Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Neuntes Buch [Spaltenumbruch]
Vollkommenheit und Tugend. Daher wirDeutschen auch nicht vorerwehnte Schamhaf- tigkeit werth achten; welche ich mit Rechte ent- weder die Abend-Röthe der unter gegangenen Tugend/ oder das Feuer eines ungesunden Menschen nennen kan; sondern alleine diesel- be/ welche der regen Tugend/ wie die Mor- gen-Röthe der aufgehenden Sonne Vorläuffe- rin ist; welche über allem/ was gleich nichts unreines in sich kleben hat/ eine so zarte Em- pfindligkeit hat: daß sie mit ihrem Purper auch den geringsten Schatten erleuchtet/ der ihrer Tugend einige Düsternheit zuzuziehen schei- net. Jch verstehe die züchtige Hoffmeisterin aller Gemüths-Regungen; insonderheit der Liebe und Begierde; welche zuweilen bey ihrer Hefftigkeit das Gesichte verlieren/ und bey ü- bermäßiger Verfolgung der Annehmligkeit in unsaubere Pfützen treten; und also wol von die- ser Gebieterin im Zaume gehalten zu werden nöthig haben. Diese ist eine Geferthin der Hertzhafftigkeit; welche ehe für Erhaltung der Ehre zu sterben; als um das Leben zu retten was schimpfliches zu beginnen einräthet. Jh- re Röthe hat zwar in dem Antlitze die Farbe des Feuers; das Hertz aber empfindet davon keinen Brand oder Unruh. Denn ihre Bewegung ist eine Lebhafftigkeit der Tugend/ welche mit diesem Purper ihrer Vollkommenheit noch ei- ne schönere Farbe anstreichet; und alle Un- sauberkeit/ die um sie zu beflecken ihr etwan zu nahe kommen wil/ beschämet; also: daß sie bil- lich eine Blüte der Schönheit/ eine Blume des Leibes/ ein Schatten der Seele/ der sichtbare Glantz oder die Farbe der Tugend/ eine na- türliche Schmincke keuschen Frauenzimmers genennet/ und bey diesem Altare verehret zu werden verdienet. Die tugendhaffte Erato fand sich unschwer in den Unterscheid der Schande und Schamhafftigkeit; und setzte bey: Asblastens Unterricht bewegte sie zu glauben: daß die Tugend nichts minder/ als die Natur [Spaltenumbruch] in die Röthe verliebt/ und mit dieser Farbe/ als einem Zeichen der Vollkommenheit/ sich auszu- putzen geneigt wäre. Sintemahl die edelsten Gestirne mit diesem Feuer sich für denen bläs- seren herfür zückten. Die Sonne schmückte nichts minder ihre Wiege/ als ihre Bahre mit Purper. Die Wolcken mahlten sich mit Zino- ber/ wenn sie am schönsten seyn wolten; und der Himmel verwandelte nichts minder als das Meer seinen Saphirnen Spiegel in Rubin. Das lebhaffteste der natürlichen Dinge das Feuer/ das Marck der Erde und der Kern des Ertztes das Gold wären/ wenn sie am reinsten/ auch am röthesten. Der Ausbund der Blumen die Rose; und der Stauden der Granaten- Baum striechen ihre Blätter und Aepffel mit Scharlach an/ um durch diese Königs-Farbe ihre Hoheit abzubilden. Und nach dem nicht allein die keuschesten Thiere auch die schönsten wären/ sondern auch so wol die Tapfferkeit/ als die Liebe ihre Wangen mit eben diesem Pur- per bedeckte. Dahingegen die Furcht und der