Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Bürger zu bezeigen. So sehr diß Schreiben
den Tiberius vergnügte; so sehr bestürtzte ihn
eben selbigen Tag die einkommende Nachricht:
daß der Quaden König Vannius mit achtzig
tausend Mann über die Donau gesetzt/ und
Carnunt zu belägern vor hätte; Marbod aber
mit einem mächtigern Heere gegen die Vin-
delicher/ und mit einem andern sein Feldhaupt-
mann Bercka gegen den Meyn und Rhein im
Anzuge wäre. Denn dieser kluge und streit-
bare Fürst nahm den Verlust seiner Thußnelde
zwar nicht/ wie etliche/ die aus der Unempfind-
ligkeit Ehre suchen; noch wie ein Weichling/ des-
sen Thränen niemahls verseigen/ weibisch an;
sondern er suchte die Linderung seines Schmer-
tzens in dem Geräusche der Waffen; und nach
dem Beyspiele jenes Römers/ der eben den Tag
in den Rath kam/ als sein einiger Sohn gestor-
ben war/ seinen Trost in den Armen und in der
Schos des gemeinen Wesens zu holen. Tiberi-
us/ welcher bereit ein Schreiben gefertigt/ und
darinnen dem Segesthes befohlen hatte/ dem Her-
tzog Herrmann durch Gifft aus den Wege zu
räumen/ ward durch diese Zeitung gezwungen
eine gantz andere Farth zu erkiesen; wormit er
hierdurch nicht die Cherusker denen Caßuari-
ern oder gar den Römern auff den Hals hetzte.
Diesemnach er den Silius zum Segesthes
schickte/ zwischen ihm und dem Hertzog Herr-
mann einen Vergleich zu treffen/ und durch
des letztern Freyheit die Cherusker zu verknipf-
fen: daß sie nicht denen Marckmännern bey-
pflichteten/ noch den Segesthes an der verspro-
chenen Hülffs-Leistung hinderten. Gleich-
wol aber traute er weder einem noch dem an-
dern Deutschen; sondern befahl: daß sechtzig
tausend Gallier da und dort in Deutschland
zu Besetzung der Festungen am Rhein/ am
Meyn und an der Weser rücken solten; wor-
mit er die alten Besatzungen leichten und ge-
gen den Marbod ins Feld führen könte. Als
[Spaltenumbruch] Tiberius derogestalt mit seiner Zurüstung alle
Hände voll zuthun hatte; ward er durch eine
aus Jstria einlauffende Zeitung: daß nach de-
nen von dar gegen die Donau abgeführten
Legionen gantz Jllyricum wieder die Römer
die Waffen ergriffen hätte/ überaus erschre-
cket; und wenig Tage hernach dardurch fast
gantz entseelet: daß alle zwischen der Teiße und
Euxinischen und Adriatischen Meere gelege-
ne/ und mit dem Könige Marbod verbunde-
ne Völcker wieder die Römer auffgestanden/
und bereit über achtmahl hundert tausend
Männer im Anzuge wären/ theils denen in
Pannonien und Deutschland stehenden Rö-
mern in Rücken zu gehen/ theils in das Hertze
Jtaliens einzubrechen. Diese Gefahr wuchs
täglich mit allen neu-ankommenden Berich-
ten; und der Kayser selbst schrieb von Rom:
Es schiene: daß sich Himmel und Erde wieder
die Römer verschworen/ Rom auch nach der
Schlacht bey Canna nie in gefährlicherm
Stande gesteckt hätte. Der schlaue Tiberius
sahe wol: daß die Römischen Kräffte so vielen
Feinden die Stirne zu bieten zu ohnmächtig/
die Bunds-Genossen auch entweder zu
schwach wären; oder auch gar auff zwey Ach-
seln trügen; ja ins gemein das Gute nicht so
leicht theilhafftig/ als das Böse anfällig sey/
also er sein Heil dißmahl aus seinen Feinden/
wie kluge Aertzte die Genesung des Krancken
aus Giffte suchen müste. War also seine grö-
ste Sorge den grossen Stein der Marckmän-
ner von sich abzuwältzen; und durch Zertren-
nung der Feinde ihrer aller Meister zu werden.
