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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] mann- und Quadischen Gräntz-Völckern jähr-
lich zwey tausend Pfund Silber als einen Sold
zu geben. Jn diesen sauern Apffel muste Ti-
berius beissen; weil die Grösse der Gefahr kei-
ne süssere Artzney vertrug. Wiewol dieser vom
Tiberius gemachte schlimme Anfang denen Rö-
mern hernach fast ein unauff hörliches Joch auf-
halsete/ denen Deutschen und andern Königen
den Frieden durch eine jährliche Schatzung/
welcher man den schönen Namender Geschen-
cke gab/ abzukauffen. Und ob zwar die Römer
sonst nicht gewohnt waren so linde Seiten auff-
zuziehen; verstand doch Tiberius all zuwol: daß
die Klugheit keine Sclavin der alten Art/ und
ein nicht geringer Aber glaube sey; wenn man die
Fußstapffen der Vorfahren anbetet/ und ausser
selbten nirgendswohin ohne Versinckung zu
treten vermeinet; und daß es ein Aberwitz
sey lieber auff der gebähnten Strasse des Zwe-
ckes fehlen/ als auff einer neuen denselben er-
reichen. Nichts minder hielt er sein/ wiewol
sonder einige vorragende Furcht geschehendes
Nach geben eben so wenig für einen Verlust/ als
die Einziehung der Segel beym Ungewitter;
massen denn mehrmahls sein Sprichwort war:
daß man von seinem Ansehen nicht so leicht et-
was einbüße/ wenn man nur seinen Zweck er-
reiche; und daß die Uberwindung durch Ge-
schickligkeit der Stärcke keinen Abbruch thue/
weniger ein Merckmahl der Schwäche sey.
Marbod hatte zu allem Glücke von Thußnel-
dens Entkommung und Leben noch keine Wis-
senschafft. Daher ihm des Tiberius Erbieten
nicht nur als ein Traum/ sondern/ ungeachtet
der an Marbod abgeschickte Paterculus diß
eusserst betheuerte/ als eine Erfindung seine
Kriegs-Macht auffzuhalten fürkam; biß den
vierdten Tag darauf Segesthes ihn versicherte:
daß Thußnelde nicht nur lebte; sondern/ nach
dem Tiberius sich alles Anspruchs auff sie ver-
ziehe/ trüge er selbte dem Marbod/ als ein
Band der Eintracht/ zwischen zwey so mächti-
[Spaltenumbruch] gen Völckern/ und als einen güldenen Apffel
des Friedens von neuem an. Sintemahl doch
zwischen hohen Häuptern die Zwistigkeiten
durch nichts mit grösser Ehre/ als durch Ver-
mählungen beygelegt würden; in dem diese in
Wahrheit rechte Ehren-Pforten wären aus
dem Jrrgarten eines entsponnenen Krieges zu
kommen; den man ohne Schaden offt nicht län-
ger führen/ und gleichwol ohne Verkleinerung
nicht abbrechen könte. Marbod/ ob er wol ei-
nen grossen Vortheil sahe den Römern Abbruch
zu thun; so erwog er doch: daß so viel mächtige
Völcker an ihnen den Kopff zerstossen hätten;
und es gleichsam einerley zu seyn schiene wieder
Rom oder das Verhängnüs sich auflehnen;
und daß er in seinem neuen Reiche unzehlbare
heimliche Feinde zu verwahren hätte. Jnson-
derheit aber hatte die Tug end und Schönheit
Thußneldens eine solche Würckungs-Krafft
über ihn erlanget: daß die Hoffnung ihres Be-
sitzthums bey ihm alles andere Absehen wie die
Sonne einen Nebel zu Bodem schlug. Denn
diese Fürstin ist in Warheit ein merck würdiges
Beyspiel: daß der Himmel gewissen Personen
eine verborgene Ober-Herrschafft über alle an-
dere Menschen einräumet; also: daß man in
ihnen gleichsam eine überirrdische Botmäßig-
keit/ welche mit einem Winck alle andere Ge-
setze unterbricht/ erkennen/ und denselben/ man
weiß selbst nicht warum/ als Königen von Na-
tur gehorsamen/ und als für Löwen sich demü-
thigen muß. Welcher Zwang am Marbod so
viel mehr wunderns werth war; weil weder sei-
ne Liebkosungen/ noch Segesthens Strengig-
keit über Thußneldens Abneigung eines Haa-
res breit Vortheil hatte erlangen können. Sin-
temahl die Hoffnung ein so unschätzbares Gut
zu erlangen eine solche Süßigkeit in sich hat:
daß sie ihr auch die Unmögligkeit zu überwün-
den träumen läst/ und hiermit im Wercke be-
stetigt: daß die Hoffnung ein Traum der Wa-
chenden/ und die Wollust der unglückseligen

sey.