ängstige Neid sich mit der blassen Todten-Far- be verstellete; so könte sie leicht gedencken: daß die reine Lilge der Tugenden die Keuschheit eben so wol/ als selbige Blume mit dieser Golde ihre Lebhafftigkeit zu krönen verlange; und sie so we- nig/ als die edelsten Gewächse ohne Schamrö- the sich gerne schauen lasse. Dieses aber begriffe sie noch nicht/ warum die Verehlichten/ nicht a- ber die Jungfrauen bey diesem Altare ihre An- dacht haben dörfften; und jene/ nicht diese/ den Krantz der Schamhafftigkeit erlangten? Jst denn die Keuschheit nicht das eigenthümliche Kleinod der Jungfrauschafft? Dörffen die reinen Bie- nen/ welche nichts von Lust oder Liebreitz wissen/ nicht aus den Rosen der Schamhafftigkeit den Honig ihrer Vergnügung saugen? Sind die in der Muschel noch verschlossenen Perlen nicht so rein/ als die/ welche der Vorwitz von ihrer Mut- ter gerissen/ und die Eitelkeit durchlöchert hat? Jst das in denen Nestern sich gattende Geflügel schöner/
Neuntes Buch [Spaltenumbruch]
Vollkommenheit und Tugend. Daher wirDeutſchen auch nicht vorerwehnte Schamhaf- tigkeit werth achten; welche ich mit Rechte ent- weder die Abend-Roͤthe der unter gegangenen Tugend/ oder das Feuer eines ungeſunden Menſchen nennen kan; ſondern alleine dieſel- be/ welche der regen Tugend/ wie die Mor- gen-Roͤthe der aufgehenden Sonne Vorlaͤuffe- rin iſt; welche uͤber allem/ was gleich nichts unreines in ſich kleben hat/ eine ſo zarte Em- pfindligkeit hat: daß ſie mit ihrem Purper auch den geringſten Schatten erleuchtet/ der ihrer Tugend einige Duͤſternheit zuzuziehen ſchei- net. Jch verſtehe die zuͤchtige Hoffmeiſterin aller Gemuͤths-Regungen; inſonderheit der Liebe und Begierde; welche zuweilen bey ihrer Hefftigkeit das Geſichte verlieren/ und bey uͤ- bermaͤßiger Verfolgung der Annehmligkeit in unſaubere Pfuͤtzen treten; und alſo wol von die- ſer Gebieterin im Zaume gehalten zu werden noͤthig haben. Dieſe iſt eine Geferthin der Hertzhafftigkeit; welche ehe fuͤr Erhaltung der Ehre zu ſterben; als um das Leben zu retten was ſchimpfliches zu beginnen einraͤthet. Jh- re Roͤthe hat zwar in dem Antlitze die Farbe des Feuers; das Hertz aber empfindet davon keinen Brand oder Unruh. Denn ihre Bewegung iſt eine Lebhafftigkeit der Tugend/ welche mit dieſem Purper ihrer Vollkommenheit noch ei- ne ſchoͤnere Farbe anſtreichet; und alle Un- ſauberkeit/ die um ſie zu beflecken ihr etwan zu nahe kommen wil/ beſchaͤmet; alſo: daß ſie bil- lich eine Bluͤte der Schoͤnheit/ eine Blume des Leibes/ ein Schatten der Seele/ der ſichtbare Glantz oder die Farbe der Tugend/ eine na- tuͤrliche Schmincke keuſchen Frauenzimmers genennet/ und bey dieſem Altare verehret zu werden verdienet. Die tugendhaffte Erato fand ſich unſchwer in den Unterſcheid der Schande und Schamhafftigkeit; und ſetzte bey: Asblaſtens Unterricht bewegte ſie zu glauben: daß die Tugend nichts minder/ als die Natur [Spaltenumbruch] in die Roͤthe verliebt/ und mit dieſer Farbe/ als einem Zeichen der Vollkommenheit/ ſich auszu- putzen geneigt waͤre. Sintemahl die edelſten Geſtirne mit dieſem Feuer ſich fuͤr denen blaͤſ- ſeren herfuͤr zuͤckten. Die Sonne ſchmuͤckte nichts minder ihre Wiege/ als ihre Bahre mit Purper. Die Wolcken mahlten ſich mit Zino- ber/ wenn ſie am ſchoͤnſten ſeyn wolten; und der Himmel verwandelte nichts minder als das Meer ſeinen Saphirnen Spiegel in Rubin. Das lebhaffteſte der natuͤrlichen Dinge das Feuer/ das Marck der Erde und der Kern des Ertztes das Gold waͤren/ wenn ſie am reinſten/ auch am roͤtheſten. Der Ausbund der Blumen die Roſe; und der Stauden der Granaten- Baum ſtriechen ihre Blaͤtter und Aepffel mit Scharlach an/ um durch dieſe Koͤnigs-Farbe ihre Hoheit abzubilden. Und nach dem nicht allein die keuſcheſten Thiere auch die ſchoͤnſten waͤren/ ſondern auch ſo wol die Tapfferkeit/ als die Liebe ihre Wangen mit eben dieſem Pur- per bedeckte. Dahingegen die Furcht und der aͤngſtige Neid ſich mit der blaſſen Todten-Far- be verſtellete; ſo koͤnte ſie leicht gedencken: daß die reine Lilge der Tugenden die Keuſchheit eben ſo wol/ als ſelbige Blume mit dieſer Golde ihre Lebhafftigkeit zu kroͤnen verlange; und ſie ſo we- nig/ als die edelſten Gewaͤchſe ohne Schamroͤ- the ſich gerne ſchauen laſſe. Dieſes aber begriffe ſie noch nicht/ warum die Verehlichten/ nicht a- ber die Jungfrauen bey dieſem Altare ihre An- dacht haben doͤrfften; und jene/ nicht dieſe/ den Krantz der Schamhafftigkeit erlangten? Jſt deñ die Keuſchheit nicht das eigenthuͤmliche Kleinod der Jungfrauſchafft? Doͤrffen die reinen Bie- nen/ welche nichts von Luſt oder Liebreitz wiſſen/ nicht aus den Roſen der Schamhafftigkeit den Honig ihrer Vergnuͤgung ſaugen? Sind die in der Muſchel noch verſchloſſenen Perlen nicht ſo rein/ als die/ welche der Vorwitz von ihrer Mut- ter geriſſen/ und die Eitelkeit durchloͤchert hat? Jſt das in denen Neſtern ſich gattende Gefluͤgel ſchoͤner/
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Neuntes Buch
Vollkommenheit und Tugend. Daher wir
Deutſchen auch nicht vorerwehnte Schamhaf-
tigkeit werth achten; welche ich mit Rechte ent-
weder die Abend-Roͤthe der unter gegangenen
Tugend/ oder das Feuer eines ungeſunden
Menſchen nennen kan; ſondern alleine dieſel-
be/ welche der regen Tugend/ wie die Mor-
gen-Roͤthe der aufgehenden Sonne Vorlaͤuffe-
rin iſt; welche uͤber allem/ was gleich nichts
unreines in ſich kleben hat/ eine ſo zarte Em-
pfindligkeit hat: daß ſie mit ihrem Purper auch
den geringſten Schatten erleuchtet/ der ihrer
Tugend einige Duͤſternheit zuzuziehen ſchei-
net. Jch verſtehe die zuͤchtige Hoffmeiſterin
aller Gemuͤths-Regungen; inſonderheit der
Liebe und Begierde; welche zuweilen bey ihrer
Hefftigkeit das Geſichte verlieren/ und bey uͤ-
bermaͤßiger Verfolgung der Annehmligkeit in
unſaubere Pfuͤtzen treten; und alſo wol von die-
ſer Gebieterin im Zaume gehalten zu werden
noͤthig haben. Dieſe iſt eine Geferthin der