Den König Marbod nun zu versöhnen/ war kein
besser Mittel zu erdencken/ als Thußnelde. Die-
ser aber sich selbst zu berauben schiene ihme em-
pfindlicher zu seyn/ als das Herz aus seinem Leibe
reissen lassen. Gleichwol überwog die Ehrsucht
in seiner Seele die Regung der Liebe/ und er
entschloß sich in dieser eussersten Noth ihm lie-

ber
Erster Theil. B b b b b b b b

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Buͤrger zu bezeigen. So ſehr diß Schreiben
den Tiberius vergnuͤgte; ſo ſehr beſtuͤrtzte ihn
eben ſelbigen Tag die einkommende Nachricht:
daß der Quaden Koͤnig Vannius mit achtzig
tauſend Mann uͤber die Donau geſetzt/ und
Carnunt zu belaͤgern vor haͤtte; Marbod aber
mit einem maͤchtigern Heere gegen die Vin-
delicher/ und mit einem andern ſein Feldhaupt-
mann Bercka gegen den Meyn und Rhein im
Anzuge waͤre. Denn dieſer kluge und ſtreit-
bare Fuͤrſt nahm den Verluſt ſeiner Thußnelde
zwar nicht/ wie etliche/ die aus der Unempfind-
ligkeit Ehre ſuchen; noch wie ein Weichling/ deſ-
ſen Thraͤnen niemahls verſeigen/ weibiſch an;
ſondern er ſuchte die Linderung ſeines Schmer-
tzens in dem Geraͤuſche der Waffen; und nach
dem Beyſpiele jenes Roͤmers/ der eben den Tag
in den Rath kam/ als ſein einiger Sohn geſtor-
ben war/ ſeinen Troſt in den Armen und in der
Schos des gemeinen Weſens zu holen. Tiberi-
us/ welcher bereit ein Schreiben gefertigt/ und
dariñen dem Segeſthes befohlẽ hatte/ dem Her-
tzog Herrmann durch Gifft aus den Wege zu
raͤumen/ ward durch dieſe Zeitung gezwungen
eine gantz andere Farth zu erkieſen; wormit er
hierdurch nicht die Cherusker denen Caßuari-
ern oder gar den Roͤmern auff den Hals hetzte.
Dieſemnach er den Silius zum Segeſthes
ſchickte/ zwiſchen ihm und dem Hertzog Herr-
mann einen Vergleich zu treffen/ und durch
des letztern Freyheit die Cherusker zu verknipf-
fen: daß ſie nicht denen Marckmaͤnnern bey-
pflichteten/ noch den Segeſthes an der verſpro-
chenen Huͤlffs-Leiſtung hinderten. Gleich-
wol aber traute er weder einem noch dem an-
dern Deutſchen; ſondern befahl: daß ſechtzig
tauſend Gallier da und dort in Deutſchland
zu Beſetzung der Feſtungen am Rhein/ am
Meyn und an der Weſer ruͤcken ſolten; wor-
mit er die alten Beſatzungen leichten und ge-
gen den Marbod ins Feld fuͤhren koͤnte. Als
[Spaltenumbruch] Tiberius derogeſtalt mit ſeiner Zuruͤſtung alle
Haͤnde voll zuthun hatte; ward er durch eine
aus Jſtria einlauffende Zeitung: daß nach de-
nen von dar gegen die Donau abgefuͤhrten
Legionen gantz Jllyricum wieder die Roͤmer
die Waffen ergriffen haͤtte/ uͤberaus erſchre-
cket; und wenig Tage hernach dardurch faſt
gantz entſeelet: daß alle zwiſchen der Teiße und
Euxiniſchen und Adriatiſchen Meere gelege-
ne/ und mit dem Koͤnige Marbod verbunde-
ne Voͤlcker wieder die Roͤmer auffgeſtanden/
