Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
set ist/ mit diesem gifftigen Wasser sich nicht be-schädigen solte. Er könte sich aber sicher aus dem andern gesunden Brunnen erquicken. Herrmann folgte dieser Anweisung; und nach dem er drey starcke Trincke gethan/ weil dieses Quell ihn etwas kräfftigers/ als gemeines Was- ser zu haben bedeuchtete/ fragte er: wer sie wäre? und woher sie ihn für einen Erhalter der deut- schen Freyheit erkennete? Sie meldete hierauf: Jch bin der Schutz - Geist des Gabretischen Gebürges; und so gut ich weiß: daß du der Cherusker Hertzog bist; der du hier deine ver- lohrne Braut suchest/ so wenig ist mir auch das erste verborgen; und du wirst meine Wahrsa- gung auch bey dem Tanfanischen Tempel in Felsen eingeschrieben finden. Kehre um/ und säume dich nicht/ wo du deine geraubte wieder zu haben verlangest. Nach diesen Worten ver- schwand diß Gespenste für Herrmanns Augen; welchem die Haare hierüber zu Berge giengen; Gleichwol machte er sich mit seinem brennen- den Kyne zurücke/ und erreichte mit anbrechen- dem Tage das inzwischen vom Fürsten Jubil geschlagene Läger. Er ließ aber alsofort ein Zeichen denen in dem Walde umbirrenden Cheruskern geben sich wieder einzufinden; und erzehlte dem Fürsten der Hermundurer zu sei- ner nichts minder grossen Freude/ als Ver- wunderung sein seltzames Ebentheuer. Jubil selbst rieth: daß sie der so denckwürdigen Anlei- tung des Verhängnüßes/ welches auch dieblin- den durch die gefährlichsten Strudel und die verführischen Jrrwege gerade zu leitete/ folgen/ und mit denen schon in Bereitschafft stehenden Völckern forteilen solten. Nach dem sie nun ihren Kriegs-Obersten den Nachzug anbefoh- len/ giengen beyde Hertzoge mit zweytausend außerlesenen Kriegs-Leuten voran; als sie aber etwan fünff Meilweges hinter sich gelegt/ er- eilte der Vordrab einen Hauffen Flüchtiger a- ber meist gefährlich verwundeter Cassuarier/ unter denselben war ein eyßgrauer alter Ritter/ [Spaltenumbruch] der zwar für die Hertzoge gebracht ward/ aber für übermäßigen Thränen kein Wort aufzu- bringen wuste. Nach dem ihm aber Hertzog Herrmann überaus gnädig zusprach/ und daß er zwar nicht als ein Gefangener/ sondern sei- nem Ritterstande gemäß verhalten werden sol- te/ vertröstete; fieng er an: Sein eigen Unglück wäre sein geringster Kummer; in dem er unter denen itzt zwistigen Hertzogen nicht wüste/ wen er ihm zu seinem Herrn auslesen solte; weil er von väterlicher Ankunfft zwar Ketteler ein Chassuarier/ von der mütterlichen ein Cherusker; ja diese zwey hohen Häuser nicht nur aus einer Wurtzel entsprossen; sondern iederzeit auch mit einander höchst verträulich gewest wären. Nach dem er aber zwischen ihnen itzt eine solche Ver- bitterung verspürte/ und Segesthes seine Toch- ter lieber den Feinden Deutschlands/ oder