Hertzhafftigkeit; welche ehe fuͤr Erhaltung der
Ehre zu ſterben; als um das Leben zu retten
was ſchimpfliches zu beginnen einraͤthet. Jh-
re Roͤthe hat zwar in dem Antlitze die Farbe des
Feuers; das Hertz aber empfindet davon keinen
Brand oder Unruh. Denn ihre Bewegung
iſt eine Lebhafftigkeit der Tugend/ welche mit
dieſem Purper ihrer Vollkommenheit noch ei-
ne ſchoͤnere Farbe anſtreichet; und alle Un-
ſauberkeit/ die um ſie zu beflecken ihr etwan zu
nahe kommen wil/ beſchaͤmet; alſo: daß ſie bil-
lich eine Bluͤte der Schoͤnheit/ eine Blume des
Leibes/ ein Schatten der Seele/ der ſichtbare
Glantz oder die Farbe der Tugend/ eine na-
tuͤrliche Schmincke keuſchen Frauenzimmers
genennet/ und bey dieſem Altare verehret zu
werden verdienet. Die tugendhaffte Erato
fand ſich unſchwer in den Unterſcheid der
Schande und Schamhafftigkeit; und ſetzte bey:
Asblaſtens Unterricht bewegte ſie zu glauben:
daß die Tugend nichts minder/ als die Natur
in die Roͤthe verliebt/ und mit dieſer Farbe/ als
einem Zeichen der Vollkommenheit/ ſich auszu-
putzen geneigt waͤre. Sintemahl die edelſten
Geſtirne mit dieſem Feuer ſich fuͤr denen blaͤſ-
ſeren herfuͤr zuͤckten. Die Sonne ſchmuͤckte
nichts minder ihre Wiege/ als ihre Bahre mit
Purper. Die Wolcken mahlten ſich mit Zino-
ber/ wenn ſie am ſchoͤnſten ſeyn wolten; und der
Himmel verwandelte nichts minder als das
Meer ſeinen Saphirnen Spiegel in Rubin.
Das lebhaffteſte der natuͤrlichen Dinge das
Feuer/ das Marck der Erde und der Kern des
Ertztes das Gold waͤren/ wenn ſie am reinſten/
auch am roͤtheſten. Der Ausbund der Blumen
die Roſe; und der Stauden der Granaten-
Baum ſtriechen ihre Blaͤtter und Aepffel mit
Scharlach an/ um durch dieſe Koͤnigs-Farbe
ihre Hoheit abzubilden. Und nach dem nicht
allein die keuſcheſten Thiere auch die ſchoͤnſten
waͤren/ ſondern auch ſo wol die Tapfferkeit/ als
die Liebe ihre Wangen mit eben dieſem Pur-
per bedeckte. Dahingegen die Furcht und der
aͤngſtige Neid ſich mit der blaſſen Todten-Far-
be verſtellete; ſo koͤnte ſie leicht gedencken: daß
die reine Lilge der Tugenden die Keuſchheit eben
ſo wol/ als ſelbige Blume mit dieſer Golde ihre
Lebhafftigkeit zu kroͤnen verlange; und ſie ſo we-
nig/ als die edelſten Gewaͤchſe ohne Schamroͤ-
the ſich gerne ſchauen laſſe. Dieſes aber begriffe
ſie noch nicht/ warum die Verehlichten/ nicht a-
ber die Jungfrauen bey dieſem Altare ihre An-
dacht haben doͤrfften; und jene/ nicht dieſe/ den
Krantz der Schamhafftigkeit erlangten? Jſt deñ
die Keuſchheit nicht das eigenthuͤmliche Kleinod
der Jungfrauſchafft? Doͤrffen die reinen Bie-
nen/ welche nichts von Luſt oder Liebreitz wiſſen/
nicht aus den Roſen der Schamhafftigkeit den
Honig ihrer Vergnuͤgung ſaugen? Sind die in
der Muſchel noch verſchloſſenen Perlen nicht ſo
rein/ als die/ welche der Vorwitz von ihrer Mut-
ter geriſſen/ und die Eitelkeit durchloͤchert hat?
Jſt das in denen Neſtern ſich gattende Gefluͤgel
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