und bereit uͤber achtmahl hundert tauſend
Maͤnner im Anzuge waͤren/ theils denen in
Pannonien und Deutſchland ſtehenden Roͤ-
mern in Ruͤcken zu gehen/ theils in das Hertze
Jtaliens einzubrechen. Dieſe Gefahr wuchs
taͤglich mit allen neu-ankommenden Berich-
ten; und der Kayſer ſelbſt ſchrieb von Rom:
Es ſchiene: daß ſich Himmel und Erde wieder
die Roͤmer verſchworen/ Rom auch nach der
Schlacht bey Canna nie in gefaͤhrlicherm
Stande geſteckt haͤtte. Der ſchlaue Tiberius
ſahe wol: daß die Roͤmiſchen Kraͤffte ſo vielen
Feinden die Stirne zu bieten zu ohnmaͤchtig/
die Bunds-Genoſſen auch entweder zu
ſchwach waͤren; oder auch gar auff zwey Ach-
ſeln truͤgen; ja ins gemein das Gute nicht ſo
leicht theilhafftig/ als das Boͤſe anfaͤllig ſey/
alſo er ſein Heil dißmahl aus ſeinen Feinden/
wie kluge Aertzte die Geneſung des Krancken
aus Giffte ſuchen muͤſte. War alſo ſeine groͤ-
ſte Sorge den groſſen Stein der Marckmaͤn-
ner von ſich abzuwaͤltzen; und durch Zertren-
nung der Feinde ihrer aller Meiſter zu werden.
Den Koͤnig Marbod nun zu verſoͤhnẽ/ war kein
beſſer Mittel zu erdencken/ als Thußnelde. Die-
ſer aber ſich ſelbſt zu berauben ſchiene ihme em-
pfindlicheꝛ zu ſeyn/ als das Heꝛz aus ſeinem Leibe
reiſſen laſſen. Gleichwol uͤberwog die Ehrſucht
in ſeiner Seele die Regung der Liebe/ und er
entſchloß ſich in dieſer euſſerſten Noth ihm lie-

ber
Erſter Theil. B b b b b b b b
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1363" n="1297[1299]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
Bu&#x0364;rger zu bezeigen. So &#x017F;ehr diß Schreiben<lb/>
den Tiberius vergnu&#x0364;gte; &#x017F;o &#x017F;ehr be&#x017F;tu&#x0364;rtzte ihn<lb/>
eben &#x017F;elbigen Tag die einkommende Nachricht:<lb/>
daß der Quaden Ko&#x0364;nig Vannius mit achtzig<lb/>
tau&#x017F;end Mann u&#x0364;ber die Donau ge&#x017F;etzt/ und<lb/>
Carnunt zu bela&#x0364;gern vor ha&#x0364;tte; Marbod aber<lb/>
mit einem ma&#x0364;chtigern Heere gegen die Vin-<lb/>
delicher/ und mit einem andern &#x017F;ein Feldhaupt-<lb/>
mann Bercka gegen den Meyn und Rhein im<lb/>
Anzuge wa&#x0364;re. Denn die&#x017F;er kluge und &#x017F;treit-<lb/>
bare Fu&#x0364;r&#x017F;t nahm den Verlu&#x017F;t &#x017F;einer Thußnelde<lb/>
zwar nicht/ wie etliche/ die aus der Unempfind-<lb/>
ligkeit Ehre &#x017F;uchen; noch wie ein Weichling/ de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Thra&#x0364;nen niemahls ver&#x017F;eigen/ weibi&#x017F;ch an;<lb/>
&#x017F;ondern er &#x017F;uchte die Linderung &#x017F;eines Schmer-<lb/>
tzens in dem Gera&#x0364;u&#x017F;che der Waffen; und nach<lb/>
dem Bey&#x017F;piele jenes Ro&#x0364;mers/ der eben den Tag<lb/>
in den Rath kam/ als &#x017F;ein einiger Sohn ge&#x017F;tor-<lb/>
ben war/ &#x017F;einen Tro&#x017F;t in den Armen und in der<lb/>