gar der Höllen aufzuopffern/ als einem so tapfferem Fürsten wie der Cheruskische wäre/ zu vermäh- len gedächte; diese Zwietracht aber nichts an- ders/ als eine Mutter beyderseitigen Unter- gangs seyn könte; wolte er mit seinen Thränen ihm vorher die Augen ausbeitzen: daß sie an de- nen bereit schon vorgesehenen Trauer-Fällen nicht mehr Hertzeleidanschauen müsten. Hertzog Herrmann lobte seine wolgemeinte Empfindlig- keit; bemühte sich aber ihm die so traurige Ein- bildung durch Vertröstung: daß Hertzog Herr- mann mit Segesthen alle Augenblicke ihre Zwi- stigkeit brüderlich beylegen wolte/ auszureben. Dieser gute Alte seufzete/ wendete die Augen ge- gen den Himmel/ und fieng an: Wolte Gottldieses erfolgte also. Und wenn Hertzog Herrmann diese Meynung hat/ wünsche ich: daß er Segesthens Tochter ehe ereile/ ehe sie ihrem Vater wieder in die Hände kommt! Hertzog Herrmann fuhr fort/ meldende: Er solte an dem erstern keinen Zweifel tragen/ wegen des letztern aber ihnen klärere Nachricht geben. Der Ritter antwortete: Jch habe gesagt/ was ich weiß; ihr habt die gebähnte Strasse für euch/ darauf man Thußnelden nach Henne- Erster Theil. C c c c c c c c
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
ſet iſt/ mit dieſem gifftigen Waſſer ſich nicht be-ſchaͤdigen ſolte. Er koͤnte ſich aber ſicher aus dem andern geſunden Brunnen erquicken. Herrmann folgte dieſer Anweiſung; und nach dem er drey ſtarcke Trincke gethan/ weil dieſes Quell ihn etwas kraͤfftigers/ als gemeines Waſ- ſer zu haben bedeuchtete/ fragte er: wer ſie waͤre? und woher ſie ihn fuͤr einen Erhalter der deut- ſchen Freyheit erkennete? Sie meldete hierauf: Jch bin der Schutz - Geiſt des Gabretiſchen Gebuͤrges; und ſo gut ich weiß: daß du der Cherusker Hertzog biſt; der du hier deine ver- lohrne Braut ſucheſt/ ſo wenig iſt mir auch das erſte verborgen; und du wirſt meine Wahrſa- gung auch bey dem Tanfaniſchen Tempel in Felſen eingeſchrieben finden. Kehre um/ und ſaͤume dich nicht/ wo du deine geraubte wieder zu haben verlangeſt. Nach dieſen Worten ver- ſchwand diß Geſpenſte fuͤr Herrmanns Augen; welchem die Haare hieruͤber zu Berge giengen; Gleichwol machte er ſich mit ſeinem brennen- den Kyne zuruͤcke/ und erreichte mit anbrechen- dem Tage das inzwiſchen vom Fuͤrſten Jubil geſchlagene Laͤger. Er ließ aber alſofort ein Zeichen denen in dem Walde umbirrenden Cheruskern geben ſich wieder einzufinden; und erzehlte dem Fuͤrſten der Hermundurer zu ſei- ner nichts minder groſſen Freude/ als Ver- wunderung ſein ſeltzames Ebentheuer. Jubil ſelbſt rieth: daß ſie der ſo denckwuͤrdigen Anlei- tung des Verhaͤngnuͤßes/ welches auch dieblin- den durch die gefaͤhrlichſten Strudel und die verfuͤhriſchen Jrrwege gerade zu leitete/ folgen/ und mit denen ſchon in Bereitſchafft ſtehenden Voͤlckern forteilen