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] mann- und Quadiſchen Graͤntz-Voͤlckern jaͤhr-
lich zwey tauſend Pfund Silber als einen Sold
zu geben. Jn dieſen ſauern Apffel muſte Ti-
berius beiſſen; weil die Groͤſſe der Gefahr kei-
ne ſuͤſſere Artzney vertrug. Wiewol dieſer vom
Tiberius gemachte ſchlimme Anfang denen Roͤ-
mern hernach faſt ein unauff hoͤrliches Joch auf-
halſete/ denen Deutſchen und andern Koͤnigen
den Frieden durch eine jaͤhrliche Schatzung/
welcher man den ſchoͤnen Namender Geſchen-
cke gab/ abzukauffen. Und ob zwar die Roͤmer
ſonſt nicht gewohnt waren ſo linde Seiten auff-
zuziehen; verſtand doch Tiberius all zuwol: daß
die Klugheit keine Sclavin der alten Art/ und
ein nicht geringer Aber glaube ſey; weñ man die
Fußſtapffen der Vorfahren anbetet/ und auſſer
ſelbten nirgendswohin ohne Verſinckung zu
treten vermeinet; und daß es ein Aberwitz
ſey lieber auff der gebaͤhnten Straſſe des Zwe-
ckes fehlen/ als auff einer neuen denſelben er-
reichen. Nichts minder hielt er ſein/ wiewol
ſonder einige vorragende Furcht geſchehendes
Nach geben eben ſo wenig fuͤr einen Verluſt/ als
die Einziehung der Segel beym Ungewitter;
maſſen denn mehrmahls ſein Sprichwort war:
daß man von ſeinem Anſehen nicht ſo leicht et-
was einbuͤße/ wenn man nur ſeinen Zweck er-
reiche; und daß die Uberwindung durch Ge-
ſchickligkeit der Staͤrcke keinen Abbruch thue/
weniger ein Merckmahl der Schwaͤche ſey.
Marbod hatte zu allem Gluͤcke von Thußnel-
dens Entkommung und Leben noch keine Wiſ-
ſenſchafft. Daher ihm des Tiberius Erbieten
nicht nur als ein Traum/ ſondern/ ungeachtet
der an Marbod abgeſchickte Paterculus diß
euſſerſt betheuerte/ als eine Erfindung ſeine
Kriegs-Macht auffzuhalten fuͤrkam; biß den
vierdten Tag darauf Segeſthes ihn verſicherte:
daß Thußnelde nicht nur lebte; ſondern/ nach
dem Tiberius ſich alles Anſpruchs auff ſie ver-
ziehe/ truͤge er ſelbte dem Marbod/ als ein
Band der Eintracht/ zwiſchen zwey ſo maͤchti-
[Spaltenumbruch] gen Voͤlckern/ und als einen guͤldenen Apffel
des Friedens von neuem an. Sintemahl doch
zwiſchen hohen Haͤuptern die Zwiſtigkeiten
durch nichts mit groͤſſer Ehre/ als durch Ver-
maͤhlungen beygelegt wuͤrden; in dem dieſe in
Wahrheit rechte Ehren-Pforten waͤren aus
dem Jrrgarten eines entſponnenen Krieges zu
kommen; den man ohne Schaden offt nicht laͤn-
ger fuͤhren/ und gleichwol ohne Verkleinerung
nicht abbrechen koͤnte. Marbod/ ob er wol ei-
nen groſſen Vortheil ſahe den Roͤmern Abbruch
zu thun; ſo erwog er doch: daß ſo viel maͤchtige
Voͤlcker an ihnen den Kopff zerſtoſſen haͤtten;
und es gleichſam einerley zu ſeyn ſchiene wieder
Rom oder das Verhaͤngnuͤs ſich auflehnen;
und daß er in ſeinem neuen Reiche unzehlbare
heimliche Feinde zu verwahren haͤtte. Jnſon-
derheit aber hatte die Tug end und Schoͤnheit
Thußneldens eine ſolche Wuͤrckungs-Krafft
uͤber ihn erlanget: daß die Hoffnung ihres Be-
ſitzthums bey ihm alles andere Abſehen wie die
Sonne einen Nebel zu Bodem ſchlug. Denn
dieſe Fuͤrſtin iſt in Warheit ein merck wuͤrdiges
Beyſpiel: daß der Himmel gewiſſen Perſonen
eine verborgene Ober-Herrſchafft uͤber alle an-
dere Menſchen einraͤumet; alſo: daß man in
ihnen gleichſam eine uͤberirrdiſche Botmaͤßig-
keit/ welche mit einem Winck alle andere Ge-
ſetze unterbricht/ erkennen/ und denſelben/ man
weiß ſelbſt nicht warum/ als Koͤnigen von Na-
tur gehorſamen/ und als fuͤr Loͤwen ſich demuͤ-
thigen muß. Welcher Zwang am Marbod ſo
viel mehr wunderns werth war; weil weder ſei-
ne Liebkoſungen/ noch Segeſthens Strengig-
keit uͤber Thußneldens Abneigung eines Haa-
res breit Vortheil hatte erlangen koͤnnen. Sin-
temahl die Hoffnung ein ſo unſchaͤtzbares Gut
zu erlangen eine ſolche Suͤßigkeit in ſich hat:
daß ſie ihr auch die Unmoͤgligkeit zu uͤberwuͤn-
den traͤumen laͤſt/ und hiermit im Wercke be-
ſtetigt: daß die Hoffnung ein Traum der Wa-
chenden/ und die Wolluſt der ungluͤckſeligen

ſey.
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1299[1301]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1365>, abgerufen am 07.05.2024.