Schos des gemeinen We&#x017F;ens zu holen. Tiberi-<lb/>
us/ welcher bereit ein Schreiben gefertigt/ und<lb/>
darin&#x0303;en dem Sege&#x017F;thes befohle&#x0303; hatte/ dem Her-<lb/>
tzog Herrmann durch Gifft aus den Wege zu<lb/>
ra&#x0364;umen/ ward durch die&#x017F;e Zeitung gezwungen<lb/>
eine gantz andere Farth zu erkie&#x017F;en; wormit er<lb/>
hierdurch nicht die Cherusker denen Caßuari-<lb/>
ern oder gar den Ro&#x0364;mern auff den Hals hetzte.<lb/>
Die&#x017F;emnach er den Silius zum Sege&#x017F;thes<lb/>
&#x017F;chickte/ zwi&#x017F;chen ihm und dem Hertzog Herr-<lb/>
mann einen Vergleich zu treffen/ und durch<lb/>
des letztern Freyheit die Cherusker zu verknipf-<lb/>
fen: daß &#x017F;ie nicht denen Marckma&#x0364;nnern bey-<lb/>
pflichteten/ noch den Sege&#x017F;thes an der ver&#x017F;pro-<lb/>
chenen Hu&#x0364;lffs-Lei&#x017F;tung hinderten. Gleich-<lb/>
wol aber traute er weder einem noch dem an-<lb/>
dern Deut&#x017F;chen; &#x017F;ondern befahl: daß &#x017F;echtzig<lb/>
tau&#x017F;end Gallier da und dort in Deut&#x017F;chland<lb/>
zu Be&#x017F;etzung der Fe&#x017F;tungen am Rhein/ am<lb/>
Meyn und an der We&#x017F;er ru&#x0364;cken &#x017F;olten; wor-<lb/>
mit er die alten Be&#x017F;atzungen leichten und ge-<lb/>
gen den Marbod ins Feld fu&#x0364;hren ko&#x0364;nte. Als<lb/><cb/>
Tiberius deroge&#x017F;talt mit &#x017F;einer Zuru&#x0364;&#x017F;tung alle<lb/>
Ha&#x0364;nde voll zuthun hatte; ward er durch eine<lb/>
aus J&#x017F;tria einlauffende Zeitung: daß nach de-<lb/>
nen von dar gegen die Donau abgefu&#x0364;hrten<lb/>
Legionen gantz Jllyricum wieder die Ro&#x0364;mer<lb/>
die Waffen ergriffen ha&#x0364;tte/ u&#x0364;beraus er&#x017F;chre-<lb/>
cket; und wenig Tage hernach dardurch fa&#x017F;t<lb/>
gantz ent&#x017F;eelet: daß alle zwi&#x017F;chen der Teiße und<lb/>
Euxini&#x017F;chen und Adriati&#x017F;chen Meere gelege-<lb/>
ne/ und mit dem Ko&#x0364;nige Marbod verbunde-<lb/>
ne Vo&#x0364;lcker wieder die Ro&#x0364;mer auffge&#x017F;tanden/<lb/>
und bereit u&#x0364;ber achtmahl hundert tau&#x017F;end<lb/>
Ma&#x0364;nner im Anzuge wa&#x0364;ren/ theils denen in<lb/>
Pannonien und Deut&#x017F;chland &#x017F;tehenden Ro&#x0364;-<lb/>
mern in Ru&#x0364;cken zu gehen/ theils in das Hertze<lb/>
Jtaliens einzubrechen. Die&#x017F;e Gefahr wuchs<lb/>
ta&#x0364;glich mit allen neu-ankommenden Berich-<lb/>
ten; und der Kay&#x017F;er &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chrieb von Rom:<lb/>
Es &#x017F;chiene: daß &#x017F;ich Himmel und Erde wieder<lb/>
die Ro&#x0364;mer ver&#x017F;chworen/ Rom auch nach der<lb/>
Schlacht bey Canna nie in gefa&#x0364;hrlicherm<lb/>
Stande ge&#x017F;teckt ha&#x0364;tte. Der &#x017F;chlaue Tiberius<lb/>
&#x017F;ahe wol: daß die Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Kra&#x0364;ffte &#x017F;o vielen<lb/>