ſolten. Nach dem ſie nun ihren Kriegs-Oberſten den Nachzug anbefoh- len/ giengen beyde Hertzoge mit zweytauſend außerleſenen Kriegs-Leuten voran; als ſie aber etwan fuͤnff Meilweges hinter ſich gelegt/ er- eilte der Vordrab einen Hauffen Fluͤchtiger a- ber meiſt gefaͤhrlich verwundeter Caſſuarier/ unter denſelben war ein eyßgrauer alter Ritter/ [Spaltenumbruch] der zwar fuͤr die Hertzoge gebracht ward/ aber fuͤr uͤbermaͤßigen Thraͤnen kein Wort aufzu- bringen wuſte. Nach dem ihm aber Hertzog Herrmann uͤberaus gnaͤdig zuſprach/ und daß er zwar nicht als ein Gefangener/ ſondern ſei- nem Ritterſtande gemaͤß verhalten werden ſol- te/ vertroͤſtete; fieng er an: Sein eigen Ungluͤck waͤre ſein geringſter Kummer; in dem er unter denen itzt zwiſtigen Hertzogen nicht wuͤſte/ wen er ihm zu ſeinem Herrn ausleſen ſolte; weil er von vaͤterlicher Ankunfft zwar Ketteler ein Chaſſuarier/ von der muͤtterlichẽ ein Cherusker; ja dieſe zwey hohen Haͤuſer nicht nur aus einer Wurtzel entſproſſen; ſondern iederzeit auch mit einander hoͤchſt vertraͤulich geweſt waͤren. Nach dem er aber zwiſchen ihnen itzt eine ſolche Ver- bitterung verſpuͤrte/ und Segeſthes ſeine Toch- ter lieber den Feinden Deutſchlands/ oder gar der Hoͤllen aufzuopffern/ als einem ſo tapfferem Fuͤrſten wie der Cheruskiſche waͤre/ zu vermaͤh- len gedaͤchte; dieſe Zwietracht aber nichts an- ders/ als eine Mutter beyderſeitigen Unter- gangs ſeyn koͤnte; wolte er mit ſeinen Thraͤnen ihm vorher die Augen ausbeitzen: daß ſie an de- nen bereit ſchon vorgeſehenen Trauer-Faͤllen nicht mehr Hertzeleidanſchauen muͤſten. Hertzog Herꝛmañ lobte ſeine wolgemeinte Empfindlig- keit; bemuͤhte ſich aber ihm die ſo traurige Ein- bildung durch Vertroͤſtung: daß Hertzog Herr- mañ mit Segeſthen alle Augenblicke ihre Zwi- ſtigkeit bruͤderlich beylegen wolte/ auszureben. Dieſer gute Alte ſeufzete/ wendete die Augen ge- gen den Him̃el/ und fieng an: Wolte Gottldieſes erfolgte alſo. Und wenn Hertzog Herꝛmañ dieſe Meynung hat/ wuͤnſche ich: daß er Segeſthens Tochter ehe ereile/ ehe ſie ihrem Vater wieder in die Haͤnde kom̃t! Hertzog Herrmann fuhr fort/ meldende: Er ſolte an dem erſteꝛn keinen Zweifel tragen/ wegen des letztern aber ihnen klaͤrere Nachricht geben. Der Ritter antwortete: Jch habe geſagt/ was ich weiß; ihr habt die gebaͤhnte Straſſe fuͤr euch/ darauf man Thußnelden nach Henne- Erſter Theil. C c c c c c c c
