleckung einander lieben/
als zwey reine Sternen ohne Verfinſterung
einander anſcheinen koͤñen. Ja weil die Verein-
barungs-Macht der Liebe dem/ was ſie liebet/
alle ihre Eigenſchafften mittheilet; muͤſten die
zwey Vereinbarten durch ihren Gegenſchein
den Glantz der Schoͤnheit eben ſo wie die Son-
[Spaltenumbruch] ne mit ihren Strahlen das Licht der andern
Sonnen vergroͤſſern. Und benimmet diß der
Reinigkeit nichts: daß die Verehlichten von ih-
rer Liebe ſo viel Fruͤchte der Vergnuͤgung ein-
erndten. Denn die Ergetzligkeit kan mit der
Tugend eine ſo unſchaͤdliche Gemeinſchafft/ als
die Suͤßigkeit mit dem Thaue haben. Ja die
Tugend ſelbſt/ ob ihre Rinde zwar herber/ als
Schleen ſchmeckt/ iſt im Kerne ſuͤſſer als Zu-
cker-Rohr; der liebliche Geſchmack der Wolluſt
aber verwandelt ſich in die bitterſte Wermuth.
Dieſe Vergnuͤgung nun/ weil ſie einen ſo groſ-
ſen Hang zur Ubermaaß hat/ und leichter als
die reiſſenden Fluͤſſe uͤber ihr Ufer ſchlaͤget/ eig-
net der ſie in Schrancken haltenden Tugend ei-
ne ſo viel herrlichere Guͤte zu. Nach dem auch
die einmahl geſchmeckten Suͤßigkeiten vergeſ-
ſen/ und ſtatt ſelbter ſich mit denen bittern Thraͤ-
nen einer gelobten Einſamkeit ſpeiſen/ vielen
ein großmuͤthiger Werck zu ſeyn ſcheinet/ als
das weibliche Geſchlechte auszuuͤben faͤhig iſt;
ſchaͤtzte ich dieſe/ welche ſich und ſo viel empfind-
liche Regungen durch Verzeihung der andern
Eh uͤberwuͤnden/ und dardurch erhaͤrten: daß ſie
nicht ſo wol die Eh/ als ihren Ehmann lieben/
eines abſonderen Krantzes der Keuſchheit wuͤr-
dig. Dieſen erlangen/ und zwar bey andern
Voͤlckern/ die Wittiben ſo denn allererſt; wenn
ſie nach ihres Eh-Manns Tode eine gute Zeit
ihre Pruͤfung ausgeſtanden/ und ihr ſchweres
Geluͤbde wuͤrcklich bewehret haben. Alldie-
weil aber in Deutſchland ohne diß nicht
braͤuchlich iſt aus den Laſtern ein Gelaͤch-
ter/ und aus Unehre Sitten zu machen;
ſondern man vielmehr bey uns nur von
Heyrathen der Jungfrauen hoͤret/ die mit
ihrem Eh-Manne einen Leib erkieſen/ ihm
aber ihre gantze Seele und Leben wiedmen;
ſo verdienet auch das Geluͤbde derer/ die
gleich nur das erſte mahl aus ihrem Eh-
Bette ſchreiten/ einen ſo feſten Glauben: daß
man ihnen dieſen Keuſchheits-Krantz/ welcher

nicht
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1325[1327]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1393>, abgerufen am 06.05.2024.