Feinden die Stirne zu bieten zu ohnma&#x0364;chtig/<lb/>
die Bunds-Geno&#x017F;&#x017F;en auch entweder zu<lb/>
&#x017F;chwach wa&#x0364;ren; oder auch gar auff zwey Ach-<lb/>
&#x017F;eln tru&#x0364;gen; ja ins gemein das Gute nicht &#x017F;o<lb/>
leicht theilhafftig/ als das Bo&#x0364;&#x017F;e anfa&#x0364;llig &#x017F;ey/<lb/>
al&#x017F;o er &#x017F;ein Heil dißmahl aus &#x017F;einen Feinden/<lb/>
wie kluge Aertzte die Gene&#x017F;ung des Krancken<lb/>
aus Giffte &#x017F;uchen mu&#x0364;&#x017F;te. War al&#x017F;o &#x017F;eine gro&#x0364;-<lb/>
&#x017F;te Sorge den gro&#x017F;&#x017F;en Stein der Marckma&#x0364;n-<lb/>
ner von &#x017F;ich abzuwa&#x0364;ltzen; und durch Zertren-<lb/>
nung der Feinde ihrer aller Mei&#x017F;ter zu werden.<lb/>
Den Ko&#x0364;nig Marbod nun zu ver&#x017F;o&#x0364;hne&#x0303;/ war kein<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er Mittel zu erdencken/ als Thußnelde. Die-<lb/>
&#x017F;er aber &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zu berauben &#x017F;chiene ihme em-<lb/>
pfindliche&#xA75B; zu &#x017F;eyn/ als das He&#xA75B;z aus &#x017F;einem Leibe<lb/>
rei&#x017F;&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en. Gleichwol u&#x0364;berwog die Ehr&#x017F;ucht<lb/>
in &#x017F;einer Seele die Regung der Liebe/ und er<lb/>
ent&#x017F;chloß &#x017F;ich in die&#x017F;er eu&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ten Noth ihm lie-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Er&#x017F;ter Theil. B b b b b b b b</fw><fw place="bottom" type="catch">ber</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1297[1299]/1363] Arminius und Thußnelda. Buͤrger zu bezeigen. So ſehr diß Schreiben den Tiberius vergnuͤgte; ſo ſehr beſtuͤrtzte ihn eben ſelbigen Tag die einkommende Nachricht: daß der Quaden Koͤnig Vannius mit achtzig tauſend Mann uͤber die Donau geſetzt/ und Carnunt zu belaͤgern vor haͤtte; Marbod aber mit einem maͤchtigern Heere gegen die Vin- delicher/ und mit einem andern ſein Feldhaupt- mann Bercka gegen den Meyn und Rhein im Anzuge waͤre. Denn dieſer kluge und ſtreit- bare Fuͤrſt nahm den Verluſt ſeiner Thußnelde zwar nicht/ wie etliche/ die aus der Unempfind- ligkeit Ehre ſuchen; noch wie ein Weichling/ deſ- ſen Thraͤnen niemahls verſeigen/ weibiſch an; ſondern er ſuchte die Linderung ſeines Schmer- tzens in dem Geraͤuſche der Waffen; und nach dem Beyſpiele jenes Roͤmers/ der eben den Tag in den Rath kam/ als ſein einiger Sohn geſtor- ben war/ ſeinen Troſt in den Armen und in der Schos des gemeinen Weſens zu holen. Tiberi- us/ welcher bereit ein Schreiben gefertigt/ und dariñen dem Segeſthes befohlẽ hatte/ dem Her- tzog Herrmann durch Gifft aus den Wege zu raͤumen/ ward durch dieſe Zeitung gezwungen eine gantz andere Farth zu erkieſen; wormit er