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f1371" n="1305[1307]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/> ſet iſt/ mit dieſem gifftigen Waſſer ſich nicht be-<lb/> ſchaͤdigen ſolte. Er koͤnte ſich aber ſicher aus<lb/> dem andern geſunden Brunnen erquicken.<lb/> Herrmann folgte dieſer Anweiſung; und nach<lb/> dem er drey ſtarcke Trincke gethan/ weil dieſes<lb/> Quell ihn etwas kraͤfftigers/ als gemeines Waſ-<lb/> ſer zu haben bedeuchtete/ fragte er: wer ſie waͤre?<lb/> und woher ſie ihn fuͤr einen Erhalter der deut-<lb/> ſchen Freyheit erkennete? Sie meldete hierauf:<lb/> Jch bin der Schutz - Geiſt des Gabretiſchen<lb/> Gebuͤrges; und ſo gut ich weiß: daß du der<lb/> Cherusker Hertzog biſt; der du hier deine ver-<lb/> lohrne Braut ſucheſt/ ſo wenig iſt mir auch das<lb/> erſte verborgen; und du wirſt meine Wahrſa-<lb/> gung auch bey dem Tanfaniſchen Tempel in<lb/> Felſen eingeſchrieben finden. Kehre um/ und<lb/> ſaͤume dich nicht/ wo du deine geraubte wieder<lb/> zu haben verlangeſt. Nach dieſen Worten ver-<lb/> ſchwand diß Geſpenſte fuͤr Herrmanns Augen;<lb/> welchem die Haare hieruͤber zu Berge giengen;<lb/> Gleichwol machte er ſich mit ſeinem brennen-<lb/> den Kyne zuruͤcke/ und erreichte mit anbrechen-<lb/> dem Tage das inzwiſchen vom Fuͤrſten Jubil<lb/> geſchlagene Laͤger. Er ließ aber alſofort ein<lb/> Zeichen denen in dem Walde umbirrenden<lb/> Cheruskern geben ſich wieder einzufinden; und<lb/> erzehlte dem Fuͤrſten der Hermundurer zu ſei-<lb/> ner nichts minder groſſen Freude/ als Ver-<lb/> wunderung ſein ſeltzames Ebentheuer. Jubil<lb/> ſelbſt rieth: daß ſie der ſo denckwuͤrdigen Anlei-<lb/> tung des Verhaͤngnuͤßes/ welches auch dieblin-<lb/> den durch die gefaͤhrlichſten Strudel und die<lb/> verfuͤhriſchen Jrrwege gerade zu leitete/ folgen/<lb/> und mit denen ſchon in Bereitſchafft ſtehenden<lb/> Voͤlckern forteilen ſolten. Nach dem ſie nun<lb/> ihren Kriegs-Oberſten den Nachzug anbefoh-<lb/> len/ giengen beyde Hertzoge mit zweytauſend<lb/> außerleſenen Kriegs-Leuten voran; als ſie aber<lb/> etwan fuͤnff Meilweges hinter ſich gelegt/ er-<lb/> eilte der Vordrab einen Hauffen Fluͤchtiger a-<lb/> ber meiſt gefaͤhrlich verwundeter Caſſuarier/<lb/> unter denſelben war ein eyßgrauer alter Ritter/<lb/><cb/> der zwar fuͤr die Hertzoge gebracht ward/ aber<lb/> fuͤr uͤbermaͤßigen Thraͤnen kein Wort aufzu-<lb/> bringen wuſte. Nach dem ihm aber Hertzog<lb/> Herrmann uͤberaus gnaͤdig zuſprach/ und daß<lb/> er zwar nicht als ein Gefangener/ ſondern ſei-<lb/> nem Ritterſtande gemaͤß verhalten werden ſol-<lb/> te/ vertroͤſtete; fieng er an: Sein eigen Ungluͤck<lb/> waͤre ſein geringſter Kummer; in dem er unter<lb/> denen itzt zwiſtigen Hertzogen nicht wuͤſte/ wen<lb/> er ihm zu ſeinem Herrn ausleſen ſolte; weil er<lb/> von vaͤterlicher Ankunfft zwar Ketteler ein<lb/> Chaſſuarier/ von der muͤtterlichẽ ein Cherusker;<lb/> ja dieſe zwey hohen Haͤuſer nicht nur aus einer<lb/> Wurtzel entſproſſen; ſondern iederzeit auch mit<lb/> einander hoͤchſt vertraͤulich geweſt waͤren. Nach<lb/> dem er aber zwiſchen ihnen itzt eine ſolche Ver-<lb/> bitterung verſpuͤrte/ und Segeſthes ſeine Toch-<lb/> ter lieber den Feinden Deutſchlands/ oder gar<lb/> der Hoͤllen aufzuopffern/ als einem ſo tapfferem<lb/> Fuͤrſten wie der Cheruskiſche waͤre/ zu vermaͤh-<lb/> len gedaͤchte; dieſe Zwietracht aber nichts an-<lb/> ders/ als eine Mutter beyderſeitigen Unter-<lb/> gangs ſeyn koͤnte; wolte er mit ſeinen Thraͤnen<lb/> ihm vorher die Augen ausbeitzen: daß ſie an de-<lb/> nen bereit ſchon vorgeſehenen Trauer-Faͤllen<lb/> nicht mehr Hertzeleidanſchauen muͤſten. Hertzog<lb/> Herꝛmañ lobte ſeine wolgemeinte Empfindlig-<lb/> keit; bemuͤhte ſich aber ihm die ſo traurige Ein-<lb/> bildung durch Vertroͤſtung: daß Hertzog Herr-<lb/> mañ mit Segeſthen alle Augenblicke ihre Zwi-<lb/> ſtigkeit bruͤderlich beylegen wolte/ auszureben.<lb/> Dieſer gute Alte ſeufzete/ wendete die Augen ge-<lb/> gen den Him̃el/ und fieng an: Wolte Gottldieſes<lb/> erfolgte alſo. Und wenn Hertzog Herꝛmañ dieſe<lb/> Meynung hat/ wuͤnſche ich: daß er Segeſthens<lb/> Tochter ehe ereile/ ehe ſie ihrem Vater wieder in<lb/> die Haͤnde kom̃t! Hertzog Herrmann fuhr fort/<lb/> meldende: Er ſolte an dem erſteꝛn keinen Zweifel<lb/> tragen/ wegen des letztern aber ihnen klaͤrere<lb/> Nachricht geben. Der Ritter antwortete: Jch<lb/> habe geſagt/ was ich weiß; ihr habt die gebaͤhnte<lb/> Straſſe fuͤr euch/ darauf man Thußnelden nach<lb/> <fw place="bottom" type="sig">Erſter Theil. C c c c c c c c</fw><fw place="bottom" type="catch">Henne-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1305[1307]/1371]
Arminius und Thußnelda.
ſet iſt/ mit dieſem gifftigen Waſſer ſich nicht be-
ſchaͤdigen ſolte. Er koͤnte ſich aber ſicher aus
dem andern geſunden Brunnen erquicken.
Herrmann folgte dieſer Anweiſung; und nach
dem er drey ſtarcke Trincke gethan/ weil dieſes
Quell ihn etwas kraͤfftigers/ als gemeines Waſ-
ſer zu haben bedeuchtete/ fragte er: wer ſie waͤre?
und woher ſie ihn fuͤr einen Erhalter der deut-
ſchen Freyheit erkennete? Sie meldete hierauf:
Jch bin der Schutz - Geiſt des Gabretiſchen
Gebuͤrges; und ſo gut ich weiß: daß du der
Cherusker Hertzog biſt; der du hier deine ver-
lohrne Braut ſucheſt/ ſo wenig iſt mir auch das
erſte verborgen; und du wirſt meine Wahrſa-
gung auch bey dem Tanfaniſchen Tempel in
Felſen eingeſchrieben finden. Kehre um/ und
ſaͤume dich nicht/ wo du deine geraubte wieder
zu haben verlangeſt. Nach dieſen Worten ver-
ſchwand diß Geſpenſte fuͤr Herrmanns Augen;
welchem die Haare hieruͤber zu Berge giengen;
Gleichwol machte er ſich mit ſeinem brennen-
den Kyne zuruͤcke/ und erreichte mit anbrechen-
dem Tage das inzwiſchen vom Fuͤrſten Jubil
geſchlagene Laͤger. Er ließ aber alſofort ein
Zeichen denen in dem Walde umbirrenden
Cheruskern geben ſich wieder einzufinden; und
erzehlte dem Fuͤrſten der Hermundurer zu ſei-
ner nichts minder groſſen Freude/ als Ver-
wunderung ſein ſeltzames Ebentheuer. Jubil
ſelbſt rieth: daß ſie der ſo denckwuͤrdigen Anlei-