hierdurch nicht die Cherusker denen Caßuari- ern oder gar den Roͤmern auff den Hals hetzte. Dieſemnach er den Silius zum Segeſthes ſchickte/ zwiſchen ihm und dem Hertzog Herr- mann einen Vergleich zu treffen/ und durch des letztern Freyheit die Cherusker zu verknipf- fen: daß ſie nicht denen Marckmaͤnnern bey- pflichteten/ noch den Segeſthes an der verſpro- chenen Huͤlffs-Leiſtung hinderten. Gleich- wol aber traute er weder einem noch dem an- dern Deutſchen; ſondern befahl: daß ſechtzig tauſend Gallier da und dort in Deutſchland zu Beſetzung der Feſtungen am Rhein/ am Meyn und an der Weſer ruͤcken ſolten; wor- mit er die alten Beſatzungen leichten und ge- gen den Marbod ins Feld fuͤhren koͤnte. Als Tiberius derogeſtalt mit ſeiner Zuruͤſtung alle Haͤnde voll zuthun hatte; ward er durch eine aus Jſtria einlauffende Zeitung: daß nach de- nen von dar gegen die Donau abgefuͤhrten Legionen gantz Jllyricum wieder die Roͤmer die Waffen ergriffen haͤtte/ uͤberaus erſchre- cket; und wenig Tage hernach dardurch faſt gantz entſeelet: daß alle zwiſchen der Teiße und Euxiniſchen und Adriatiſchen Meere gelege- ne/ und mit dem Koͤnige Marbod verbunde- ne Voͤlcker wieder die Roͤmer auffgeſtanden/ und bereit uͤber achtmahl hundert tauſend Maͤnner im Anzuge waͤren/ theils denen in Pannonien und Deutſchland ſtehenden Roͤ- mern in Ruͤcken zu gehen/ theils in das Hertze Jtaliens einzubrechen. Dieſe Gefahr wuchs taͤglich mit allen neu-ankommenden Berich- ten; und der Kayſer ſelbſt ſchrieb von Rom: Es ſchiene: daß ſich Himmel und Erde wieder die Roͤmer verſchworen/ Rom auch nach der Schlacht bey Canna nie in gefaͤhrlicherm Stande geſteckt haͤtte. Der ſchlaue Tiberius ſahe wol: daß die Roͤmiſchen Kraͤffte ſo vielen Feinden die Stirne zu bieten zu ohnmaͤchtig/ die Bunds-Genoſſen auch entweder zu ſchwach waͤren; oder auch gar auff zwey Ach- ſeln truͤgen; ja ins gemein das Gute nicht ſo leicht theilhafftig/ als das Boͤſe anfaͤllig ſey/ alſo er ſein Heil dißmahl aus ſeinen Feinden/ wie kluge Aertzte die Geneſung des Krancken aus Giffte ſuchen muͤſte. War alſo ſeine groͤ- ſte Sorge den groſſen Stein der Marckmaͤn- ner von ſich abzuwaͤltzen; und durch Zertren- nung der Feinde ihrer aller Meiſter zu werden. Den Koͤnig Marbod nun zu verſoͤhnẽ/ war kein beſſer Mittel zu erdencken/ als Thußnelde. Die- ſer aber ſich ſelbſt zu berauben ſchiene ihme em- pfindlicheꝛ zu ſeyn/ als das Heꝛz aus ſeinem Leibe reiſſen laſſen. Gleichwol uͤberwog die Ehrſucht in ſeiner Seele die Regung der Liebe/ und er entſchloß ſich in dieſer euſſerſten Noth ihm lie- ber Erſter Theil. B b b b b b b b

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1363
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1297[1299]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1363>, abgerufen am 07.05.2024.