tung des Verhaͤngnuͤßes/ welches auch dieblin-
den durch die gefaͤhrlichſten Strudel und die
verfuͤhriſchen Jrrwege gerade zu leitete/ folgen/
und mit denen ſchon in Bereitſchafft ſtehenden
Voͤlckern forteilen ſolten. Nach dem ſie nun
ihren Kriegs-Oberſten den Nachzug anbefoh-
len/ giengen beyde Hertzoge mit zweytauſend
außerleſenen Kriegs-Leuten voran; als ſie aber
etwan fuͤnff Meilweges hinter ſich gelegt/ er-
eilte der Vordrab einen Hauffen Fluͤchtiger a-
ber meiſt gefaͤhrlich verwundeter Caſſuarier/
unter denſelben war ein eyßgrauer alter Ritter/
der zwar fuͤr die Hertzoge gebracht ward/ aber
fuͤr uͤbermaͤßigen Thraͤnen kein Wort aufzu-
bringen wuſte. Nach dem ihm aber Hertzog
Herrmann uͤberaus gnaͤdig zuſprach/ und daß
er zwar nicht als ein Gefangener/ ſondern ſei-
nem Ritterſtande gemaͤß verhalten werden ſol-
te/ vertroͤſtete; fieng er an: Sein eigen Ungluͤck
waͤre ſein geringſter Kummer; in dem er unter
denen itzt zwiſtigen Hertzogen nicht wuͤſte/ wen
er ihm zu ſeinem Herrn ausleſen ſolte; weil er
von vaͤterlicher Ankunfft zwar Ketteler ein
Chaſſuarier/ von der muͤtterlichẽ ein Cherusker;
ja dieſe zwey hohen Haͤuſer nicht nur aus einer
Wurtzel entſproſſen; ſondern iederzeit auch mit
einander hoͤchſt vertraͤulich geweſt waͤren. Nach
dem er aber zwiſchen ihnen itzt eine ſolche Ver-
bitterung verſpuͤrte/ und Segeſthes ſeine Toch-
ter lieber den Feinden Deutſchlands/ oder gar
der Hoͤllen aufzuopffern/ als einem ſo tapfferem
Fuͤrſten wie der Cheruskiſche waͤre/ zu vermaͤh-
len gedaͤchte; dieſe Zwietracht aber nichts an-
ders/ als eine Mutter beyderſeitigen Unter-
gangs ſeyn koͤnte; wolte er mit ſeinen Thraͤnen
ihm vorher die Augen ausbeitzen: daß ſie an de-
nen bereit ſchon vorgeſehenen Trauer-Faͤllen
nicht mehr Hertzeleidanſchauen muͤſten. Hertzog
Herꝛmañ lobte ſeine wolgemeinte Empfindlig-
keit; bemuͤhte ſich aber ihm die ſo traurige Ein-
bildung durch Vertroͤſtung: daß Hertzog Herr-
mañ mit Segeſthen alle Augenblicke ihre Zwi-
ſtigkeit bruͤderlich beylegen wolte/ auszureben.
Dieſer gute Alte ſeufzete/ wendete die Augen ge-
gen den Him̃el/ und fieng an: Wolte Gottldieſes
erfolgte alſo. Und wenn Hertzog Herꝛmañ dieſe
Meynung hat/ wuͤnſche ich: daß er Segeſthens
Tochter ehe ereile/ ehe ſie ihrem Vater wieder in
die Haͤnde kom̃t! Hertzog Herrmann fuhr fort/
meldende: Er ſolte an dem erſteꝛn keinen Zweifel
tragen/ wegen des letztern aber ihnen klaͤrere
Nachricht geben. Der Ritter antwortete: Jch
habe geſagt/ was ich weiß; ihr habt die gebaͤhnte
Straſſe fuͤr euch/ darauf man Thußnelden nach
Henne-
Erſter Theil. C c c c c c c c
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1371 |
Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1305[1307]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1371>, abgerufen am 17.07.2024. |